Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3577 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Imke Byl und Christian Meyer (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Gehölzrückschnitt an der Oker: Unsachgemäßer Eingriff in das Ökosystem? Anfrage der Abgeordneten Imke Byl und Christian Meyer (GRÜNE), eingegangen am 26.02.2019 - Drs. 18/3013 an die Staatskanzlei übersandt am 28.02.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 25.04.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten An der Oker wurden im Landkreis Wolfenbüttel Ende vergangenen Jahres zahlreiche Bäume und Sträucher gefällt. Diese Pflegemaßnahmen sind vom Unterhaltungsverband Oker beauftragt worden , berichtete die Braunschweiger Zeitung1: „Nach Angaben des Landtagsabgeordneten und Landwirts aus Werlaburgdorf, Frank Oesterhelweg (CDU), handelt es sich bei dem abgeholzten Standort um die Westseite der Oker bei Werlaburgdorf in der Gemeinde Schladen-Werla. ‚Was sich hier abspielt, macht mich fassungslos und wütend‘, sagt Oesterhelweg. Nach Angaben des Landtagsabgeordneten sind einige dutzende Bäume entlang der Oker abgeholzt worden - auf einer geschätzten Strecke von etwa einem Kilometer. ‚Für solche Hau-Ruck-Maßnahmen habe ich angesichts der Tatsache, dass jahrelang kaum etwas in Sachen Räumung an diesem Gewässer passiert ist, nicht das geringste Verständnis. Erst lässt man Gewässerläufe verlanden, Altholz im Flussbett verrotten und die Seitendämme verwahrlosen - und jetzt dieser Aktionismus‘, sagt Oesterhelweg. (…) Laut Landkreis-Pressesprecher Andree Wilhelm , weiß der Landkreis bereits Bescheid. ‚Am Montagmorgen lag ein Hinweis vor, dass diese Pflegemaßnahmen möglicherweise nicht sachgemäß durchgeführt worden sind‘, sagt Wilhelm. Daraufhin habe der Landkreis einen Mitarbeiter geschickt, der sich ein Bild über den Zustand an der Oker machen sollte. Der Bericht des Mitarbeiters soll jetzt ausgewertet werden.“ Berichten von Anwohnerinnen und Anwohner zufolge waren insbesondere über das Wasser reichende Hölzer wie Erlen, Weiden und vereinzelte Eschen von der Fällung betroffen. Im Rahmen der Arbeiten sei zudem ein Raupenbagger in das Flussbett gefahren. Am Westufer habe ein Radbagger schließlich die Stammabschnitte gestapelt. Vorbemerkung der Landesregierung Die vom Unterhaltungsverband ausgeführten Tätigkeiten hatten zum Ziel, den ordnungsgemäßen Abfluss in der Oker sicherzustellen. Die Unterhaltung der Gewässer stellt eine öffentlich-rechtliche Unterhaltungslast nach § 39 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) des Bundes dar. Zuständig an Gewässern II. Ordnung wie der Oker sind nach § 63 des Gesetzes zur Neuregelung des Niedersächsischen Wasserrechts die in Anlage 4 des Gesetzes genannten Wasser- und Bodenverbände (Unterhaltungsverbände bzw. 1 27.11.2018, https://www.braunschweiger-zeitung.de/wolfenbuettel/article215886507/Dutzende-Baeumeentlang -der-Oker-abgeholzt.html Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3577 2 UHV). Wasser- und Bodenverbände sind Selbstverwaltungsorgane im Sinne des Wasserverbandsgesetzes . Sie nehmen die ihnen obliegenden Aufgabe in eigener Verantwortung wahr und unterliegen keiner Fachaufsicht. Die Rechtsaufsicht über die Verbände wird durch die jeweils zuständigen Wasserbehörden wahrgenommen. Soweit bei der Ausübung der Gewässerunterhaltung andere Belange , etwa im Bereich Artenschutz, berührt sind, haben die UHV die diesbezüglichen Regelungen zu beachten und gegebenenfalls Genehmigungen einzuholen. Für die in Rede stehende Beseitigung der Gehölze an der Oker im Bereich Werlaburg gilt dies jedoch nicht. Der UHV war grundsätzlich befugt, diese Gehölze im Rahmen seiner Unterhaltungstätigkeiten zu entnehmen. 1. Teilt die Landesregierung die Kritik des Abgeordneten Frank Oesterhelweg? Hierzu wird auf die Antworten zu den Fragen 2 bis 9 verwiesen, die Ausführungen des Landkreises Wolfenbüttel berücksichtigen. 2. War die Entfernung des Uferbewuchses in diesem Umfang nötig? In dem bezeichneten Abschnitt (ca. 1,4 km) wurden alle Gehölze entnommen, die im Abflussprofil der Oker standen. Die Entfernung des Uferbewuchses war in diesem Umfang nicht erforderlich und auch nicht abgesprochen. 3. Wurden die Pflegemaßnahmen sachgemäß durchgeführt? Aus technischer Sicht sind die Maßnahmen zur Gehölzentnahme sachgemäß durchgeführt worden. 