Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3439 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stefan Henze (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung Erwerbsperspektiven für niedersächsische Langzeitarbeitslose schaffen Anfrage des Abgeordneten Stefan Henze (AfD), eingegangen am 05.03.2019 - Drs. 18/3175 an die Staatskanzlei übersandt am 13.03.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung vom 05.04.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten Laut Datenstand der Bundesagentur für Arbeit (Stand: Januar 2019) gibt es in Niedersachsen 233 700 Arbeitslose. Davon sind 79 106 langzeitarbeitslos. Dies entspricht einer Langzeitarbeitslosenquote von 33,8 %. Im Bundesdurchschnitt liegt die Quote bei 32,2 %. Im Vergleich der 16 Bundesländer liegt Niedersachsen bei dieser Kennzahl auf Platz 13. Langzeitarbeitslos sind Frauen und Männer per definitionem, wenn sie länger als ein Jahr arbeitslos sind. Nach der Bundesagentur -Statistik für 2018 waren 20 % der Arbeitslosen 24 Monate oder länger ohne Arbeit, 9 % sogar länger als vier Jahre. Die größte Altersgruppe unter den Langzeitarbeitslosen ist die derjenigen Personen zwischen dem 36. und 55. Lebensjahr. Zum 01.01.2019 trat mit dem Teilhabechancengesetz (10. SGB-II-Änderungsgesetz) ein neues Bundesgesetz in Kraft. Langzeitarbeitslose sollen über Lohnzuschuss, Coaching und Qualifizierung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführt und dort etabliert werden. Vorbemerkung der Landesregierung Der Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt hat in Niedersachsen zu einem deutlichen Abbau der Arbeitslosigkeit geführt. So ist die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt in den letzten zehn Jahren von 303 269 im Jahr 2008 auf 227 834 in 2018 gesunken. Dies ist ein Rückgang um 75 435 bzw. 24,9 %. Im aktuellen Berichtsmonat März 2019 sind 221 084 Personen arbeitslos gemeldet. Die Langzeitarbeitslosigkeit in Niedersachsen hat sich im Vergleich zur gesamten Arbeitslosigkeit sogar besser entwickelt. So ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen im Jahresdurchschnitt (JD) von 124 966 im Jahr 2008 auf 82 740 in 2018 gesunken. Dies ist ein Rückgang um 42 226 bzw. 33,8 %. Im aktuellen Berichtsmonat März 2019 sind noch 75 985 Personen langzeitarbeitslos. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen in Niedersachsen hat sich dadurch von 41,2 % (JD 2008) auf 36,3 % (JD 2018) verringert. Im März 2019 beträgt der Anteil 34,4 %. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen zivilen Erwerbspersonen (sogenannte anteilige LZA-Quote) hat sich ebenfalls verringert, von 3,1 % (JD 2008) auf 1,9 % (JD 2018). Aktuell beträgt er 1,8 % (Berichtsmonat März 2019). Allerdings ist die Gruppe der Betroffenen sehr heterogen. Kriterien wie die Dauer der Arbeitslosigkeit , Qualifikation, Alter und gesundheitliche oder soziale Einschränkungen haben einen starken Einfluss auf die Arbeitsmarktchancen des Einzelnen. Liegen individuell mehrere sogenannte Vermittlungshemmnisse vor, sinken die Aussichten auf eine Beschäftigung deutlich. Auch ist die (Langzeit-)Arbeitslosigkeit kein fester Block - hinter den scheinbar oft stagnierenden Bestandsgrößen gibt es eine hohe Dynamik. In den letzten zwölf Monaten von April 2018 bis März Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3439 2 2019 beendeten in Niedersachsen 114 521 Personen ihre Langzeitarbeitslosigkeit, gleichzeitig kamen aber wieder fast 105 076 Langzeitarbeitslose dazu. Trotz einer insgesamt erfreulichen Entwicklung ist die Arbeitsmarkintegration von Langzeitarbeitslosen nach wie vor eine große Herausforderung und ein wichtiges Ziel der Arbeitsmarktpolitik des Landes. Die Landesregierung begrüßt deshalb das Teilhabechancengesetz und die damit neu geschaffenen Fördermöglichkeiten für die Zielgruppe. Damit stehen zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit zwei neue Instrumente (§ 16 e SGB II - Eingliederung von Langzeitarbeitslosen - und § 16 i SGB II - Teilhabe am Arbeitsleben -) zur Verfügung, für die die Jobcenter ab 2019 zusätzliche Mittel in erheblicher Größenordnung erhalten haben. Insgesamt stehen für Arbeitsfördermaßnahmen im SGB II in Niedersachsen 2019 rund 500 Millionen Euro zur Verfügung - im Vergleich zu den Ist-Ausgaben 2018 fast eine Verdoppelung der Mittel. Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung (MW) unterstützt die Einführung und Umsetzung der neuen Fördermöglichkeiten nach Kräften und hat in enger Abstimmung mit der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen und dem Niedersächsischen Landkreistag die Jobcenter bereits sehr frühzeitig und intensiv begleitet, sodass die Förderung in Niedersachsen sofort zum Jahresanfang anlaufen konnte. 1. Wie viele und welche arbeitsplatzbezogenen Reaktionen gibt es auf den in diesem Zusammenhang veröffentlichten Brief/Aufruf des Wirtschaftsministers Althusmann u. a. Personen aus Januar 2019 mit der Überschrift: „Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose schaffen - gemeinsam Chancen des neuen Teilhabechancengesetzes in Niedersachsen engagiert nutzen!“? Als Impuls für die regionalen Akteure hat Minister Dr. Althusmann am 22.01.2019 zusammen mit der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen und der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände einen Aufruf an Arbeitgeber und Arbeitsmarktpartner gerichtet, Arbeitsplätze bereitzustellen , die neue Förderung intensiv zu nutzen und langzeitarbeitslose Menschen einzustellen. Mit dem Aufruf sollten die neuen Fördermöglichkeiten für Langzeitarbeitslose in der Öffentlichkeit bekannter gemacht werden und Arbeitgeber und Arbeitsmarktpartner für das Thema sensibilisiert werden. Konkrete Erkenntnisse zu arbeitsplatzbezogenen Reaktionen liegen nicht vor, da sich potenzielle Arbeitgeber mit den zuständigen örtlichen Jobcentern in Verbindung setzen müssen. Vonseiten der Jobcenter wird allerdings von einem regen Interesse der Arbeitgeber an der neuen Förderung nach § 16 i SGB II berichtet. 2. Wird die Landesregierung - möglichst getrennt nach Wirtschaftszweigen - nachhalten, welchen Arbeitsplatzaufbau es bei Langzeitarbeitslosen durch diese Bundesförderung in Niedersachsen (z. B. nach zwei Jahren, fünf Jahren und zehn Jahren) gegeben hat? Wie alle anderen arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumente sind auch die neuen Instrumente § 16 e SGB II und § 16 i SGB II Teil der regelmäßigen Berichterstattung der amtlichen Förderstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Darüber hinaus hat der Bund beim Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung in Nürnberg eine umfangreiche Evaluation zu den Wirkungen des § 16 i SGB II in Auftrag gegeben. Auf dieser Grundlage werden vielfältige Auswertungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3439 3 3. Welche konkreten Initiativen der Eingliederung von Langzeitarbeitslosen gab es bei Landesbehörden, Landkreisen, Städten und Gemeinden in Niedersachsen in der 15., 16. und 17. Wahlperiode? 4. Welche Initiativen planen unter 3. genannte Träger der öffentlichen Verwaltung /Behörden jetzt, um Langzeitarbeitslosen eine Perspektive im öffentlichen Dienst zu bieten? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. In der 15., 16. und 17. Wahlperiode war die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit gemeinsam mit der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit und weiteren Arbeitsmarktpartnern immer ein Schwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik des Landes. Die verschiedenen Landesregierungen haben in dieser Zeit zahlreiche Initiativen ergriffen, um auf die jeweiligen aktuellen Erfordernisse zu regieren und einen Beitrag zur (Re-)Integration dieser Menschen in den Arbeitsmarkt zu leisten. Beispielhaft können u. a. folgende Landesprogramme und -initiativen genannt werden: Programm/Initiative Zeitraum Ziel Arbeitsplatzprämie 2017 bis 2019 Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen für Langzeitarbeitslose Coaching für Langzeitarbeitslose 2017 bis 2019 Begleitendes Coaching zur Arbeitsplatzprämie für SGB-II-Leistungsempfänger und deren Familie Qualifizierung und Arbeit (QuA) 2013 bis 2020 Qualifizierung und Stabilisierung von (Langzeit )Arbeitslosen Förderzentrum Plus 2012 bis 2014 Unterstützung von Langzeitarbeitslosen durch