Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3103 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Uwe Schwarz, Dr. Thela Wernstedt, Holger Ansmann, Immacolata Glosemeyer , Oliver Lottke und Hanna Naber (SPD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Fachkräfte-Einwanderungsgesetz in der Pflege 2.0 Anfrage der Abgeordneten Uwe Schwarz, Dr. Thela Wernstedt, Holger Ansmann, Immacolata Glosemeyer , Oliver Lottke, Hanna Naber (SPD), eingegangen am 28.01.2019 - Drs. 18/2730 an die Staatskanzlei übersandt am 04.02.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 05.03.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Die Bundesregierung hat sich auf Eckpunkte für ein Einwanderungsgesetz verständigt. In einer Pressemitteilung des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) heißt es: „Um den demografisch bedingten Fachkräftemangel in der Pflege zu bewältigen, brauchen wir in den nächsten Jahren zusätzlich zu Berufsrückkehrern und steigenden Azubizahlen weitere Fachkräfte aus dem Ausland.“ Das Land Niedersachsen hat bereits Schritte unternommen, um die pflegerische Versorgung zu verbessern. Dazu gehören die Schulgeldfreiheit der Pflegeausbildung, das niedersächsische Förderprogramm „Wohnen und Pflege im Alter“ für alternative Wohnformen und weitere Modellprojekte . Darüber hinaus fördert das Land die Investitionskosten von Pflegeinrichtungen. Ziel ist, die ambulante Pflege zu stärken, um zu gewährleisten, dass Senioreninnen und Senioren solange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld leben können. Laut Landesamt für Statistik erhielten im Dezember 2015 317 000 Personen Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI). Dies stellt im Vergleich zu 2013 eine Steigerung um 10 % dar. Aus dem Landespflegebericht geht hervor, dass bis 2030 bis zu 53 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege fehlen. Vorbemerkung der Landesregierung Die Gewinnung von Pflegefachkräften aus dem Ausland ist ein wichtiger Baustein zur Bekämpfung des Fachkräftemangels. In den Jahren 2012 bis 2017 wurden in Niedersachsen insgesamt 3 749 Anträge auf Feststellung der Gleichwertigkeit eines ausländischen Berufsabschlusses in einem Pflegefachkraftberuf gestellt - mit steigender Tendenz. Das Interesse ausländischer Pflegefachkräfte an einer Tätigkeit in Deutschland nimmt also erfreulicherweise zu. Hier haben die Anpassung aufenthalts- und anerkennungsrechtlicher Bestimmungen sowie die eingeleiteten Unterstützungsmaßnahmen bereits Wirkung gezeigt. Rückmeldungen aus der Praxis zeigen jedoch, dass das Verfahren von ausländischen Pflegefachkräften, insbesondere aus Drittstaaten, und von deutschen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern nach wie vor häufig als langwierig, komplex und abschreckend empfunden wird. Es bedarf deshalb sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene verstärkter Anstrengungen, um das Potenzial ausländischer Pflegefachkräfte zu nutzen. Um dies zu befördern, hat die 95. Arbeits- und Sozialministerkonferenz am 05./06.12.2018 auf Antrag Niedersachsens einen entsprechenden Beschluss gefasst. Ein Schwerpunkt der zukünftigen Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3103 2 Aktivitäten soll auf dem Ausbau der Angebote zur Beratung und Unterstützung von interessierten Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern liegen. Gerade kleine und mittlere Gesundheitseinrichtungen verfügen häufig nicht über die Ressourcen und das Know-how für die Gewinnung und Integration ausländischer Pflegefachkräfte. Sie benötigen Hilfestellung durch Dritte - wie beispielweise durch das IQ Netzwerk. Ein Erfolgsmodell ist in diesem