Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3354 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Detlev Schulz- Hendel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung Warum streicht die Landesregierung die Mobilitätsförderung für Bewohnerinnen und Bewohner der Landesaufnahmebehörde? Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Detlev Schulz- Hendel (GRÜNE), eingegangen am 18.02.2019 - Drs. 18/2885 an die Staatskanzlei übersandt am 20.02.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung vom 26.03.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Der Standort Oldenburg der Landesaufnahmebehörde (LAB NI) ist im Kloster Blankenburg untergebracht . Laut Internetseite der LAB NI liegt der Standort „im Osten des Stadtgebietes Oldenburg und grenzt unmittelbar an die Gemeinde Wüsting - Landkreis Oldenburg“. Die Entfernung zum Stadtzentrum Oldenburg beträgt über 7 km. Mit einem Brief an Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) greift der Gemeindekirchenrat der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Osternburg den Umstand auf, dass seit Beginn des Jahres 2019 die Zuschüsse des Landes für die Förderung des Busverkehrs für die Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtung im Kloster Blankenburg gestrichen wurden. Die Streichung der kostenlosen Nutzung führe zu einer „Isolierung der Asylsuchenden“, heißt es in dem Schreiben. Die Kirchengemeinde hätte ohne kostenlose Bustickets der Eröffnung der Einrichtung 2016 nicht zugestimmt. Die bislang gut besuchten Gottesdienste in der Dreifaltigkeitskirche und im „Archecafé“ würden seit dem Wegfall der Kostenübernahme kaum noch genutzt. Die Kirchengemeinde fordert Minister Althusmann auf, die kostenlose Busnutzung wieder in Kraft zu setzen. Andernfalls müsse eine andere Möglichkeit erarbeitet werden, um Asylsuchenden die Wahrnehmung ihres Rechts auf Teilhabe zu ermöglichen. In einer Pressemitteilung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 11.09.2015 schrieb das Ministerium: „Das Land ermöglicht den Bewohnerinnen und Bewohnern der Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) des Landes ab dem 1. Oktober 2015 die kostenlose Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Dazu soll zukünftig der Hausausweis der EAE die Flüchtlinge berechtigen. Das Land wird den Verkehrsunternehmen hierfür einen Ausgleich zahlen, der aus den Regionalisierungsmitteln finanziert wird. Verkehrsminister Olaf Lies sagte: ‚Das ist ein weiterer Beitrag der Landesregierung zur Willkommenskultur.‘“ Vorbemerkung der Landesregierung Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 hat die damalige Landesregierung umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um die in massiv ansteigender Zahl nach Deutschland geflohenen Flüchtlinge und Asylbewerberinnen und Asylbewerber zu unterstützen und ihnen einen menschenwürdigen Aufenthalt zu bieten. Neben der Gewährleistung von Unterkunft und Verpflegung in den Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) des Landes sowie in vielen vorübergehend eingerichteten Notunterkünften auf kommunaler Ebene wurden zu diesem Zeitpunkt in allen Ressorts der Landesregierung zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen geprüft und soweit möglich unbürokratisch umgesetzt . Die in diesem Zusammenhang seitens des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3354 2 Digitalisierung (MW) ergriffenen Maßnahmen umfassten dabei auch die Ermöglichung einer kostenlosen Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) für die Bewohnerinnen und Bewohner der EAE des Landes in deren jeweiligem Aufenthaltsbereich, d. h. in der Regel innerhalb der Standortkommune der jeweiligen EAE. Hintergrund für diese Maßnahme war u. a., dass die teilweise neu eingerichteten EAE-Standorte bzw. Außenstellen zunächst noch nicht über ausreichende ÖPNV-Anbindungen verfügten und eine rasche Kapazitätsausweitung oder Neueinrichtung entsprechender ÖPNV-Angebote durch die Landesfinanzierung einer kostenlosen ÖPNV-Beförderung für alle Bewohnerinnen und Bewohner unterstützt und beschleunigt werden sollten. Die kostenlose ÖPNV-Beförderung der Bewohnerinnen und Bewohner der EAE führte auf Seiten der Verkehrsunternehmen zu Einnahmeverlusten, für die das Land die Ausgleichsfinanzierung auf vertraglicher Basis übernahm. Hierfür wurden zwischen dem Land und neun Verkehrsunternehmen bzw. Aufgabenträgern insgesamt elf Einzelverträge geschlossen. Insbesondere aufgrund