Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2825 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Imke Byl und Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Wie ist die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung im Umweltschutz aktuell und in Zukunft geregelt ? Anfrage der Abgeordneten Imke Byl und Belit Onay (GRÜNE), eingegangen am 15.01.2019 - Drs. 18/2590 an die Staatskanzlei übersandt am 17.01.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 12.02.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung im Umweltschutz bezieht sich u. a. auf die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. Diese Aufgaben wurden in der Vergangenheit grundsätzlich von allen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten zunächst wahrgenommen. Zusätzlich wurden für herausragende Umweltschutzdelikte eine spezielle Sachbearbeitung Gefahrenabwehr/Umweltschutz eingerichtet und Tatortermittlungsgruppen Umwelt (TEGU) fest in den Polizeiinspektionen installiert. Die Polizeiinspektion Wolfsburg verfügte über eine Tatortermittlungsgruppe Umwelt, die in Umweltstraftaten ermittelte und Tatorte mit entsprechendem Fachwissen und Spezialausrüstung dokumentierte. Diese Spezialeinheit war für den Landkreis Gifhorn, die Stadt Wolfsburg und den Landkreis Helmstedt zuständig. Vorbemerkung der Landesregierung Im Bereich Umweltschutz verfügt das Land Niedersachsen bei den Landkreisen und kreisfreien Städten über gut aufgestellte und gut ausgestattete Verwaltungsbehörden, die für die Abwehr von Gefahren in diesem Kontext, aber auch für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten originär zuständig sind. Die Polizei ist hierbei nur subsidiär zuständig, soweit es sich im Wesentlichen nicht um Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verfolgung von Straftaten und der Erforschung von Ordnungswidrigkeiten handelt. Mit der Neuorganisation der Polizei des Landes Niedersachsen im Jahr 2004 wurden in den regionalen Polizeidirektionen Braunschweig, Göttingen, Lüneburg, Osnabrück und Oldenburg jeweils eine „Technischen Ermittlungsgruppe Umwelt (TEGU)“ als Aufrufeinheit eingerichtet. Eine „Tatortermittlungsgruppe Umwelt“, „Spezialeinheit“ oder „spezialisierte Ermittlungsgruppe“ existiert in Niedersachsen ebenso wenig wie eine organisatorische Verortung der TEGU bei Polizeiinspektionen besteht. Des Weiteren verfügte die Polizeiinspektion Wolfsburg/Helmstedt nicht über eine „Tatortermittlungsgruppe “, sondern vielmehr war dort die TEGU der PD Braunschweig, die für den gesamten Bereich der PD Braunschweig zuständig war, aus räumlichen Gründen untergebracht. Die TEGU waren in der Folge in die ABC1-Abwehrstrategie des Landes Niedersachsen integriert und arbeiteten eng mit dem Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA NI) und weiteren Fachbehörden wie dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), der in Niedersachsen im Bereich Strahlenschutz wichtige Kompetenzen und Zuständigkeiten aufweist, sowie dem Niedersächsischen Landesgesundheitsamt zusammen. Hierbei wurden 1 Abkürzung für „atomar, biologisch und chemisch““ Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2825 2 u. a. Themenfelder wie Umgang mit Gefahrstoffen, Umweltkriminalität, Gefahrgutüberwachung, Abfalldelikte , Ermittlung von Drogenplantagen, Tierseuchenbekämpfung, Strahlenschutz und Störfallbetriebe bedient. Die Aufgabenwahrnehmung im Bereich Umweltschutz bei der Polizei des Landes Niedersachsen obliegt grundsätzlich allen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten (PVB). In den TEGU wurde lediglich eine besondere Fachexpertise vorgehalten, um Sachverhalte detaillierter und umfangreicher aufnehmen und die ermittelnden PVB entsprechend unterstützen zu können. Daher wurden die TEGU temporär hinzugezogen, soweit