Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3221 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Horst Kortlang, Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz und Björn Försterling (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Zu wenig Kreißsäle in der Region Friesland? Anfrage der Abgeordneten Horst Kortlang, Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz und Björn Försterling (FDP), eingegangen am 13.02.2019 - Drs. 18/2835 an die Staatskanzlei übersandt am 18.02.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 18.03.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Die Nordwest-Zeitung berichtete in ihrer 30. Ausgabe 2019, dass die Schließung der Kreißsäle in der Region Friesland viele Schwangere besorge. Hierzu wurde ausgeführt „mit Schließung der Kreißsäle in Nordenham und Wittmund sowie im Pius-Hospital müssen sich rund 1 000 Geburten auf die übrigen Kreißsäle verteilen“. Als Gründe wurden Personalmangel und wirtschaftliche Gründe angegeben. Zu Letzteren wurde ausgeführt: „Geburten lohnen sich schlichtweg nicht“. Darauf wies schon ein Artikel im Weser-Kurier vom 03.02.2015 hin. In dieser Meldung wird auch der damalige Bremer Gesundheitssenator Hermann Schulte-Sasse (parteilos) zitiert. Konkret führte der Artikel hierzu aus, dass dieser „in der Sache auch auf eine länderübergreifende Krankenhausplanung setze. In Kürze stehe das Thema bei einer Sitzung der Kabinette aus Niedersachsen und Bremen auf der Tagesordnung.“ Weiterhin erhob er dort die Forderung, man müsse „zu einer aufeinander abgestimmten Landeskrankenhausplanung“ kommen. Vorbemerkung der Landesregierung Die Fachabteilungsstruktur des niedersächsischen Krankenhausplans orientiert sich an den Gebieten der Weiterbildungsordnung (WBO) der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN). In der WBO sind die Gebiete Frauenheilkunde und Geburtshilfe (FUG) zusammengefasst. Das Gebiet FUG umfasst die Erkennung, Vorbeugung, konservative und operative Behandlung sowie Nachsorge von geschlechtsspezifischen Gesundheitsstörungen der Frau, einschließlich plastisch-rekonstruktiver Eingriffe , der gynäkologischen Onkologie, Endokrinologie, Fortpflanzungsmedizin, der Betreuung und Überwachung normaler und gestörter Schwangerschaften, Geburten und Wochenbettverläufen sowie der Prä- und Perinatalmedizin. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in der Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen gemäß § 136 Abs. 1 Nummer 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 SGB V (Qualitätssicherungs -Richtlinie Früh- und Reifgeborene/QFR-RL) in der Fassung vom 20. September 2005, zuletzt geändert am 17. Mai 2018 (BAnz AT vom 24.08.2018 B4), mit dem Ziel der Verringerung von Säuglingssterblichkeit und von frühkindlich entstandenen Behinderungen und der Sicherung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen unter Berücksichtigung der Belange einer flächendeckenden Erreichbarkeit der Einrichtungen ein Stufenkonzept der perinatologischen Versorgung definiert. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3221 2 Das Versorgungskonzept der QFR-RL umfasst die folgenden vier Stufen: – Versorgungsstufe I: Perinatalzentrum Level 1, – Versorgungsstufe II: Perinatalzentrum Level 2, – Versorgungsstufe III: Perinataler Schwerpunkt, – Versorgungsstufe IV: Geburtsklinik. Dabei werden an die Geburtskliniken die geringsten Anforderungen gestellt. Eine Geburt kann in einer Geburtsklinik (Versorgungsstufe IV) erfolgen, wenn eine Schwangerschaft ab der 36. Schwangerschaftswoche ohne zu erwartende Komplikationen vorliegt. Somatische Krankenhäuser rechnen ihre voll- und teilstationären Leistungen, so auch geburtshilfliche Leistungen, im Rahmen des diagnoseorientierten Vergütungssystems ab. Hauptsächliche Entgeltart in diesem Vergütungssystem ist die Fallpauschale. Die Höhe einer Fallpauschale wird ermittelt , indem die im Fallpauschalen-Katalog pro DRG (diagnosis related groups) festgelegte Bewertungsrelation mit dem Landesbasisfallwert multipliziert