Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3355 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Christian Meyer (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung Enttäuscht Wirtschaftsminister Althusmann beim Bürokratieabbau den Mittelstand? Anfrage des Abgeordneten Christian Meyer (GRÜNE), eingegangen am 21.02.2019 - Drs. 18/2961 an die Staatskanzlei übersandt am 25.02.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung vom 26.03.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten Im Rahmen der seit Beginn der Wahlperiode in den Ministerien vorgesehenen 100 zusätzlichen Stellen wurden im Wirtschaftsministerium auch drei zusätzliche Stellen für den „Bürokratieabbau“ geschaffen. Laut HAZ vom 19.02.2019 zog Minister Althusmann nun vor Unternehmern Bilanz. Darin heißt es: „Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann hat den Unternehmen im Bundesland den Abbau überflüssiger Bürokratie versprochen - doch bei der Verwirklichung dieses Wahlkampfversprechens stößt er schnell an die Grenzen seiner Macht. (…) Als Erfolg bezeichnete Althusmann eine Clearingstelle, die inzwischen in seinem Ministerium arbeite. Sie prüfe jedes geplante niedersächsische Gesetz auf zusätzliche Belastungen für den Mittelstand - und schlage, falls nötig, Alternativen vor. Außerdem gebe es in seiner Behörde mittlerweile drei Experten für den Bürokratieabbau , nachdem seine Vorgänger dem Ziel gerade einmal 0,2 Planstellen gewidmet hätten. Die rund 50 Zuhörer beeindruckte der CDU-Politiker damit allerdings kaum.“ Vorbemerkung der Landesregierung SPD und CDU haben sich in ihrem Koalitionsvertrag dazu bekannt, überflüssige Bürokratie abzubauen . Zu diesem Zweck wurde die Stabsstelle Bürokratieabbau im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit , Verkehr und Digitalisierung (MW) eingerichtet. Sie hat das Ziel, insbesondere die niedersächsische Wirtschaft zu entlasten, indem sie bürokratische Lasten identifiziert, bewertet und Maßnahmen zur Entlastung von überflüssigen bürokratischen Vorschriften entwickelt. Dabei berücksichtigt die Stabsstelle entsprechende Anregungen aus der Wirtschaft, also u. a. von den Verbänden, Kammern und Unternehmen. Die fachlich zuständigen Referate und Ressorts werden mit ihrer Expertise in die Erarbeitung der konkreten Lösungsansätze eingebunden. Der Schwerpunkt der Aufgabe liegt hierbei auf der angestrebten Entlastung kleinerer und mittlerer Unternehmen bzw. des Handwerks. Zu den weiteren Aufgaben der Stabsstelle zählen auch die Zusammenarbeit mit den Stellen zum Bürokratieabbau auf Bundes- und EU-Ebene sowie die Mitarbeit in Bund-Länder- Arbeitsgruppen, beispielsweise zum Bürokratieentlastungsgesetz III. Darüber hinaus untersucht die Stabsstelle Bürokratieabbau derzeit zusammen mit einer Arbeitsgruppe den Aufbau einer sogenannten Clearingstelle. Deren Aufgabe soll die Prüfung von Gesetz-, Verordnungs- und Richtlinienentwürfen etc. dahin gehend sein, dass vor dem Erlass neuer Vorschriften diese auf etwaige bürokratische Lasten für die Wirtschaft untersucht werden. Die Clearingstelle könnte sowohl in förmliche Gesetzgebungsverfahren als auch in die entsprechende Planungsphase eingebunden werden. Darüber hinaus könnten auch untergesetzliche Regelungen auf ihre Bürokratielasten untersucht werden. Die Landesregierung hat inzwischen bereits mehrere Maßnahmen zur Reduzierung der Bürokratielasten umgesetzt bzw. auf den Weg gebracht. Weitere Entlastungsmaßnahmen befinden sich der- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3355 2 zeit noch in der - teilweise ressortübergreifenden - Abstimmung. In vielen Bereichen sind gesetzliche Grundlagen anzupassen, um notwendige Bürokratieentlastungseffekte zu erreichen. Neben der fachlichen und rechtlichen Aufbereitung ist es notwendig, die vorgesehenen (Beteiligungs- )Verfahren durchzuführen. Insofern sind gewisse Vorlaufzeiten nicht vermeidbar. Durch die Novellierung des Niedersächsischen Gesetzes zur Sicherung von Tariftreue und Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (NTVergG) soll beispielsweise der Verwaltungsaufwand für die Wirtschaft und die Vergabestellen deutlich reduziert werden. Neben den Unternehmen sollen auch die öffentlichen Auftraggeber entlastet