Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3529 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Stefan Wirtz und Christopher Emden (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Insektensterben durch Windenergieanlagen Anfrage der Abgeordneten Stefan Wirtz und Christopher Emden (AfD), eingegangen am 19.03.2019 - Drs. 18/3299 an die Staatskanzlei übersandt am 26.03.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 17.04.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Eine Studie des DLR ergibt, dass Fluginsekten durch die Rotorblätter von Windenergieanlagen getötet werden können (https://www.dlr.de/tt/Portaldata/41/Resources/dokumente/st/et_1810_10_3_ Trieb_BCDR_51-55_ohne.pdf, abgerufen am 08.03.2019). Die Modellrechnungen der Studie ergeben einen geschätzten Verlust von 1 200 t Insekten pro Jahr, entsprechend durchschnittlich 5 bis 6 Milliarden Insekten pro Tag, während der Monate April bis Oktober. Weiterhin wird in der Studie die Annahme, Insekten würden nicht in den Höhen fliegen, in denen sich die Rotorblätter von Windenergieanlagen befinden, sondern nur unterhalb von ca. 30 m über Grund, für nicht belastbar erklärt. 1. Ist der Landesregierung die vorerwähnte Studie bekannt? Ja. 2. Wie schätzt die Landesregierung die Ergebnisse der Studie ein? Dass es an Windenergieanlagen - vergleichbar wie an Kraftfahrzeugen - prinzipiell zu Verlusten von Insekten kommt, steht außer Frage. Eine im Oktober 2018 veröffentlichte Studie des DLR betrachtet auf der Basis von Literaturrecherchen, Annahmen und Hochrechnungen einen potenziellen Zusammenhang zwischen dem Rückgang von (fliegenden) Insekten und dem Betrieb von Windenergieanlagen . Konkrete Messergebnisse zum tatsächlichen Umfang des Insektenschlags an Windenergieanlagen wurden dabei nicht erhoben. Es ist die bislang die einzige Studie, die diesen Zusammenhang herstellt und daraus einen Forschungsbedarf ableitet. Der Insektenrückgang in Deutschland, aber auch weltweit, findet bereits seit mehreren Jahrzehnten statt, wie durch die Ergebnisse von Langzeituntersuchungen deutlich wird. Die Hauptursachen wirken also bereits über einen langen Zeitraum, der deutlich über den Zeitraum des Ausbaus der Windenergie hinausreicht. Der massive Ausbau der Windenergie in der Fläche hat sich erst in den letzten 10 bis 15 Jahren vollzogen. Die aufgrund vereinfachter Annahmen hochgerechnete Zahl einer maximalen Masse von 1 200 t getöteter Insekten pro Jahr erscheint auf den ersten Blick sehr hoch. Offen ist dabei auch, in welchem Verhältnis diese berechneten Verluste an Fluginsekten zur Größe ihrer Gesamtpopulation und zu anderen anthropogenen Verlustursachen (z. B. Straßen- und Schienenverkehr) stehen. Die Autoren der Studie räumen diese Beschränkungen ausdrücklich ein. Auch ist vergleichend die natürliche Mortalität von Insekten durch Verdriftung (z. B. auf das Meer oder große Wasserflächen) zu Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3529 2 berücksichtigen. Vom Insektenrückgang sind nicht nur die im Luftraum anzutreffenden Arten betroffen , sondern auch solche, die überwiegend am Boden oder in Bodennähe leben. Die Abschätzungen der Studie beziehen sich ausschließlich auf fliegende Insekten und erfassen damit vom Grundsatz her nur einen Teil der Fragestellung des Insektenrückgangs. In einer Übersichtsarbeit haben sich Sánchez-Bayo und Wyckhuys (2019) ebenfalls mit den Ursachen des Insektenrückgangs beschäftigt. Die Windenergie, oder ähnlich gelagerte Wirkpfade/Auswirkungen wie z. B. der Schienen- und Straßenverkehr, werden in keiner der von beiden Autoren analysierten, internationalen Studien als Ursache oder Mit-Ursache genannt. Es zeigt sich vielmehr, dass der Insektenrückgang eine weltweit feststellbare Entwicklung ist, die auch in Regionen auftritt, in denen es keine oder kaum Windräder gibt. Vom Insektenrückgang sind ferner auch Arten/Artengruppen betroffen, die nicht fliegen. Daher käme die Windenergienutzung als Erklärung für den weltweiten Rückgang maximal für einen Teilbereich der Insektenarten in Betracht. Es ist zwar richtig, dass sich fliegende Insekten auch bis in große Höhen bewegen. Ein erheblicher Teil hält sich jedoch überwiegend bodennah und damit deutlich unterhalb der Rotorblätter auf. Passiv verdriftete, nicht fliegende Insekten einer Vielzahl kleiner Arten (Thripse, Blattläuse) können darüber hinaus je nach Wetterlage und Thermik in höhere Luftschichten gelangen, als der Einflussbereich der Windkraftanlagen reicht. Zusammenfassend sieht die Landesregierung vor dem Hintergrund des bisherigen Wissenstandes zum Insektenrückgang und ihren Ursachen keinen dringenden Handlungsbedarf. 3. Gibt es vonseiten der Landesregierung Untersuchungen zur Schädigung von Insekten durch Windenergieanlagen? Nein. 4. Bei negativer Beantwortung der Frage 3: Plant die Landesregierung, solche Untersuchungen in Zukunft durchzuführen? Nein. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 5. Sieht die Landesregierung eine Notwendigkeit darin, bei der Zulassung von Windkraftanlagen mögliche Gefahren für Fluginsekten untersuchen zu lassen? Dies ist vergleichbar mit Planungs- und Zulassungsverfahren für den Bau oder Ausbau von Verkehrswegen , an denen es verkehrsbedingt, wenngleich in Bodennähe, ebenfalls zu Verlusten von Fluginsekten kommt. Die Untersuchungen beschränken sich dort auf bestimmte im unmittelbaren Umfeld der Verkehrswege vorkommende betroffene Artengruppen von Insekten (z. B. Tagfalter). Da bei Windenergieanlagen aber insbesondere in hohen Luftschichten fliegende Insekten aus teilweise weit entfernten Gebieten betroffen sind, würde hier eine Kartierung der örtlichen Insektenfauna nicht zu weiterführenden Ergebnissen führen. Deshalb fehlt es an der Voraussetzung, mögliche Gefahren für Fluginsekten im Rahmen von Planungs- und Zulassungsverfahren von Windenergieanlagen untersuchen zulassen. Auf die Ausführungen zur beschränkten Aussagekraft der vorliegenden Studie wird verwiesen (s. Antwort zu Frage 2). 6. Falls nicht, aus welchem Grund hält die Landesregierung das für nicht notwendig? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. Literatur Sánchez-Bayo, Francisco; Wyckhuys, Kris A.G. (2019): Worldwide decline of the entomofauna: A review of its drivers. In: Biological Conservation 232, S. 8–27. DOI: 10.1016/j.biocon.2019.01.020. (Verteilt am 18.04.2019) Drucksache 18/3529 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Stefan Wirtz und Christopher Emden (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Insektensterben durch Windenergieanlagen