umfassende, ganzheitliche Angebote zur Aktivierung , persönlichen Stabilisierung und Qualifizierung sowie zur nachhaltigen beruflichen Eingliederung Werkakademien 2012 bis 2015 Sofortangebote/Frühzeitige Aktivierung von Neuantragstellern, Aktivierung von Bestandskunden durch gruppendynamische Prozesse Bürgerarbeit in Niedersachsen 2010 bis 2013 Integration von Langzeitarbeitslosen durch öffentlich geförderte Beschäftigung Arbeit durch Qualifizierung (AdQ) 2007 bis 2013 Berufliche Integration von arbeitslosen Menschen durch Qualifizierung Niedersachsen-Kombi 2006 bis 2008 Förderung von Langzeitarbeitslosen durch ein Kombilohn-Modell Im kommunalen Raum gab und gibt es ebenfalls zahlreiche Initiativen. Schon im Rahmen der Sozialhilfe vor Inkrafttreten des SGB II (2005) haben sich viele Landkreise und Städte auf diesem Feld der „Hilfe zur Arbeit“ engagiert. Mit dem SGB II ist diese Aufgabe im Wesentlichen auf die Jobcenter in Niedersachsen übergegangen, die zunächst als sogenannte „ARGEN“, also Arbeitsgemeinschaften von kommunalen Trägern und Agenturen für Arbeit, und später (seit 2011) als „Gemeinsame Einrichtungen“ dieser Träger für diese Aufgaben zuständig sind. Eine besondere Rolle spielen in Niedersachsen daneben die sogenannten Optionslandkreise oder „zugelassenen kommunalen Träger“. Auch diese inzwischen 16 Jobcenter in alleiniger kommunaler Verantwortung ergreifen bei der Umsetzung des SGB II im kommunalen Raum immer wieder zahlreiche Initiativen zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. Entscheidend ist aus Sicht der Landesregierung, dass diese Aufgaben weiterhin engagiert wahrgenommen werden und möglichst viele Beschäftigungs- und Teilhabemöglichkeiten entstehen, unabhängig davon, ob es sich um öffentliche oder private Arbeitgeber handelt. Gleichwohl ist das Land als Arbeitgeber ebenfalls aufgerufen, das Teilhabechancengesetz aktiv zu nutzen. Der gemeinsame Appell vom Januar - auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen - ist daher auch an wesentliche Ressorts der Landesregierung versandt worden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3439 4 Zudem hat Minister Dr. Althusmann Anregungen aus dem parlamentarischen Raum zum Anlass genommen, seine Ressortkolleginnen und Ressortkollegen mit einem Schreiben erneut ausdrücklich zu bitten, in ihren Häusern und in ihren nachgeordneten Dienststellen darauf hinwirken, bei der Besetzung von geeigneten Arbeitsplätzen auch Langzeitarbeitslose zu berücksichtigen und die neuen Fördermöglichkeiten zu nutzen. Ebenso hat das MW die Jobcenter gebeten, ihrerseits aktiv auf die einzelnen Landesdienststellen vor Ort zuzugehen. Ebenso haben die kommunalen Spitzenverbände in Niedersachsen bei ihren Mitgliedern dafür geworben , eigene Beschäftigungsmöglichkeiten und geeignete Arbeitsplätze im Zusammenhang mit der Umsetzung des Teilhabechancengesetzes einzubringen. 5. Sieht die Landesregierung die Wirtschaft im Vergleich zum öffentlichen Beschäftigungssektor in einer besonderen Pflicht zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt, und, wenn ja, warum? Die neuen Förderinstrumente im SGB II richten sich an alle Arbeitgeber, also private Arbeitgeber, Kommunen und Beschäftigungsgesellschaften und die Wohlfahrt. Eine Priorisierung von Arbeitgebern ist nicht vorgesehen. Entscheidend ist, dass Langzeitarbeitslose durch die Förderung neue Beschäftigungs- und Teilhabemöglichkeiten erhalten. 6. Welche konkreten Initiativen plant die Landesregierung aus eigenem Antrieb und gegebenenfalls eigener Gesetzgebungskompetenz, um Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt zu integrieren? Der Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit und Langzeitleistungsbezug sind wichtige Schwerpunkte der niedersächsischen Arbeitsmarktpolitik. Bei der Umsetzung dieser Ziele arbeitet das MW eng mit den Arbeitsmarktpartnern zusammen. Insbesondere in enger Kooperation mit der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen und dem Niedersächsischen Landkreistag ergreift es zahlreiche Initiativen und Maßnahmen zur Unterstützung der Jobcenter in Niedersachsen bei dieser anspruchsvollen Aufgabe, denn dort liegen sowohl die Hauptverantwortung