der zunehmenden finanziellen Belastung des Landes für die Gewährleistung der kostenlosen ÖPNV-Beförderung der EAE-Bewohnerinnen und -Bewohner wurden alle abgeschlossenen Verträge nach Zustimmung der damaligen Hausleitung des MW im September 2016 zum 31.12.2016 gekündigt. Sämtliche Vertragspartner, mit Ausnahme der Verkehr und Wasser GmbH (VWG), die die ÖPNV-Linie zur und von der EAE im Kloster Blankenburg in Oldenburg bedient, akzeptierten die Kündigung und stellten die kostenlose ÖPNV-Beförderung für die EAE- Bewohnerinnen und Bewohner zum Jahresende 2016 ein. Allein die VWG erkannte die Vertragskündigung zum 31.12.2016 nicht als wirksam an und setzte die kostenlose Beförderung im ÖPNV für die Bewohnerinnen und Bewohner der EAE Kloster Blankenburg trotz der ausgesprochenen Kündigung eigenständig fort. Der Vertrag zwischen dem Land und der VWG wurde von den Vertragsparteien schließlich rückwirkend zum 31.12.2017 beendet. Die kostenlose Beförderung der Bewohnerinnen und Bewohner der EAE Kloster Blankenburg im ÖPNV im Oldenburger Stadtgebiet selbst hat die VWG zum 30.11.2018 eingestellt. Die Finanzierung einer kostenlosen Beförderung der EAE-Bewohnerinnen und -Bewohner im ÖPNV durch das Land basierte nicht auf gesetzlichen Grundlagen, sondern wurde vonseiten des MW als freiwillige Leistung des Landes im Rahmen der Willkommenskultur angeboten. Sie war von Beginn an auch nur für eine vorübergehende Zeit vorgesehen. Damit verbunden war deshalb auch keine Veränderung der gesetzlichen Zuständigkeiten der Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und den straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Im Rahmen dieser Zuständigkeiten sind die Aufgabenträger verpflichtet, ein bedarfsgerechtes ÖPNV-Angebot zu organisieren und zu finanzieren. Hierfür erhalten sie umfangreiche Finanzhilfen des Landes nach dem Niedersächsischen Nahverkehrsgesetz (NNVG). Diese Mittel können von den Aufgabenträgern auch für tarifliche Maßnahmen, beispielsweise für subventionierte Fahrpreise oder kostenlose Beförderungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen, verwendet werden. Sofern vor Ort eine ermäßigte oder kostenlose Beförderung im ÖPNV für Bewohnerinnen und Bewohner einer EAE oder für Flüchtlinge als notwendig erachtet wird, obliegt die Entscheidung darüber sowie deren Finanzierung den zuständigen kommunalen ÖPNV-Aufgabenträgern im Rahmen ihrer Selbstverwaltungshoheit im eigenen Wirkungskreis. 1. Wann, wo, in welcher Art und in welchem Umfang ist die Landesregierung von der in der oben zitierten Pressemitteilung dargestellten Praxis abgewichen? Ist die Streichung bezüglich des Standorts im Kloster Blankenburg der erste Fall einer solchen Abweichung ? Beabsichtigt die Landesregierung auch an anderer Stelle die Streichung derartiger Zuschüsse oder andere Einschränkungen der Mobilität von Bewohnerinnen und Bewohnern der LAB NI? Falls ja, wo, wann, welcher Art und in welchem Umfang? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Alle Verträge des Landes zur Finanzierung einer kostenlosen ÖPNV-Beförderung der Bewohnerinnen und Bewohner von EAE des Landes bzw. von deren Außenstellen wurden zum 31.12.2016 seitens des MW gekündigt. Von den Kündigungen waren folgende EAE-Standorte konkret betroffen: – EAE Braunschweig mit Außenstellen Hildesheim, Groß Denkte und Ehra-Lessien, Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3354 3 – EAE Friedland mit Außenstellen Duderstadt und Dassel, – EAE Bramsche mit Außenstellen Bad Iburg und Osnabrück (seit 01.10.2015 eigenständiger EAE-Standort), – EAE Oldenburg. An allen EAE-Standorten bis auf den Standort Oldenburg wurde die kostenlose Beförderung daraufhin von den Verkehrsunternehmen bereits zum Jahresende 2016 eingestellt. Einzig hinsichtlich des Vertrages zur kostenlosen Beförderung der Bewohnerinnen und Bewohner der EAE Oldenburg mit der VWG kam es zu Streitigkeiten über die Wirksamkeit der seitens MW ausgesprochenen Kündigung. Hier erfolgte die Vertragsbeendigung erst zum 31.12.2017 sowie die Einstellung der kostenlosen Beförderung durch die VWG erst zum 30.11.2018. 2. Warum hat die Landesregierung die Zuschüsse für die Förderung des Busverkehrs für die Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtung im Kloster Blankenburg gestrichen? