Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3220 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD) Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Sexualisierte Gewalt im Sport Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD), eingegangen am 25.01.2019 - Drs. 18/2879 an die Staatskanzlei übersandt am 19.02.2019 Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung 15.03.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten Seit Jahren berichten Medien immer wieder von (sexualisierter) Gewalt gegen minderjährige Sportler und Athleten (https://www.deutschlandfunk.de/sexualisierte-gewalt-im-fussball-potentielle-raeu me-fuer.1346.de.html?dram:article_id=434175, https://www.deutschlandfunk.de/sexueller-miss brauch-im-turnen-schwer-darueber-zu-sprechen.1346.de.html?dram:article_id=423018). In dem Bericht der Studie „Safe Sport“ der Deutschen Sportjugend ist zu lesen, dass rund 37 % der Befragten aus 128 Sportarten und 57 Sportverbänden Opfer solcher Übergriffe geworden sind (https://www.dsj.de/fileadmin/user_upload/Handlungsfelder/Praevention_Intervention/sexualisierte_ Gewalt/SafeSport-Ergebnisbericht_23.11.2016-Final.pdf). Diese Missstände wurden bereits in der 2010 abgegebenen „Münchner Erklärung“ des DOSB angesprochen. Vorbemerkung der Landesregierung Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt bestmöglich zu schützen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Auch der organisierte Sport trägt somit eine hohe Verantwortung dafür, Sportlerinnen und Sportler nicht nur in ihrer motorischen, gesundheitlichen und persönlichen Entwicklung zu fördern, sondern sie auch vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen und vor Gewalt zu schützen. Die Landesregierung unterstützt die Institutionen und Akteure des organisierten Sports dabei, Konzepte zu entwickeln sowie Rahmenbedingungen zu schaffen, die Kinder und Jugendliche in Sportvereinen systematisch und nachhaltig schützen und unterstützen. 1. Wie viele Straftaten von (sexualisierter) Gewalt mit Bezug „Sport“ wurden in den letzten zehn Jahren nach Kenntnis der Landesregierung in Niedersachsen registriert (bitte Aufschlüsselung nach Jahr, Art der Straftat, Alter der Opfer, Geschlecht der Opfer, Alter der Täter, Geschlecht der Täter, Sportart/-bereich)? In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) des Landes Niedersachsen wird weder der Beruf bzw. die Tätigkeit von Tatverdächtigen innerhalb eines Vereins noch der Verein selbst erfasst. Eine Erhebung der Anzahl der Straftaten von (sexualisierter) Gewalt im Kontext mit „Sport“ ist daher nicht möglich. Auch zu „Straftaten von (sexualisierter) Gewalt“ im Schulsport werden in Niedersachsen keine statistischen Daten erhoben. 2. Wie hoch wird die Dunkelziffer dabei für Niedersachsen geschätzt? Hierzu können keine Angaben gemacht werden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3220 2 3. Welche Instrumente, Gesetze, Initiativen und Projekte hat die Landesregierung in den letzten zehn Jahren auf den Weg gebracht, um (sexualisierter) Gewalt im Sport vorzubeugen bzw. diese zu bekämpfen (bitte Aufschlüsselung nach Namen der Initiative, Partnerorganisationen, Beginn- und Auslaufdatum der Initiative/des Projekts, Haushaltstitel , Gesamtfördermenge)? Im genannten Zeitraum sind folgende Initiativen und Projekte durch die Landesregierung begonnen bzw. durchgeführt worden: Projekt „Schutz vor sexualisierter Gewalt von Kindern und Jugendlichen im Sport: Prävention, Intervention , Handlungskompetenz“ Dieses Projekt wird vom Landessportbund Niedersachsen e. V. (LSB) und der in ihm organisierten Sportjugend Niedersachsen betrieben. Das Projekt hat eine