Zusammenhang das gemeinsame Projekt Triple Win der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesanstalt für Arbeit und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Dabei werden qualifizierte Pflegekräfte aus ausgewählten Nicht-EU-Staaten (zurzeit Bosnien-Herzegowina, Serbien, Philippinen und Tunesien) mit deutschen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zusammengebracht. Die Pflegekräfte werden im Heimatland sprachlich und fachlich auf ihre neue Tätigkeit vorbereitet und gemeinsam mit ihren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern bis zur Anerkennung des Berufsabschlusses begleitet. Darüber hinaus sollten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber aber auch dazu motiviert werden, sich mit anderen Unternehmen über ihre Erfahrungen und Strategien in Austausch zu bringen, um ihre Bedarfe besser formulieren und im Anschluss daran selbst geeignete Unterstützungsangebote entwickeln zu können. Die Bedeutung, die der Gewinnung von Fachkräften in der Pflege aus dem Ausland zukommt, wird auch dadurch deutlich, dass im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege auf Bundesebene eine eigene Arbeitsgruppe zu diesem Thema vorgesehen ist. Niedersachsen ist zwar nicht Mitglied der Arbeitsgruppe, wirkt jedoch begleitend darauf hin, dass dort konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet werden, damit die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland auch nachhaltig gelingen kann. 1. Welchen Bedarf an pflegerischem Fachpersonal aus dem Ausland sieht die Landesregierung für die Zukunft in Niedersachsen? Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird sich der bestehende Fachkräftemangel in allen Wirtschaftsbereichen in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Die Prognosen des Landespflegeberichts aus dem Jahr 2015 werden durch zahlreiche neuere Untersuchungen bestätigt. Dem Bericht zur Lage der Pflegefachberufe in Niedersachsen, den die Pflegekammer Niedersachsen im Dezember 2018 veröffentlicht hat, ist beispielsweise zu entnehmen, dass 38,35 % der Pflegefachpersonen 51 Jahre und älter sind. Bei einer gleichbleibenden Anzahl von Berufsausstiegen sei davon auszugehen, dass in 15 Jahren mehr als 40 % der heute tätigen Pflegefachpersonen ihren Beruf nicht mehr ausüben werden. Die derzeit rund 5 000 jährliche Neuzugänge durch Absolventinnen und Absolventen einer Pflegeausbildung und anerkannte ausländische Pflegefachkräfte reichen nicht aus, um den Bedarf an Nachwuchskräften zu decken. Die Landesregierung hat deshalb zahlreiche Maßnahmen eingeleitet, die auf einen Ausbau des inländischen Fachkräfteangebots zielen. Hierzu zählen beispielsweise die Beteiligung an der Konzertierten Aktion Pflege auf Bundesebene, die gesetzliche Verankerung der Schulgeldfreiheit in der Altenpflege , das Förderprogramm zur Stärkung der ambulanten Pflege im ländlichen Raum oder die geplante Änderung des Niedersächsischen Pflegegesetzes, die das Setzen von Anreizen für eine tarifgerechte Bezahlung in Pflegeeinrichtungen im Rahmen der Investitionskostenförderung vorsieht . Die Wirkung dieser Maßnahmen auf das inländische Fachkräfteangebot in der Pflege lassen sich nicht sicher prognostizieren, sodass keine Aussage dazu getroffen werden kann, wie sich der Bedarf an pflegerischem Fachpersonal aus dem Ausland zukünftig entwickeln wird. Die Studie „Zuwanderung und Digitalisierung“ der Bertelsmann-Stiftung kommt ganz aktuell auf Basis einer Prognose zur Entwicklung des inländischen Fachkräfteangebots über alle Branchen zum Ergebnis, dass Deutschland bis zum Jahr 2060 einen jährlichen Einwanderungsbedarf von mindestens 260 000 Menschen