Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2867 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Christian Meyer, Anja Piel, Julia Hamburg, Belit Onay, Helge Limburg und Dragos Pancescu (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Gebühren im Zusammenhang mit Demonstrationen - Wird damit ein Grundrecht zur Frage des Geldbeutels? Anfrage der Abgeordneten Christian Meyer, Anja Piel, Julia Hamburg, Belit Onay, Helge Limburg und Dragos Pancescu (GRÜNE, eingegangen am 27.11.2018 - Drs. 18/2200 an die Staatskanzlei übersandt am 29.11.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 15.02.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Laut Medienberichten soll der Versammlungsleiter der Demonstration gegen das Polizeigesetz vom 08.09.2018 in Hannover von der Polizei Hannover eine Rechnung für die Reinigung des Kundgebungsortes von der Stadt Hannover weitergeleitet bekommen haben. Vorbemerkung der Landesregierung Der Erlass kommunaler Gebührenbescheide für die Reinigung eines Versammlungsortes ist in Niedersachsen keine gängige Praxis. Damit findet in aller Regel auch keine Weiterleitung solcher Bescheide durch die Polizei an die Versammlungsleitung bzw. die Veranstalterin oder den Veranstalter einer Demonstration statt. Die Umfrage, die die Landesregierung bei den Kommunen und den Polizeidirektionen zwecks Beantwortung dieser Anfrage durchgeführt hat, ergab, dass in den letzten fünf Jahren nur in sieben Fällen versammlungsbedingte Gebührenbescheide für die Reinigung von öffentlichen Verkehrsflächen erlassen wurden. Bei vielen Großdemonstrationen wird parallel auch noch eine Sondernutzungserlaubnis beantragt, z. B. für zusätzliche Aktionen wie etwa musikalisches Unterhaltungsprogramm, kulturelle Begleitangebote , Aktivitäten für Kinder, Imbiss- und Getränkestände und Ähnliches. Diese Verfahren werden gesondert neben den versammlungsrechtlichen Verfahren durchgeführt. Für Sondernutzungen können gemäß § 21 des Niedersächsischen Straßengesetzes (NStrG) Sondernutzungsgebühren erhoben werden. § 7 Abs. 3 des Fernstraßengesetzes (FStrG) und § 17 NStrG bestimmen, dass derjenige, der eine Straße über das übliche Maß hinaus verunreinigt, die Verunreinigung unverzüglich zu beseitigen hat; andernfalls kann die Straßenbaubehörde bzw. der Träger der Straßenbaulast die Verunreinigung auf Kosten des Verursachers beseitigen. 1. Wie häufig wurden in Niedersachsen in den letzten fünf Jahren Gebührenbescheide, Rechnungen oder Ordnungsgelder (für Reinigung, Sondernutzung, Einsatzkräfte etc.) im Zusammenhang mit Demonstrationen ausgestellt (bitte nach Ort, Demonstration, Höhe und Grund auflisten) Nach Erkenntnissen der Landesregierung sind in den letzten fünf Jahren von den Kommunen in den in der nachstehenden Tabelle aufgeführten Fällen Gebühren für die Reinigung von öffentlichen Verkehrsflächen erhoben worden. Da die vorliegende Anfrage auf Gebührenbescheide abzielt, die durchgeführten Versammlungen zuzurechnen sind, sind die in Zusammenhang mit der straßenrechtlichen Sondernutzung erhobenen Gebühren nicht Gegenstand der Antwort der Landesregierung . Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2867 2 Ort Demonstration Höhe Grund Landkreis Celle Kunst- und Kreativitätsaktion „Nach dem Rechten schauen“ 1 633,79 Euro Einsatz eines Spezialfahrzeugs zur Beseitigung von Farb- und Kreideresten Stadt Hannover Versammlung mit dem Thema „Newroz heißt Widerstand“ 400,24 Euro Reinigungsarbeiten nach der Veranstaltung und Reinigung von Flächen Stadt Wolfsburg Maikundgebung 2014 364,50 Euro Reinigungskosten wegen überdurchschnittlicher Verschmutzung ; veranlasst durch den Veranstalter Stadt Wolfsburg Maikundgebung 2015 248,40 Euro Reinigungskosten wegen überdurchschnittlicher Verschmutzung ; veranlasst durch den Veranstalter Stadt Wolfsburg Maikundgebung 2016 171,60 Euro Reinigungskosten wegen überdurchschnittlicher Verschmutzung ; veranlasst durch den Veranstalter 2. In wie vielen Fällen wurden in den letzten Jahren Gebührenbescheide oder Rechnungen gar nicht erst versendet? Nach den der Landesregierung vorliegenden Erkenntnissen wurden in drei weiteren Fällen Gebührenbescheide oder Rechnungen nicht versandt. 3. Wie erklärt sich die Landesregierung die unterschiedliche Handhabung von Gebührenbescheiden , Rechnungen oder Ordnungsgeldern im Zusammenhang mit Demonstrationen ? Die Landesregierung vermag aus den Ergebnissen der durchgeführten Umfragen keine unterschiedliche Handhabung zu erkennen. Wie sich aus den Vorbemerkungen ergibt, werden Gebühren in Zusammenhang mit Demonstrationen nur sehr vereinzelt erhoben. 