Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/341 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg, Belit Nejat Onay, Christian Meyer und Dragos Pancescu (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung Strafverfolgung von NS-Verbrechen in Niedersachsen Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg, Belit Nejat Onay, Christian Meyer und Dragos Pancescu (GRÜNE), eingegangen am 24.01.2018 - Drs. 18/229 an die Staatskanzlei übersandt am 26.01.2018 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 20.02.2018, gezeichnet Barbara Havliza Vorbemerkung der Abgeordneten Mehr als sieben Jahrzehnte nach dem Holocaust nimmt die Zahl derer, die als Überlebende von den NS-Verbrechen berichten können, ab. Gleichfalls nimmt auch die Zahl der Täterinnen und Täter ab, die für ihre Taten während der NS-Zeit zur Rechenschaft gezogen werden können. „Der wohl letzte NS-Prozess in Deutschland“ betitelt der Tagesspiegel am 17.06.2016 den Bericht zur Verurteilung des früheren SS-Wachmanns Reinhold Hanning wegen Beihilfe zum Mord an 170 000 Menschen durch das Landgericht Detmold. In Niedersachsen wurde zuletzt im Juli 2015 Oskar Gröning, bekannt als „Buchhalter von Auschwitz“, vor dem Landgericht Lüneburg wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil. Im Kriegsgefangenen- und Konzentrationslager Bergen-Belsen, das im heutigen Niedersachsen liegt, kamen zwischen 1941 und 1945 mehr als 70 000 Menschen um. Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen gibt an, derzeit auch das Konzentrationslager Bergen-Belsen zu prüfen. Die HAZ und die Neue Presse berichteten im Oktober 2017 über den Fall eines 94-Jährigen aus Nordstemmen, der 1944 an einem Massaker in Frankreich beteiligt gewesen sein soll. Demnach prüfe die Generalstaatsanwaltschaft Celle, ob einem Strafprozess eine Verurteilung des Mannes in Abwesenheit im Jahr 1949 vor einem französischen Militärgericht entgegenstehe. Die taz berichtete am 20.01.2018, dass gegenwärtig die Staatsanwaltschaft Osnabrück Ermittlungen gegen einen 94-Jährigen prüfe, der an der Ermordung von rund 33 700 Jüdinnen und Juden in Babi Jar (heute Ukraine) beteiligt gewesen sein soll. Die Generalstaatsanwaltschaft Celle prüfe demnach den Fall eines 93-jährigen früheren Hundeführers im KZ Ausschwitz. Vorbemerkung der Landesregierung Auch über 70 Jahre nach Kriegsende ist die strafrechtliche Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen nicht abgeschlossen. Der Landesregierung ist sowohl die historische als auch strafrechtliche Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus unverändert ein besonderes Anliegen . Das Justizministerium unterrichtet deshalb den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, sobald ein Ermittlungsverfahren wegen NS-Verbrechen von einer niedersächsischen Staatsanwalt- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/341 2 schaft eingeleitet wird oder der Stand eines Vorermittlungsverfahrens dies zulässt. Dadurch wird dem Informationsbedürfnis des Landtages kontinuierlich Rechnung getragen. 1. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen NS-Verbrechen werden gegenwärtig bei niedersächsischen Staatsanwaltschaften geführt? Bei niedersächsischen Staatsanwaltschaften werden gegenwärtig zwei Ermittlungsverfahren wegen NS-Verbrechen, in beiden Fällen durch die Generalstaatsanwaltschaft in Celle, geführt. 2. Kann die Landesregierung ohne Gefährdung der Ermittlungsverfahren bekannt geben, um welche Konzentrationslager oder anderen Sachverhalte es bei den Ermittlungsverfahren geht? Es handelt sich um die beiden in der Vorbemerkung zur Anfrage benannten Fälle der Tötung von Geiseln in Ascq 1944 und des Massakers in Babi Jar Ende September 1941, die bereits auch Gegenstand der Presseberichterstattung waren. 3. Kann die Landesregierung ohne Gefährdung der Ermittlungsverfahren bekannt geben, wie der jeweilige Verfahrensstand bei den drei oben genannten Einzelfällen ist? In dem Verfahren bezüglich des Vorwurfs der Tötung von Geiseln in Frankreich (Ascq) wird derzeit eine Auskunft der französischen Behörden zur dortigen Verjährungsregelung und darüber hinaus allgemein zum Vorliegen eines Verfolgungshindernisses nach französischem Recht abgewartet, um das im Schengener Durchführungsabkommen vom 19. Juni 1990 statuierte Verbot der Doppelbestrafung prüfen zu können. Hinsichtlich des in der Vorbemerkung der Abgeordneten erwähnten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Osnabrück hat das Justizministerium Anfang des Jahres die Generalstaatsanwaltschaft Celle bis zum rechtskräftigen Abschluss mit der Wahrnehmung der staatsanwaltlichen Dienstgeschäfte betraut. Dort liegen die Akten mittlerweile vor und werden vervollständigt und ausgewertet . Zum Kriegsgefangenen- und Konzentrationslager Bergen-Belsen ist bei niedersächsischen Staatsanwaltschaften derzeit kein Ermittlungsverfahren anhängig. Originäre Erkenntnisse zu den derzeit bei Staatsanwaltschaften anderer Länder oder der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg in diesem Zusammenhang oder bezüglich anderer Konzentrationslager derzeit geführten Ermittlungen liegen der Landesregierung nicht vor. 4. Ist der Landesregierung bekannt, ob Staatsanwaltschaften anderer Länder zu Taten im Konzentrationslager Bergen-Belsen oder einem anderen niedersächsischem Konzentrationslager ermitteln? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 5. Was unternimmt die Landesregierung, um die jeweils ermittelnden Staatsanwaltschaften bei ihren Ermittlungen so zu unterstützen, dass diese zu einem möglichst schnellen Abschluss kommen? Wie in der Vorbemerkung ausgeführt, ist der Landesregierung die strafrechtliche Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen ein wichtiges Anliegen. Die Staatsanwaltschaften werden mit den erforderlichen sachlichen und personellen Mitteln ausgestattet, damit sie ihrem gesetzlichen Ermittlungsauftrag effizient nachkommen können. Unabhängig von der grundsätzlichen Ausstattung gehört zur Unterstützung im Einzelfall auch - im Rahmen der konkreten Einzelfallumstände und vorhandener Kapazitäten -, derartige Verfahren auf Staatsanwaltschaften zu übertragen, an denen Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/341 3 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte über besondere fachliche Erfahrungen mit den speziellen Anforderungen derartiger Verfahren verfügen. Es ist der Landesregierung ein Anliegen, auf diesem Gebiet erworbene fachliche Kenntnisse optimal nutzen zu können. So hat das Justizministerium das oben genannte Verfahren betreffend die Erschießungen in der Schlucht von Babi Jar nach Absprache der beteiligten Behörden von der Staatsanwaltschaft Osnabrück auf die Generalstaatsanwaltschaft Celle übertragen. (Verteilt am 21.02.2018) Drucksache 18/341 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg, Belit Nejat Onay, Christian Meyer und Dragos Pancescu (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums Strafverfolgung von NS-Verbrechen in Niedersachsen