Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3230 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen, Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Wie hoch ist die psychische Belastung für Polizeibeamte? Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen, Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 20.02.2019 - Drs. 18/2949 an die Staatskanzlei übersandt am 25.02.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 18.03.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Laut einer Studie der GdP aus dem März 2018, die sich mit der psychischen Belastung von Polizisten in Thüringen beschäftigte, fühlen sich 94 % der Thüringer Polizisten psychisch und teils auch physisch stark belastet. „Gründe dafür waren nicht nur die hohe Arbeitsbelastung und der Schichtdienst, sondern auch die Konfrontation mit Verletzten und Toten sowie das Durchleben von Stresssituationen“ (Morgenpost, 06.01.2019). Die Polizei wird routinemäßig zu Leichenfundorten oder sogenannten Toten mit ungeklärter Todesursache gerufen. Dabei kommt es regelmäßig vor, dass der verstorbene Mensch erst längere Zeit nach dem Ableben gefunden wird oder andere Gründe den Anblick schwer erträglich machen. Auch die schiere Anzahl an Todesursachenermittlungen stellt eine Belastung dar. Polizeibeamte im Einsatz- und Streifendienst im Rahmen des ersten Angriffs, Mitarbeitende der Spezialisierten Tatortaufnahme im Rahmen der Befundaufnahme und schließlich die Sachbearbeitenden für Todesermittlung, die in den Polizeiinspektionen und Zentralen Kriminalinspektionen tätig sind, werden häufig mit psychisch belastenden Situationen konfrontiert. Auch andere Bereiche des Polizeidienstes sind geprägt durch eine sehr hohe psychische Belastung. So teilte die Landesregierung mit, dass sich Beamte und Sachbearbeiter im Bereich der Bekämpfung des Phänomenbereichs Kinderpornographie in einer besonderen Belastungssituation befänden (Drs. 17/7790, Nr. 49). Vorbemerkung der Landesregierung Die Erhaltung bzw. Förderung der Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei des Landes Niedersachsen ist ein wesentliches Organisationsziel der niedersächsischen Polizei und als solches auch Teil der polizeieigenen Strategie 2020. Der Polizeiberuf ist wie kaum ein anderer geprägt durch besondere psychische und physische Belastungssituationen. Vielfältige und häufig wechselnde Herausforderungen ebenso wie Gewalt- und Konfliktsituationen, auch aus nichtigem Anlass heraus und oftmals nicht vorhersehbar, sind Bestandteil des Alltags von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten. Diese müssen sich oftmals innerhalb kürzester Zeit auf unterschiedliche Einsatzsituationen einstellen und ihr Einschreitverhalten situativ darauf abstimmen. Dazu gehört im Einzelfall auch die Anwendung unmittelbaren Zwanges, um polizeiliche Maßnahmen durchzusetzen, um Auseinandersetzungen zwischen Personen oder Personengruppen zu beenden oder um Streitigkeiten zu schlichten. Belastend auswirken können sich zudem auch Einsätze im Zusammenhang mit Todesursachenermittlungen sowie Ermittlungstätigkeiten im Zusammenhang mit Kinderpornographie. Vor diesem Hintergrund hat die Polizei Niedersachsen eine Vielzahl 1 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3230 von Maßnahmen und Initiativen ergriffen, um dieser besonderen Belastungssituation Rechnung zu tragen. 