4. Welche weiteren Maßnahmen zum Gehölzrückschnitt plant der Unterhaltungsverband entlang der Oker? In zwischenzeitlich erfolgten Fachgesprächen zwischen Landkreis Wolfenbüttel und UHV Oker wurde das weitere Vorgehen in derartigen Fällen umfänglich abgestimmt. Danach werden Art und Umfang gegebenenfalls erforderlicher Gehölzentnahmen, diesbezügliche Eingriffe in Ufer, Gewässersohle und Aueböden künftig minimiert und nachvollziehbar dokumentiert. 5. Zu welchen Ergebnissen hat die Prüfung des Landkreises Wolfenbüttel geführt? Aus Sicht des Natur- und Gewässerschutzes erfolgte die Unterhaltung nur bedingt mit dem nötigen Augenmaß. 6. Werden aus den Prüfungen Konsequenzen gezogen und, wenn ja, welche? Aus Sicht aller Beteiligten hat sich gezeigt, dass die Unterhaltung an der Oker eine umfänglichere Betrachtung und Abstimmung der beteiligten Fachbereiche als bisher erfordert. Um diesem zukünftig besser gerecht zu werden, ist die Aufstellung eines Unterhaltungsplanes vereinbart worden, der jährlich fortgeschrieben und dem Landkreis vorgelegt wird. 7. Welche Schäden hat das Hochwasser 2017 in Schladen verursacht, und inwiefern war dafür Bewuchs an der Oker ursächlich? Das Hochwasser 2017 hat zu Überschwemmungen und vollgelaufenen Kellern geführt. Nähere Erkenntnisse , ob und inwieweit der Bewuchs an der Oker dafür gegebenenfalls ursächlich ist, liegen nicht vor. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3577 3 8. Vor dem Hintergrund, dass der NABU in den 1990er-Jahren Aufforstungsmaßnahmen an der Ostseite der Oker gegenüber der Kaiserpfalz Werla durchgeführt hat: Sind die vom NABU gepflanzten Bäume von den Maßnahmen betroffen? Der NABU hat in den 1990er-Jahren auf der Ostseite der Oker gewässeraufwärts von der Kaiserpfalz Werla bis zur Kläranlage Schladen gemeinsam mit dem damaligen Wasserwirtschaftsamt Gehölze angepflanzt. Detaillierte Unterlagen darüber liegen nicht mehr vor, ein Teil dieser Gehölze ist jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit von den Unterhaltungsmaßnahmen betroffen. 9. Ist es zutreffend, dass das Flussbett mit einem Bagger befahren wurde? Es trifft zu, dass das Flussbett bzw. die Gewässersohle mit einem Kettenfahrzeug mit Holzgreifer befahren wurde. 10. Welche Auswirkungen kann die Entfernung von Uferbewuchs und Strömungslenkern sowie die Verdichtung des Flussbettes a) auf die natürliche Entwicklung des Flusses, b) auf das Nahrungsangebot und die Brutmöglichkeiten für Vögel, c) auf das Nahrungsangebot und die Fortpflanzungsmöglichkeiten von Wasserlebewesen wie Bachflohkrebsen, Steinfliegenlarven, Forellen und Äschen haben? Der Zustand nach Entfernung der Ufervegetation bietet keine Brutmöglichkeiten und kein Nahrungsangebot für Vögel. Viele aquatische Wirbellose benötigen nach ihrer Entwicklungsphase im Wasser und dem Schlupf die Ufersäume als Lebensraum. Der Lebensraum Aue ist generell bereits stark reduziert. Das Entfernen des Uferbewuchses an der Oker verstärkt diesen Sachverhalt. Durch fehlende Beschattung über einen größeren Streckenabschnitt kann sich das Wasser stärker erwärmen, enthält weniger Sauerstoff und bietet somit andere Lebensbedingungen, als es dem Gewässerabschnitt entspräche. Das Gewässer nimmt eher den Charakter des Unterlaufes an, damit verändert sich auch die in ihm natürlich vorkommende Lebensgemeinschaft. Mit dem Entfernen von Strömungslenkern im Wasser (wie z. B. hineingefallenen Bäumen) gehen wertvolle Strukturen für aquatische Wirbellose verloren, außerdem Unterstandsmöglichkeiten für Fische. Die Artenzahl und auch die Anzahl an Organismen sinken und wirken sich über das eingeschränkte Nahrungsspektrum wiederum auf die Vogelwelt u. a. aus. In den kiesigen Abschnitten der Oker wirkt sich das Befahren mit Baggern negativ aus. Die Verdichtung verändert das Lückensystem morphologisch, d. h. der Lebensraum im Gewässerboden und damit der Lebensraum von Fischlarven und kleinsten Wirbellosen wird negativ verändert bzw. zerstört. Eine Auflockerung dieses verdichteten kiesigen Sedimentes erfolgt gegebenenfalls erst bei ausreichend hoher Fließgeschwindigkeit des Wassers und entsprechend umfangreicher Umschichtung des Sedimentes. 11. Werden bei einer Schädigung des Ökosystems Maßnahmen eingeleitet, um diese Schäden zu beheben und um das Ökosystem und den Lebensraum der Tiere entlang der Oker zu schützen? Der UHV Oker pflanzt aktuell auf der Böschungsschulter der Oker neue Großgehölze an. (Verteilt am 30.04.2019) Drucksache 18/3577 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Imke Byl und Christian Meyer (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Gehölzrückschnitt an der Oker: Unsachgemäßer Eingriff in das Ökosystem?