wird. Den Fallpauschalen-Katalog vereinbaren die Vertragsparteien auf Bundesebene (Spitzenverband Bund der Krankenkassen, Verband der Privaten Krankenversicherung und Deutsche Krankenhausgesellschaft); die technische Zuarbeit leistet das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (§ 17b Abs. 2 Satz 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes - KHG, § 9 Abs. 1 Nummer 1 des Krankenhausentgeltgesetzes - KHEntgG). Den Landesbasisfallwert vereinbaren die Vertragsparteien auf Landesebene (Landesverbände der Krankenkassen, Ersatzkassen und - in Niedersachsen - Niedersächsische Krankenhausgesellschaft ); der Landesbasisfallwert für Niedersachsen für das Jahr 2019 beträgt 3 528,55 Euro, abrechnungswirksam ab dem 1. Februar 2019 wird ein Betrag von 3 536,69 Euro (§ 10 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG). Flankiert wird die Fallpauschalen-Vergütung durch das Instrument des Sicherstellungszuschlags. Beim Sicherstellungszuschlag ist Kriterium die Sicherstellung einer für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Vorhaltung von Leistungen, die aufgrund des geringen Versorgungsbedarfs mit den auf Bundesebene vereinbarten Fallpauschalen und Zusatzentgelten nicht kostendeckend finanzierbar ist; den Sicherstellungszuschlag vereinbaren die örtlichen Vertragsparteien (§ 5 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG). Der G-BA hat den Auftrag, Vorgaben zu beschließen u. a. zur Frage, wann ein geringer Versorgungsbedarf besteht (§ 136c Abs. 3 Satz 2 Nummer 2 SGB V). Diesem Auftrag ist der G-BA mit Erlass der „Regelungen für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen gemäß § 136c Abs. 3 SGB V“ (Sicherstellungszuschläge-Regelungen) – in der Fassung vom 24. November 2016, zuletzt geändert am 19. April 2018 (BAnz AT 22.05.2018 B1) – nachgekommen. Die Sicherstellungszuschläge -Regelungen bestimmen als notwendige Vorhaltungen u. a die Fachabteilung Geburtshilfe oder Gynäkologie und Geburtshilfe (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2), und dass ein geringer Versorgungsbedarf vorliegt, „wenn die durchschnittliche Bevölkerungsdichte von Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren im Versorgungsgebiet des Krankenhauses unterhalb von 20 Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren je Quadratkilometer liegt“ (§ 4 Abs. 1 Satz 3). 1. Ist das Angebot an Kreißsälen in der Region Friesland nach Auffassung der Landesregierung noch ausreichend? Bedingt durch die Schließung der Geburtshilfe in Nordenham verteilt sich die Nachfrage in der Region neu. Gesprächen mit dem St. Johannes-Hospital zufolge steigt dort die Nachfrage bereits merklich an, worauf auch intern schon durch personelle Maßnahmen reagiert wurde. Um die Ausweitung des Versorgungsauftrages krankenplanerisch abzusichern, hat der Träger eine Aufstockung der Planbetten beantragt. Es ist vorgesehen, über den Antrag kurzfristig nach der gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligung des Krankenhausplanungsausschusses im Wege des Umlaufverfahrens zu entscheiden. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die belegten Kapazitäten der Geburtshilfe zum 01.01.2019 vom Pius-Hospital an das Evangelische Krankenhaus Oldenburg verlagert wurden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3221 3 2. Wie stellt sich die Erreichbarkeit von Kreißsälen in der genannten Region dar? Gegenwärtig ist innerhalb einer Fahrtzeit von 30 Minuten aus den gesamten Kreisgebieten der Landkreise Friesland und Wesermarsch ein Krankenhaus mit einer Geburtshilfe erreichbar. 3. Welche Veränderungen erwartet die Landesregierung hinsichtlich der Erreichbarkeit? Aus dem gesamten Kreisgebiet des Landkreises Friesland sowie aus dem ganz überwiegenden Teil des Landkreises Wesermarsch ist auch nach Schließung der Geburtshilfe in Nordenham innerhalb einer Fahrtzeit von 30 Minuten ein Krankenhaus mit einer Geburtshilfe erreichbar. Lediglich aus Teilen der Gebiete einzelner Städte und Gemeinden des Landkreises Wesermarsch sind Geburtskliniken erst innerhalb einer Fahrtzeit von ca. 38 Minuten erreichbar. Für die Versorgung der Bevölkerung des östlichen und nord-östlichen Gebiets des Landkreises Wesermarsch ist dabei das Klinikum Bremerhaven Reinkenheide von besonderer Bedeutung. 