1. Wie viele Todesermittlungen gab es in Niedersachsen seit 2013 (bitte nach Jahren und Polizeiinspektionen aufschlüsseln)? Nachfolgende Todesermittlungen gab es in den Jahren 2013 bis 2018 in Niedersachsen: 2 Anzahl Todesermittlungen PI Göttingen PI Hameln-Pyrmont/Holzminden PI Hildesheim PI Nienburg/Schaumburg PI Northeim/Osterode ZKI Göttingen PD Göttingen 2013 2014 2015 2016 2017 2018 490 335 338 259 224 0 1 646 497 308 319 250 288 0 1 662 613 349 357 301 285 0 1 905 606 354 377 334 277 0 1 948 566 310 386 321 296 0 1 879 602 406 465 377 324 0 2 174 ZKD und ZVD Hannover PD Hannover 1 508 1 508 1 526 1 526 1 773 1 773 1 685 1 685 1 787 1 787 1 904 1 904 PI Aurich PI Emsland/Grafschaft Bentheim PI Leer/Emden PI Osnabrück PD Osnabrück 204 310 186 427 1 127 196 312 192 470 1 170 245 316 180 475 1 216 274 359 193 545 1 371 235 395 258 558 1 446 256 435 257 675 1 623 PI Cuxhaven PI Delmenhorst/OldenburgLand/Wesermarsch PI Diepholz PI Oldenburg-Stadt/Ammerland PI Verden/Osterholz PI Wilhelmshaven/Friesland PI Cloppenburg/Vechta PD Oldenburg 160 191 178 157 198 206 339 175 403 238 229 161 1 705 317 184 431 184 245 199 1 751 348 188 490 219 262 206 1 891 360 148 504 234 260 225 1 888 388 186 560 244 257 225 2 058 398 214 664 242 343 276 2 343 PI Celle PI Lüneburg/Lüchow/Uelzen PI Rotenburg PI Heidekreis PI Stade PI Harburg PD Lüneburg 130 444 163 114 192 135 1 178 135 487 162 152 153 161 1 250 157 455 183 125 201 156 1 277 150 520 161 115 181 148 1 275 197 590 217 134 156 150 1 444 201 638 226 130 253 217 1 665 PI Braunschweig PI Gifhorn PI Goslar PI Salzgitter/Peine/Wolfenbüttel 262 166 122 577 273 161 135 486 256 160 160 282 313 170 152 295 287 167 169 302 328 184 199 353 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3230 PI Wolfsburg/Helmstedt PD Braunschweig 229 1 356 210 1 265 281 1 139 315 1 245 279 1 204 267 1 331 Niedersachsen 8 520 8 624 9 201 9 412 9 818 11 040 2. Werden bei der Polizei Daten erhoben, wie viele Leichenschauen/Todesermittlungen ein einzelner Beamter vollzieht? Nein, eine automatisierte oder sonstige Erhebung der Anzahl der Leichenschauen bzw. der Anzahl der Todesermittlungen einer einzelnen Beamtin oder eines einzelnen Beamten erfolgt nicht. 3. Wenn ja, wird der „Grad der psychischen Belastung“ für den einzelnen Beamten aufgrund der „Auffindesituation“ der Leiche und die Fallsituation festgehalten? Auf die Beantwortung der Frage 2 wird verwiesen. 4. Was unternimmt die Landesregierung hinsichtlich der psychischen Belastung für Polizeibeamte, die insbesondere im Bereich der Todesermittlungen und der Bekämpfung der Kinderpornografie tätig sind? Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten steht eine Vielzahl von Angeboten zur Verfügung, um sie auf den Umgang mit psychischen Belastungssituationen vorzubereiten bzw. sie im Nachgang zu unterstützen. Die Prävention und Nachsorge bei belastenden Einsätzen (psychosoziale Unterstützung/psychosoziale Krisenintervention) ist vor diesem Hintergrund seit dem Jahr 2000 in der Polizei Niedersachsen fest verankert. Sie wird flächendeckend durch sogenannte Regionale Beratungsstellen der Behörden gewährleistet. Der Sozialwissenschaftliche Dienst der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen sichert über regelmäßige Fortbildungen, Supervision und fachlichkonzeptionelle Koordination die fachlichen Standards, den Erfahrungsaustausch und die Fähigkeit zur behördenübergreifenden Zusammenarbeit der Regionalen Beratungsstellen. Bei größeren Schadensereignissen, Katastrophen und ähnlichen Einsatzlagen unterstützen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialwissenschaftlichen Dienstes auch unmittelbar als Fachberaterinnen und Fachberater vor Ort. In akuten Fällen kann der Sozialwissenschaftliche Dienst durch eine zeitnahe Vermittlung einer Traumatherapie vor einer Chronifizierung der Symptome schützen. Darüber hinaus bieten die Regionalen Beratungsstellen belasteten Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten nach den Standards der Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen strukturierte Nachbereitungen an. Dies wird derzeit regelmäßig nach Einsätzen wie z. B. tödlichen Verkehrsunfällen, Todesermittlungen, bei denen Kinder Opfer geworden sind, plötzlichem Kindstod und Einsätzen, in denen die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eigene Ohnmachtsgefühle bzw. Hilflosigkeit oder besondere