Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3379 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Deutsche Zusatzrenten an ausländische SS-Freiwillige? Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 22.02.2019 - Drs. 18/2984 an die Staatskanzlei übersandt am 26.02.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 27.03.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten In verschiedenen Presseberichten deutscher und belgischer Medien wird über die Zahlung von Zusatzrenten an belgische Staatsbürger berichtet. Laut einem Pressebericht des belgischen öffentlich -rechtlichen Rundfunks RTBF vom 19. Februar 2019 erhalten im Jahr 2019 27 Belgier eine Zusatzrente , geleistet aus den deutschen Ländern (siehe https://www.rtbf.be/info/belgique/detail_despensions -allemandes-toujours-versees-aux-collaborateurs-de-40-45-une-bien-longue-saga?id= 10149452.). Diese Versorgungsansprüche gehen zurück auf einen Erlass Adolf Hitlers nach der deutschen Besetzung Frankreichs, Belgiens und anderer Länder. Demnach sollten auch Ausländer, die als freiwillige Mitglieder der Waffen-SS auf deutscher Seite kämpften, Versorgungsansprüche erhalten. Mit Beginn des Jahres 1940 wurde die Waffen-SS für Zwecke der Wehrmacht eingesetzt, sodass die Angehörigen den Status von Bediensteten des Deutschen Reiches erhielten. Entsprechend stünde ihnen eine Rentenversicherung zu (siehe https://www.dw.com/de/deutsche-renten-an-belgi sche-ss-freiwillige/a-47604523). Die Höhe der Renten liegt zwischen 425 und 1 275 Euro pro Monat. In den vergangenen Jahren sollen bis zu 38 000 Personen derartige Bezüge erhalten haben. Laut dem belgischen NS-Forscher Alvin de Conick werden Jahre, die ein Belgier aufgrund der verurteilen Kollaboration bei der Waffen -SS in einem belgischen Gefängnis verbrachte, bei der nationalen Rentenberechnung berücksichtigt , wohingegen Belgier, die als Zwangsarbeiter während des Kriegs in Deutschland arbeiteten, nach dem Krieg nur Entschädigungen in Höhe von 50 Euro pro Monat erhielten (siehe https://france3-regions.francetvinfo.fr/hauts-de-france/belgique-75-ans-apres-ils-touchent-encorepension -allemagne-avoir-collabore-regime-nazi-1626549.amp). Laut der Vorbemerkung der Bundesregierung auf eine Anfrage wurde mit dem Alterseinkünftegesetz vom 5. Juli 2004 die Besteuerung von Alterseinkünften in Deutschland neu geordnet. Seither sind grundsätzlich auch im Ausland ansässige Bezieher einer Rente aus der deutschen Rentenversicherung mit dieser Rente in Deutschland steuerpflichtig, soweit das jeweilige Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland das Besteuerungsrecht zuweist. Für im Inland ansässige Rentenbezieher galt die Steuerpflicht der Renteneinkünfte schon vorher. Entschädigungsleistungen für Opfer des Nationalsozialismus sind dagegen unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von der Einkommensteuer freigestellt, und zwar unabhängig vom Wohnsitz des Betroffenen. Seit dem 14. Dezember 2011 gilt dies unter bestimmten Voraussetzungen auch für Sozialversicherungsrenten an Geschädigte des Nationalsozialismus (vgl. § 3 Nr. 8 a EStG). Der in der Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang häufig verwendete Begriff der Zwangsarbeit erlaubt keine trennscharfe Abgrenzung zwischen NS-Geschädigten und Kollaborateuren. Zwangsarbeit für Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3379 2 sich genommen führt daher nicht zur Steuerfreiheit einer Sozialversicherungsrente, schließt diese aber auch nicht aus (siehe Bundestags-Drucksache 17/10292). Für die Umsetzung der genannten Steuervorschriften sind die Finanzbehörden der Länder zuständig . Die genannte Steuerfreiheit einer Sozialversicherungsrente wird in der Regel von Amts wegen geprüft und automatisch gewährt. Einer Mitwirkung der Betroffenen bedarf es nicht, wenn den deutschen Behörden (insbesondere den Steuerbehörden und den Rententrägern) die Tatsache der Schädigung bekannt ist. Ein Datenaustausch zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist durch die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 und die entsprechend gültigen Durchführungsbestimmungen zu bilateralen Abkommen möglich. Laut Bild-Zeitung vom 