Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/280 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung Welches Konzept hat die Landesregierung, um Antisemitismus in staatlich geförderten Beratungsstellen zu unterbinden? Anfrage des Abgeordneten Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegangen am 08.01.2018 - Drs. 18/139 an die Staatskanzlei übersandt am 16.01.2018 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 12.02.2018, gezeichnet Barbara Havliza Vorbemerkung des Abgeordneten Nach einem Artikel des Politjournals Rundblick soll ein leitender Angestellter der Service- und Beratungsstelle gegen Radikalisierung und Demokratiefeindlichkeit in Hildesheim während seiner damaligen Tätigkeit an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) unter Antisemitismusverdacht geraten sein. Hintergrund waren Bilder mit antisemitischen Inhalten auf seiner Facebook -Seite. Der Träger der Service- und Beratungsstelle ist die Caritas Hildesheim. Das Justizministerium fördert die Servicestelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben“ in diesem und im nächsten Jahr mit jeweils 55 000 Euro. Bei der Caritas Hildesheim seien die früheren Facebook- Aktivitäten des Mitarbeiters bislang nicht bekannt gewesen. Erst durch Medienanfragen wurde der Arbeitgeber darauf aufmerksam, so der Rundblick. Vorbemerkung der Landesregierung Die Mittel für das Projekt RADIUS der Caritas in Hildesheim stammen aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und werden durch das Niedersächsische Landes-Demokratiezentrum beim Landespräventionsrat Niedersachsen (Niedersächsisches Justizministerium) in Form einer Zuwendung an freie Träger der Zivilgesellschaft weitergeleitet. Die Anlaufstelle RADIUS ist Teil eines Modellvorhabens des Landes- Demokratiezentrums zum Aufbau und zur Vernetzung regionaler Präventions- und Anlaufstellen gegen religiös begründete Radikalisierung, Islam- sowie Demokratiefeindlichkeit. Das Modellvorhaben hat zum Ziel, die lokale Präventionsarbeit gegen religiös begründete Radikalisierung, Islamfeindlichkeit , Demokratiefeindlichkeit und Antisemitismus zu stärken. Dementsprechend umfassen die Aufgaben von RADIUS die Koordination von Angeboten und Veranstaltungen , die Netzwerkarbeit in Stadt und Landkreis sowie die Vernetzung mit der Landesebene , die Erarbeitung und Durchführung von Multiplikatoren-Workshops und von Fachvorträgen /-tagen sowie die Durchführung eines ersten Clearings und die Vermittlung von einzelfallbezogenen Hilfen für betroffene bzw. gefährdete Jugendliche und ihr familiäres wie soziales Umfeld. Vor dem Hintergrund der sich anhaltend dynamisch entwickelnden salafistischen Szene in Niedersachsen im Allgemeinen und der Betroffenheit Hildesheims im Besonderen ist die Arbeit der Beratungsstelle auf lokaler und kommunaler Ebene ein wichtiger Bestandteil für die erfolgreiche Prävention von Radikalisierungsprozessen und ein zentraler Schritt zur strukturellen Förderung der Islamismusprävention in Niedersachsen. Aus Sicht der Landesregierung gilt grundsätzlich, dass Äußerungen oder Darstellungen, die auf die Abwertung Einzelner oder ganzer Gruppen zielen, in keine Richtung toleriert werden. Dies gilt in Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/280 2 besonderem Maße hinsichtlich antisemitischer Äußerungen und Darstellungen. Zugleich bedarf es stets einer Einzelfallprüfung, wenn entsprechende Vorwürfe im Raum stehen. Wie in allen Belangen dieser Arbeit gilt, dass Personalentscheidungen im Einklang mit den Förderleitlinien des Bundesprogramms zu erfolgen haben. Gleichwohl obliegen die Personalentscheidungen dem Caritasverband. 1. Wann hatte die Landesregierung Kenntnis von dem Sachverhalt, und wie bewertet die Landesregierung diesen? Der beim Justizministerium angesiedelte Landespräventionsrat wurde erstmals am 03.01.2018 durch den Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Hildesheim e. V. über den Sachverhalt informiert. Von Mittelempfängern und Kooperationspartnern sowie von ihren jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird seitens der Landesregierung erwartet, dass die Grundsätze der freiheitlich demokratischen Grundordnung eingehalten werden und die Arbeit für Demokratie und gegen menschenfeindliche Äußerungen - vor allem bezüglich des Antisemitismus - stets auch im Bewusstsein für das besondere Verhältnis Deutschlands zum Staat Israel stattfindet. 