Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2915 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte (Grüne) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung Welche Handlungsmaßstäbe liegen der Arbeit der Niedersächsischen Landgesellschaft bei der Vergabe landwirtschaftlicher Nutzflächen zugrunde? Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte (Grüne), eingegangen am 21.01.2019 - Drs. 18/2632 an die Staatskanzlei übersandt am 22.01.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 15.02.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Die Niedersächsische Landgesellschaft (NLG) besteht seit über 100 Jahren und ist als gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raums zuständig. Das Land Niedersachsen ist mit knapp 52 % größter Gesellschafter, zudem sind die Landkreise, Städte, Gemeinden und Kommunalen Spitzenverbände beteiligt. Hauptaufgabe der NLG ist die Förderung von Siedlungs- und Agrarstrukturverbesserungsmaßnahmen u. a. durch Flächenmanagement und Baulandentwicklung. Im Rahmen dieser Zuständigkeit kümmert sich die NLG auch um Landbeschaffung, -verwaltung und -vergabe. Laut einer Eigenbeschreibung sieht sich die Landgesellschaft als „Ideengeber und Berater für die Verbesserung der Wirtschaftskraft und Lebensqualität in den ländlichen Räumen Niedersachsens“ (https://www. nlg.de/ueber-uns/). Laut Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 21.07.2017 gibt es folgenden Kriterienkatalog für die Auswahl eines Nacherwerbers: Kriterium Punkte 1 Pächter der Fläche 10 2 Anteil der Fläche mit Bewirtschaftungsauflagen 10 3 Ökologischer Landbau 10 4 Betriebsgröße unterhalb Wachstumsschwelle 6 5 Eigentum anliegend 6 6 Ortsnähe 4 7 Dauergrünlandanteil 4 8 Eigentumsanteil an bewirtschafteter Fläche 3 9 Junglandwirt 3 10 Ausbildungsbetrieb 3 11 Viehbesatzdichte (GV/ha) 3 (https://www.ml.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/agrarminister-meyer-bundesgerichtshof-staerktbauernrechte -am-bodenmarkt-und-niedersaechsisches-grundstuecksverkehrsgesetz-155869.html) Vorbemerkung der Landesregierung Die Niedersächsische Landgesellschaft mbH (NLG) hat verschiedene Aufgaben, bei denen landwirtschaftliche Nutzflächen vergeben werden. Diesen verschiedenen Aufgaben liegen verschiedene Handlungsmaßstäbe zugrunde. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2915 2 Die NLG beschafft und verwertet Flächen zur Ordnung und Entwicklung des ländlichen Raums. Hier werden Flächen erworben, die dann zur Aufstockung und Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebe (Anliegersiedlung), zur Ersatzlandbeschaffung für Infrastrukturentwicklungen, zur Umsiedlung ganzer Betriebe im öffentlichen Interesse, als Masseland für Flurbereinigungsverfahren, als Ersatzland für Naturschutzprojekte wie z. B. den Schilfpolder am Dümmer, die Hannoversche Moorgeest oder den Masterplan Ems oder für Straßenbauprojekte bereitgestellt werden können. Bis auf den Bereich der Anliegersiedlung erfolgt die Vergabe im Sinne der vorgesehenen, meist auch behördlich geleiteten Maßnahmen. Die Flächen werden z. B. an die Teilnehmergemeinschaft eines Flurbereinigungsverfahrens, die Straßenbaubehörde, den NLWKN oder direkt an den Landwirt , der den Ersatzlandanspruch hat, veräußert. Im Rahmen der Anliegersiedlung werden Flächen an landwirtschaftliche Betriebe zur Aufstockung veräußert. Bei dem freien Verkauf an Landwirte zur Betriebsaufstockung finden agrarstrukturelle Kriterien Anwendung. Daneben können jedoch auch Kriterien wie preislich höhere Gebote im freien Verkauf, die im Bereich der regional üblichen Marktpreise liegen, aus wirtschaftlichen Gründen nicht ignoriert werden. Ein besonderer Fall der Anliegersiedlung sind die Tätigkeiten der NLG im Rahmen der Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufrechts, wie es das Grundstückverkehrsgesetz (GrdstVG) und das Reichsiedlungsgesetz (RSG) vorsehen. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts wird in die Vertragsfreiheit eingegriffen, d. h. es wird die grundsätzlich freie Käuferauswahl des Veräußerers eingeschränkt und durch die Vorkaufsrechtsausübung gegen seinen Willen verändert. Dieser erhebliche Eingriff in grundgesetzlich geschützte Freiheiten eines Eigentümers darf nur zur gemeinwohlorientierten Abwehr von Gefahren für die Agrarstruktur erfolgen. Deshalb ist im Rahmen des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts zum einen der Weiterveräußerungspreis der NLG vorgegeben. Es herrscht somit Angebotsgleichheit, sofern mehrere erwerbswillige Nacherwerber vorhanden sind. Zum anderen ist für die Auswahl des Nacherwerbers bei mehreren geeigneten und erwerbswilligen Landwirten der Kriterienkatalog für ein Ranking zwischen mehreren Bewerbern entwickelt worden; vgl. die Tabelle in der Vorbemerkung der Abgeordneten. Schließlich befasst sich die NLG auch mit Siedlungsverfahren, die gemäß den Grundsätzen für das Programm „Landauffang und -verwertung zur Konsolidierung und Strukturverbesserung landwirtschaftlicher Betriebe“ (RdErl d. ML v. 15.06.2016 - 304.61011.16-20) geführt werden. Es werden Flächen erworben, um Betrieben in finanzieller Notlage die Aufgabe oder die Weiterführung nach einer Konsolidierung zu ermöglichen. Dieses Programm wird derzeit meist von Betrieben angenommen , die den Flächenverkauf zur finanziellen Konsolidierung benutzen, aber den Betrieb saniert weiterführen wollen. Hier erfolgt größtenteils eine Verpachtung an die Betriebe, die sich durch den Landverkauf saniert hatten. Ein Großteil der angekauften Flächen ist mit einer befristeten Rückkaufsoption für den sanierten Betrieb belegt. Erst nach Ablauf dieser Frist wäre eine andere Vermarktung gemäß den Programmgrundsätzen der Landbeschaffung für Strukturmaßnahmen möglich. 1. Wie lauten die aktuellen Kriterien der NLG für die Nacherwerberauswahl? Der aktuelle Kriterienkatalog, der dem in der Vorbemerkung der Abgeordneten zitierten entspricht, hat den Stand Dezember 2018. Er findet Anwendung für die Auswahl zwischen mehreren geeigneten Nacherwerbern im Rahmen der Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufrechtes gemäß GrdstVG und RSG durch die NLG. Aktueller Kriterienkatalog (Stand Dezember 2018) Nr. Kriterium Punkte 1 Pächter der Fläche 10 2 Ökolandbau 10 3 Eigentum anliegend 6 4 Eigentumsanteil an bewirtschafteter landwirtschaftlicher Fläche 6 5 Anteil der Fläche mit Bewirtschaftungsauflagen 5 6 Ortsnähe 4 7 Betriebsgröße unterhalb Wachstumsschwelle 4 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2915 3 Nr. Kriterium Punkte 8 Junglandwirt 3 9 Ausbildungsbetrieb 3 10 Viehbesatzdichte (GV/ha) 3 11 Dauergrünlandanteil 3 2. Werden weiter ortsnahe, bäuerliche und ökologisch wirtschaftende, kleine Betriebe bei der Flächenvergabe bevorzugt wie im Erlass der rot-grünen Landesregierung? Die Gewichtungen können dem aktuellen Kriterienkatalog entnommen werden. 3. Welcher Personenkreis erhält generell die Möglichkeit, freie Flächen zu pachten oder zu kaufen? Die Möglichkeit, freie Flächen von der NLG zu pachten und zu kaufen, haben generell nur Landwirte . Für die Feststellung der Landwirtseigenschaft werden strenge Maßstäbe angesetzt. Bei dem freien Verkauf an Landwirte zur Betriebsaufstockung finden die in Antwort zu Frage 1 genannten agrarstrukturellen Kriterien eine entsprechende Berücksichtigung; vgl. Vorbemerkung der Landesregierung . 