als auch die wesentlichen personellen und finanziellen Ressourcen. Zudem fördert das Land eigene Maßnahmen für Langzeitarbeitslose. Mit dem Programm „Qualifizierung und Arbeit“ werden Qualifizierung und Stabilisierungsmaßnahmen unterstützt. Insbesondere gilt es dabei, arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose ohne bzw. ohne verwertbaren Berufsabschluss nachhaltig in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Dafür stehen in 2019 bis zu 2,5 Millionen Euro an Landes- und ESF-Mitteln zur Verfügung. Zusätzlich wurden im Haushalt 2019 des MW 2,5 Millionen Euro über die sogenannte politische Liste zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit bereitgestellt. Mit diesen Mitteln werden Langzeitarbeitslose und von Langzeitarbeitslosigkeit bedrohte Arbeitslose, insbesondere mit Migrations- und Fluchthintergrund, für eine spätere berufliche Integration in den Bereichen Pflege oder Verkehr/Spedition/Logistik vorbereitet und qualifiziert , um so dem Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel dieser Branchen zu begegnen. 7. Wie erklärt sich die Landesregierung den im Vergleich mit dem Bundesschnitt höheren Anteil an Langzeitarbeitslosen in Niedersachsen? 8. Was machen die Landesregierungen in Bayern und Baden-Württemberg, deren Langzeitarbeitslosenanteil 19,2 % bzw. 26,2 % beträgt, bei der Förderung und Arbeitsmarktintegration von Langzeitarbeitslosen anders als Niedersachsen? 9. Ist die Wirtschaftsstruktur Niedersachsens (mit) ausschlaggebend für den hohen Anteil an Langzeitarbeitslosen? Die Fragen 7, 8 und 9 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen ist als singuläre Größe in Bezug auf die Betroffenheit einer Region von Langzeitarbeitslosigkeit nicht aussagekräftig und greift zu kurz, da Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3439 5 er abhängig ist von der Gesamtzahl der Arbeitslosen. Er ist damit insbesondere konjunkturabhängig . Bei einer guten konjunkturellen Lage stellen Unternehmen verstärkt Arbeitslose ein, die aufgrund ihrer Dauer der Arbeitslosigkeit gut vermittelbar sind. Dadurch sinkt die Gesamtarbeitslosigkeit stärker als die Langzeitarbeitslosigkeit, was automatisch zu einem Anstieg des Anteils der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen führt. Eine weitere Kenngröße ist die anteilige Langzeitarbeitslosenquote, die analog zur Arbeitslosenquote den Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen zivilen Erwerbspersonen beschreibt. Hier schneidet Niedersachsen bei der Entwicklung im Vergleich zu den westdeutschen Bundesländern gut ab. So konnte die anteilige LZA-Quote von 2008 auf 2018 um 1,2 Prozentpunkte verringert werden. In Westdeutschland betrug der Rückgang lediglich 0,9 Prozentpunkte, in Bayern 0,5 Prozentpunkte und in Baden-Württemberg 0,4 Prozentpunkte. Insgesamt hat sich die Situation bei den Langzeitarbeitslosen in Niedersachsen in den vergangenen Jahren deutlich verbessert, insbesondere bei den etwas „marktnäheren“ Langzeitarbeitslosen mit einer Dauer von einem bis unter vier Jahren Arbeitslosigkeit. Waren 2008 im Jahresdurchschnitt noch rund 100 000 Menschen ein bis unter vier Jahre arbeitslos (Anteil an allen Arbeitslosen 33 %), ist ihre Zahl in 2018 auf knapp 60 000 gesunken (Anteil 27 %). Gleichzeitig ist allerdings festzustellen , dass die Zahl der Personen, die fünf Jahre und länger arbeitslos waren, mit rund 15 500 im Vergleich zu 2008 nahezu unverändert ist. Man kann daher von einer Verhärtung der Langzeitarbeitslosigkeit sprechen. Gerade diese Menschen sollen durch die neuen Förderinstrumente erreicht werden. Über die konkreten Auswirkungen arbeitsmarktpolitischer Aktivitäten für Langzeitarbeitslose anderer Länder wie Bayern oder Baden-Württemberg auf den Anteil der Langzeitarbeitslosen können keine Aussagen getroffen werden. Grundsätzlich gibt es jedoch Zusammenhänge zwischen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und Wirtschaftsstruktur einer Region sowie der daraus resultierenden Arbeitskräftenachfrage und der Höhe und Struktur der Arbeitslosigkeit dieser Regionen. 