4. Welche Fördermöglichkeiten existieren für die Einrichtung eines angedachten vierten Kreißsaals in Varel? Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung befindet sich seit Anfang Februar 2019 in Gesprächen mit dem Träger des Krankenhauses Varel, um die bauliche Zielplanung neu zu entwickeln. Ein Aspekt wird auch die Erweiterung der Geburtshilfe und die Unterbringung der Wöchnerinnen sein. Gegenwärtig liegen noch keine prüffähigen Bauunterlagen als notwendige Basis einer Förderung vor. 5. Wie bewertet die Landesregierung die Behauptung, dass sich Geburten (finanziell) nicht lohnen? Die Landesregierung teilt die pauschale Behauptung, dass sich Geburten (finanziell) nicht lohnen, nicht. Die Entgelte werden jährlich vom Institut für Entgeltkalkulation auf Bundesebene anhand von Ist-Kosten in Kalkulationskrankenhäusern kalkuliert. Für die Entbindung existieren in Abhängigkeit von Organisationsform (Hauptabteilung Geburtshilfe, Belegabteilung Geburtshilfe, hauptamtliche Hebammen, Beleghebammen, hauptamtliche Anästhesie , Beleganästhesie), der Entbindungsart (vaginale Entbindung, sectio caesarea), der Schwangerschaftswoche sowie der Existenz von Komorbiditäten und Komplikationen 84 verschiedene Entgelte mit einer Preisspanne von rund 1 120 bis rund 10 000 Euro. Aufgrund von hohen Vorhaltekosten in Krankenhäusern ist jedoch zu konstatieren, dass die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung auch abhängig ist von der Anzahl der Leistungen. Je mehr Geburten erbracht werden, desto höher ist die Wirtschaftlichkeit der Einrichtung. Bei hauptamtlicher Versorgung gehen Fachleute davon aus, dass ab rund 800 Geburten p. a. die Geburtshilfe wirtschaftlich zu betreiben ist. Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass neben den Fallpauschalen auch die gestiegenen Prämien für die Haftpflichtversicherung in der Geburtshilfe einen Kostenfaktor darstellen, der sich mittlerweile erheblich auf die Wirtschaftlichkeit einer geburtshilflichen Abteilung auswirkt. 6. Welche Eingriffsmöglichkeiten sieht Landesregierung, sofern diese Aussage zutrifft, zur Abmilderung der Problematik? Die Landesregierung erachtet die in den vom G-BA beschlossenen Sicherstellungszuschläge- Regelungen erfolgte Benennung der Geburtshilfe als notwendige Vorhaltung für ein geeignetes Mittel . Sie setzt sich im Übrigen für eine Erhöhung des Landesbasisfallwertes ein. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3221 4 7. Aus welchen Gründen ist die Geburtshilfe nicht Bestandteil der Grundversorgung? Krankenhäuser der Grundversorgung haben nach herrschender Meinung eine Versorgung auf den Gebieten der inneren Medizin und der allgemeinen Chirurgie zu gewährleisten. Die Geburtshilfe dagegen wird Krankenhäusern zugeordnet, die mindestens als Krankenhäuser der Regelversorgung gelten. 8. Welche Ergebnisse ergaben sich aus der gemeinsamen Sitzung der beiden Landesregierungen ? Am 10. Februar 2015 fand die gemeinsame Sitzung der Niedersächsischen Landesregierung und des Senats der Freien Hansestadt Bremen im Bremer Rathaus statt. Die Niedersächsische Landesregierung und der Senat der Freien Hansestadt Bremen begrüßen die bestehenden länderübergreifenden Kooperationen in der ambulanten und stationären Versorgung sowie beim Rettungsdienst und erwarten, dass diese Zusammenarbeit bedarfsorientiert fortgesetzt und intensiviert wird. (Verteilt am 19.03.2019) Drucksache 18/3221 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Zu wenig Kreißsäle in der Region Friesland? Anfrage der Abgeordneten Horst Kortlang, Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz und Björn Förs-terling (FDP), eingegangen am 13.02.2019 - Drs. 18/2835 an die Staatskanzlei übersandt am 18.02.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 18.03.2019