2. Wie beabsichtigt die Landesregierung sicherzustellen, dass in der staatlich finanzierten Beratung keine antisemitischen Haltungen gefördert und geduldet werden? Einleitend sei auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. Die Landesregierung hat gegenüber dem Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Hildesheim e. V. deutlich gemacht, dass antisemitische Haltungen keinerlei Duldung erfahren können und werden. Im vorliegenden Fall hat die Landesregierung zudem darauf hingewiesen, dass es sich aus ihrer Sicht um diesbezüglich schwerwiegende Vorwürfe handelt, welche eine weitere Kooperation unmöglich gemacht hätten, sofern vonseiten des Caritasverbands für die Stadt und den Landkreis Hildesheim e. V. an dem betroffenen Mitarbeiter an der entsprechenden Stelle festgehalten worden wäre. Über diese klare Positionierung der Landesregierung hinaus, schließt auch die durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgegebene Förderleitlinie des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ eine Förderung oder Duldung antisemitischer Haltungen aus. Die Förderleitlinie ist Bestandteil des Zuwendungsbescheides. Hierin heißt es u. a.: „Vereine, Projekte und Initiativen werden unterstützt, die sich der Förderung von Demokratie und Vielfalt widmen und insbesondere gegen Rechtsextremismus und Phänomene gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie z. B. Rassismus und Antisemitismus arbeiten. Darüber hinaus können auch andere Formen von Demokratie- und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, von politisierter oder vorgeblich politisch bzw. vorgeblich religiös legitimierter Gewalt, von Hass und politischer Radikalisierung Gegenstand präventiver Arbeit und damit Gegenstand der Förderung durch das Bundesprogramm sein.“ (Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“, Förderung von Demokratiezentren zur landesweiten Koordinierung und Vernetzung sowie von Mobiler, Opfer- und Ausstiegsberatung, Leitlinie Förderbereich B, in der aktualisierten Fassung vom 01.11.2016, S. 2) Weiterführend legt die Förderleitlinie fest: „Die geförderten Träger (…) haben sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekennen und eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit zu gewährleisten.“ (ebd. S. 13) Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung fördert im Rahmen der „Richtlinie Demokratie und Toleranz“ Maßnahmen, die Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft entgegenwirken und ein Zeichen gegen Rechtsextremismus, Rassismus sowie Antisemitismus und/oder für Demokratie und Toleranz setzen. Auch dadurch wird ausdrücklich sichergestellt , dass keine antisemitischen Haltungen gefördert und geduldet werden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/280 3 3. Beabsichtigt die Landesregierung, nach diesem Vorfall Änderungen in der Beratungsförderung vorzunehmen? Nein. Die in den Vorbemerkungen der Landesregierung und in der Beantwortung der Fragen 1 und 2 dargestellte klare Positionierung der Landesregierung gegenüber Antisemitismus und jedweder anderer Form von menschenfeindlichen Äußerungen stellen zuzüglich der im betroffenen Fall geltenden Förderleitlinie des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ den geeigneten Rahmen dar, um bereits bei Hinweisen auf entsprechende Haltungen angemessen und unverzüglich reagieren zu können. Der Umgang der Landesregierung mit dem der Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung zugrunde liegenden Fall verdeutlicht dies. Gleichwohl bedarf es bei diesem und vergleichbaren Projekten aufgrund der Bedeutsamkeit der Thematik einer engen Abstimmung zwischen dem Fördergeber (bzw. der weiterleitenden Stelle) und dem Projektträger, um eine angemessene Durchführung in jedem Falle sicherzustellen. Im konkreten vorliegenden Kontext des Modellvorhabens, dessen Bestandteil RADIUS ist, wird die Gewährleistung einer entsprechend engen Abstimmung durch das Landes-Demokratiezentrum am Landespräventionsrat Niedersachsen mittels verschiedener Maßnahmen sichergestellt. Hierzu gehören neben einer offenen Kommunikationskultur und stetem, vertrauensvollem Austausch zwischen den Projektbeteiligten insbesondere regelmäßige Vernetzungstreffen (dreimal jährlich) in den Räumen des Landespräventionsrats. Diese dienen u. a. dem wechselseitigen Erfahrungsaustausch , der Vermittlung aktuellen Wissensstands zu den einschlägigen Themenfeldern sowohl durch das Demokratiezentrum selbst als auch durch weitere Präventionsakteure sowie wissenschaftliche Expertinnen und Experten, und damit insgesamt der Qualitätssicherung der Präventionsarbeit im sensiblen Feld der Radikalisierungs- und Extremismusprävention. (Verteilt am 13.02.2018) Drucksache 18/280 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums Welches Konzept hat die Landesregierung, um Antisemitismus in staatlich geförderten Be-ratungsstellen zu unterbinden?