Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3017 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Harm Rykena (AfD) Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung Vereinbarkeit von Amt, Mandat und politischer Tätigkeit in der Lehrerausbildung (Teil 1) Anfrage des Abgeordneten Harm Rykena (AfD), eingegangen am 25.01.2019 - Drs. 18/2704 an die Staatskanzlei übersandt am 01.02.2019 Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung vom 27.02.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten Nach einem Bericht des Hamburger Abendblattes vom 22.10.2018 legt die Grünen-Abgeordnete Dr. Stefanie von Berg zum 01.11.2018 ihr Mandat in der Hamburgischen Bürgerschaft nieder. In ihrer Fraktion nahm sie mehrere Jahre und bis zuletzt die Funktion als schulpolitische Sprecherin wahr. Außerdem leitete sie in der Legislatur ab 2015 den Schulausschuss in der Hamburgischen Bürgerschaft. Wie aus dem Bericht des Abendblattes weiter hervorgeht, leitet die Abgeordnete im Rahmen ihrer Berufstätigkeit das Studienseminar Stade für das Lehramt an berufsbildenden Schulen. Über die Doppelbelastung von Beruf und Bürgerschaft wird von Berg im Abendblatt wie folgt zitiert: „Ich kann meinen Beruf und die politische Arbeit nicht mehr unter einen Hut bringen“. Und weiter schreibt das Abendblatt: „Trotz einer Reduktion ihrer beruflichen Tätigkeiten auf 75 % kommt die Grüne, die eine der profiliertesten Abgeordneten ihrer Fraktion ist, zusammen mit ihren Aktivitäten im Parlament 1 und im Wahlkreis auf 60 bis 80 Arbeitsstunden pro Woche.“ 1. Ist die Bürgerschaftsabgeordnete und Leiterin des Studienseminars Stade für das Lehramt an berufsbildenden Schulen, Dr. Stefanie von Berg, Beamtin des Landes Niedersachsen, oder welchen anderen Status besitzt sie (z. B. als Angestellte/Tarifbeschäftigte)? Frau Dr. von Berg ist Beamtin des Landes Niedersachsen. 2. Seit wann ist dem Land Niedersachsen bzw. der zuständigen Schulbehörde bekannt, dass Frau Dr. von Berg a) Mandatsträgerin der Hamburgischen Bürgerschaft ist/war, b) die Funktion als schulpolitische Sprecherin ihrer Fraktion öffentlichkeitswirksam wahrnimmt/wahrnahm, c) dem Ausschuss für Schule und Berufsbildung der Hamburgischen Bürgerschaft vorsitzt/vorsaß, d) regelmäßige Wahlkreistätigkeiten durchführt? Frau Dr. von Berg hat den Beginn ihrer Mandatsübernahme ordnungsgemäß zum 01.04.2011 und deren Beendigung zum 01.11.2018 angezeigt. 1 https://www.abendblatt.de/hamburg/article215628989/Gruenen-Politikerin-legt-ihr-Mandat-nieder.html (abgerufen am 27.10.2018). 1 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3017 Da die Funktion als schulpolitische Sprecherin mit der Mandatsausübung verbunden ist, besteht keine gesonderte Anzeigepflicht. Dies gilt sowohl auch für den Vorsitz des Ausschusses für Schule und Berufsbildung der Hamburgischen Bürgerschaft wie auch regelmäßige Wahlkreistätigkeiten. 3. Ist es zulässig, als Beamter des Landes Niedersachsen gleichzeitig ein Mandat in der Hamburgischen Bürgerschaft auszuüben (bitte die zugrunde liegenden Rechtsvorschriften benennen und erläutern)? Welche Unterschiede gibt es zu niedersächsischen Landesbeamten, die ein Mandat des Landtags Niedersachsen ausüben? Die Beurteilung der Frage, ob eine Beamtin oder ein Beamter des Landes Niedersachsen gleichzeitig ein Mandat wahrnehmen kann, richtet sich danach, ob das Amt der jeweiligen Beamtin bzw. des jeweiligen Beamten kraft Gesetzes mit dem Mandat unvereinbar ist. Ist dies der Fall, so ruhen die Rechte und Pflichten aus dem Beamtenverhältnis mit Ausnahme der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit und des Verbots der Annahme von Belohnungen und Geschenken ab dem Zeitpunkt, in dem die Beamtin bzw. der Beamte das Mandat erwirbt. Die Beamtin oder der Beamte darf ab dem Zeitpunkt der Annahme der Wahl für die Dauer der Mitgliedschaft in der Volksvertretung dem Dienst fernbleiben (§ 69 Abs. 2 des Niedersächsischen Beamtengesetzes [NBG]). Ist das Amt jedoch mit dem Mandat vereinbar, ist zur Ausübung des Mandats auf Antrag der Mandatsträgerin bzw. des Mandatsträgers die Arbeitszeit bis auf ein Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit zu ermäßigen oder Urlaub ohne Bezüge zu bewilligen (§ 69 Abs. 3 NBG). Für den Niedersächsischen Landtag regelt § 5 