Laufzeit vom 01.01.2011 bis 31.12.2020. Mit diesem Projekt soll in der gesamten Sportorganisation ein Klima hergestellt und nachhaltig gefestigt werden, das sowohl Mitarbeitende des Sports in die Lage versetzt, qualifiziert präventiv zu handeln, als auch Betroffene zum Reden ermutigt. Das Projekt ist so angelegt, dass sich präventive Ansätze während der Laufzeit in den einzelnen Abteilungen und Einrichtungen des LSB verstetigen und sich so als Querschnittsaufgabe etablieren. Beispielsweise sollen mit dem Leitfaden „Sport im Verein – ja sicher“ die Verantwortlichen in Sportvereinen wirksam darin unterstützt werden, den Schutz der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen im Verein zu verbessern . Weitere Maßnahmen des Projekts sind die Bereitstellung von Informationen zum Thema und zielgruppenspezifische Aus-, Fort- und Weiterbildungen auch für hauptberufliche Sportlehrkräfte. In dem zu Projektbeginn gegründeten Beirat sind die Landesstelle Jugendschutz, der Landespräventionsrat , der Deutsche Kinderschutzbund – Landesverband Niedersachsen, der Betroffenenrat des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Missbrauchs, die Universität Hildesheim, der Verbund der niedersächsischen Frauen– und Mädchenberatungsstellen gegen Gewalt und die Sportjugend Niedersachsen vertreten. Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung hat das Projekt für einen dreijährigen Modellzeitraum von 2011 bis 2013 gefördert. Aus Kapitel 0572 Titelgruppe 64 wurden jährlich 30 000 Euro bzw. insgesamt 90 000 Euro zur Verfügung gestellt. Bis zum Projektende werden das Projekt sowie die Maßnahmen der Umsetzung insbesondere aus Mitteln der Finanzhilfe des Landes Niedersachsen sowie aus anderen Haushaltmitteln des LSB getragen. Insgesamt wurden von 2011 bis 2018 560 427,31 Euro für das Projekt verausgabt, davon 397 452,26 Euro aus der Finanzhilfe (Kapitel 0331, Titelgruppe 61). Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ Im Rahmen eines Fachtages ist am 16.08.2018 in Niedersachsen der Startschuss für die o. g. bundesweite Initiative gefallen. Die Initiative verfolgt das Ziel, dass die mehr als 30 000 Schulen in Deutschland Konzepte zum Schutz vor sexueller Gewalt entwickeln. Mit der Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ können Schulen einerseits zu Orten werden, an denen betroffene Schülerinnen und Schüler Hilfe finden, und gleichzeitig dafür sorgen, dass Missbrauch in der Schule selbst keinen Raum hat. Kommission zur Prävention des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen Die vorgenannte Kommission hat am 27.02.2019 unter Federführung des Landespräventionsrates Niedersachsen ihre Arbeit aufgenommen. Die Einrichtung der Kommission wurde von der Niedersächsischen Justizministerin vor dem Hintergrund der sogenannten MHD-Studie zum Missbrauch in der Katholischen Kirche angeregt und erfolgte durch Beschluss des Vorstandes des Niedersächsischen Landespräventionsrates. Die Mitwirkenden aus rund 30 Institutionen, darunter auch der LSB, werden das Thema mit besonderem Fokus auf Missbrauch in Institutionen aufarbeiten. Ziel Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3220 3 der Kommission ist es, eine fachübergreifende Fortentwicklung der Prävention sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen und des Opferschutzes vorzunehmen. Dabei sollen den Besonderheiten des Landes Niedersachsen Rechnung getragen und vorhandene Erkenntnisse einbezogen werden. Die Mitglieder der Kommission werden konkrete Themen und Fragestellungen in Arbeitsgruppen aufgreifen. Die Geschäftsstelle des Landespräventionsrats, die an das Justizministerium angebunden ist, unterstützt die