Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2997 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung Verbotene Gegenstände im Justizvollzug Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP), eingegangen am 17.01.2019 - Drs. 18/2644 an die Staatskanzlei übersandt am 23.01.2019 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 25.02.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten Trotz des entsprechenden Verbots schaffen es Inhaftierte laut Medienberichten immer wieder, Waffen , Drogen, Mobiltelefone und andere Gegenstände bzw. Substanzen (z. B. USB-Sticks, Speicherkarten , Hefe etc.) in Justizvollzugsanstalten hereinzuschmuggeln und dort zu verstecken. Auch mithilfe ferngesteuerter Drohnen werde versucht, verbotene Gegenstände in die Justizvollzugsanstalten zu bringen (HAZ „JVA sorgt sich wegen Drohnen über dem Gefängnis“, 24.02.2018, 15:28 Uhr). Vorbemerkung der Landesregierung Alle niedersächsischen Justizvollzugseinrichtungen sind angewiesen, jeden Haftraum mindestens einmal monatlich zu kontrollieren. Verbotene und nicht genehmigte Gegenstände sind sicherzustellen . Haftraumkontrollen beschränken sich nicht nur auf Werktage, auch Sonn- und Feiertage werden einbezogen. Weiterhin werden Nebenräume wie beispielsweise Teeküchen, Sporträume und Werkstätten regelmäßig durchsucht. Daneben werden Haftraumrevisionen durchgeführt, die in ihrem Umfang über Haftraumkontrollen hinausgehen und sich beispielsweise auch auf Lüftungsschächte , Dichtungsgummis der Haftraumtüren, Sanitäreinrichtungen und Steckdosen erstrecken. Die Intervalle für die Revisionen und Durchsuchungen der Nebenräume legen die Justizvollzugseinrichtungen in eigener Verantwortung fest. Sämtliche Gefangene oder Sicherungsverwahrte, die aus Lockerungen des Vollzuges oder vollzugsöffnenden Maßnahmen in den geschlossenen Vollzug einer Justizvollzugseinrichtung zurückkehren , werden bei Betreten der Anstalt umgekleidet, durchsucht und abgesondet. Mitgeführte Gegenstände werden ebenfalls durchsucht und abgesondet. Im geschlossenen Vollzug sind feste Kontrollpunkte zur Durchsuchung der zur Arbeit oder zum Besuch gehenden und von der Arbeit oder vom Besuch zurückkehrenden Gefangenen oder Sicherungsverwahrten eingerichtet. Diese Kontrollpunkte sind mit Metalldetektorrahmen - soweit baulich möglich - und mit Handsonden zur Erleichterung der Kontrolle auszustatten. Der niedersächsische Justizvollzug verfügt über einen anstaltsübergreifend einzusetzenden besonderen Sicherheitsdienst (BSD). Die Gruppe setzt sich aus rund 80 Bediensteten zusammen, die zur Bewältigung besonderer Lagen alarmiert werden können und ganze Anstaltsbereiche (beispielsweise einzelne oder mehrere Vollzugsabteilungen, Werk- und/oder Küchenbereiche pp.) revidieren. Zu Trainingszwecken werden in der Regel quartalsweise Übungseinsätze durchgeführt. Aktuell sind insgesamt 16 Hundeführerinnen und Hundeführer mit jeweils einem Rauschgiftspürhund in den niedersächsischen Justizvollzugseinrichtungen eingesetzt. Die Spürhunde sind auf das Aufspüren von Betäubungsmitteln, namentlich Cannabis, Opiate/Opioide, Kokain, Amphetamin/ Metamphetamin und Buprenorphin, konditioniert. Sechs der 16 Hunde arbeiten dabei in Form des Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2997 2 „Spürens an Personen“. Hierbei wird ein sogenanntes passives Anzeigeverhalten konditioniert, das sich in Form von sogenanntem „Einfrieren“ oder „Absetzen“ (Hin-/Ablegen) des Spürhunds äußert. Zehn der 16 Hunde wurden zusätzlich auf das Aufspüren von Handys konditioniert. 