22. Februar 2019 wurden belgischen Behörden Informationen von deutscher Seite vorenthalten. Vorbemerkung der Landesregierung Bei den „deutschen Zusatzrenten an ausländische SS-Freiwillige“ handelt es sich um Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Nach diesem Gesetz können auch Deutsche Renten erhalten , die jetzt im Ausland leben, oder ausländische Personen, die z. B. früher der Wehrmacht oder einem anderen Kampfverband angehörten und die Voraussetzungen eines Leistungsanspruches nach BVG erfüllen. Die Ansprüche der Kriegsopfer werden durch das 1950 beschlossene BVG geregelt. Anspruchsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 BVG u. a. Kriegsopfer, wenn die Schädigung mit einem Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht oder mit einem militärähnlichen Dienst für eine deutsche Organisation in ursächlichem Zusammenhang steht, und deren Hinterbliebene, Leistungen werden nicht erbracht für die bloße Zugehörigkeit zur Wehrmacht oder zu einem anderen Kampfverband (z. B. Waffen-SS). Leistungen werden nicht erbracht für einen Dienst in der Wehrmacht, der Waffen-SS oder anderen Einheiten oder Verbänden. Zum Kreis der Berechtigten zählen Personen, die eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben – durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung, – durch einen Unfall während der Ausübung militärischen oder militärähnlichen Dienstes, – durch die dem militärischen oder militärähnlichen Dienst eigentümlichen Verhältnisse, – durch eine Kriegsgefangenschaft, – durch eine Internierung wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit , – durch offensichtlich unrechtmäßige Straf- oder Zwangsmaßnahmen im Zusammenhang mit militärischem oder militärähnlichem Dienst, durch unmittelbare Kriegseinwirkung oder – durch einen Unfall als Beschädigter, Angehöriger eines Schwerbeschädigten, Hinterbliebener, Pflegeperson oder als notwendige Begleitperson eines Beschädigten bei der Durchführung von Maßnahmen der Heilbehandlung, von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, durch ein vom Leistungsträger verlangtes persönliches Erscheinen sowie auf den damit verbundenen Wegen, sowie deren Hinterbliebene. Das Leistungsspektrum des BVG umfasst einkommensunabhängige monatliche Grundrenten (derzeit : 146 bis 760 Euro), weitere einkommensabhängige monatliche Rentenzahlungen, Heil- und Krankenbehandlung sowie fürsorgerische Leistungen. Die Gesetzesdurchführung, also z. B. die Entscheidung über Anträge, die Höhe und den Umfang von Leistungen, liegt nach der verfassungsmäßigen Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern allein in der Hand der Länder, die das BVG als eigene Angelegenheit ausführen. Dem Bund stehen in diesem Bereich keinerlei Aufsichts- oder Weisungsbefugnisse gegenüber den Ländern Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3379 3 zu. Weiterhin hat der Bund deshalb auch keine Kenntnisse z. B. über einzelne Fälle, Namen oder Herkunft einzelner Leistungsempfänger oder deren frühere Zugehörigkeit etwa zur SS. Die Zuständigkeit für die Versorgung von Kriegsopfern und gleichgestellten Personen im Ausland nach dem BVG wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) durch Verordnung zur Bündelung des Fachverstandes auf bestimmte Länder wie folgt verteilt: – Schleswig-Holstein: Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Island, – Rheinland-Pfalz: Luxemburg, – Saarland: Andorra, Frankreich, Monaco, – Bayern: Griechenland, Italien, Österreich, Vatikanstadt, San Marino, – Hessen: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Kroatien, Mazedonien, Slowenien, Slowakei , Tschechische Republik, – Nordrhein-Westfalen: Belgien, Niederlande, Rumänien, Ungarn, Polen (Gebiete innerhalb der deutschen Grenzen von 1937), – Hamburg: Großbritannien, Irland, Malta, Türkei, übrige Staaten außerhalb Europas, – Baden-Württemberg: Portugal, Spanien, Liechtenstein, Schweiz, Polen (Gebiete außerhalb der deutschen Grenzen von 1937), Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion, übriges Europa, – Bremen: Kanada, USA. Lateinamerika, Karibik. Das Land Niedersachsen ist danach für Zahlungen nach dem BVG in andere Staaten nicht zuständig . Die