Gewaltbereitschaft beim polizeilichen Gegenüber erleben mussten, durchgeführt. Bei dieser Form der Nachbereitung werden Techniken vermittelt, um das Erlebte zu verarbeiten. Zudem wurden Achtsamkeitsseminare für die Ermittlungsgruppe Kinderpornografie entwickelt sowie die supervisionsanaloge Praxisbegleitung für Tatortgruppen eingeführt. Das Landespolizeipräsidium beauftragte die Polizeiakademie Niedersachsen im Jahr 2016, im Rahmen eines Landespilotprojektes („Neue Wege der Nachbereitung“) Konzepte für eine strukturierte Einsatznachbereitung in der Alltagsorganisation zu entwickeln, in den Polizeidienststellen zu erproben und Empfehlungen für ein Landeskonzept zu erarbeiten. Ausgehend von der Selbstreflexion und der Reflexion in der Gruppe werden Einsatzsituationen möglichst unmittelbar aufgearbeitet sowie ein weitergehendes Aufgreifen, soweit notwendig, ermöglicht. Diese Form der Einsatznachbereitung zielt auf die konsequente und niederschwellig ansetzende sowie gleichsam praxisorientierte und alltagstaugliche Anwendung durch die beteiligten Führungskräfte sowie Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter ab. Dabei geht es sowohl um einsatztaktische Belange als auch um außergewöhnliche psychische Belastungen für die im Einsatz beteiligten Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten. Die strukturierte Einsatznachbereitung findet vorrangig in konflikt- und gewaltbehafteten Situationen Anwendung und soll zur Verhinderung von Konflikten bzw. 3 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3230 Gewalt sowie zur Reduzierung von deren Folgen, wie beispielsweise psychischen Belastungen, beitragen. Die strukturierte Einsatznachbereitung orientiert sich grundsätzlich am Bedarf der am Einsatzgeschehen beteiligten Beamtinnen und Beamten. Erklärtes Ziel dabei ist u. a., die Sensibilität für das frühzeitige Erkennen von außergewöhnlichen Belastungen bei Beteiligten zu stärken. In Feedback-Gesprächen wird u. a. geklärt, ob sich neben der innerdienstlichen Nachbereitung auch ein professioneller Betreuungsbedarf ergibt. Liegen Hinweise auf besondere psychische Belastungen von Einsatzkräften vor, so ist von einer strukturierten Einsatznachbereitung abzusehen oder sie ist abzubrechen. In diesen Fällen ist eine professionelle Betreuung angebracht. Die Entscheidung darüber, ob eine Person ein Ereignis als belastend einordnet, hängt grundsätzlich von der persönlichen Wahrnehmung und dem persönlichen Empfinden ab. Im Rahmen der o. g. Pilotierung in den unterschiedlichen Funktionsbereichen konnte die Praxistauglichkeit nachgewiesen werden. Die Umsetzung des Konzeptes der strukturierten Einsatznachbereitung erfolgt selbstständig durch die Polizeibehörden. Weiterhin beauftragte das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport den Sozialwissenschaftlichen Dienst der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen mit einer Studie zu dem Thema „Belastungen und Entlastungsmöglichkeiten der polizeilichen (Kinder-) PornografieSachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter“. Ausgehend von den im Rahmen der Studie gewonnenen Erkenntnissen wurden bzw. werden im Bereich der Bekämpfung der Kinderpornografie folgende Maßnahmen als zielführend erachtet und umgesetzt, um Be- und Überlastungserscheinungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorzubeugen. Der Einsatz im Deliktsfeld Kinderpornografie und die dazugehörige Auswertung von deliktsbezogenen Daten erfolgt auf freiwilliger Basis. Die entsprechende Aufgabe wird grundsätzlich nur übertragen, wenn die Beamtin bzw. der Beamte zustimmt. Sobald Belastungserscheinungen auftreten oder diese von den Betroffenen benannt werden, werden die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in anderen Aufgabengebieten eingesetzt. Herausragende Sachverhalte werden (Haupt-)Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern übertragen, die hierfür besonders qualifiziert sind und in der Regel über langjährige Erfahrung verfügen. Zudem werden für diesen Personenkreis Supervisionen in Form von Gruppen- oder Einzelgesprächen anlassbezogen angeboten und durchgeführt. Weiterhin wird darauf hingewirkt, dass Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter im Bereich der Kinderpornografie grundsätzlich die Möglichkeit haben, auch Vorgänge außerhalb des zuvor genannten Deliktsfeldes zu bearbeiten. Weiterhin befindet sich im Landeskriminalamt Niedersachsen aktuell eine Richtlinie „Umgang mit kinder- und jugendpornografischen Schriften in Ermittlungsverfahren“ in der Befassung, die u. a. auch explizit das Thema „Gesundheitsfürsorge“ beinhaltet. Auch die Aus- und Fortbildung der Polizei Niedersachen leistet einen wichtigen Beitrag zum Umgang mit außergewöhnlichen Belastungen, indem entsprechenden Bewältigungsstrategien bzw. -techniken vermittelt werden. Die Stressbewältigung, und damit einhergehend auch der Umgang mit der berufsspezifischen Belastung, ist fester Bestandteil des Fortbildungsangebotes der Polizeiakademie Niedersachsen. Die Fortbildungsseminare zum Umgang mit polizeidiensttypischer Stressbelastung, die sich inhaltlich intensiv mit entsprechenden Themen befassen, sind seit dem Jahr 2015 von rund 850 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besucht worden. Die Polizeiakademie Niedersachsen hat bereits im Jahr 2016 die Fortbildungsangebote für die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter, welche mit der Bearbeitung von Kinderpornografie befasst sind, überprüft und angepasst. Neben der Vermittlung von Kenntnissen hinsichtlich der Bearbeitung der Verfahren wird der Umgang der Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter mit dem belastenden Bild- und Videomaterial thematisiert. Im Einzelnen ist der Bereich der Psychologie mit den Themenschwerpunkten „Was macht der Umgang mit diesen Bildern/Videos mit mir?“, „Was kann ich dabei für mich tun und wie gehe ich damit um?“, „Distanzierungstechniken/Burn-Out“, „Entlastungsstrategien“, „Supervision“ und „Entspannungsmethoden/Stressbewältigungstechniken“ ein fester Bestandteil der Seminare. Die Polizeiakademie Niedersachsen bietet weiterhin zielgruppenspezifische Seminare für die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter an, die mit Todesursachenermittlungen bzw. der Tatortaufnahme von Leichenfunden betraut sind. Die Fortbildungsangebote zu den Todesursachenermittlungen werden aktuell überprüft. In der Neukonzeption der Curricula werden die oben aufgeführten Fragestellungen ebenfalls diskutiert und in die Seminarstruktur eingebettet. Gleiches gilt für die Seminare, die die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter, die für die Tatortaufnahmen zuständig sind, qualifizieren, sowie für die Seminarangebote für die Kriminaltechnikerinnen und Kriminaltech- 4 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3230 niker. Darüber hinaus ist das Erkennen möglicher psychischer Belastungen für alle Mitarbeitenden u. a. Gegenstand von Führungskräftefortbildungen, bei denen auch externe Referentinnen und Referenten hinzugezogen werden. Auch das zwischenzeitlich implementierte Gesundheitsmanagement der Polizei Niedersachsen zielt auf die systematische Verbesserung der Arbeitsbedingungen und -abläufe sowie die Stärkung der Gesundheitskompetenz der Beschäftigten ab. Zentraler Kern des Konzeptes sind die sogenannten Prozessketten, die es ermöglichen, unter Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie deren Führungskräfte sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Gesundheitsressourcen zu analysieren, gegebenenfalls Optimierungsmöglichkeiten zu entwickeln und diese in die tägliche Arbeit zu integrieren. Alle Mitarbeitenden der niedersächsischen Polizei, die in beruflichen oder privaten Fragen ein Gespräch zur