Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3210 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dragos Pancescu und Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung Diskotür-Vorfälle - Was hat die Änderung des Gaststättengesetzes gebracht? Anfrage der Abgeordneten Dragos Pancescu und Belit Onay (GRÜNE), eingegangen am 14.02.2019 - Drs. 18/2848 an die Staatskanzlei übersandt am 18.02.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung vom 15.03.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Ende des Jahres 2015 wurde in das Niedersächsische Gaststättengesetz eine neue Ordnungswidrigkeitenregelung aufgenommen. Danach handelt ordnungswidrig, „wer vorsätzlich oder fahrlässig als für das Betreiben eines Gaststättengewerbes verantwortliche Person bei der Kontrolle des Einlasses in eine Diskothek oder beim Aufenthalt in einer Diskothek eine Person wegen der ethnischen Herkunft oder der Religion benachteiligt“. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 10 000 Euro geahndet werden. Vorbemerkung der Landesregierung Mit der Normierung der vorstehend genannten diskriminierenden Handlungen als Ordnungswidrigkeit wurde erstmals mit verwaltungs- und ordnungsrechtlichen Instrumenten der Alltagsdiskriminierung entgegengetreten, die bisher ausschließlich zivilrechtliche Folgen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auslösen konnte. Die Ergänzung des Katalogs der Ordnungswidrigkeiten in § 11 Abs. 1 NGastG diente dem Zweck, eine verhaltenssteuernde Wirkung zu entfalten. Sie hatte vor allem auch eine symbolische Wirkung, indem sie den Staat ermächtigte, in den genannten Fällen von Diskriminierung zu reagieren und mit Sanktionen repressiv und generalpräventiv zu handeln. Anlass waren seinerzeit verschiedene Fälle von Diskriminierung im Gaststättengewerbe, speziell bei der Kontrolle des Einlasses in Diskotheken oder beim Aufenthalt in Diskotheken. Derartigen Fällen wollte die Landesregierung mit einem deutlichen Zeichen begegnen und zudem verdeutlichen , dass Diskriminierung den Integrationsbemühungen entgegenwirkt und nicht hingenommen werden kann. 1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Auswirkungen dieser Gesetzesänderung ? Wie bewertet sie diese Kenntnisse? Nach Kenntnis der Landesregierung wird die Möglichkeit, diskriminierende Verfehlungen beim Diskothekeneinlass bzw. beim Aufenthalt in einer Diskothek anzuzeigen und öffentlich rechtlich verfolgen zu lassen, wie vom Gesetzgeber bezweckt von den Betroffenen nennenswert wahrgenommen. Dies belegen die in der Antwort zu Frage 2 genannten Zahlen. So wurden seit Einführung des genannten Bußgeldtatbestandes 50 Ordnungswidrigkeiten angezeigt , von denen sechs zur Verhängung eines Bußgeldes geführt haben. Die verhältnismäßig hohe Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/xxxx 2 Anzahl von Verfahrenseinstellungen erklärt sich u. a. durch die unter dem Druck des Ordnungswidrigkeitenverfahrens zusätzlich und zeitgleich durchgeführten Schiedsamtsverfahren, die in der Regel positiv verliefen, sodass die Anzeigeerstattenden diese nicht weiter verfolgt wissen wollten. Zudem mussten Verfahren aufgrund der fehlenden Mitwirkung der Anzeigeerstattenden eingestellt werden. Neben den Betroffenen haben auch Behörden und Diskothekenbetreibende den Schritt der Landesregierung aufmerksam verfolgt. Dieser Rückschluss ergibt sich zum einen aus der Zahl der Kontrollen, die durch die Behörden