werden. So sollen beispielsweise elektronische Verfahren die Vergabe für beide Seiten erleichtern. Die Vereinheitlichung der niedersächsischen Regeln mit denen des Bundes und anderer Bundesländer soll es zudem insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen leichter machen, sich auf Ausschreibungen zu bewerben. Eine wichtige Neuerung des Gesetzentwurfs ist die Einführung der sogenannten Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), mit der das NTVergG an geändertes Bundesrecht angepasst werden soll. Die UVgO regelt das Verfahren bei der Vergabe von öffentlichen Liefer- und Dienstleistungsaufträgen unterhalb der sogenannten EU-Schwellenwerte. Ein weiterer Punkt ist die Herausnahme von Aufträgen unterhalb der jeweiligen EU-Schwellenwerte von Zuwendungsempfängern aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes, wie beispielsweise von Sportvereinen und Privatpersonen. Sie sollen sich in Zukunft nur an die zuwendungsrechtlichen Vorgaben halten müssen. Dies ist mit deutlich weniger bürokratischem Aufwand verbunden. Hinzukommen soll die Anhebung des Eingangsschwellenwertes von 10 000 auf 25 000 Euro, womit insbesondere die Kommunen entlastet werden. So sind Beschaffungen im „Alltagsgeschäft“, beispielsweise kleinere Aufträge in der Bauunterhaltung, deutlich aufwandsärmer abzuwickeln. Darüber hinaus hat sich die Landesregierung verpflichtet, grundsätzlich die sogenannte 1:1-Umsetzung von EU-Richtlinien zu beachten. Damit soll das sogenannte „Gold plating“ vermieden werden : Bei den Entwürfen zur Umsetzung der EU-Richtlinien soll grundsätzlich nicht über die europarechtlichen Richtlinienvorgaben hinausgegangen werden. Es sollen also landesrechtlich keine weitergehenden oder zusätzlichen Anforderungen oder Belastungen geschaffen werden, die ein bürokratisches „Mehr“ bedeuten. Mit dem beabsichtigten Gesetz über digitale Verwaltung und Informationssicherheit (NDIG) stellt die Landesregierung zudem die Weichen für den digitalen Wandel. Mit der künftigen Möglichkeit der Online-Verfahren und der Einführung der digitalen Aktenführung wird mittelfristig mit deutlichen Bürokratieentlastungen gerechnet, sowohl verwaltungsintern als auch für die Bürgerinnen und Bürger , Unternehmen und Verbände. Die vorbenannten Maßnahmen zum Abbau von Bürokratielasten sind selbstverständlich nicht abschließend . Bürokratieabbau ist eine Daueraufgabe, die fortwährend besondere Aufmerksamkeit aller handelnden Akteure in Gesetzgebung und Verwaltung erfordert. 1. Mit welchem fachlichen Hintergrund wurden die drei zusätzlichen Stellen zum Bürokratieabbau besetzt? Sind die Stellen befristet oder unbefristet? Alle Mitarbeitenden erfüllen die in der jeweiligen Ausschreibung geforderten fachlichen Qualifikationen . Für die Leitung der Stabsstelle war laut Ausschreibung die Grundqualifikation (Juristin/Jurist) zu erfüllen. Die Ausschreibung für die stellvertretende Referatsleitung der Stabsstelle richtete sich an Bewerberinnen und Bewerber mit der Befähigung für das zweite Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2 der Fachrichtung Allgemeine Dienste, die ein wirtschaftswissenschaftliches Studium (Betriebswirtschaftslehre , Volkswirtschaftslehre oder Wirtschaftswissenschaften) mit einem Mastergrad oder einem gleichwertigen Abschluss haben oder als Juristinnen und Juristen die Befähigung zum Richteramt erworben haben. Außerdem richtete sich die Ausschreibung an Beamtinnen und Beamte der Fachrichtung Allgemeine Dienste, die eine Qualifizierung nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 der Niedersächsischen Laufbahnverordnung (NLVO) oder das frühere Regelaufstiegsverfahren in den höheren allgemeinen Verwaltungsdienst erfolgreich abgeschlossen haben. Für die dritte Stelle im ehemaligen gehobenen Dienst musste die Voraussetzung für die allgemeine Verwaltung (z. B. Diplom- Verwaltungswirt (in) FH) vorliegen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3355 3 Genauere Angaben zur Person sind aus Datenschutzgründen nicht möglich. Alle drei Stellen sind unbefristet besetzt. 