Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3528 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Christian Meyer, Anja Piel und Miriam Staudte (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Mangelt es an Wohnraum für junge Menschen auf dem Land? Anfrage der Abgeordneten Christian Meyer, Anja Piel und Miriam Staudte (GRÜNE), eingegangen am 15.03.2019 - Drs. 18/3232 an die Staatskanzlei übersandt am 20.03.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 17.04.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten In ländlichen Regionen macht sich die Landflucht junger Menschen bemerkbar. Wissenschaftlich, medial und politisch werden Ursachen diskutiert. Im Fokus des wissenschaftlichen Diskurses stehen keineswegs nur harte Standortfaktoren wie Job- und Mobilitätschancen. Genauso mangelt es jungen Menschen im ländlichen Raum an Möglichkeiten, um sich sozial und kulturell zu entfalten. Auch „langsames Internet wird zum Turbo für die Landflucht“, mahnt beispielsweise der Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Im städtischen Kontext ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum insbesondere für junge Singles oder Paare inzwischen ein bekanntes Problem. „Ganz anders sieht es im ländlichen Gebiet aus“, stellt die Niedersächsische Landjugend in ihrem Positionspapier fest. Es stünden aufgrund des Mangels von Ein- bis Zweizimmerwohnungen unzureichende Möglichkeiten zur Verfügung, um als junger Mensch unabhängig von den Eltern zu wohnen. „Eine funktionierende Dorfgemeinschaft profitiert von allen Generationen. Die Zukunft unserer Dörfer hängt maßgeblich davon ab, ob es gelingt , junge Menschen im ländlichen Raum zu halten.“ Das Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz schreibt auf seiner Homepage zur Wohnraumförderung: „Die steigende Zahl älterer Menschen und von Menschen mit Behinderungen erfordert ein Umdenken in der Wohnungspolitik.“ Wohnungen für junge Singles und Paare im ländlichen Raum finden hingegen keine Erwähnung. Vorbemerkung der Landesregierung Die Entwicklung der ländlichen Räume ist ein wichtiges Ziel der niedersächsischen Politik. Der ländliche Raum stellt mit seinen vielseitigen Aufgabenstellungen und regionalen Eigenheiten hohe Ansprüche an alle, die sich mit der nachhaltigen Entwicklung der ländlichen Räume befassen. Um dies zu unterstützen, stellt das Land Niedersachsen diverse Programme, Fördermöglichkeiten und Planungsinstrumente zur Verfügung, Die Landesregierung verfolgt das Ziel, dass ausreichend bezahlbarer und bedarfsgerechter Wohnraum für alle Einkommensgruppen in allen Regionen des Landes zur Verfügung steht. Auch wenn die Knappheiten in der Wohnraumversorgung in den städtischen Ballungsgebieten die öffentlichen Diskussionen derzeit prägen, steht fest, dass die Herausforderung zur Schaffung von preiswertem Mietwohnraum ebenso in den ländlichen Räumen besteht. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3528 2 1. Plant die Landesregierung, die Förderkulisse dahin gehend zu erweitern, mehr Ein- bis Zweizimmerwohnungen durch Modernisierung, Aus-, Um und Neubau im ländlichen Raum zu schaffen? Wenn nein, warum nicht? Die Schaffung von Mietwohnraum durch Modernisierung, Aus-, Um- und Neubau im ländlichen Raum ist nach den aktuell geltenden Förderrichtlinien des Landes zur sozialen Wohnraumförderung grundsätzlich förderfähig. Für die Schaffung von kleinen Wohnungen bis 60 m2 können Zusatzdarlehen gewährt werden. Eine Erweiterung der Förderkulisse ist insoweit nicht erforderlich. 