hat, davon rund 114 000 aus EU-Staaten und 146 000 Personen aus Drittstaaten außerhalb der EU. Die Anzahl der an Personen mit einem ausländischen Berufsabschluss als Pflegefachkraft erteilten Berufsurkunden ist kontinuierlich von 47 im Jahr 2012 auf 664 im Jahr 2018 gestiegen. Wie der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT-Drs. 19/1803) vom 23.04.2018 zu entnehmen ist, gab es im Jahresdurchschnitt 2017 in Nie- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3103 3 dersachsen 1 932 gemeldete offene Stellen für Fachkräfte und Spezialistinnen bzw. Spezialisten in der Altenpflege und 1 055 gemeldete offene Stellen für Fachkräfte und Spezialistinnen bzw. Spezialisten in der Gesundheits- und Krankenpflege. Auf 100 gemeldete Stellen kamen im Jahresdurchschnitt 2017 in Niedersachsen 15 gemeldete arbeitslose Fachkräfte und Spezialistinnen bzw. Spezialisten in der Altenpflege und 40 in der Gesundheits- und Krankenpflege. Dies lässt den Schluss zu, dass es bereits heute einen hohen Bedarf an pflegerischem Fachpersonal aus dem Ausland gibt, der durch die aktuelle Zuwanderung nicht gedeckt werden kann. 2. Gibt es unterschiedliche Bedarfe an pflegerischem Fachpersonal aus dem Ausland zwischen ambulanten Pflegediensten und Pflegeheimen? Zur Frage, ob es unterschiedliche Bedarfe an pflegerischem Fachpersonal aus dem Ausland zwischen ambulanten Pflegediensten und Pflegeheimen gibt, liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. 3. Wie bewertet die Landesregierung die Einführung einer sogenannten Care-Card? Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) hat in seiner Pressemitteilung vom 17.08.2018 („Zehn Kernforderungen des bpa an ein Fachkräfte-Einwanderungsgesetz in der Pflege“) darauf hingewiesen, dass er erstmals im Jahr 2001 die Einführung einer Care-Card bzw. einer Greencard für Pflegekräfte gefordert habe. Die jetzige Absicht der Bundesregierung (Anmerkung : Schaffung eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes) werde daher aktiv unterstützt. Ausländische Pflegefachkräfte, die einen Arbeitsvertrag in Deutschland nachweisen können, sollten sofort einen unbefristeten Aufenthaltstitel mit Beschäftigungserlaubnis erhalten. Zusätzlich sollten sie die Möglichkeit des Familiennachzuges erhalten. Diese Forderungen werden durch den von der Bundesregierung am 19.12.2018 beschlossenen Gesetzentwurf eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (BR-Drs. 7/19) weitgehend erfüllt. So sieht der Gesetzentwurf vor, dass Fachkräften mit Berufsausbildung eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung erteilt werden kann, zu der ihre erworbene Qualifikation sie befähigt, wenn – ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt, – die Bundesagentur für Arbeit der Beschäftigung zugestimmt hat oder diese generell keiner Zustimmung bedarf, – eine gegebenenfalls erforderliche Berufsausübungserlaubnis erteilt wurde oder zugesagt ist und – die Gleichwertigkeit der Qualifikation festgestellt wurde. Ferner lässt der Gesetzentwurf den Nachzug von Familienangehörigen einer Fachkraft nach den allgemeinen Bedingungen zu und schreibt die Erteilung einer vierjährigen Aufenthaltserlaubnis vor. Nach diesen vier Jahren sieht der Gesetzentwurf die Erteilung einer (immer unbefristet geltenden) Niederlassungserlaubnis für Fachkräfte vor, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Sollte der Gesetzentwurf vom Deutschen Bundestag verabschiedet werden, würden die wesentlichen Punkte einer Care-Card überwiegend umgesetzt werden. Lediglich die Forderung nach einem sofort zu erteilenden unbefristeten Aufenthaltstitel würde, sollte das Gesetz in der jetzigen Fassung in Kraft treten, unerfüllt bleiben. Nach Auffassung der Landesregierung ist dies vertretbar, zumal ihr keine sachlichen Gründe bekannt sind, Pflegefachkräfte aufenthaltsrechtlich in dieser Frage anders zu behandeln als beispielsweise ausländische akademische Hochqualifizierte mit einem bestimmten Mindesteinkommen , die ebenfalls zunächst einen befristeten Aufenthaltstitel (Blaue Karte EU) erhalten. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3103 4 4. Wie bewertet die Landesregierung einen sogenannten Spurwechsel vom Asylverfahren in das reguläre Einwanderungsverfahren zur Beschäftigung im Hinblick auf den Fachkräftebedarf in der Pflege? Der in der politischen Diskussion häufig verwandte Begriff des Spurwechsels beschreibt die Möglichkeit , für Asylsuchende und erfolglos gebliebene ehemalige Asylsuchende den Wechsel in einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Beschäftigung einzuräumen. Aufenthaltsrechtlicher Hintergrund ist, dass das deutsche Aufenthaltsrecht für die Einreise und den Aufenthalt nahezu ausnahmslos einen bestimmten Aufenthaltszweck wie beispielsweise Familiennachzug , Ausbildung, Studium oder Arbeitsmigration voraussetzt. Ob ein Wechsel des Aufenthaltszwecks zulässig ist, wird im Aufenthaltsrecht selbst geregelt. Für Asylsuchende und erfolglos gebliebene ehemalige Asylsuchende sieht § 10 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vor, dass ihnen nur unter bestimmten Voraussetzungen ein Aufenthaltstitel erteilt werden darf. Danach dürfen nur humanitäre Aufenthaltstitel oder solche erteilt werden, auf die ein gesetzlicher Anspruch besteht. Da über Aufenthaltstitel zur Arbeitsmigration - abgesehen vom Sonderfall der „Blauen Karte EU“ für ausländische Akademikerinnen und Akademiker mit Mindesteinkommen (§ 19 a AufenthG) - stets nach Ermessen entschieden wird, ist Asylsuchenden und erfolglos gebliebenen ehemaligen Asylsuchenden dieser Weg versperrt, ein Spurwechsel also nicht möglich. In zwei Ausnahmefällen sieht das AufenthG den Spurwechsel allerdings als zulässig an: Zum einen für beruflich qualifizierte Geduldete (§ 18 a Abs. 1 AufenthG) sowie für Inhaberinnen und Inhaber einer Ausbildungsduldung, die ihre Berufsausbildung erfolgreich absolviert haben (sogenanntes 3+2-Modell, § 18 a Abs. 1 a AufenthG). In diesen Fällen regelt das Gesetz ausdrücklich, dass die Aufenthaltserlaubnis auch abweichend von § 10 Abs. 3 Satz 1 und § 5 Abs. 2 AufenthG (Erfordernis eines ordnungsgemäßen und auf den Aufenthaltszweck bezogenen Visumverfahrens) erteilt werden darf (§ 18 a Abs. 3 AufenthG). Ziel des von der Bundesregierung am 19.12.2018 beschlossenen Gesetzentwurfs eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (BR-Drs. 7/19) ist es, den rechtlichen Rahmen für eine gezielte und gesteuerte Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus Drittstaaten zu schaffen und dadurch die Fachkräftesicherung für einen nachhaltigen gesellschaftlichen Wohlstand zu flankieren. Die Möglichkeit eines Spurwechsels im eingangs beschriebenen Sinne - also vom Asylaufenthalt zur Arbeitsmigration - sieht der Gesetzentwurf nicht vor. Zur Ermöglichung eines Spurwechsels sind im Beteiligungsverfahren des Bundesrats entsprechende Anträge gestellt worden. In der Sitzung des Bundesrates vom 15.02.2019 hat sich die Landesregierung zu diesen Anträgen enthalten. 