10. Hat die Landesregierung mit den großen Unternehmen der heimischen Wirtschaft, z. B. VW AG und Continental AG, Gespräche mit dem Ziel geführt, Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose zur Verfügung zu stellen, und wenn ja, was haben sie ergeben? 11. Mit welchen Firmen wird die Landesregierung in diesem und im nächsten Jahr konkret Gespräche führen, um auf die neuen gesetzlichen Möglichkeiten aufmerksam zu machen und um Arbeitsplatzaufbau für Langzeitarbeitslose in Niedersachsen zu erreichen ? Die Fragen 10 und 11 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Landesregierung ist mit der niedersächsischen Wirtschaft in häufigem Kontakt. Fragen der Entstehung zusätzlicher Arbeitsplätze, der Fachkräftesicherung und beruflichen Qualifizierung sowie der Arbeitsplatzsicherung haben dabei einen hohen Stellenwert. Darüber hinaus diente der gemeinsame Aufruf zusammen mit der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen und der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände dazu, möglichst viele niedersächsische Unternehmen und Arbeitsmarktpartner auf die neuen gesetzlichen Möglichkeiten zur Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen aufmerksam zu machen. Die Förderung richtet sich an alle niedersächsischen Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe. Darüber hinaus ist die Einstellung von Langzeitarbeitslosen im Zusammenhang mit dem Teilhabechancengesetz in erster Linie das Ergebnis eines Matchingprozesses auf örtlicher Ebene. Arbeitgeber treten mit den zu besetzenden Stellen an das Jobcenter heran. Das Jobcenter versucht dann, einen geeigneten Langzeitarbeitslosen für die angebotene Stelle zu finden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3439 6 12. Welche Instrumente außerhalb der durch die zum 01.01.2019 angestoßenen SGB-II- Reform sieht die Landesregierung als zielführend an, um Langzeitarbeitslosigkeit nachhaltig abzubauen? 13. Ist die Landesregierung vor dem Hintergrund der strukturellen Fakten im Zusammenhang mit der Langzeitarbeitslosigkeit und des immer mehr auf Spezialisierung ausgerichteten Arbeitsplatzangebots der Auffassung, man könne die Langzeitarbeitslosigkeit langfristig und ohne staatliche Unterstützung unter das jetzige Niveau senken, und wenn ja, mit welcher Begründung? Die Fragen 12 und 13 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Für einen weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit und auch der Langzeitarbeitslosigkeit sind eine prosperierende und wettbewerbsfähige Wirtschaft und stabile Rahmenbedingungen sehr wichtige Voraussetzungen . Für die Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsförderung kommt es unter solchen Voraussetzungen vor allem darauf an, Arbeitslose durch Förderung und Qualifizierung möglichst gut auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Ein wesentliches Vermittlungshemmnis bei arbeitslosen Menschen ist die Qualifikation. Je geringer die Qualifikation, desto schlechter sind die Arbeitsmarktchancen der Menschen, und umso höher ist ihre Arbeitslosenquote. Dies trifft auch auf Langzeitarbeitslose zu. So haben aktuell 61,5 % der Langzeitarbeitslosen in Niedersachsen keine abgeschlossene Berufsausbildung. Mehr als jeder fünfte Langzeitarbeitslose (21,2 %) verfügt über keinen Schulabschluss. Hinzu kommt, dass einmal erworbene Qualifikationen durch lange Arbeitslosigkeit veraltet sind oder weniger nachgefragt werden. Das Ergebnis ist, dass für die Mehrheit der Langzeitarbeitslosen nur eine Beschäftigung auf Helferniveau möglich ist. Dagegen ist der Bedarf der Unternehmen in Niedersachsen im Fachkräftesegment deutlich größer als im Helferbereich. Angesichts der steigenden Qualifikationsanforderung und der häufig unzureichende Qualifikationen arbeitsloser Menschen ist eine zielgerichtete Arbeitsförderung auf absehbare Zeit unverzichtbar. Daher setzt auch das Land bei seinen eigenen Förderprogrammen in erster Linie auf eine Verbesserung der Qualifikation von (Langzeit-)Arbeitslosen, eine intensive Begleitung (Coaching) und die damit verbundenen verbesserten Chancen auf eine Beschäftigung. (Verteilt am 09.04.2019) Drucksache 18/3439 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Erwerbsperspektiven für niedersächsische Langzeitarbeitslose schaffen