2. Inwiefern werden wohnspezifische, soziale und kulturelle Bedürfnisse von jungen Menschen bei Dorferneuerungsprogrammen und in der Städtebauförderung berücksichtigt ? Für die Landesregierung ist die Städtebauförderung ein wichtiges Instrument zur Förderung der regionalen Entwicklung. Sie trägt dazu bei, die Ziele einer ausgewogenen Stadtentwicklungspolitik in den Städten und Gemeinden zu konkretisieren. Das Land Niedersachsen unterstützt daher die Städte und Gemeinden mit den Programmen der Städtebauförderung und fördert die Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen zur Bewältigung der Anpassungsprozesse an den ökonomischen und demografischen Wandel sowie die Anforderungen des Klimaschutzes. Bei entsprechendem Bedarf sind grundsätzlich in allen Programmen der Städtebauförderung, insbesondere im Programm Kleinere Städte und Gemeinden, Investitionen in Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen förderfähig, die soziale und kulturelle Bedürfnisse von jungen Menschen berücksichtigen . Damit leistet die Städtebauförderung einen wichtigen Beitrag zur Stärkung ländlicher Räume und zur Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Die Dorfentwicklung hat eine stark beteiligungsorientierte Prozessstruktur. Alle Interessengruppen sind in die lokalen Mitwirkungsstrukturen und Arbeitsstrukturen zur Erstellung des Dorfentwicklungsplans und bei der Umsetzung der Planungsziele eingebunden. Einzelthemen werden in der Regel in gesonderten Gremien vertiefend bearbeitet. Welche Themen für den Entwicklungsprozess Vorrang haben, wird durch die örtlichen Akteure festgelegt. Bereits in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurden erste Projekte mit Modellcharakter initiiert , um die zielgruppenspezifischen Aspekte von Kindern und Jugendlichen in der Dorfentwicklung besser berücksichtigen zu können. Bindungswirkungen wie auch die Bereitschaft zur Gemeinwesenarbeit werden in diesen Altersgruppen aus neurobiologischer Sicht effektiv angelegt. Junge Menschen und ihre Bedürfnisse gehören insofern zu einer explizit zu beachtenden Zielgruppe des Prozessdesigns der Dorfentwicklung. Planer, Gemeinden und die den Prozess begleitenden Ämter für regionale Landesentwicklung sollen dies entsprechend beachten. Zudem wird den soziokulturellen Fragen der Dorfentwicklung im aktuell laufenden Modellvorhaben „Soziale Dorfentwicklung“ intensiv nachgegangen. Die zu erwartenden Erkenntnisse werden gerade auch in Hinsicht auf die Frage wohnspezifischer, sozialer und kultureller Bedürfnisse Eingang in die Anforderungen an die Förderung der Dorfentwicklung finden. Die ZILE-Richtlinie räumt bereits jetzt schon diverse Möglichkeiten der Förderung von Projekten ein, die dazu beitragen, wohnspezifische, soziale und kulturelle Bedürfnisse zu erfüllen. Inwieweit diese hierfür in Anspruch genommen werden, hängt von den örtlichen Akteuren ab. 3. Wie will die Landesregierung soziale und kulturelle Infrastruktur in von Bevölkerungsschwund betroffenen Kommunen sichern? Die ZILE-Richtlinie räumt hier Fördermöglichkeiten ein, die von den Landkommunen, die vom Bevölkerungsschwund betroffen sind, genutzt werden können, um soziale und kulturelle Infrastruktur zu schaffen oder zu verbessern. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3528 3 Mit der Erweiterung des Rahmenplans der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes für den Förderbereich integrierte ländliche Entwicklung sind zum 01.01.2017 neue Fördertatbestände in der Maßnahme Dorfentwicklung hinzugekommen, die auch die soziale und kulturelle Infrastruktur stärken. Dies wird durch die Schaffung von Gemeinschaftseinrichtungen als Begegnungsstätte für die ländliche Bevölkerung ermöglicht. Aber auch die Schaffung von Mehrfunktionshäusern gehört dazu. Es handelt sich um Einrichtungen mit mehreren Zweckbestimmungen zur Grundversorgung der ländlichen Bevölkerung sowie für soziale und kulturelle Zwecke. Neben z. B. dem Bäcker, Schlachter und der Sozialstation finden sich Räume für Kinder, Jugendliche (Jugendclub) und Senioren. Dabei werden die Gemeinschaftsräume