Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3557 neu*) 1 _________________ *) Die Drucksache 18/3557 - verteilt am 25.04.2019 - ist durch diese Fassung zu ersetzen. Bei der Antwort zu Frage 4 wurde im vorletzten Absatz die Nennung des Bundeslandes Baden-Württemberg ergänzt . Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe, Björn Försterling und Sylvia Bruns (FDP) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe, Björn Försterling und Sylvia Bruns (FDP), eingegangen am 13.03.2019 - Drs. 18/3214 an die Staatskanzlei übersandt am 19.03.2019 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 23.04.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Am 04.06.2016 trat das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen in Kraft. Mit dem Gesetz wurden die neuen Straftatbestände der Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen im Strafgesetzbuch verankert (§ 299 a StGB und § 299 b StGB). Diese Tatbestände betreffen die Bestechlichkeit im Gesundheitswesen. Für Bestechung im Amt gibt es die Tatbestände Vorteilsnahme (§ 331 StGB), Bestechlichkeit (§ 332 StGB), Vorteilsgewährung, (§ 333 StGB), Bestechung (§ 334 StGB) sowie Regelungen für besonders schwere Fälle (§ 335 StGB). Nunmehr berichtete die Zeitschrift Der Krankenhaus-Justitiar in ihrer Ausgabe 1/2019 unter der Überschrift „Über zwei Jahre §§ 299 a, 299 b StGB - ein Zwischenstand“, dass es im Jahr 2017 bundesweit 62 Ermittlungsverfahren aufgrund von Bestechlichkeit im Gesundheitswesen gegeben habe, ca. 50 % seien dabei in Niedersachsen geführt worden. 1. Wie viele Ermittlungsverfahren hat es jeweils in den Jahren 2017 und 2018 aufgrund Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (299 a StGB) gegeben? Wie viele gerichtliche Verfahren wurden aufgrund der Ermittlungen eingeleitet, und wie viele Verurteilungen hat es sodann gegeben? Bei den niedersächsischen Staatsanwaltschaften wurden wegen des Tatvorwurfs der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (§ 299 a StGB) im Jahr 2017 insgesamt 13 Ermittlungsverfahren und im Jahr 2018 insgesamt 12 Ermittlungsverfahren geführt. In beiden Jahren gab es keine Verurteilungen wegen des Tatvorwurfs der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen durch niedersächsische Gerichte . 2. Wie viele Ermittlungsverfahren hat es jeweils in den Jahren 2017 und 2018 aufgrund Bestechung im Gesundheitswesen (299 b StGB) gegeben? Wie viele gerichtliche Verfahren wurden aufgrund der Ermittlungen eingeleitet, und wie viele Verurteilungen hat es sodann gegeben? Im Jahr 2017 hat es niedersachsenweit 8 Ermittlungsverfahren aufgrund des Vorwurfs der Bestechung im Gesundheitswesen (§ 299 b StGB) gegeben, im Jahr 2018 waren es 10 Ermittlungsverfahren . Auch wegen des Vorwurfs der Bestechung im Gesundheitswesen ist es in beiden Jahren in Niedersachsen nicht zu einer Verurteilung gekommen. 3. Wie viele Ermittlungsverfahren hat es jeweils in den Jahren 2017 und 2018 aufgrund der Tatbestände Vorteilsnahme (§ 331 StGB), Bestechlichkeit (§ 332 StGB), Vorteilsge- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3557 2 währung (§ 333 StGB), Bestechung (§ 334 StGB) sowie besonders schwere Fälle gemäß § 335 StGB gegeben? Wie viele gerichtliche Verfahren wurden aufgrund der Ermittlungen eingeleitet, und wie viele Verurteilungen hat es sodann gegeben? Der Zentrale IT-Betrieb der Niedersächsischen Justiz (ZIB) hat folgende Verfahrenszahlen mitgeteilt : Für das Jahr 2017: Vorwurf eingeleitete Ermittlungsverfahren Anzahl gerichtlicher Verfahren Verurteilungen § 331 StGB (Vorteilsannahme) 56 2 Anklagen zum Landgericht 0 § 332 StGB (Bestechlichkeit) 82 1 Anklage zum Amtsgericht, Strafrichter 0 § 333 StGB (Vorteilsgewährung) 34 1 Anklage zum Landgericht 0 § 334 StGB (Bestechung) 98 27, davon: 23 Strafbefehlsanträge ohne Freiheitsstrafe 3 Anklagen zum Amtsgericht, Strafrichter 1 Anklage zum Landgericht 12, davon: 10 rechtskräftige Strafbefehle ohne Freiheitsstrafe 2 rechtskräftige Strafrichterurteile § 335 StGB (Besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung ) 1 0 0 Für das Jahr 2018: Vorwurf eingeleitete Ermittlungsverfahren Anzahl gerichtlicher Verfahren Verurteilungen § 331 StGB (Vorteilsannahme) 237 0 0 § 332 StGB (Bestechlichkeit) 