4. Wurde der Kriterienkatalog der rot-grünen Landesregierung verändert oder aufgehoben ? Der Kriterienkatalog wurde nicht aufgehoben, aber überprüft und im Laufe des Jahres 2018 überarbeitet . Er hat den Stand „Dezember 2018“ und wurde von der NLG umgesetzt und durch Versendung an die Grundstückverkehrsausschüsse der Landkreise und an die Siedlungs- und Flurbereinigungsbehörden der Ämter für regionale Landesentwicklung am 21.01.2019 bekannt gegeben. 5. Wird dieser Kriterienkatalog auch bei Neuverpachtungen angewendet, wenn nein, warum nicht? Der Kriterienkatalog diente bei seiner Einführung und auch jetzt der Auswahl eines Nacherwerbers im Rahmen des siedlungsrechtlichen Vorkaufrechts gemäß GrdstVG und RSG. Bei einer Verpachtung werden agrarstrukturelle Belange, wie sie im Kriterienkatalog festgelegt sind, durch die NLG berücksichtigt. Weiterhin sind flächenspezifische Belange wie Extensivierungsauflagen oder Erhaltung der ökologischen Bewirtschaftung bei bereits umgestellten Flächen zu beachten. Die NLG hat in ihrer Eigentümerfunktion die Erhaltung des wirtschaftlichen Wertes einer Fläche zu sichern. Geht ein Pächter nachlässig in der Bewirtschaftung mit den Flächen um oder ist er bei der NLG mit Pachtzahlungen für andere Flächen in Rückstand, erfolgt an ihn keine weitere Verpachtung. 6. Auf welcher Grundlage wurde sich für die derzeitigen Auswahlkriterien entschieden, und wurden diese im Laufe der Zeit verändert? Die Auswahlkriterien wurden gemeinsam zwischen der NLG und dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz abgestimmt. Grundlage waren die zu diesem Themenkomplex vorhandene Rechtsprechung sowie die Ziele der Landesregierung für die Verbesserung der Agrarstruktur im Sinne landwirtschaftlicher Betriebe, zur Verbesserung des Natur- und Umweltschutzes , des Tier- und Verbraucherschutzes und weitere Erwägungen in agrarpolitischen Berichten . Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2915 4 7. Welche Rolle spielen bei der Vergabe gesamtgesellschaftliche Ziele wie Artenschutz /Artenvielfalt, Förderung der ökologischen Landwirtschaft, Tierschutz, Erhalt bäuerlicher Strukturen sowie die Vermeidung sogenannter ausgeräumter Landschaften mit dem Charakter einer industrialisierten Landwirtschaft? Ebenso wie die Ausübung des Vorkaufsrechts muss sich der Kriterienkatalog zur Nacherwerberauswahl an agrarstrukturellen Zielen orientieren. Dabei wird den in der Frage genannten Zielen Rechnung getragen. 8. Wie bewertet das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz den landwirtschaftlichen Strukturwandel in Niedersachsen, und in welcher Form fließt das Ergebnis dieser Bewertung in die Arbeit der NLG ein? Der Strukturwandel in der niedersächsischen Landwirtschaft beträgt seit Jahrzehnten etwa 2 bis 4 % pro Jahr. Ein beschleunigter Strukturwandel findet aktuell nicht statt, gleichwohl steigt die durchschnittliche Betriebsgröße in der Landwirtschaft stetig weiter an. Der Strukturwandel hängt von vielen Faktoren ab, wie z. B. Produktpreisen, rechtlichem Rahmen, Förderung, Betriebsgröße und -ausrichtung, Alter der Betriebsinhaber, alternativen Einkommensmöglichkeiten etc. Er stellt eine Herausforderung für alle Betroffenen und die Politik der Landesregierung dar. Vor diesem Hintergrund ist die Arbeit der NLG dauerhaft darauf ausgerichtet, dass sie eine aktive, zukunftsorientierte Vermittlerrolle zwischen Interessen der öffentlichen Hand (Kommunen , Land) und Privaten, z. B. Landwirten, Bauherren, Investoren etc., wahrnehmen kann. (Verteilt am 20.02.2019) Drucksache 18/2915 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte (Grüne) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Welche Handlungsmaßstäbe liegen der Arbeit der Niedersächsischen Landgesellschaft bei der Vergabe landwirtschaftlicher Nutzflächen zugrunde?