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Niedersächsischen Landtags (Niedersächsisches Abgeordnetengesetz [NAbgG]), dass niedersächsische Beamtinnen und Beamte mit Dienstbezügen dem Landtag nicht angehören dürfen; Gleiches gilt für Beamtinnen und Beamte aus anderen Ländern. Für die Hamburgische Bürgerschaft wiederum legt das dort einschlägige Gesetz über die Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft (BüWG) in § 34 a fest, dass für Beamtinnen und Beamte der Freien und Hansestadt Hamburg mit Dienstbezügen das Amt mit der Ausübung des Mandats unvereinbar ist, wenn zu dem eigentümlichen und regelmäßigen Aufgabenbereich der Beamtin bzw. des Beamten die Ausübung von Hoheitsbefugnissen mit staatlicher Zwangs- und Befehlsgewalt gehört, die Beamtin oder der Beamte als Staatsrätin oder Staatsrat, als Amtsleiterin oder Amtsleiter, deren oder dessen Stellvertreterin oder Stellvertreter oder in jeweils vergleichbaren Funktionen in den Behörden oder in den Präsidialabteilungen der Behörden oder vergleichbaren Bereichen als deren Leiterin oder Leiter, als persönliche Referentin oder Referent eines Senatsmitglieds, als Referentin oder Referent für Parlaments-, Senats- und Gremienangelegenheiten oder für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig ist. Für Beamtinnen und Beamte anderer Länder, die in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt werden, enthält § 34 a BüWG im Gegensatz zu § 5 NAbgG keine Regelung. Daraus folgt, dass die Tätigkeit von Frau Dr. Stefanie von Berg im niedersächsischen Schuldienst nicht kraft Gesetzes mit ihrem Mandat in der Hamburgischen Bürgerschaft unvereinbar ist; die Tätigkeit im niedersächsischen Schuldienst ist daher neben der Wahrnehmung des Mandats in der Hamburgischen Bürgerschaft zulässig. § 69 Abs. 3 NBG erlaubt es in diesem Zusammenhang Beamtinnen und Beamten, die Fortsetzung des Dienstverhältnisses der Inanspruchnahme durch das Mandat anzupassen. Frau Dr. von Berg stand es demnach frei, nach § 69 Abs. 3 NBG ihre Arbeitszeit bis auf ein Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit zu ermäßigen oder Urlaub ohne Bezüge zu beantragen. 4. Wie stellt der Dienstherr sicher, dass Beamte des Landes Niedersachsen, insbesondere auch dann, wenn diese in exponierter Funktion sind und gleichzeitig ein Mandat in der Hamburgischen Bürgerschaft ausüben, dem politischen Mäßigungsgebot (§ 33 BeamtStG) nachkommen (bitte umfassend anhand der zugrundeliegenden Rechtsvorschriften erläutern)? § 33 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) regelt die Grundpflichten der Beamtinnen und Beamten. Beamtinnen und Beamte haben danach u. a. ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohle der Allgemeinheit zu führen (Neutralitätsgebot). Sie müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundge- 2 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3017 setzes bekennen und für deren Einhaltung eintreten. Beamtinnen und Beamte haben außerdem bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt. Die Verpflichtung zur Mäßigung und Zurückhaltung bedeutet aber auch, dass eine parteipolitische Tätigkeit an sich nicht ausgeschlossen ist, sofern die Pflichten des Amtes dadurch nicht berührt werden. Wie vorstehend in der Antwort zu Frage 3 dargestellt, ist neben der Wahrnehmung eines Amtes selbst die Tätigkeit in Volksvertretungen zulässig. Das Neutralitätsgebot erlaubt und erfordert es, dass Lehrkräfte eine eigene Meinung haben und diese auch äußern dürfen und müssen. Ein Verzicht auf jede politische oder sonstige wertgebundene Stellungnahme ist damit nicht verbunden. Das Neutralitätsgebot ist ein hohes Gut, das von den Beamtinnen und Beamten im niedersächsischen Schuldienst bei ihrer Tätigkeit in Schule und Seminar beachtet wird. Solange es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die gesetzlichen Grenzen der politischen Betätigung überschritten werden, kann davon ausgegangen werden, dass die Beamtinnen und Beamten verantwortungsvoll mit ihrem besonderen Status und den sich hieraus ergebenden Pflichten umgehen. Nach hiesigen Erkenntnissen hat Frau Dr. von Berg stets konsequent auf die Trennung zwischen Mandat und Dienstausübung geachtet. 