teilweise durch mehrere Gruppen genutzt, andere speziell nur für eine Bevölkerungsgruppe. Seit dem Stichtag 15.02.2017 wurden 129 Vorhaben an Gemeinschaftseinrichtungen gefördert. Außerdem wurden Förderungen für 18 Mehrfunktionshäuser beantragt, von denen bisher elf eine Zuwendung erhalten haben. Diese bewegt sich häufig an der Maximalförderung von 500 000 Euro. Neben der Dorfentwicklung, die eine Förderung nur in den im Dorfentwicklungsprogramm des Landes aufgenommenen Orten zulässt, ist eine Förderung von Einrichtungen der sozialen und kulturellen Infrastruktur auch in der Maßnahme Basisdienstleistungen aus EU-Mitteln des ELER-Fonds möglich. Diese Maßnahme steht landesweit allen Orten unter 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern zur Antragstellung offen. Auch hier werden lokale Einrichtungen für die ländliche Bevölkerung einschließlich Kultur und Freizeit gefördert. Bereits 60 Vorhaben sind seit dem Stichtag 15.02.02017 bewilligt worden. Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) richtet zur Erarbeitung bzw. Vermittlung von Lösungsansätzen für eine Sicherung und eine nachhaltige Neuausrichtung der Kulturentwicklung, -infrastruktur und -förderung in den ländlichen Räumen Niedersachsens seit Oktober 2018 bis Mai 2019 an fünf Standorten in Niedersachsen (Lingen, Peine, Buxtehude, Osterode am Harz, Norden) Regionalkonferenzen unter dem Titel „Landkult(o)ur“ mit unterschiedlichen Schwerpunkten aus. Die Veranstaltungen sind an den Grundsätzen von Dialog und Transparenz ausgerichtet und sollen Impulse für die zukünftige Gestaltung von Rahmenbedingungen für Kultur im ländlichen Raum generieren . Darüber hinaus sollen die Regionalkonferenzen Gelegenheiten zur Information, z. B. über Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten sowie über gute Praxisbeispiele zu den einzelnen Themenschwerpunkten , und zum Austausch sowie zur Vernetzung der Akteure (Kulturanbieter, Kulturnutzer , Kulturförderer, Kulturfinanzierer) bieten. Ausgehend von den Ergebnissen der Auswertung der fünf Regionalkonferenzen wird das MWK im zweiten Halbjahr 2019 Vorschläge für den Erhalt und die Weiterentwicklung der kulturellen Infrastruktur in den ländlichen Räumen Niedersachsens vorlegen. Darüber hinaus betreibt das Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung (MB) die Online-Plattform ‚Projektnetzwerkes Ländliche Räume Niedersachsen‘ als gemeinsames Projekt der Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden. Die Online- Plattform umfasst derzeit mehrere hundert gute Daseinsvorsorgeprojekte aus den Bereichen Grundversorgung, Wohnen, Gesellschaft und Soziales, Gesundheit, Bildung und Kultur, Mobilität sowie Digitalisierung. Sie unterstützt die Vernetzung von Akteuren in den ländlichen Räumen und soll zum Nach- und Mitmachen ermuntern. 4. Welche Landkreise und Städte sind von einem positiven Wanderungssaldo (Saldo aus Zu- und Fortzügen) betroffen, welche von einem negativen? Hat sich dieser Wanderungssaldo im Vergleich zu vor 10 Jahren verstärkt oder verringert? (Bitte nach Städten und Landkreisen aufschlüsseln.) Während im Zeitraum 2008 bis 2012 18 niedersächsische Landkreise und kreisfreie Städte (Landkreise Holzminden, Wesermarsch, Northeim, Wolfenbüttel, Rotenburg (Wümme), Nienburg (Weser ), Helmstedt, Hameln-Pyrmont, Gifhorn, Goslar, Peine, Heidekreis, Celle, Schaumburg, Hildesheim , Osnabrück, Göttingen und die Stadt Salzgitter) geringe Wanderungsverluste zu verzeichnen hatten, ergeben sich für den Zeitraum 2013 bis 2017 für alle niedersächsischen Landkreise und kreisfreien Städte Wanderungsgewinne. Besonders hervorzuheben sind hier die Landkreise Göttingen , Emsland und Harburg sowie die Region Hannover. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3528 4 Die genaue Aufschlüsselung kann der als Anlage 1 beigefügten Übersicht entnommen werden. 