5. Können Fachkräfteberatungsstellen in Schwerpunktländern mit hohem pflegerischem Fachkräftepotenzial etabliert werden (u. a. für berufsbezogene Sprachkurse, Sprachprüfungen und die Vorbereitung sowie Beratung zur Berufsanerkennung)? Soweit die gezielte Gewinnung von Pflegekräften aus bestimmten Staaten angestrebt wird, ist eine fundierte Beratung bereits vor Ort anzustreben. Es ist sinnvoll, bereits im Herkunftsland die Voraussetzungen für die berufliche Anerkennung, die Einreise nach Deutschland sowie die Arbeitsaufnahme zu klären. Relevante Aspekte dabei sind beispielsweise der Erwerb der benötigten deutschen Sprachkenntnisse und gegebenenfalls der Ausgleich von wesentlichen Unterschieden der beruflichen Qualifikation zum deutschen Referenzberuf. Für die Einrichtung von Fachkräfteberatungsstellen in den Heimatländern wären Bundeslösungen möglichen Länderlösungen vorzuziehen, da entsprechende Angebote in den Gesamtkontext der Fachkräftegewinnung eingebettet sein sollten . Es wird darauf hingewiesen, dass sich der Bund mit dem Projekt „Triple Win“ über die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Gesell- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3103 5 schaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit der Gewinnung von Pflegekräften aus ausgewählten Staaten befasst. 6. Können Listen mit Anforderungen zu typischen Berufsabschlüssen und entsprechenden Anerkennungskriterien im Internet veröffentlicht werden, damit alle notwendigen Informationen auch schon im Heimatland zugänglich sind? Die Richtlinie 2005/36/EG (umgesetzt im Altenpflegegesetz und Krankenpflegegesetz des Bundes) regelt die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen. Für Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und Gesundheits- und Krankenpfleger mit einem in einem EU-Mitgliedstaat erworbenen Berufsabschluss sieht die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG (und entsprechend das Krankenpflegegesetz des Bundes) eine automatische Anerkennung der Gleichwertigkeit für bestimmte Berufsabschlüsse vor. Diese sind in einer Anlage zu den jeweiligen Berufsgesetzen aufgeführt und somit auch für die Antragstellerinnen und Antragsteller öffentlich zugänglich. Bei pflegerischen Berufsabschlüssen, die in Drittstaaten erworben wurden, oder die dem Berufsbild der Altenpflege oder Gesundheits- und Kinderkrankenpflege entsprechen, muss das zuständige Landesamt für Soziales, Jugend und Familie prüfen, ob die individuelle Qualifikation der Antragstellerin oder des Antragstellers dem deutschen Berufsabschluss gleichwertig ist. Dabei sind nicht nur die Ausbildung, sondern auch die Berufserfahrung und absolvierte Fort- und Weiterbildungen der jeweiligen antragstellenden Person zu berücksichtigen. Ergeben sich wesentliche Unterschiede, ist eine Ausgleichsmaßnahme (Anpassungslehrgang oder Eignungs-/Kenntnisprüfung) zu absolvieren, deren Inhalte individuell festgelegt werden. Eine pauschale Bewertung ausländischer Berufsabschlüsse oder die Veröffentlichung von standardisierten Anforderungslisten ist deshalb tatsächlich nicht möglich und rechtlich nicht zulässig. Ausführliche Informationen zum Anerkennungsverfahren bieten die Internetportale „Make it in Germany “ sowie „Anerkennung in Deutschland“. Mit dem „bq-Portal“ besteht ein Informationsangebot, das sich vorrangig an Arbeitgeberinnen bzw. Arbeitgeber und zuständige Stellen richtet. Diese Angebote sind durch den Bund aufgebaut worden und mehrsprachig verfügbar. 