Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3217 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung Welche Kosten entstehen durch die Strafverfolgung von Cannabisdelikten? Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz (GRÜNE), eingegangen am 13.02.2019 - Drs. 18/2843 an die Staatskanzlei übersandt am 15.02.2019 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 15.03.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Zur Debatte um die Entkriminalisierung von Cannabisnutzerinnen und Cannabisnutzern liegen konkrete Pläne für Modellvorhaben und die kontrollierte Abgabe von Cannabis vor. In der Debatte spielen auch immer wieder die Kosten der Strafverfolgung eine Rolle. Da Cannabis etwa 60 % der Rauschgiftdelikte (davon 84 % konsumnahe Delikte) ausmacht (Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität 2017, BKA), ist anzunehmen, dass bei der Strafverfolgung von Cannabisdelikten auch die meisten Kosten entstehen. In der Vergangenheit gab es bereits Versuche, die Kosten der Cannabisstrafverfolgung zu schätzen (beispielsweise: Mostardt S. et al., Schätzung der Ausgaben der öffentlichen Gesundheitswesen 2010). Die Kosten, die insgesamt infolge der Kriminalisierung anfallen, verteilen sich auf verschiedene Bereiche: Von Polizei über Staatsanwaltschaften bis hin zu Gerichten und Justizvollzugsanstalten ist eine Vielzahl von Stellen eingebunden. 1. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen Cannabisdelikten gab es jeweils in den Jahren 2015 bis 2017? Bei der statistischen Erfassung von strafbewehrten Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz wird bei den niedersächsischen Staatsanwaltschaften nicht zwischen den einzelnen Betäubungsmittelarten unterschieden. Vielmehr erfolgt die statistische Erfassung nach den bei den Staatsanwaltschaften vergebenen Sachgebietsschlüsseln. Der Sachgebietsschlüssel 60 erfasst Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, für die das Gesetz eine Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr vorsieht, mithin Verbrechen. Unter den Sachgebietsschlüssel 61 werden alle übrigen Betäubungsmittelstraftaten gefasst. Um festzustellen, welche Verfahren sich auf Cannabis beziehen, müsste eine händische Auswertung aller bei den niedersächsischen Staatsanwaltschaften im angefragten Zeitraum neu eingeleiteter Verfahren erfolgen. Eine solche händische Auswertung kann innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit und angesichts der Arbeitsbelastung der Staatsanwaltschaften, deren Kernaufgabe die zügige und nachhaltige Aufklärung und Verfolgung von Straftaten ist, im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage nicht geleistet werden. Ausweislich der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) kam es im angefragten Zeitraum zu folgender polizeilichen Registrierung von Cannabisdelikten: 2015: 20 030 Fälle 2016: 20 674 Fälle 2017: 22 892 Fälle. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3217 2 2. Welche Kosten verursachten die Ermittlungsverfahren zu Cannabisdelikten bei der Polizei in Niedersachsen jeweils in den Jahren 2015 bis 2017? Eine belastbare Spezifizierung der Kosten für Personal, Sachmittel und Umsetzung von Ermittlungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Cannabisdelikten kann nicht vorgenommen werden. Konkrete Angaben zu den Gesamtkosten, die der Polizei Niedersachsen bei der Durchführung von Ermittlungsverfahren zu Cannabisdelikten entstanden sind, sind nicht möglich. Diese Aussage trifft so grundsätzlich auf alle Ermittlungsverfahren zu, unabhängig vom Deliktsbereich . 