2. Welche Kompetenzen zum Bürokratieabbau haben die neuen Stellen? Ist diese Kompetenz auf die Zuständigkeit des MW beschränkt, oder wirkt sie auch in andere Ressorts und untergeordnete Behörden hinein? Die Stabsstelle Bürokratieabbau wird schwerpunktmäßig in den dem MW zugeordneten Themenfeldern tätig. Sofern thematisch andere Ressorts oder nachgeordnete Behörden einzubinden sind, stimmt sich die Stabsstelle Bürokratieabbau mit den jeweiligen Akteuren ab und berücksichtigt deren fachliche Expertise. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 3. Bezieht sich die Zuständigkeit nur auf Bürokratieabbau für den Mittelstand oder auch z. B. auf Bürokratieabbau für Lehrkräfte, Landwirte, Ehrenamtliche oder Hartz-IV- Bezieherinnen und Hartz-IV-Bezieher? Auf die Vorbemerkungen und die Antwort auf Frage 2 wird verwiesen. 4. Gibt es eine Verpflichtung anderer Ressorts, bei Erlassen, Verordnungen etc. vorab das Einvernehmen der Bürokratieabbaustelle des MW einzuholen, oder ist dies freiwillig ? Das MW - und somit auch die Stabsstelle Bürokratieabbau - wird gemäß § 22 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen (GGO) eingebunden, sobald der Zuständigkeitsbereich des MW berührt ist. 5. Wurde die Geschäftsordnung der Landesregierung dazu geändert? Nein. 6. Vor dem Hintergrund, dass etwa auch das Landwirtschaftsministerium eine Arbeitsgruppe zum Bürokratieabbau mit den Betroffenen eingesetzt hat frage ich: Hat das MW generell die Zuständigkeit für Bürokratieabbau in allen Bereichen übertragen bekommen ? Auf die Vorbemerkungen und die Antworten auf die Fragen 2 und 4 wird verwiesen. 7. Bislang wurden alle Erlasse, Verordnungen und Gesetze von der Arbeitsgruppe Rechtsvereinfachung der Staatskanzlei auch auf Bürokratieabbau und Notwendigkeit geprüft. Warum gibt es im MW nun zusätzliche Stellen? Die Aufgaben der Arbeitsgruppe Rechtsvereinfachung (AGRV) ergeben sich aus § 40 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien und den entsprechenden Hinweisen der Staatskanzlei. Der Bereich Bürokratieabbau ist dort nicht genannt und zählt folglich nicht zu den der AGRV zugewiesenen Aufgaben. 8. Wie wird verhindert, dass über den Umweg des „Bürokratieabbaus“ das Wirtschaftsministerium zu einer „zweiten Staatskanzlei“ (NWZ vom 22.12.2017) wird, mit der alle Gesetze , Erlasse und Verordnungen koordiniert werden müssen? Die Aufgaben der Staatskanzlei und der Ministerien ergeben sich aus dem dritten Abschnitt der Niedersächsischen Verfassung sowie der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3355 4 und der Ministerien. Die Landesregierung wird diese Rechtsgrundlagen auch weiterhin ihrer Arbeit zugrunde legen. Die Bezeichnung „zweite Staatskanzlei“ ist daher unzutreffend. 9. Welche konkreten und messbaren Ziele verfolgen die neuen Stellen zum Bürokratieabbau ? Bürokratieabbau ist dadurch gekennzeichnet, dass er bei einer Vielzahl von Rechtsanwendern Entlastungen bewirken kann und soll. Genau deshalb sind die beabsichtigten Auswirkungen aber im Vorfeld nicht konkret mathematisch messbar. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 10. Welche Maßnahmen im eigenen Ministerium zum Bürokratieabbau hat Minister Althusmann bislang durchgesetzt? Der Abbau von Bürokratie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie soll vor allem Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen entlasten, ist also zielgerichtet nach außen und konzentriert sich im Schwerpunkt gerade nicht auf ministeriumsinterne Abläufe. Maßnahmen zum Bürokratieabbau im Ministerium sind daher gerade nicht Schwerpunkt der Aufgabe der Stabsstelle. Derartige Maßnahmen standen aufgrund der zahlreichen Prüfanregungen aus der Wirtschaft deshalb auch nicht im Fokus der Arbeit der Stabsstelle. Zur Umsetzung des Wunsches des Ministers, Bürokratieentlastung immer „mitzudenken“, wurden innerhalb des Wirtschaftsministeriums gleichwohl alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nochmals dafür sensibilisiert, gemäß der Verpflichtung aus dem Koalitionsvertrag bei Entwürfen zur Umsetzung der EU-Richtlinien grundsätzlich nicht über die europarechtlichen Richtlinienvorgaben hinauszugehen . (Verteilt am ) (Verteilt am 01.04.2019) Drucksache 18/3355 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Christian Meyer (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung Enttäuscht Wirtschaftsminister Althusmann beim Bürokratieabbau den Mittelstand?