7. Wie kann das Land Niedersachsen bei der Umsetzung des WHO-Kodex zur Rekrutierung von Gesundheitspersonal aus dem Ausland unterstützend einwirken? Die Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (Beschäftigungsverordnung (BeschV)) regelt, unter welchen Voraussetzungen ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie bereits in Deutschland lebende Ausländerinnen und Ausländer zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassen werden können. Nach § 38 BeschV wird grundsätzlich ausschließlich der Bundesagentur für Arbeit (BA) ermöglicht, Gesundheits- und Pflegefachkräfte auch aus Ländern zu rekrutieren und zu vermitteln, die auf der sogenannten WHO-Liste geführt sind. Ziel dabei ist, dass auf eine Anwerbung von Fachkräften aus Ländern verzichtet wird, die selbst eine Mangelsituation im Bereich Pflege aufweisen. So soll gesichert werden, dass durch die Vermittlung nach Deutschland kein Pflegenotstand in den Herkunftsländern hervorgerufen wird. Die BA hat sich gemäß bisher geltenden Abstimmungen mit den beteiligten Bundesressorts dazu verpflichtet, die Möglichkeit zur Rekrutierung von Gesundheits- und Pflegepersonal aus diesen Staaten bis auf Weiteres nicht in Anspruch zu nehmen. Allerdings basiert diese Länderliste auf einer Definition „kritischen Mangels“ an entsprechenden Fachkräften, die auf den Weltgesundheitsbericht 2006 zurückgeht und insofern veraltet ist. Zudem waren die im WHO-Bericht verwendeten quantitativen Grenzwerte, die der Definition des „kritischen Mangels“ zugrundliegen, wiederholt Gegenstand wissenschaftlicher Kritik. Daher erscheint nicht ausgeschlossen, dass die bestehenden Regeln beispielsweise auch Kooperationsprojekte behindern , bei denen Gesundheits- und Pflegekräfte im ausdrücklichen Einverständnis mit den Herkunftsstaaten temporär in Deutschland aus- oder weitergebildet werden, wodurch neben einer Verbesserung der Versorgungssituation in Deutschland auch die Gesundheitssysteme der Herkunftsländer profitieren. So haben nach Kenntnis der Landesregierung staatliche Stellen verschiedener Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3103 6 Länder aus der WHO-Liste in bilateralen Kontakten gegenüber der „Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV)“ der BA in der Vergangenheit Interesse an einer Vermittlung von Pflegekräften nach Deutschland bekundet. Aus diesem Grund haben die BA und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bereits im April 2018 eine Abstimmung mit den beteiligten Ressorts zum veränderten Umgang mit der WHO-Liste und einer Aktivierung von § 38 BeschV initiiert, um eine Rekrutierung und Vermittlung von Gesundheitspersonal durch die BA unter Beachtung eines entsprechenden Kriterienkatalogs zur Wahrung der Interessen der Herkunftsländer zu ermöglichen. Der abgestimmte Kriterienkatalog soll an die WHO übermittelt und die Geschäftspolitik auch künftig weiterhin an den Grundsätzen der WHO ausgerichtet werden. Die Landesregierung begrüßt die aktuelle Überprüfung der WHO-Liste aus der Anlage zu § 38 BeschV sowie eine Abstimmung und Benennung von Kriterien, bei deren Vorliegen Kooperationsprojekte mit diesen Ländern möglich wären. So liegt es im arbeitsmarktpolitischen Interesse der Landesregierung, für eine begrenzte Zeit dringend benötigte Gesundheits- und Pflegekräfte beschäftigen zu können, insbesondere wenn dies zugleich auch den Herkunftsländern nutzen würde, da diese im Wege „zirkulärer Migration“ (nach Deutschland und zurück ins Heimatland) erfahrene weiterqualifizierte bzw. ausgebildete Fachkräfte zurückerhielten. Die Betroffenen selbst hätten die Gelegenheit zur beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung und entgingen unter Umständen auch einer Arbeitslosigkeit in ihren Heimatländern. (Verteilt am 08.03.2019) Drucksache 18/3103 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Fachkräfte-Einwanderungsgesetz in der Pflege 2.0 Anfrage der Abgeordneten Uwe Schwarz, Dr. Thela Wernstedt, Holger Ansmann, Immacolata Glo-semeyer, Oliver Lottke, Hanna Naber (SPD), eingegangen am 28.01.2019 - Drs. 18/2730 an die Staatskanzlei übersandt am 04.02.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 05.03.2019