5. Gab es im Zusammenhang mit der Doppelausübung Frau Dr. von Bergs hinsichtlich der Studienseminartätigkeit in Stade bei gleichzeitiger Mandatsausübung in Hamburg spezielle Auflagen, auch gerade vor dem Hintergrund, dass Frau Dr. von Berg a) als schulpolitische Sprecherin ihrer Fraktion die schulpolitischen Positionen der Grünen vertrat, b) als Vorsitzende des Ausschusses für Schule und Berufsbildung der Hamburgischen Bürgerschaft Einfluss auf Themensetzung und Diskussionsführung ausübte sowie den Ausschuss nach außen in der Öffentlichkeit repräsentierte, c) im Schulausschuss sowie in der Bürgerschaft unter Beteiligung Frau Dr. von Bergs auch Sachverhalte meinungsbildend diskutiert wurden, die die niedersächsische Schulpolitik betreffen, wie z. B. die Reform des Gastschulabkommens mit Schleswig-Holstein, bei der auch Erfahrungen mit Niedersachsen einflossen und bewertet wurden? Wie hat der Dienstherr im Fall c) hier sichergestellt, dass es insbesondere nicht zu Interessenkonflikten zulasten des Landes Niedersachsen kam? Zu a und b: Hierzu bestand keine Veranlassung. Zu c: Frau Dr. von Berg war zu keiner Zeit in Entscheidungen, die das Land Niedersachsen angehen, „meinungsbildend“ involviert. Das Gastschulabkommen wurde vom Senat verhandelt, nicht vom Parlament. Der vom Fragesteller geschilderte Sachverhalt ist daher nicht nachvollziehbar. Es ist somit festzustellen, dass es in diesem Kontext durch Aussagen von Frau Dr. von Berg in keiner Weise zu einem Interessenkonflikt zulasten des Landes Niedersachsen gekommen ist. Nach hiesigen Erkenntnissen hat Frau Dr. von Berg stets konsequent darauf geachtet, Mandat und Dienstausübung zu trennen. 3 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode 6. Drucksache 18/3017 In welchem Zeitraum und in welchem Umfang hat Frau Dr. von Berg im Rahmen ihrer Berufsausübung im Studienseminar Stade prüfungsrelevante Leistungsbeurteilungen (auch Teilleistungsbewertungen) vorgenommen oder Staatsexamensprüfungen/Abschlussprüfungen als Mitglied oder Vorsitzende einer Prüfungskommission abgenommen (bitte nach Jahr sowie Anzahl und Art der Leistungsbewertungen/Prüfungen aufschlüsseln)? Frau Dr. von Berg hat in ihren jeweiligen Funktionen während ihrer Tätigkeit am Studienseminar seit dem 04.09.1997 regelmäßig an Prüfungen als Mitglied der Prüfungskommission teilgenommen und gemäß der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst (APVO-Lehr) ihr Amt ausgeübt. Eine Aufschlüsselung nach Anzahl, Art und Jahr ist nicht möglich, da dieses statistisch nicht erhoben wird, zumal die Prüfungsmodalitäten im Laufe der Jahre mehrfachen Veränderungen unterlagen. 7. Wie viele Lehramtsanwärter des Studienseminars Stade für das Lehramt an berufsbildenden Schulen, die im Bereich des politischen Unterrichts ausgebildet wurden, wurden von Frau Dr. von Berg bislang (mit-)ausgebildet und/oder bewertet/geprüft? Frau Dr. von Bergs unterrichtliche Fachrichtung ist Gesundheit und ihr Unterrichtsfach ist Englisch. Dementsprechend bildet sie keine Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst für das Unterrichtsfach Politik aus. Rückwärtig kann nicht ermittelt werden, an welchen Prüfungen Frau Dr. von Berg teilgenommen hat, die das Unterrichtsfach Politik betrafen. 8. Welche Seminare/Veranstaltungen mit welchen Schwerpunkten hat Frau Dr. von Berg seit Beginn ihrer Tätigkeit beim Studienseminar Stade für das Lehramt an berufsbildenden Schulen gehalten? Frau Dr. von Berg war zu Beginn ihrer Tätigkeit zunächst als Mitwirkerin (seit 04.09.1997) und sodann als Leiterin des fachdidaktischen Seminars für das Unterrichtsfach Englisch (seit 01.08.1998) als Ausbildende tätig. Als Leiterin des Studienseminars (seit 01.09.2004) bildet sie Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst im pädagogischen Seminar, gemäß APVO-Lehr, aus. 9. Wie stellte bzw. stellt der Dienstherr vor dem Hintergrund des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Ausbilderin und Lehramtsanwärtern und der in der Öffentlichkeit vertretenen Positionen von Frau Dr. von Berg sicher, dass es im Rahmen der Studienseminartätigkeit von Frau Dr. von Berg nicht zur einseitigen Übernahme grüner schulpolitischer Positionen kam bzw. kommt oder sich die Lehramtsanwärter in der Auswahl und Begründung ihrer Methoden deshalb besonders anpassend verhielten bzw. verhalten? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. (Verteilt am 28.02.2019) 4