3. Welche Kosten verursachte die Bearbeitung der Ermittlungsverfahren zu Cannabisdelikten durch die Staatsanwaltschaften jeweils in den Jahren 2015 bis 2017? Vgl. Antwort zu Frage 1. Welche Kosten durch die staatsanwaltliche Bearbeitung von Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz im Zusammenhang mit dem Betäubungsmittel Cannabis entstehen, wird nicht gesondert erfasst. 4. Welche Kosten entstanden jeweils in den Jahren 2015 bis 2017 durch chemische Analysen von Cannabisproben im Rahmen von Ermittlungsverfahren? Im Kriminaltechnischen Institut des Landeskriminalamtes Niedersachsen (KTI) wurden im Jahr 2015 insgesamt 728 Cannabisproben untersucht. In den Jahren 2016 und 2017 waren es 789 bzw. 705 Cannabisproben. Eine Probe wird definiert als ein Asservat, d. h. ein Untersuchungsgegenstand oder eine stoffliche Einheit, unabhängig von Größe oder Zustand. Die Kosten für die Untersuchung einer Probe können in Ermangelung detaillierter Erhebungen nicht exakt angegeben werden. Nach Einschätzung des Landeskriminalamtes Niedersachsen belaufen sich die durchschnittlichen Gesamtkosten für die Untersuchung einer Cannabisprobe auf etwa 47,00 Euro. Auf der Grundlage dieser Schätzung ergeben sich folgende Kosten, die dem KTI im angefragten Zeitraum für die Untersuchung von Cannabisproben entstanden sind: 2015: etwa 34 000 Euro 2016: etwa 37 000 Euro 2017: etwa 33 000 Euro. Neben dem KTI können die niedersächsischen Strafverfolgungsbehörden auch andere Untersuchungsstellen mit der Analyse von Betäubungsmittelproben aus Sicherstellungen der niedersächsischen Landespolizei beauftragen. Eine Erhebung der Kosten bezogen auf die jeweilige Betäubungsmittelart erfolgt jedoch bei den niedersächsischen Staatsanwaltschaften nicht. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3217 3 5. Welche Kosten entstanden jeweils in den Jahren 2015 bis 2017 für die Lagerung und Vernichtung von beschlagnahmtem Cannabis? Hinsichtlich der durch die Lagerung und Asservierung von beschlagnahmten Cannabisproben bei den niedersächsischen Polizeidienststellen und Staatsanwaltschaften entstehenden Kosten liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. Entsprechende Asservate werden regelmäßig zunächst in dafür vorgesehenen Asservatenschränken oder -räumen der Dienststellen zwischengelagert und, falls erforderlich, dem KTI oder einer anderen Untersuchungsstelle zur Untersuchung übergeben. Die dadurch entstehenden Kosten werden nicht gesondert ermittelt und können somit nicht beziffert werden. 6. Welche Kosten entstanden jeweils in den Jahren 2015 bis 2017 für die Unterbringung von Personen in Untersuchungshaft, denen ein Cannabisdelikt zur Last gelegt wurde? Die Vollzugsstatistik differenziert lediglich nach den zur Anwendung gelangten Normen des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz - BtMG), nicht nach der Art des Betäubungsmittels. Die Kosten, die entstanden sind, weil eine Person aufgrund eines Cannabisdeliktes in Untersuchungshaft befindlich gewesen ist, werden somit nicht statistisch erfasst. Um diese festzustellen, müssten alle Untersuchungshaftfälle des angefragten Zeitraums händisch ausgewertet werden. Dies kann im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage nicht geleistet werden. 7. Welche Kosten entstanden durch gerichtliche Strafverfahren zu Cannabisdelikten jeweils in den Jahren 2015 bis 2017? Vergleiche Antwort zu Frage 3. 8. Welche Kosten entstanden jeweils in den Jahren 2015 bis 2017 für die Verbüßung einer Strafhaft oder aufgrund von Ersatzfreiheitsstrafen oder eines Bewährungswiderrufs in Justizvollzugsanstalten im Zusammenhang mit Cannabisdelikten? Vergleiche Antwort zu Frage 6. 