4. Ist es gängige Praxis in Niedersachsen, dass kommunale Gebührenbescheide zur Reinigung eines Versammlungsortes nach einer Demonstration durch die Polizei an die Versammlungsleitung zur Zahlung weitergegeben werden? Nein. Lediglich im Bereich der Polizeidirektion Hannover sind Rechnungen für Reinigungsleistungen mit der Bitte übermittelt worden, diese zwecks Begleichung an die Veranstalterin oder den Veranstalter weiterzuleiten. Die Polizeidirektion Hannover hat mitgeteilt, dass diese Verfahrensweise in Absprache mit der betreffenden Kommune aufgegeben wurde. Hinsichtlich des Einsatzes einer Kehrmaschine anlässlich einer #noNPOG-Demonstration in Hannover am 08.09.2018 hat die Landeshauptstadt Hannover zudem von einer Gebührenerhebung abgesehen. 5. Gibt es Richtlinien oder Empfehlungen des Landes, wann Kommunen im Zusammenhang mit Demonstrationen Gebühren erheben sollen und wann nicht? Siehe Antwort auf Frage 6. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2867 3 6. Wenn nein, wird die Landesregierung in einem Erlass an die Kommunen klarstellen, dass im Zusammenhang mit der Ausübung eines Grundrechtes keine Gebühren genommen werden sollen? Die Fragen 5 und 6 werden wie folgt im Zusammenhang beantwortet: Es gibt keinen Erlass zur Gebührenerhebung in Zusammenhang mit Demonstrationen. Die Landesregierung sieht unter Verweis auf die Antwort zu Frage 3 auch keine Notwendigkeit für die Herausgabe eines klarstellenden Erlasses. 7. Auf welcher Rechtsgrundlage können Gebühren für Demonstrationen und Versammlungen nach Sicht der Landesregierung erhoben werden? Gemäß § 25 des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes (NVersG) sind Amtshandlungen nach diesem Gesetz kostenfrei. Unter bestimmten Voraussetzungen können aber Straßenreinigungsgebühren nach den Vorschriften des Straßen- und Wegerechts erhoben werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 06.09.1988; 1 C 15.86 und 1 C 71.86) können die Veranstalterin oder der Veranstalter einer Versammlung bei Straßen, die im Zuge einer Demonstration über das übliche Maß hinaus verunreinigt worden sind, nach § 7 Abs. 3 FStrG oder § 17 NStrG zur Erstattung der Kosten der Straßenreinigung verpflichtet werden, wenn sie oder er eine über das übliche Maß hinausgehende Verunreinigung nach allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Grundsätzen unmittelbar verursacht und diese Verunreinigung nicht unverzüglich beseitigt . Eine unmittelbare Verursachung wird in diesem Zusammenhang beispielsweise angenommen, wenn die Veranstalterin oder der Veranstalter die an einer Demonstration teilnehmenden Personen mit Speisen und Getränken versorgt und Flugblätter verteilen lässt. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu klargestellt, dass die Auferlegung von Gebühren aus Anlass einer Versammlung deren Durchführung erschweren und gegebenenfalls Grundrechtsberechtigte von der Ausübung ihrer Versammlungsfreiheit abhalten kann (Beschluss vom 25.10.2007; 1 BvR 943/02). Diese mögliche Beeinträchtigung ist bei der Ausübung des Ermessens im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu berücksichtigen. 8. Hält die Landesregierung die Erhebung von Gebühren für Demonstrationen im Zusammenhang mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit für rechtmäßig und verhältnismäßig ? Wie in der Antwort auf die Frage 7 dargestellt ist, kommt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Entscheidung über die Festsetzung von Gebühren in Zusammenhang mit Versammlungen eine besondere Bedeutung zu. Eine regelmäßige bzw. standardisierte Gebührenfestsetzung scheidet damit aus. Im Übrigen kann eine Aussage darüber, ob die Erhebung von Gebühren - soweit der gesetzliche Tatbestand hierfür überhaupt erfüllt ist - verhältnismäßig wäre, nur anhand der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls getroffen werden. (Verteilt am 19.02.2019) Drucksache 18/2867 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Christian Meyer, Anja Piel, Julia Hamburg, Belit Onay, Helge Limburg und Dragos Pancescu (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Gebühren im Zusammenhang mit Demonstrationen - Wird damit ein Grundrecht zur Frage des Geldbeutels?