weitergehende fachliche Bewertungen, spezielle Techniken zur Beweissicherung oder besondere Eigensicherungsmaßnahmen erforderlich waren. Diese Kräfte waren allerdings als Aufrufeinheit organisiert und übten diese Tätigkeiten neben der alltäglichen Dienstverrichtung in deren originären Organisationseinheiten aus. Zur Beratung, Planung und Koordinierung der Aufgaben sowie zur Aus- und Fortbildung im Bereich Umweltschutz und für die Bearbeitung von Grundsatzangelegenheiten sind in den sechs regionalen Polizeidirektionen sowie bei Polizeiinspektionen jeweils die Dienstposten „Sachbearbeiter/-innen Gefahrenabwehr/Umweltschutz“ eingerichtet. Weiteres Fachpersonal für strafrechtliche Ermittlungen ist in den jeweiligen Kriminal- und Ermittlungsdiensten und Zentralen Kriminaldiensten vorhanden . Das LKA NI kann zudem bei Fällen von besonderer Bedeutung oder bei denen eine zentrale Bearbeitung geboten ist, eine Zentralstellenfunktion ausüben und die Sachbearbeitung übernehmen. In Fällen des Umgangs mit radioaktiven Stoffen liegt die ausschließliche Zuständigkeit beim LKA NI. Darüber hinaus unterstützt das LKA NI die regionalen Polizeidirektionen durch die Bereitstellung und den Einsatz von besonders qualifiziertem Personal sowie spezieller Technik (z. B. mit mobiler wissenschaftlicher Analysetechnik). Aufgaben auf den von Seeschiffen befahrenen Binnengewässern, dem Küstenmeer und der Hohen See nimmt die Wasserschutzpolizei wahr. In der Wasserschutzpolizeiinspektion Niedersachsen sind alle PVB sowie der Sachbearbeiter Gefährliche Güter/Umweltschutz/Schiffsverkehr mit Aufgaben im Umweltschutzbereich betraut. Die Mitteilung der EU-Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 24. Juni 2009 über die Stärkung der chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Sicherheit in der Europäischen Union in Form des CBRN2-Aktionsplan der EU entfaltete Auswirkungen auf die Polizei Niedersachsen. Zudem erforderte das neue EU-Konzept für die Aufdeckung und Eindämmung von CBRNE3-Gefahren, in Form einer Ergänzung zum bestehenden CBRN-Aktionsplan (CBRNE- Agenda) vom 18. Oktober 2017 die weitergehende Wahrnehmung von Maßnahmen, die sich aus dem CBRN-Aktionsplan sowie der CBRNE-Agenda ergeben, sicherzustellen. Die für die zweckmäßige und erfolgreiche Erfüllung der durch den CBRN-Aktionsplan und die CBRNE-Agenda veränderten Aufgaben erforderten aufgrund der sehr hohen fachlichen Anforderungen im Jahr 2018 eine weitergehende Organisationsanpassung in Form der Bündelung der Kompetenzen (CBRNE und TEGU) bei der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen (ZPD NI), die sich derzeit in Umsetzung befindet. Durch eine Zusammenführung der Führungs- und Einsatzmittel sowie der Kompetenzen CBRN in einer Behörde soll eine landesweit harmonisierte, standardisierte und konzentrierte Bearbeitung von Einsatzlagen mit CBRN-Bezug gewährleistet werden. Die regionalen Polizeidirektionen werden entsprechend entlastet und die Aufgaben der TEGU seit Juli 2018 sukzessive in die Zuständigkeit der ZPD NI überführt. Aktuell werden Beschulungsmaßnahmen und der Aufbau der Standorte der „Technischen Trupps CBRN“ der ZPD NI durchgeführt. Diese Trupps gewährleisten zukünftig sowohl die Abdeckung der Anforderungen des CBRN-Aktionsplans sowie der CBRNE-Agenda und nehmen die Kernaufgaben der bisherigen TEGU wahr. Eine Unterstützung durch die CBRN-Fachberatung des LKA NI ist sichergestellt . 