Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3405 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz und Björn Försterling (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Praxis der Anerkennung von Schwerbehindertenausweisen bei Trisomie 21 insbesondere bei Kindern und Jugendlichen Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz und Björn Försterling (FDP), eingegangen am 01.03.2019 - Drs. 18/3091 an die Staatskanzlei übersandt am 06.03.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 02.04.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Eine unterschiedliche Rechtsauslegung und Bewilligungspraxis in den Versorgungsämtern vor Ort bei der Ausstellung von Schwerbehindertenausweisen für Menschen mit Trisomie 21 - insbesondere bei Neugeborenen sowie Kindern und Jugendlichen - kann Auswirkungen auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Leistungen und Förderungen haben. Insbesondere die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 ist zentral für den Anspruch auf Leistungen der Frühförderung und der Eingliederungshilfe, welche nicht nur den Neugeborenen und Kleinkindern mit Trisomie 21 zugutekommen . Mit den in der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes, der sogenannten Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), enthaltenen versorgungsmedizinischen Grundsätzen werden die Voraussetzungen für die Gewährung von Graden der Behinderung sowie der entsprechenden Merkzeichen geregelt. Vorbemerkung der Landesregierung Die Ausstellung von Schwerbehindertenausweisen im Rahmen des sogenannten Feststellungsverfahrens nach dem Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) obliegt in Niedersachsen dem Landesamt für Soziales, Jugend und Familie (LS). Das Verfahren beruht auf der Grundlage der beigezogenen Befundunterlagen benannter behandelnder Ärztinnen bzw. Ärzte und Kliniken der Antragsstellerinnen und Antragssteller sowie einer im Einzelfall erstellten versorgungsärztlichen Bewertung. Diese beruht auf den in der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) - (Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“) festgelegten Kriterien zur Bestimmung des Grades der Behinderung (GdB) und dem Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung von Merkzeichen zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen. Grundsätzlich gilt dabei, dass bei der Beurteilung des GdB im Rahmen des Feststellungsverfahrens nicht das Vorliegen einer Krankheit bzw. Diagnose oder deren Ursache an sich zu bewerten ist, sondern die daraus resultierenden dauerhaften Funktionseinschränkungen, die eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nicht mehr im vollen Umfang zulassen. Maßgebend für die Höhe des GdB sind Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen zueinander. Vor diesem Hintergrund führt die VersMedV die Trisomie 21 nicht eigenständig auf. Eine generalisierte Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung bei Trisomie 21 mit einem pauschalisierten GdB Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3405 2 sieht die Anlage zu § 2 der VersMedV nicht vor. Vielmehr erfolgt die Beurteilung der Trisomie 21 nach den Vorgaben des Kapitels 3.4.2 der Versorgungsmedizinische Grundsätze (Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit im Schul- und Jugendalter). Damit wird die VersMedV der Tatsache gerecht, dass das Ausmaß der Beeinträchtigungen aufgrund der Trisomie 21 von Betroffenen zu Betroffenen sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Dabei reicht die Spanne von einer sogenannten Mosaik-Trisomie 21, mit häufig weniger starken Beeinträchtigungen, bis hin zu einer freien Trisomie 21 mit schwersten Beeinträchtigungen verbunden mit weiteren Erkrankungen/Fehlbildungen an verschiedenen Funktionssystemen. Außer den Beeinträchtigungen durch die kognitiven Entwicklungsstörungen, die bei Trisomie 21 sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können, können im Einzelfall verschiedenste weitere Beeinträchtigungen vorliegen. So haben Kinder mit Trisomie 21 oftmals beispielsweise auch einen Herzfehler . Dementsprechend führen unterschiedliche Ausprägungen von Funktionsbeeinträchtigungen sowie deren wechselseitigen Beziehungen zueinander in der Gesamtbetrachtung zu einer unterschiedlich starken Beeinträchtigung der Teilhabe. Dies kommt in den unterschiedlichen GdB zum Ausdruck, der jeweils die individuelle Situation berücksichtigt. Zur gleichberechtigten Teilhabe wird in Niedersachsen allen Antragstellerinnen und Antragstellern mit nachgewiesener Trisomie 21 unter zwei Jahren regelmäßig mindestens ein GdB von 50 zuerkannt . Eine statistische Erfassung der Anzahl von Schwerbehindertenausweisen, die an Personen mit Trisomie 21 ausgestellt werden, liegt nicht vor. Dies ist insbesondere der oben dargestellten Bandbreite der Beeinträchtigungen, die bei Menschen mit Trisomie 21 vorliegen können, und den Vorgaben der VersMedV geschuldet. Diese stellen gerade nicht auf einzelne Diagnosen, sondern auf die dauerhaften Einschränkungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ab. Dies gilt nicht nur für die Trisomie 21, sondern auch für eine Vielzahl anderer Grunderkrankungen. Dementsprechend ist eine Auswertung der Anzahl der Schwerbehindertenausweise , die an Personen mit Trisomie 21 ausgestellt werden, aufgrund der beim LS statistisch erfassten Daten nicht möglich. Eine analoge Aufarbeitung der Daten durch Akteneinsicht in alle Einzelvorgänge würde aufgrund der vorstehenden Ausführungen und der hohen Anzahl an Vorgängen (ca. 1 475 Millionen Menschen in Niedersachsen mit einem GdB von mindestens 20, davon ca. 867 000 mit einem GdB von 50 oder mehr) weder zeitnah durchgeführt werden können noch zu nennenswerten Erkenntnissen führen, da davon auszugehen ist, dass neben der Trisomie 21 auch andere Gesundheitsstörungen, die mit einer Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit einhergehen, erfasst werden würden. Auch die Statistiken der gesetzlichen Krankenversicherungen enthalten keine Daten zu Personen mit Trisomie 21. Die Darstellung der Antragsteller in den Vorbemerkungen, dass die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit einem GdB von mindestens 50 zentral für den Anspruch auf Leistungen der Frühförderung und der Eingliederungshilfe sei, trifft nicht zu. Weder für Leistungen der Frühförderung noch der Eingliederungshilfe ist die Zuerkennung eines GdB Anspruchsvoraussetzung. Leistungen der Früherkennung und Frühförderung richten sich an Kinder mit Behinderungen und an von Behinderung bedrohte Kinder von Geburt bis zur Einschulung. Sie werden nach § 42 Abs. 2 in Verbindung mit § 46 SGB IX als Leistungen der medizinischen Rehabilitation erbracht. In Verbindung mit heilpädagogischen Leistungen erfolgt die Leistungserbringung als Komplexleistung. Darüber hinaus werden heilpädagogische Leistungen außerhalb der Komplexleistung auch als Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 des SGB XII in Verbindung mit §§ 55 Abs. 2, 56 SGB IX in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung an noch nicht eingeschulte Kinder erbracht, wenn nach fachlicher Erkenntnis zu erwarten ist, dass durch diese Maßnahme eine drohende Behinderung abgewendet oder der fortschreitende Verlauf einer Behinderung verlangsamt wird oder die Folgen einer Behinderung beseitigt oder gemildert werden können. Der Bedarf wird jeweils individuell festgestellt und ist nicht an das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft bzw. eines GdB geknüpft. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3405 3 1. Wie viele Kinder mit der Diagnose Trisomie 21 wurden nach Kenntnis der Landesregierung in den Jahren 2013 bis 2018 geboren? Weder Bund noch Land erheben hierzu Statistiken. Auch in der Selbsthilfe gibt es keine konkreten Angaben. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Für wie viele der im Zeitraum von 2013 bis 2018 geborenen Kinder sowie Jugendlichen und über 18-Jährigen wurde nach Kenntnis der Landesregierung ein Antrag auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises beim zuständigen Versorgungsamt gestellt ? 3. Wie viele der in Frage 2 genannten Anträge wurden nach Kenntnis der Landesregierung positiv beschieden (bitte in absoluten wie prozentualen Zahlen)? 4. Wie viele Widersprüche wurden nach Kenntnis der Landesregierung gegen negative Bescheide über die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises im Sinne von Frage 2 eingelegt? 5. Wie viele dieser Widersprüche waren erfolgreich? 6. Wie viele der nicht erfolgreichen Widersprüche mündeten nach Kenntnis der Landesregierung in Gerichtsverfahren? 7. Wie viele dieser Verfahren endeten im Sinne der Betroffenen? 8. Wie viele der auf Grundlage von Trisomie 21 ausgestellten Schwerbehindertenausweise im Zeitraum von 2013 bis 2018 waren nach Kenntnis der Landesregierung zeitlich unbefristet (bitte nach Alter des Ausweisinhabers aufschlüsseln)? 9. Wie viele der auf Grundlage von Trisomie 21 ausgestellten Schwerbehindertenausweise waren nach Kenntnis der Landesregierung zeitlich befristet (bitte nach Dauer der Befristung in Jahren und Alter des Ausweisinhabers aufschlüsseln)? 10. Wie viele Widersprüche wurden nach Kenntnis der Landesregierung gegen den gewährten GdB eines aufgrund von Trisomie 21 positiv beschiedenen Schwerbehindertenausweisantrages eingelegt? 11. Wie viele dieser Widersprüche führten nach Kenntnis der Landesregierung in ihrer Folge zu einem geänderten GdB? 12. Wie viele der auf Grundlage von Trisomie 21 ausgestellten Schwerbehindertenausweise wiesen nach Kenntnis der Landesregierung einen GdB von 50 auf? 13. Wie viele wiesen einen abweichenden GdB auf (bitte nach GdB aufschlüsseln)? Die Fragen 2. bis 13. werden gemeinsam beantwortet. Hierzu liegen der Landesregierung keine Daten vor (Verteilt am 03.04.2019) Drucksache 18/3405 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz und Björn Försterling (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Praxis der Anerkennung von Schwerbehindertenausweisen bei Trisomie 21 insbesondere bei Kindern und Jugendlichen