117 1 Strafbefehlsantrag mit Freiheitsstrafe zur Bewährung 1 rechtskräftiger Strafbefehl mit Freiheitsstrafe zur Bewährung § 333 StGb (Vorteilsgewährung) 189 0 0 § 334 StGB (Bestechung) 84 8, davon: 5 Strafbefehlsanträge ohne Freiheitsstrafe 1 Strafbefehlsantrag mit Freiheitsstrafe zur Bewährung 2 Anklagen zum Amtsgericht, Strafrichter 7, davon: 5 rechtskräftige Strafbefehle ohne Freiheitsstrafe 1 rechtskräftiger Strafbefehl mit Freiheitsstrafe zur Bewährung 1 rechtskräftiges Strafrichterurteil § 335 StGB (Besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung ) 8 0 0 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3557 3 Soweit die Zahlen in der 4. Spalte von den Zahlen der 3. Spalte nach unten abweichen, sind die restlichen Verfahren noch bei Gericht anhängig. 4. Hat die Landesregierung Vergleichszahlen der Ermittlungsverfahren wegen Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen von anderen Ländern? Aufgrund einer Länderumfrage des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom Juni 2018 haben die Landesjustizverwaltungen der Bundesländer Angaben zu der Anzahl der seit dem 04.06.2016 in ihrem jeweiligen Geschäftsbereich geführten Ermittlungsverfahren wegen Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen gemacht. Die Berichte von zwölf anderen Bundesländern wurden nachrichtlich auch dem Niedersächsischen Justizministerium übermittelt. Zum Ende des Mitteilungszeitraums am 10.09.2018 ergab sich folgendes Bild: Seit der Einführung der §§ 299 a, 299 b StGB sind bei der Staatsanwaltschaft Hamburg acht Verfahren mit einem entsprechenden Vorwurf anhängig gewesen. Thüringen hat mitgeteilt, bei der Staatsanwaltschaft Erfurt seien drei entsprechende Ermittlungsverfahren eingegangen, bei denen die Ermittlungen jedoch noch nicht abgeschlossen seien. Bei der Staatsanwaltschaft Meiningen seien keine entsprechenden Verfahren geführt worden. Bei der hessischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen seien insgesamt sieben Ermittlungsverfahren aus den unterschiedlichsten Bereichen des Gesundheitswesens anhängig gemacht worden. Das Saarland hat ein einschlägiges Verfahren mitgeteilt, das gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Berlin hat mitgeteilt, dort seien seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vier Ermittlungsverfahren wegen entsprechender Verdachtsmomente zur Eintragung gelangt. Brandenburg, Sachsen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben keine konkreten Fallzahlen angegeben, aber mitgeteilt, dass dort Ermittlungsverfahren wegen Bestechlichkeit (§ 299 a StGB) und Bestechung im Gesundheitswesen (§ 299 b StGB) bislang nur in geringem Umfang anhängig geworden seien. Die Landesjustizverwaltungen von Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Mecklenburg- Vorpommern haben mitgeteilt, dass im angefragten Zeitraum keine Ermittlungsverfahren wegen Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen in den dortigen Geschäftsbereichen geführt worden seien. 5. Wie erklärt sich die Landesregierung, dass 2017 ca. 50 % der Ermittlungsverfahren in Niedersachsen geführt wurden? In dem in Bezug genommenen Artikel der Fachzeitschrift Der Krankenhaus-Justitiar, Ausgabe 1/2019, wird unter Hinweis auf das vom Bundeskriminalamt veröffentlichte Bundeslagebild 2017 zur Korruption ausgeführt, dass von den im Jahr 2017 bundesweit anhängigen 62 Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (§ 299 a StGB) ca. 50 % in Niedersachsen geführt worden seien. Diese Aussage basiert auf einer Fußnote im Bundeslagebild 2017, welche jedoch keine weiteren Erläuterungen oder Hinweise auf Fundstellen enthält. Sie kann anhand der vom ZIB mitgeteilten Zahlen nicht nachvollzogen werden. 