9. Welche Geldsumme wurde jeweils in den Jahren 2015 bis 2017 von Beschuldigten infolge der Verfahrenseinstellung mit Geldauflage oder Verurteilung an die Staatskasse bezahlt und welche Geldsumme an andere Stellen, Institutionen oder Verbände? Vgl. Antwort zu Frage 1. Bei den Staatsanwaltschaften werden lediglich die „Straftaten nach dem BtMG“, differenziert nach Erwachsenen und Jugendlichen, statistisch erfasst. Es findet keine Unterteilung nach den verschiedenen Betäubungsmittelarten statt. Im gerichtlichen Bereich gehen die Straftatbestände des BtMG bei der statistischen Erfassung in den Rubriken „Strafsachen allgemein“ bzw. „Jugendrichtersachen allgemein“ auf. 10. Welche Kosten sind dem Land Niedersachsen durch Präventions- und Aufklärungsprogramme zu Cannabis jeweils in den Jahren 2015 bis 2017 entstanden? Das Land Niedersachsen unterstützt auf der Grundlage der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen an Fachstellen für Sucht und Suchtprävention vom 26.10.2015 (VORIS 21069) ein Netz von Suchtberatungsstellen. Grundsätzlich arbeiten die von dem Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung anteilsfinanzierten 75 Fachstellen für Sucht und Suchtprävention (FFS) - in Trägerschaft der Wohlfahrtsverbände - in Niedersachsen suchtmittelund themenübergreifend. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3217 4 Das Hauptbetätigungsfeld dieses Suchthilfesystems ist die Beratung, Begleitung und Betreuung von Erwachsenen und Jugendlichen, insbesondere zu den stoffgebundenen Abhängigkeitserkrankungen und zum Missbrauch von Suchtstoffen. Hierzu gehören insbesondere Alkohol und illegale Drogen, inkl. Cannabis. Die allgemeine Suchtprävention bei stoffungebundenen Abhängigkeitserkrankungen gehört ebenfalls zum Betätigungsfeld. Die FFS werden durch die Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen (NLS) unterstützt, beraten und suchtfachlich sowie im Qualitätsmanagement geschult. Zweck der vorgenannten Förderrichtlinie ist die Verbesserung der Suchtgefährdeten- und Suchtkrankenhilfe . Gefördert werden die mit den Aufgaben der Einrichtungen verbundenen Maßnahmen. Die Einrichtungen sollen - auch in Form niedrigschwelliger Angebote und aufsuchender Arbeit - als Teil des sozialpsychiatrischen Verbundes ihre Leistungen insbesondere in den Problembereichen der „psychotropen Substanzen“ und der stoffungebundenen Suchtformen erbringen. Die Einrichtungen können inhaltliche Schwerpunkte setzen. Hierbei sind regionale und themenbezogene Besonderheiten der Einrichtungen zu berücksichtigen. In der Regel arbeiten Suchtpräventionsfachkräfte substanzübergreifend, sodass es nicht möglich ist, Kosten für die Präventionsarbeit einzelnen Substanzen zuzuordnen. Zudem beziehen sich Programme der Suchtprävention sowohl auf Substanzen als auch auf problematische Verhaltensweisen und/oder sie verfolgen einen lebenskompetenzstärkenden Ansatz, der auch und gerade bei illegalen Drogen präventiv wirkt. Die Fachkräfte vor Ort reagieren zudem auf die Nachfrage der Adressatinnen und Adressaten. Grundsätzlich wird von den Fachkräften zurückgemeldet, dass die Nachfrage nach Cannabisprävention ungebrochen hoch ist. Im Haushaltsjahr 2019 entfällt auf die Landesförderung der Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen und der 75 Fachstellen für Sucht und Suchtprävention ein Betrag von 7 761 000 Euro. (Verteilt am 19.03.2019) Drucksache 18/3217 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Welche Kosten entstehen durch die Strafverfolgung von Cannabisdelikten? Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz (GRÜNE), eingegangen am 13.02.2019 - Drs. 18/2843 an die Staatskanzlei übersandt am 15.02.2019 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 15.03.2019