2 Abkürzung für „chemisch, biologisch, radiologisch und nuklear. Der Ausdruck CBRN ersetzt dabei die früher ausschließlich verwendete Formulierung ABC. 3 Abkürzung für „chemisch, biologisch, radiologisch, nuklear und explosiv“ Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2825 3 Bis zur endgültigen landesweiten Einsatzfähigkeit der „Technischen Trupps CBRN“ der ZPD NI deckt die TEGU der PD Oldenburg dem Bedarf entsprechend mögliche Einsätze einer TEGU landesweit ab. Auf Basis der seit 2004 gesammelten Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Bedarf des Einsatzes einer TEGU ist zu erwarten, dass mit dieser Zentralisierung eine völlig den Erfordernissen entsprechende organisatorische Lösung besteht. Mit dieser Zuständigkeitsverlagerung in die ZPD NI ist künftig eine flexible, mobile, fachlich optimale und bedarfsgerechte Wahrnehmung bei hoher Professionalität gewährleistet. 1. Wie ist die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung in Bezug auf Umweltschutz in der Polizei in Niedersachsen geregelt? Siehe Vorbemerkung. 2. Wann und mit welcher Begründung wurde die spezialisierte Ermittlungsgruppe eingerichtet ? Siehe Vorbemerkung. 3. In welchen Polizeidirektionen und Polizeiinspektionen sind spezialisierte Ermittlungsgruppen und/oder ausschließlich bzw. teilweise zuständige Beamtinnen und Beamte mit jeweils wie vielen Personen eingesetzt? In der PD Oldenburg sind derzeit noch 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen nachgeordneten Polizeiinspektionen sowie zwei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wasserschutzpolizeiinspektion als fachberatende Mitglieder in der TEGU. In der ZPD NI ist an den Standorten Braunschweig und Oldenburg je ein „Technischer Trupp CBRN“ mit sechs PVB vorgesehen. Alle PVB werden sachverhaltsabhängig temporär eingesetzt (Aufrufeinheit). Im Übrigen siehe Beantwortung zu Frage 9. 4. Für welchen jeweiligen Einzugsbereich sind die Tatortermittlungsgruppen Umwelt zuständig ? Die TEGU waren für den Bereich ihrer jeweiligen Polizeidirektion zuständig. Bis zur Herstellung der landesweiten Einsatzfähigkeit der „Technischen Trupps CBRN“ der ZPD NI deckt die TEGU der PD Oldenburg entsprechend mögliche Bedarfe einer TEGU landesweit ab. 5. Welches konkrete Arbeits- und Aufgabenprofil haben die spezialisierten Ermittlungsgruppe und sonstige Beamtinnen und Beamte, die mit Umweltschutz befasst sind? Die grundsätzlichen Aufgaben einer TEGU können im Wesentlichen wie folgt beschrieben werden: – Maßnahmen zur Sicherung vor CBRN-Gefahren, gegebenenfalls auch für weitere eingesetzte Kräfte, – Beweissicherung/Tatortaufnahme an Tatorten mit kontaminierten Bereichen oder Bereichen, die ein Handeln mit kontaminierten Gegenständen erforderlich machen (z. B. nach Bränden, Explosionen , Austritt von Gefahrstoffen, unerlaubter Besitz/Handel mit radioaktiven, biologischen oder chemischen Substanzen), – Probenentnahmen in lebensfeindlicher Umgebung, – Begleitung von Nukleartransporten, Strahlendosisdokumentation, Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2825 4 – Unterstützung der Sachbearbeitung und Einsatzleitung im Rahmen der gefahrengeneigten Beweisführung , – Eigensicherungsmaßnahmen und Beweissicherung bei Gefahrgutunfällen, – Mitwirkung bei der Überwachung des gefahrenbezogenen Schwerlastverkehrs im Rahmen der Regionalgruppenkontrollen, – Mitwirkung in Ermittlungsgruppen, – Zusammenarbeit mit der Feuerwehr und sonstigen Hilfsdiensten zur Gefahrenabwehr in Schadensfällen mit Umweltschadstoffen, – Fachberatung des polizeilichen Einsatzleiters, – Unterstützung bei größeren Schadensereignissen und Katastrophen, – schnellstmögliche Gefahrenermittlung/Schadensfeststellung in der Besonderen Aufbauorganisation , – Interne und externe Öffentlichkeitsarbeit über die Einsatzmöglichkeiten der TEGU. Diese Aufgaben werden künftig der ZPD NI übertragen. Die landesweiten Aufgaben der CBRN-Fachberatung des LKA NI zur Unterstützung der Behörden bei der fachlichen Koordination i. Z. m. CBRN-Aspekten bei Gefahrenabwehr, Strafverfolgung und Kriminaltechnik umfassen: – Beratung zu speziellen Einsatzmitteln und einzusetzenden speziell ausgebildeten Kräften, – Beratung i. Z. m. Ermittlungen sowie zur Einsatzvorbereitung, – Empfehlung zur Anforderung sowie regelmäßiger Austausch mit weiteren unterstützenden Einrichtungen und Behörden, wie z. B. Niedersächsischem Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, Landesgesundheitsamt, Robert-Koch-Institut, ff., – Beratung bei der Beschaffung von Einsatzmitteln i. Z. m. der CBRN-Thematik, – Mitwirkung in Bund-Länder-Gremien zur CBRN-Problematik. 