seit Einführung der Regelung erfolgten und die zum Teil mit Testings kombiniert wurden. Zum anderen ist Rückmeldungen aus den Kommunen zu entnehmen, dass Einlasspersonal und Diskothekenbetreibende vermehrt um eine neutrale Erklärung bemüht sind, wenn sie Abweisungen aus anderen, nicht diskriminierenden Gründen aussprechen müssen. Dem Ziel, eine verhaltenssteuernde Wirkung zu entfalten, wird die Regelung bereits durch ihre öffentliche Wahrnehmung weitgehend gerecht. Die gesteigerte Bereitschaft der betroffenen Parteien, sich im Rahmen von Schiedsamtsverfahren zu einigen, kann ebenfalls auf die geänderte Sach- und Rechtslage zurückgeführt werden. 2. Wie viele Fälle von Anzeigen oder der tatsächlichen Verhängung von Bußgeldern nach dieser Regelung sind der Landesregierung bekannt (bitte nach Anzeigen bzw. Bußgeldverhängung, Zeitpunkt, Ort der Vorfälle differenzieren)? Die aktuellen Zahlen, die anlässlich dieser Anfrage erhoben wurden, können der nachstehenden Tabelle entnommen werden. In dieser werden diejenigen Städte und Landkreise abgebildet, in denen tatsächlich Anzeigen erstattet wurden. Gemeinde/ Stadt Anzahl der Anzeigen Anzahl der Kontrollen durch Überwachungsbehörde Anzahl tatsächlich verhängter Bußgelder 2016 2017 2018 2019 2016 2017 2018 2019 2016 2017 2018 2019 Landeshauptstadt Hannover 5 11 2 6 0 0 13 0 1 0 1 0 Landkreis Graftschaft Bentheim 3 3 2 1 Landkreis Heidekreis 1 3 2 1 1 Landkreis Wittmund 1 1 Stadt Braunschweig 0 10 7 0 0 1 1 0 0 3 0 0 Stadt Celle 1 Stadt Göttingen 1 1 Stadt Lingen 1 Stadt Oldenburg 1 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/xxxx 3 3. Beabs ich tig t d ie Landes reg ie rung , d ie Durchs e tzung des Schutzes vor Dis krimin ie rung be im Ein las s oder Aufen thalt in Dis ko theken bzw. Gas ts tä tten zu be fördern? Wie wird d ie Landes regie rung gegebenenfa lls vorgehen? Die Durchsetzung des Schutzes vor Diskriminierung beim Einlass oder Aufenthalt in Diskotheken ist der Landesregierung ein Anliegen. Sie ist Teil des bereits im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Willens, gleichberechtigte Teilhabe am sozialen Leben zu ermöglichen und Integration zu befördern und zu fordern. Zu diesem Zweck steht sie in regelmäßigem Austausch mit den zuständigen kommunalen Behörden. Sie begrüßt die von diesen bereits durchgeführten Testings zur Überprüfung der Einlasspraktiken und beobachtet die weitere Entwicklung der Anzeige- und Sanktionspraxis . Erforderlichenfalls arbeitet sie eng mit der Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe zusammen , z. B. bei der Erstellung von Internetauftritten und der Durchführung von Informationsveranstaltungen , u. a. für die kommunalen Integrationsbeauftragten. Werden weitere Maßnahmen zur Durchsetzung des Schutzes vor Diskriminierung beim Einlass oder Aufenthalt in Diskotheken notwendig , wird die Landesregierung diese ergreifen bzw. die Kommunen zur Vornahme der erforderlichen Maßnahmen veranlassen. Stadt Osnabrück 1 Stadt Wolfsburg 1 Gesamt 9 22 12 7 6 6 17 2 2 3 1 0 (Verteilt am 18.03.2019) Drucksache 18/3210 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Diskotür-Vorfälle - Was hat die Änderung des Gaststättengesetzes gebracht? Anfrage der Abgeordneten Dragos Pancescu und Belit Onay (GRÜNE), eingegangen am 14.02.2019 - Drs. 18/2848 an die Staatskanzlei übersandt am 18.02.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung na-mens der Landesregierung vom 15.03.2019