6. Hält die Landesregierung die Staatsanwälte und Richter in Niedersachsen für qualifiziert genug, um die Tatbestände der §§ 299 a, 299 b StGB richtig zu erfassen? Ja. In Niedersachsen wurden auf staatsanwaltlicher Ebene Sonderzuständigkeiten zur Korruptionsbekämpfung eingerichtet: Seit dem 01.09.2006 bestehen für die Landgerichtsbezirke in Bückeburg, Hannover und Hildesheim bei der Staatsanwaltschaft Hannover und für die Landgerichtsbezirke in Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3557 4 Lüneburg, Stade und Verden bei der Staatsanwaltschaft Verden Zentralstellen für Korruptionsstrafsachen . Bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig ist dies für die Landgerichtsbezirke in Braunschweig und Göttingen seit dem 01.02.2007 und bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück für die Landgerichtsbezirke Aurich, Oldenburg und Osnabrück seit dem 01.05.2007 der Fall. Die Straftatbestände der §§ 299 a und 299 b StGB fallen ebenfalls in die sachliche Zuständigkeit der Zentralstellen . Auf diese Weise wird gewährleistet, dass die Bearbeitung dieses komplexen Deliktsfelds von hoch qualifiziertem und spezialisiertem Personal erfolgt. Bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle wurde bereits im Jahr 1996 die Zentrale Stelle Organisierte Kriminalität und Korruption (ZOK) eingerichtet, die landesweit insbesondere als Ansprechstelle für die Dienststellen, die mit korruptiven Verhaltensweisen befasst sind, fungiert und beratend tätig wird, z. B. in Fragen der internationalen Zusammenarbeit und Rechtshilfe sowie der Anwendung verdeckter Ermittlungsmaßnahmen. Darüber hinaus ist die ZOK für die Bereiche Fortbildung und Schulung zuständig. Sie führt zur Herstellung eines einheitlichen Erkenntnisstandes über die Erscheinungsformen u. a. der Korruption sowie über die besonderen Fragestellungen einschlägiger Ermittlungsverfahren und die Vermögensabschöpfung an die Staatsanwaltschaften gerichtete Veranstaltungen des Erfahrungsaustausches durch, an denen der Polizei, den Zoll- und Finanzverwaltungen und anderen interessierten Stellen eine Teilnahme ermöglicht wird. Über den Rahmen der Fortbildung und des Erfahrungsaustausches hinaus hält die ZOK Kontakt zu Dienststellen auf Bundes - und Landesebene, die mit der Bekämpfung Organisierter Kriminalität, Korruption und schwerer Internetkriminalität sowie der Vermögensabschöpfung befasst sind, insbesondere zum Landeskriminalamt Niedersachsen und zum Bundeskriminalamt. Schließlich fallen die Tatbestände der §§ 299 a, 299 b StGB, wenn sie ein Verbrechen darstellen und die weiteren Voraussetzungen der §§ 24, 74 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) vorliegen , nach § 74 c Abs. 1 Nr. 5 a GVG in die Spezialzuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht. Während für die allgemeinen Korruptionsstraftaten der Vorteilsannahme, der Vorteilsgewährung , der Bestechung und der Bestechlichkeit in der Verbrechensvariante gemäß § 74 c Abs. 1 Nr. 6 a GVG nur dann die Spezialzuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer besteht, soweit zur Beurteilung des Falles besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind, hat der Gesetzgeber auf diese zusätzliche Voraussetzung im Falle der Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen verzichtet. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass auch im richterlichen Bereich insbesondere in hochkomplexen Verbrechenskonstellationen im Wirtschafts- und Geschäftsleben besonders erfahrene und hochqualifizierte Richterinnen und Richter entscheiden. 7. Müssen Staatsanwälte und Richter, die die Tatbestände der §§ 299 a, 299 b StGB bearbeiten , spezielle Fortbildungsmaßnahmen absolvieren? Zum rechtlich anspruchsvollen und in tatsächlicher Hinsicht komplexen Feld der Korruptionsdelikte wird im Rahmen der allgemeinen Fortbildungsobliegenheit ein entsprechendes Fortbildungsangebot für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Richterinnen und Richter vorgehalten. So wird beispielsweise vom 20.05. - 24.05.2019 durch die Deutsche Richterakademie in Trier die Tagung „Erscheinungsformen der Korruption und ihre Bekämpfung“ angeboten. Soweit in dem zitierten Artikel Der Krankenhaus-Justitiar, Ausgabe 1/2019, Ausführungen zum sogenannten Abrechnungsbetrug gemacht werden, legt die niedersächsische Justiz auch auf diesen Deliktstypus besonderes Augenmerk. Die Fortbildung „Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen“ wurde vom Niedersächsischen Justizministerium in der Zeit vom 21. - 22.11.2018 in Bad Nenndorf durchgeführt. An dieser nahmen im Rahmen des sogenannten Nordverbundes auch Justizangehörige anderer Bundesländer, namentlich aus Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, teil. (Verteilt am 26.04.2019)