Klärung, Orientierung oder Entlastung suchen, können sich auch an die Polizeiseelsorgerinnen und Polizeiseelsorger wenden. Darüber hinaus begleitet dieser Personenkreis auch Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte bei schwierigen Einsätzen und bietet nach belastenden Einsätzen Hilfe an. Auch die Seminare (wie z. B. „Umgang mit ethischen Grundfragen und besonderen Herausforderungen im Dienst“, „Stress und Gesundheit“ etc.) des Kirchlichen Dienstes in Polizei und Zoll können von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der niedersächsischen Polizei jederzeit in Anspruch genommen werden. Durch das Ministerium für Inneres und Sport wird das Programm CARE (Chance Auf Rückkehr Ermöglichen) angeboten. Hierbei handelt es sich um ein vertrauliches Beratungs- und Serviceangebot für alle Beschäftigten des Landes Niedersachsen, das diese freiwillig und kostenfrei in Anspruch nehmen können. Die CARE-Beratung bietet schnell und kompetent Unterstützung bei persönlichen und beruflichen Belastungen, die sich auf die Gesundheit oder Arbeitsfähigkeit auswirken. Bei psychischen Erkrankungen können bei Bedarf passende Behandlungs- und Unterstützungsangebote vermittelt werden. Der landesweite Service kann in den Städten Hannover, Braunschweig, Lüneburg, Osnabrück und Oldenburg in Anspruch genommen werden. Ferner wird auf den Privilegierungstatbestand des § 109 Abs. 2 NBG hingewiesen. Danach verringert sich die Altersgrenze u. a. um ein Jahr, wenn die Polizeivollzugsbeamtin oder der Polizeivollzugsbeamte in einer gesundheitlich belastenden Weise mindestens 25 Jahre im kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereich tätig gewesen ist. 5. Hat die Landesregierung Erkenntnisse darüber, wie viele Polizeibeamte in Niedersachsen dienstbedingt psychische Krankheitsbilder entwickelt haben? Wenn ja, bitte nach Jahren aufschlüsseln ab 2013. Die Landesregierung hat keine Erkenntnisse darüber, wie viele Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte dienstbedingt ein psychisches Krankheitsbild entwickelt haben, da diese Daten nicht erhoben werden. 6. Hat die Landesregierung Erkenntnisse, was die Hauptursachen für die psychische Belastung sind? Nein, siehe Antwort zu Frage 5. 7. Wenn ja, welche Konzepte verfolgt die Landesregierung, um psychische Belastungen von Polizeibeamten entgegenzuwirken, zu erkennen und gegebenenfalls zu behandeln? Wie bereits bei der Beantwortung der Frage 4 dargestellt, ist die Landesregierung bestrebt, durch die bereits ausgeführten Unterstützungsangebote (Konzepte, Seminare, Fortbildung, Gesprächsund Beratungsangebote etc.) dienstlich begründete psychische Belastungen zu vermeiden bzw. frühzeitig zu erkennen und diesen professionell entgegenzuwirken. 5 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode 8. Drucksache 18/3230 Werden derartige Belastungen für die Beamten bereits in der Ausbildung thematisiert? Ja. Bereits im Studium an der Polizeiakademie Niedersachsen werden polizeiliche Einsatzlagen und -situationen thematisiert, die Hochstress- bzw. traumatisierenden Stress auslösen könnten. 9. Wenn ja, in welcher Form? Bereits im ersten Studienabschnitt werden mögliche Belastungen im Zusammenhang mit Einsätzen grundlegend in einem Teilmodul „Psychologie“ vermittelt. Darauf aufbauend werden im zweiten Studienabschnitte psychosoziale Kenntnisse und deren praktische Umsetzung ausgebaut, sodass die Studierenden die Verknüpfungen zwischen den erlebten polizeilichen Praxisfällen und den bisherigen theoretischen Grundlagen herstellen können. Im dritten Studienjahr werden die Bereiche Todesermittlungen und Sexualdelikte vertiefend erörtert. Die Studierenden werden intensiv über mögliche Szenarien und Belastungen, welche im Umgang mit diesen Deliktsfeldern entstehen können, informiert, damit sie mit diesen Herausforderungen später angemessen umgehen können. Bereits direkt vor