Kommission dabei in allen organisatorischen und inhaltlichen Fragen. In insgesamt vier Treffen, von denen eines bereits stattgefunden hat, werden bis November 2019 die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zusammengetragen, diskutiert und ausgewertet. Im Anschluss sollen konkrete Handlungsempfehlungen für Politik und Praxis vorgelegt werden, die sich für eine Umsetzung auch im Bereich des Sports eignen. Darauf basierend sollen spezifische Handlungsempfehlungen für Politik und Praxis erarbeitet werden, die sich für eine Umsetzung im Lande eignen und damit zu einem besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellen Übergriffen und einem besseren Opferschutz führen. Broschüre „Missbrauch verhindern“ Auf Grundlage des Aktionsplans 2011 der Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung hat das „Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK)“ am 20. März 2013 die bundesweite Kampagne „Missbrauch verhindern !“ offiziell gestartet. Im Rahmen dieser Kampagne ist unter Federführung der Polizei des Landes Niedersachsen die bundesweit vertriebene Broschüre „Missbrauch verhindern“ erarbeitet worden, die kostenlos an Eltern und andere Erziehungsberechtigte verteilt wird. Diese widmet sich neben den allgemeinen Präventionsratschlägen zur Verhinderung sexueller Gewalt auch in einem Kapitel speziell dem Thema „Missbrauch in Institutionen“. Dort wird den Eltern und Erziehungsberechtigten u. a. geraten, bei den Vereinen und Verbänden zu hinterfragen, ob – Betreuer einen Ehrenkodex oder eine Verpflichtungserklärung unterzeichnet haben, in denen die Regeln zum Umgang mit Kindern niedergelegt sind, – Mitarbeiter vor Aufnahme einer Tätigkeit ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen müssen, – Leitlinien zum Vorgehen im Verdachtsfall bestehen. Diese Maßgaben werden unter anderem im beschriebenen Projekt des LSB erfüllt. 4. Welche Wirkungen erzielten die Maßnahmen aus Frage 3? Wie wurden die Nachhaltigkeit und Durchsetzung der einzelnen Maßnahmen kontrolliert und evaluiert? Projekt „Schutz vor sexualisierter Gewalt von Kindern und Jugendlichen im Sport: Prävention, Intervention , Handlungskompetenz“ Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen, somit liegt noch keine Abschlussevaluation vor. Gleichwohl wurden im Zeitraum 2011 bis 2018 durch die Projektmitarbeitenden ca. 360 Maßnahmen durchgeführt, an denen ca. 6 400 Personen teilnahmen. Die im Rahmen des Projektes entwickelten Empfehlungen, wie z. B. der Handlungsleitfaden, die Beratungs-, Unterstützungs- und Schulungsmöglichkeiten sowie Dokumentationen, sind auf der Homepage des LSB unter www.sportjugendnds .de nachzulesen. Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt" Das Kernelement einer effektiven Prävention ist die Erarbeitung eines für die jeweilige Schule passgenauen Schutzkonzeptes vor sexueller Gewalt einerseits und dem Zugang zu verlässlicher Hilfe für Betroffene andererseits. Die meisten niedersächsischen Schulen haben bereits vielfältige Programme oder Maßnahmen zur Vermittlung von Kinderrechten und zur Gewalt- oder Suchtprävention . Diese Programme und Maßnahmen des Präventionsbereiches sind seit Jahren bewährt. Die daraus resultierenden Ziele und Werte sind heute schon Bestandteil in Leitbildern von Schulen wie auch Thema in den fortzuschreibenden Schulprogrammen. Daran kann ein Schutzkonzept, das besonders sexuellen Missbrauch in den Blick nimmt, anknüpfen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3220 4 Kommission zur Prävention des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen Zu den Auswirkungen der Arbeit der Kommission lässt sich noch keine Aussage treffen, da die Kommission erst am 27.02.2019 ihre Arbeit aufgenommen hat. Kampagne „Missbrauch verhindern!“ Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. 5. Welche Anzeige-/Meldemöglichkeiten gibt es für diesen Bereich der (sexualisierten) Gewalt mit Bezug „Sport“ außer denen bei Polizei und Staatsanwaltschaften? Strafanzeigen können gem. § 158 Abs. 1 StPO auch bei den Amtsgerichten mündlich oder schriftlich angebracht werden. Weiterhin setzt die Landesregierung mit der Einrichtung einer „Anlaufstelle für Opfer und Fragen sexuellen Missbrauchs und Diskriminierung in Schulen und Tageseinrichtungen für Kinder“ beim Kultusministerium konsequent ihre Politik zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Missbrauch und Diskriminierung fort. Sie kann sowohl von Kindern und Jugendlichen, Eltern, örtlichen Beratungsstellen, Lehrkräften, pädagogischen Fachkräften als auch von anderen Personen und Stellen, die von Opfern sexueller Gewalt, Übergriffen oder Diskriminierung angesprochen worden sind, eingeschaltet werden - und natürlich auch von Opfern sexueller Gewalt und Übergriffe selbst. Darüber hinaus wird im Rahmen des Projektes „Schutz vor sexualisierter Gewalt von Kindern und Jugendlichen im Sport: Prävention, Intervention, Handlungskompetenz“ des LSB empfohlen, Vertrauenspersonen in Sportvereinen zu benennen. Diese Vertrauenspersonen sind unter anderem Ansprechpersonen für Kinder und Jugendliche, Trainerinnen und Trainer sowie Eltern im Verein und stellen Kontakte zu Fachkräften in unabhängigen Beratungsstellen her, die sich mit der Prävention von sexualisierter Gewalt befassen. Die Vertrauenspersonen erhalten im Rahmen des Projektes regelmäßig Schulungen und Austauschmöglichkeiten. Sie können gemeinsam mit der im Landkreis zuständigen Fachberatungsstelle zum Schutz vor sexualisierter Gewalt ein Ablaufverfahren im Umgang mit Verdachtsfällen und Meldungen entwickeln. Ergänzend hat die „Zentrale Clearingstelle “ bei der Sportjugend Niedersachsen im LSB die Funktion einer landesweiten zentralen Anlaufstelle für Betroffene und Ratsuchende aus dem Sport. Sie erhalten über die Clearingstelle eine Erstberatung. Entsprechende fachliche Begleitung und weitere Beratung vor Ort wird von den Mitarbeitenden der Clearingstelle auf Wunsch der Anrufenden koordiniert und sichergestellt. 6. Gab es Projekte oder Maßnahmen in diesem Bereich, die aufgrund schlechter Umsetzung , Mittelveruntreuung oder anderer Vergehen eingestellt werden mussten oder deren Förderung zurückgefordert wurde? Wenn, ja welche? Wie hoch war die Summe der Rückforderungen? Wurden zusätzlich weitere Verfahren gegen Einzelpersonen/Organisationen diesbezüglich eröffnet? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. 7. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung nach den Erklärungen der Sportminister des Europarats in Tiflis vom 15.10.2018 und dem Beschluss des DOSB vom 01.12.2018 im weiteren Vorgehen gegen (sexualisierte) Gewalt im Sport? Die Landesregierung misst der Prävention von und der Intervention bei sexualisierter Gewalt im Sport große Bedeutung zu. Die Landesregierung wird dem organisierten Sport daher auch weiterhin partnerschaftlich zur Seite stehen und die Institutionen und Akteure des organisierten Sports bei ihrem Vorgehen gegen sexualisierte Gewalt im Sport unterstützen und fördern. (Verteilt am 19.03.2019) Drucksache 18/3220 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Sexualisierte Gewalt im Sport Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD), eingegangen am 25.01.2019 - Drs. 18/2879 an die Staatskanzlei übersandt am 19.02.2019 Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung 15.03.2019