1. Wie viele Gegenstände in welcher Anzahl wurden seit Januar 2018 in den jeweiligen Justizvollzugsanstalten von der zuständigen Stelle gefunden, insbesondere a) Waffen und gefährliche Gegenstände, b) Drogen, c) Mobiltelefone, d) andere Gegenstände/Substanzen, e) weitere unerlaubte Gegenstände? Die niedersächsischen Justizvollzugseinrichtungen erfassen die bei durchgeführten Kontrollen und Revisionen erfolgten Sicherstellungen von Betäubungsmitteln, gefährlichen Gegenständen und Mobiltelefonen. Es wird unterschieden nach den Fundorten „Haftraum“ und „außerhalb von Hafträumen “. Die Fundzahlen werden durch händische Auswertung der für jede Durchsuchung/Revision zu fertigenden Durchsuchungsniederschrift erhoben. Waffen werden unter die gefährlichen Gegenstände subsumiert und nicht gesondert ausgewiesen. Als „gefährlich“ ist ein Gegenstand definiert, der nach seiner Beschaffenheit und der Art seiner Verwendung als Angriffs- oder Verteidigungsmittel im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen. Hierzu zählen insbesondere alltägliche Gegenstände, die durch Manipulation der Gefangenen zu gefährlichen Gegenständen verändert wurden, wie z. B. angeschliffene Bestecke und Werkzeuge, ausgebaute Rasierklingen, Einwegspritzen sowie Hiebwaffen. Unter Betäubungsmittel werden sowohl Substanzen erfasst, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen (vornehmlich Cannabis, Heroin, Buprenorphin, Kokain und Amphetamin), als auch die sogenannten neuen psychoaktiven Stoffe wie beispielsweise synthetische Cannabinoide („Spice“). Für das Jahr 2018 ergibt sich insgesamt: „Andere Gegenstände/Substanzen“ und „weitere unerlaubte Gegenstände“ werden im Rahmen der Controllingkennzahlen nicht erfasst. Zur Erhebung wäre eine manuelle Auswertung aller rund 85 000 Durchsuchungsniederschriften erforderlich. Dies ist in der zur Verfügung stehenden Zeit zur Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2997 3 Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur schriftlichen Bentwortung mit einem verhältnismäßigen Aufwand nicht leistbar. 2. Wie viele Verstöße gegen die Sicherheit und Ordnung wurden seit Januar 2018 in welcher Justizvollzugsanstalt festgestellt, und mit welchen Maßnahmen wurde auf die Verstöße reagiert? Verstöße gegen die Sicherheit und Ordnung einer Justizvollzugseinrichtung werden als Bezugswert statistisch nicht ausdrücklich erfasst. Eine Erhebung der Einzelverstöße durch händische Auswertung aller Gefangenenpersonalakten ist in der zur Verfügung stehenden Zeit zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage mit einem verhältnismäßigen Aufwand nicht leistbar. Eine annähernd repräsentative Größe ist jedoch die Zahl der statistisch erhobenen Disziplinarmaßnahmen. Verstößt eine Gefangene oder ein Gefangener schuldhaft gegen Pflichten, die ihr oder ihm durch das Niedersächsische Justizvollzugsgesetz auferlegt sind, können gegen sie oder ihn Disziplinarmaßnahmen angeordnet werden (§§ 94 ff., 130 Abs. 2, 156 Abs. 2 und 3, 164 Abs. 2 und 3 NJVollzG). Einschränkend ist jedoch zu berücksichtigen, dass die geführte Statistik lediglich die Gesamtzahl der Maßnahmen beinhaltet und nicht die Anzahl der Einzelverstöße. So kann ein Verstoß mit mehreren Maßnahmen sanktioniert werden. Eine summarische Auswertung der Statistik ergab, dass eine Mehrfachzählung lediglich in der JA Hameln überproportionale Relevanz hat, was die außergewöhnlich hohe Zahl erklärt. Für das Jahr 2018 ergibt sich: 3. Wie hat sich die Anzahl der Verstöße im Vergleich zu den Jahren 2017 und 2016 verändert (bitte nach den jeweiligen Justizvollzugsanstalten und der Art des Verstoßes darstellen )? Zur Darstellung einer Differenzierung nach Art der jeweiligen Verstöße wäre eine händische Auswertung aller rund 8 500 Disziplinarmaßnahmen erforderlich, was in der zur Verfügung stehenden Zeit zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit verhältnismäßigem Aufwand nicht leistbar ist. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2997 4 4. Wie viele Kontrollen, Revisionen der Hafträume wurden von der zuständigen Stelle seit Januar 2018 in den Justizvollzugsanstalten vorgenommen (bitte nach den jeweiligen Justizvollzugsanstalten darstellen)? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 5. Welche Maßnahmen werden in den Justizvollzugsanstalten ergriffen, um das Einschmuggeln verbotener Gegenstände bzw. Substanzen durch die Häftlinge zu verhindern ? Die Justizvollzugseinrichtungen verfügen über ein umfassendes Kontrollsystem. In Ergänzung der Ausführungen in den Vorbemerkungen sind folgende Maßnahmen zu nennen: – verstärkte Durchsuchungen und gezielte Revisionen von Gefangenen, bei denen Hinweise auf subkulturelle Aktivitäten vorliegen oder die dem politischen und religiösen Extremismus zuzuordnen sind, – Sichtkontrolle der eingehenden Gefangenenpost durch geschulte Bedienstete, – zentrale Sammlung und Durchleuchtung eingehender Pakete, – Beobachtung, Analyse und Auswertung subkultureller Strukturen und Einbeziehung inner- und außervollzuglicher Kontaktdaten, – regelmäßige Bestreifung der Anstaltsfreiflächen (Mauerüberwürfe), – Beobachtung der Anstaltsumwehrung mittels Kamera (Mauerüberwürfe), – umfangreiche Durchsuchungen nach Abwesenheitsrückkehr, – Binnendifferenzierungskonzepte, – in Einzelfällen angeordnete optische und akustische Besuchsüberwachung, Textkontrollen der ein- und ausgehenden Post, Überwachung der Telekommunikation, – Auswertung des Zahlungsverkehrs der Gefangenen, Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2997 5 – Anordnung allgemeiner und besonderer Sicherungsmaßnahmen (z. B. Bewegungsprofile, Einschränkung der gemeinschaftlichen Unterbringung während der Freizeit, Einzelhaft und Unterbringungen in besonders gesicherten Hafträumen bei Verdacht eines sogenannten Körperschmuggelns ), – Quellen- und Informationsanalysen nach standardisiertem Verfahren, – Implementierung einer Landesarbeitsgruppe zur Drohnenabwehr (siehe auch Antwort zu Frage 6). Insbesondere die in den Justizvollzugseinrichtungen eingesetzten Revisionsdienste werden im Erkennen von vollzugsabteilungsübergreifenden, netzwerkartigen Strukturen besonders geschult, um gezielte Maßnahmen gegen subkulturell aktive Gefangene ergreifen zu können. Die Gefahr des Einschmuggelns von Gegenständen geht regelmäßig von einer geringen Anzahl der Gefangenen aus, sodass erkannte Zusammenhänge einen effizienten Ansatz zur Gefahrenabwehr bilden. 6. Welche Maßnahmen werden in den Justizvollzugsanstalten getroffen, um das Landen ferngesteuerter Fluggeräte auf dem Gelände der Haftanstalten zu verhindern? Die in den Justizvollzugseinrichtungen bereits vorhandenen Kameras sind aufgrund ihrer Einstellungen zur Außensicherung nur bedingt zur Luftraumüberwachung geeignet. An- und überfliegende Drohnen können damit videotechnisch nicht erfasst werden. Bereits 2015 wurde eine landesweite Arbeitsgruppe „Drohnen“ eingerichtet. In dieser Arbeitsgruppe sind Mitarbeiter verschiedener Justizvollzugseinrichtungen vertreten, die den Auftrag haben, wirksame Strategien und Maßnahmen zur Abwehr der sich aus einem Drohneneinsatz ergebenen Gefahren zu erarbeiten. Bisher stehen keine geeigneten technischen Möglichkeiten zur Verfügung, um den Drohneneinsatz gegen eine Justizvollzugseinrichtung effektiv zu verhindern. Die verfügbare Technik entspricht entweder nicht den tatsächlichen Erfordernissen, ist in der Handhabung nicht praktikabel, rechtlich nicht zulässig oder technisch nicht vollständig ausgereift. Alle Justizvollzugeinrichtungen sind angewiesen, Maßnahmen bei Sichtung von ferngesteuerten Fluggeräten in ihren jeweiligen Alarm- und Sicherungsplänen abzubilden. Diese Maßnahmen reichen von der Absuche der betroffenen Anstaltsbereiche bis zum Generaleinschluss aller Gefangener . Weiterhin sind Überflüge von ferngesteuerten Fluggeräten als außerordentliches Vorkommnis eingestuft und somit gegenüber dem Justizministerium berichtspflichtig. Im Jahr 2018 wurden insgesamt vier Drohnensichtungen berichtet. (Verteilt am 26.02.2019) Drucksache 18/2997 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums Verbotene Gegenstände im Justizvollzug