Eintritt in die berufspraktischen Studienabschnitte im zweiten Studienjahr werden den Studierenden praktische Möglichkeiten an die Hand gegeben, um strukturiert belastende Einsatzlagen im Team zu reflektieren. Darüber hinaus werden die Themenkomplexe Stress und Stresscoping mit dem Lernziel vermittelt, Grundkenntnisse über psychologische Stresstheorien zu erlangen, um Stress im Studium und in der Berufspraxis erkennen und bewältigen zu können. Es handelt sich um eine theoretische Unterweisung, die eine differenzierte Betrachtung von problemorientierten und emotionsorientierten Bewältigungsmöglichkeiten beinhaltet. Im Themenkomplex Psychologie wird derartigen Belastungen im Kontext der Reflexion der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten und zur Erlangung von Handlungssicherheit ebenfalls Rechnung getragen. Zudem werden die relevanten Ausbildungsinhalte des Bachelorstudiengangs an der Polizeiakademie Niedersachsen theoretisch vertieft und emotionsorientierte Bewältigungsmöglichkeiten praktisch erprobt. Neben den entsprechenden Vorlesungen nehmen Studierende im Rahmen eines Besuchs der Rechtsmedizin an einer Obduktion teil. Die konkrete Konfrontation mit der Endlichkeit des Lebens kann dazu beitragen, die Studierenden auf entsprechende Einsätze vorzubereiten. Neben einer unverzichtbaren Begleitung durch die Dozentinnen und Dozenten werden die Studierenden zudem über bestehende Hilfsangebote (Seelsorge, Coaching etc.) informiert. Zusätzlich werden psychische Belastungen bzw. der Umgang mit besonders belastenden Situationen in allen interdisziplinär angelegten Situations- und Einsatztrainings thematisiert und reflektiert. Darüber hinaus ist die seit Juni 2018 eingerichtete Beratungsstelle ein Angebot der Polizeiakademie Niedersachsen, welches die Studierenden während des Studiums begleitet und bei auftretenden Schwierigkeiten berät. Studierende können sich aus jedem Anlass an die Beratungsstelle wenden. In einem vertraulichen Umfeld sollen Lösungswege aufgezeigt werden. 10. Werden Techniken gelehrt, um außergewöhnliche psychische Belastungen besser verarbeiten zu können? Im Kontext der vorstehenden Ausführungen werden Techniken aus den Bereichen der problemund emotionsorientierten Copingstrategien vermittelt. Hierzu gehören beispielsweise die mentale Vorbereitung sowie die Vor- und Nachbereitung von Einsätzen. Darüber hinaus wird die Technik der Rationalisierung („professionelle Distanz“) erlernt. Speziell die Copingstrategien auf den Ebenen instrumentelle, mentale und regenerative Stresskompetenz umfassen im Studium auch die praktische Erprobung. Einbezogen sind neben kognitiven Techniken auch Entspannungstechniken (z. B. Progressive Muskelentspannung, Atemtechniken, Entschleunigung der Kommunikation) sowie ein Verhaltenstraining. 6 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3230 11. Inwieweit werden derzeit zur Entlastung der Beamten in Niedersachsen private Anbieter mit der Auswertung von Rechnern und Datenträgern insbesondere im Bereich der Kinderpornografie beauftragt? In Niedersachsen werden bisher standardisiert keine Verfahren mit dem Ziel der Auswertung von Datenträgern an externe Firmen vergeben. Die Aufbereitung und Auswertung erfolgt ausschließlich durch die Polizei. Die Auswertung von Rechnern und Datenträgern durch Externe, insbesondere im Bereich der Kinderpornografie, wird derzeit im Rahmen eines Pilotprojektes getestet. Diese sogenannte „Pilotierung der Fremdvergabe“ wird in Niedersachen durch das Ministerium für Inneres und Sport und federführend durch das Justizministerium unter fachlicher Begleitung durch die Ansprechstelle Kinderpornografie des Landeskriminalamtes Niedersachsen durchgeführt. Ob und inwieweit dauerhaft an dieser Art der Auswertung festgehalten wird, hängt vom Ergebnis der Pilotierung ab. Dieses wird nicht vor Ende 2019 erwartet. (Verteilt am 20.03.2019) 7