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Die Einstellung der Landesfinanzierung der kostenlosen ÖPNV-Beförderung für die Bewohnerinnen und Bewohner der EAE Oldenburg im Kloster Blankenburg durch das MW erfolgte sowohl aus Haushaltsgründen als auch aus Gründen der Gleichbehandlung, da nach der Beendigung der Verträge für die anderen EAE zum 31.12.2016 nur für die Bewohnerinnen und Bewohner der EAE Oldenburg noch eine Landesfinanzierung erfolgte, die es diesen ermöglichte, den ÖPNV weiter kostenlos nutzen zu können. 3. Wie hoch waren die Zuschüsse jeweils in den Jahren, in denen sie gewährt wurden (bitte nach LAB-Standorten bzw. Kommunen und Jahren aufschlüsseln)? In welcher Form wurden die Zuschüsse jeweils an wen gezahlt? Wie viele Personen haben von der Förderung jeweils in den einzelnen Jahren ihrer Zahlung profitiert? Die Ausgleichzahlungen wurden auf der Grundlage von Verträgen zwischen dem Land und den vor Ort tätigen Verkehrsunternehmen oder Aufgabenträgern gezahlt. Die Zahlungen erfolgten per Überweisung an die jeweiligen Vertragspartner, die teilweise die weitere Abrechnung mit anderen betroffenen Verkehrsunternehmen übernommen hatten. Die Abrechnung erfolgte dabei nicht aufgeschlüsselt auf Einzelpersonen, sondern pauschaliert anhand der jeweiligen monatlichen Belegungszahlen der einzelnen EAE pro Standort. Angaben über die tatsächliche Inanspruchnahme und die konkrete Anzahl der Personen, die von der kostenlosen ÖPNV-Beförderung für Bewohnerinnen und Bewohner der EAE profitiert haben, liegen der Landesregierung deshalb nicht vor. Die Höhe der jeweiligen Landesfinanzierung aufgeschlüsselt nach den Standorten der EAE des Landes, den Jahren, für die sie gezahlt wurden, sowie die Zahlungsempfänger sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Standort der EAE/ Außenstelle (ASt) 1) Empfänger der Landeszahlungen Betrag für 2015 Euro Betrag für 2016 Euro Gesamtsumme Euro Braunschweig mit ASt Groß Denkte und Ehra-Lessien Zweckverband Großraum Braunschweig 264.416,00 300.986,00 565.402,00 Hildesheim (ASt von Braunschweig) NordWestBahn GmbH; erixx GmbH, DB Regio AG; metronom GmbH 50.410,31 142.190,96 192.601,27 Friedland mit Ast Duderstadt und Dassel Zweckverband Verkehrsverbund Süd- Niedersachsen GmbH 333.705,25 257.210,75 590.916,00 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3354 4 Standort der EAE/ Außenstelle (ASt) 1) Empfänger der Landeszahlungen Betrag für 2015 Euro Betrag für 2016 Euro Gesamtsumme Euro Bramsche, Osnabrück und ASt Bad Iburg Verkehrsgemeinschaft Osnabrück; Nord- WestBahn GmbH; WestfalenBahn GmbH, DB Regio AG 653.509,53 758.687,43 1.412.196,96 Oldenburg (Kloster Blankenburg ) VWG mbH 31.579,62 199.807,03 2) 500.632,93 Gesamtsumme: 3.261.749,16 1) Teilweise erfolgte keine gesonderte Berechnung nach Einzelstandorten oder Außenstellen. 2) Einschließlich weiterer Zahlungen für 2017 (269.246,28 €). 4. Wen hat die Landesregierung wann und in welchem Umfang über die Absicht zur Streichung der Zuschüsse informiert? Welche Rückmeldungen oder Reaktionen hat die Landesregierung erhalten? Die Vertragspartner des Landes wurden im September 2016 über die vertragliche Beendigung der Regelung zur Finanzierung einer kostenlosen Beförderung der EAE-Bewohnerinnen und -Bewohner im ÖPNV jeweils per Einzelanschreiben des MW mit der Vertragskündigung informiert. Vorangegangen war ein Austausch mit dem Ministerium für Inneres und Sport (MI). Das MI hat die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) per E-Mail am 05.10.2016 über die Einstellung der Landesfinanzierung der kostenlosen ÖPNV-Beförderung für die Bewohnerinnen und Bewohner der EAE unterrichtet. Die LABNI hat daraufhin alle EAE-Standorte zeitnah informiert. Die ausgesprochene Kündigung wurde von den Vertragsparteien an allen EAE-Standorten mit Ausnahme von Oldenburg akzeptiert und die kostenlose Beförderung im ÖPNV jeweils zum Jahresende 2016 eingestellt. Ausschließlich in Oldenburg bestritt die VWG als zuständiges Verkehrsunternehmen die Wirksamkeit der Kündigung. Auch die Stadt Oldenburg als Gesellschafterin der VWG sowie die damalige Oldenburger Landtagsabgeordnete Susanne Menge (Bündnis 90/Die Grünen) und Aufsichtsratsvorsitzende der VWG setzten sich für die Fortsetzung einer Landesfinanzierung der kostenlosen ÖPNV-Beförderung der EAE-Bewohnerinnen und -Bewohner in Oldenburg ein. (Verteilt am 01.04.2019) Drucksache 18/3354 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Detlev Schulz- Hendel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung Warum streicht die Landesregierung die Mobilitätsförderung für Bewohnerinnen und Be-wohner der Landesaufnahmebehörde?