Landesregierung ist für diese Leistungen somit weder unmittelbar noch mittelbar verantwortlich . Nach Information des BMAS erhielten im Februar 2019 erhalten insgesamt 2 033 Personen im Ausland Leistungen nach dem BVG. Dies waren sowohl Staatsangehörige des jeweiligen Staates als auch in den jeweiligen Staat verzogene deutsche Staatsangehörige. Unter diesen Personen waren 1 045 Beschädigte, 884 Witwen/Witwer, 113 Waisen und ein Elternteil. Von den 2 033 Personen besaßen 435 Personen die deutsche Staatsangehörigkeit. Es wurden im Februar 2019 insgesamt 787 740 Euro an monatlichen Geldleistungen erbracht. Die Ausgaben für Leistungen nach dem BVG trägt grundsätzlich der Bund zu 100 %, im Bereich der Kriegsopferfürsorge zu 80 %. Die Kosten der Versorgungsleistungen werden hierbei zu 100 % vom Bund getragen. Aktuell hat das BMAS alle für die Auslandsversorgung zuständigen Länder aufgefordert sicherzustellen , dass keine Zahlungen an ehemalige Waffen-SS-Mitglieder geleistet werden. 1. Trifft es zu, dass die Länder diese zusätzlichen Rentenzahlungen leisten? Siehe Vorbemerkung. 2. Wenn ja, wie viele Personen bezogen eine derartige Rente seit Beginn des Leistungsanspruchs bis zum 1. Februar 2019 aus Niedersachsen? Siehe Vorbemerkung. 3. Wie viele dieser Leistungsempfänger stammen aus Niedersachsen? Zu den Fragen 3 bis 5 wurden alle für die Auslandsversorgung zuständigen Bundesländer angeschrieben . Es war aber keinem Bundesland möglich, auf diese Fragen zu antworten, da es keine entsprechenden statistischen Erhebungen gibt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3379 4 4. Wie viele dieser Leistungsempfänger sind Ausländer (bitte nach Nationalitäten aufschlüsseln )? Siehe Antwort zu Frage 3. 5. Seit welchem Zeitraum werden diese Leistungen an die Empfänger geleistet? Siehe Antwort zu Frage 3. 6. Wie hoch sind die aufsummierten Rentenleistungen aus Niedersachsen seit Kriegsende ? Zu den Fragen 6 und 7: Niedersachsen zahlt keine Renten nach dem BVG ins Ausland. 7. Welche davon wurden nach Alterseinkünftegesetz versteuert? Siehe Antwort zu Frage 6. 8. Werden die Leistungen auf Grundlage des Bundesversorgungsgesetzes geleistet, welches von den Ländern in alleiniger Zuständigkeit ausgeführt wird? Die Leistungen erfolgen ausschließlich auf Grundlage des BVG seitens der Länder in eigener Zuständigkeit . 9. Falls nein, welche weiteren Rechtsvorschriften kommen in Zusammenhang mit diesen Renten zur Anwendung? Siehe Antwort zu Frage 8. 10. Welcher Datenaustausch findet zwischen den zuständigen Landesbehörden sowie zwischen den Landesbehörden und Bund und anderen EU-Mitgliedstaaten statt? Die Länder, die für Auslandversorgung zuständig sind, wurden angeschrieben mit der Bitte, hierzu Auskunft zu geben. Es lässt sich sagen, dass lediglich ein Austausch zwischen den Ländern und dem Bund stattfindet. 11. Welche weiteren Maßnahmen (z. B. diplomatische Gespräche mit Vertretern von NS- Opfern aus Belgien oder anderen geschädigten Staaten) hat die Niedersächsische Landesregierung in den letzten zehn Jahren unternommen, um soziale, fiskalische und moralische Differenzen abzumildern? Da Niedersachsen keine Renten nach dem BVG ins Ausland zahlt, waren die genannten Maßnahmen nicht erforderlich. 12. Trifft es zu, dass, wie in belgischen Medien berichtet, Gefängnisaufenthalte von SS-Mitgliedern nach dem Zweiten Weltkrieg als Arbeitszeiten für eine Rentenzahlung angerechnet wurden? Gefängnisaufenthalte von SS-Mitgliedern nach dem Zweiten Weltkrieg werden nicht als Arbeitszeiten in der Gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet. Bei Arbeitszeiten würde es sich um Pflichtbeitragszeiten handeln, da diese grundsätzlich eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt voraussetzen . Dieses wird bei einem Gefängnisaufenthalt unstrittig nicht erfüllt. Für diese Sachverhal- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3379 5 te käme in der Gesetzlichen Rentenversicherung auf Antrag höchstens die Anerkennung einer sogenannten Ersatzzeit gemäß § 250 SGB VI in Betracht. (Verteilt am 02.04.2019) Drucksache 18/3379 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Deutsche Zusatzrenten an ausländische SS-Freiwillige?