6. Wie werden die (auch) mit dem Ermittlungsbereich Umweltschutz eingesetzte Beamtinnen und Beamten in den PIs oder den Tatortermittlungsgruppen auf ihre Aufgaben vorbereitet und fortgebildet? Die fachlich zuständigen PVB werden in mehreren zentralen und dezentralen Lehrgängen fortgebildet . Die auch im Ermittlungsbereich Umweltschutz eingesetzten PVB der WSPI werden zentral an der WSP-Schule in Hamburg aus- und fortgebildet. 7. In wie vielen Fällen haben die Tatortermittlungsgruppen Umwelt in den vergangenen fünf Jahren ermittelt? Bitte aufschlüsseln nach den Tatortermittlungsgruppen und Jahren . Die TEGU waren nicht für die Sachbearbeitung von Delikten gegen die Umwelt zuständig. Die Sachbearbeitung von Umweltdelikten erfolgt gemäß Zuständigkeitserlass4 auf Ebene der Polizeikommissariate und Polizeistationen, qualifizierte Delikte werden durch die Zentralen Kriminaldienste bearbeitet. Die TEGU führte ausschließlich unterstützend die spezialisierte Tatortarbeit, Beweissicherung und Unterstützungsleistungen technischer sowie beratender Art im Rahmen der bei den zuständigen Organisationseinheiten bearbeiteten Verfahren durch. Die Unterstützungsleistungen der TEGU gingen in die Vorgänge der ermittelnden Bereiche ein. 4 RdErl. d. MI vom 29.3.12, P 23.11-01512/1-3.1 „Organisation der Polizei des Landes Niedersachsen; Bearbeitungszuständigkeiten der Zentralen Kriminalinspektionen, der Zentralen Kriminaldienste, der Kriminalund Ermittlungsdienste und der Polizeistationen“ Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2825 5 Eine separate Statistik bezüglich der Anforderung und des Einsatzes der TEGU wurde in den Behörden nicht geführt. Dies begründet sich insbesondere in dem Umstand, dass die TEGU lediglich auf konkrete Anforderung der zuständigen Organisationseinheit eingesetzt wurde und auch künftig wird. 8. Mit welchen Ergebnissen (Einstellung, Verurteilung etc.) wurden die Fälle der Tatortermittlungsgruppen Umwelt in den vergangenen fünf Jahren abgeschlossen? Bitte aufschlüsseln nach den Tatortermittlungsgruppen. Siehe Beantwortung zu Frage 7. Eine eigenständige Statistik ist nicht vorhanden, und eine Auswertung müsste in den verschiedenen zuständigen Dienststellen händisch erfolgen. Die PKS-Zahlen sind hierfür nicht nutzbar, da keine Auswertung nach Beteiligung der TEGU möglich ist. 9. Weshalb wurde die Tatortermittlungsgruppe in der PI Wolfsburg oder gegebenenfalls weitere Ermittlungsgruppen aufgelöst? Bereits im Jahr 2016 wurden nach Organisationsüberprüfung und Bedarfsanalyse die TEGU der PD Göttingen und die der PD Lüneburg aufgelöst. Infolge der beauftragten zentralisierten Wahrnehmung der Aufgaben durch die ZPD NI werden die Auflösung der TEGU der PD Braunschweig und der PD Osnabrück derzeit umgesetzt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 10. Wie will die Landesregierung eine adäquate Beweissicherung und Tatortaufnahme bei Umweltdelikten in den betroffenen Kommunen sicherstellen? Siehe Vorbemerkung. 11. Plant die Landesregierung eine Umstrukturierung bei Umweltdelikten? Wenn ja, wie soll diese aussehen? Siehe Vorbemerkung. (Verteilt am 18.02.2019) Drucksache 18/2825 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Imke Byl und Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Wie ist die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung im Umweltschutz aktuell und in Zukunft ge-regelt?