5. Gibt es geschlechterspezifische Unterschiede beim Wanderungssaldo? (Bitte nach kreisfreien Städten und Landkreisen aufschlüsseln.) Im Zeitraum 2008 bis 2017 ist im überwiegenden Teil der niedersächsischen Landkreise und kreisfreien Städte bei den Wanderungsgewinnen der Anteil der Männer höher. Die konkrete Aufschlüsselung nach Landkreisen und kreisfreien Städten kann der als Anlage 2 beigefügten Übersicht entnommen werden. 6. Ist die demografische Ungleichheit zwischen kreisfreien Städten und Landkreisen in Niedersachsen in den letzten zehn Jahren gewachsen? (Bitte Bevölkerungszuwachs bzw. -rückgang nach Städten und Landkreisen aufschlüsseln.) Die Entwicklung der Einwohnerzahlen im Zeitraum 01.01.2008 bis zum 31.12.2017 in den niedersächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten kann der als Anlage 3 beigefügten Übersicht entnommen werden. Danach sind Bevölkerungsrückgänge in den Landkreisen Northeim, Goslar, Hildesheim, Hameln- Pyrmont, Holzminden, Cuxhaven, Schaumburg, Wesermarsch, Wolfenbüttel, Helmstedt, Uelzen, Nienburg (Weser), Göttingen, Lüchow-Dannenberg, Rotenburg (Wümme), Friesland, Celle, Wittmund sowie in der Stadt Wilhelmshaven festzustellen. Bevölkerungszuwächse gab es in den Landkreisen Heidekreis, Osterholz, Aurich, Gifhorn, Grafschaft Bentheim, Osnabrück, Verden, Diepholz, Leer, Oldenburg, Stade, Ammerland, Vechta, Lüneburg , Cloppenburg, Emsland, Harburg und in der Region Hannover sowie in den Städten Emden, Salzgitter, Delmenhorst, Wolfsburg, Braunschweig, Oldenburg, Osnabrück und der Stadt Hannover. 7. Wie will die Landesregierung der Landflucht und dem damit verbundenen Braindrain im ländlichen Raum entgegenwirken? Die Instrumente der Landentwicklung sind grundsätzlich geeignet, der Talentabwanderung in den ländlichen Räumen zu begegnen. Sowohl die Regionalmanagements von ILE und LEADER als auch die Dorfentwicklung bilden geeignete Ansätze ab, um Talenten Entwicklungsräume zu öffnen und innovative Ansätze zu ermöglichen. Zudem kann der Wissenstransfer in die Aktionsräume implementiert werden. So gibt es in verschiedenen Regionen Ansätze wie Study Visit im europäischen Austausch, die Förderung des (internationalen) Wissenstransfers durch Transnationale Kooperationsprojekte , die Einrichtung von Co-Working-Spaces oder Kreativlaboren. Nicht nur die Verhinderung der Abwanderung, auch die Gewinnung von Talenten, Experten und Fachkräften steht im Fokus von Förderregionen. Inwieweit diese Möglichkeiten zum Tragen kommen, ist von der Haltung und Offenheit der regionalen Akteure abhängig. In diesem Feld werden zurzeit auf Changemanagement basierende Vorhaben wie das Projekt „Ländlicher Veränderungsprozess - Nördliches Emstal“ durchgeführt, um gegebenenfalls notwendige Veränderungen im Rahmen der regionalen und lokalen Entwicklungsprozesse besser zu unterstützen. Über ein neues Förderprogramm „Zukunftsräume“ sollen Klein- und Mittelstädte in ländlichen Räumen in ihrer Ankerfunktion für das regionale Umfeld gestärkt werden. Klein- und Mittelstädte sind zentral, um ländliche Räume trotz abnehmender Bevölkerungszahlen als attraktive Lebensräume zu erhalten. Diese Orte müssen gerade für jüngere Menschen attraktiv bleiben. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3528 5 Anlage 1 (zu Frage 4) Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3528 6 Anlage 2 (zu Frage 5) Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3528 7 Anlage 3 (zu Frage 6) (Verteilt am 18.04.2019) Drucksache 18/3528 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Christian Meyer, Anja Piel und Miriam Staudte (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Mangelt es an Wohnraum für junge Menschen auf dem Land? Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3