Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3616 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Umsetzung der Berme-Umfahrung Anfrage des Abgeordneten Christian Grascha (FDP), eingegangen am 02.04.2019 - Drs. 18/3431 an die Staatskanzlei übersandt am 05.04.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 02.05.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten Im Zuge der Sanierung des Damms der Sösetalsperre in Osterode am Harz im Landkreis Göttingen wurden bislang eine Sperrung und eine großräumige Umfahrung für den Verkehr favorisiert. Laut dem Harz Kurier vom 29.03.2019 ist nun auch eine Nutzung der Berme als Umleitungsstreckung während der geplanten Dammsanierung und der Instandsetzung der Bundesstraße 498 grundsätzlich möglich. Dies habe nach dieser Berichterstattung das niedersächsische Umweltministerium bestätigt . Dazu bedarf es einer Befreiung von der Wasserschutzgebietsverordnung, die aber mit hohen Hürden verbunden sei. Vorbemerkung der Landesregierung Die Sösetalsperre im Südharz verfügt neben der Hauptsperre über eine sogenannte Vorsperre im oberen Zulaufbereich. Diese bewirkt, dass die im zufließenden Wasser enthaltenen Feststoffe (Baumstämme, Sedimente etc.) zurückgehalten werden. Über die Vorsperre verläuft die B 498. Sie stellt die kürzeste Verbindung zwischen der Ortschaft Riefensbeek-Kamschlacken und der Stadt Osterode dar. Die Alternative bildet eine Route über Clausthal-Zellerfeld, die 8,7 km länger ist. Zum Schutz der Trinkwassergewinnung aus der Sösetalsperre wurde am 31.03.2008 ein Wasserschutzgebiet (WSG) ausgewiesen (Nds. MBl. S. 473). Im Jahr 2018 stellten die Harzwasserwerke GmbH (HWW) und die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) gemeinsam einen Antrag auf Planfeststellung, um sowohl die Sösetalvorsperre zu überholen als auch die Bundesstraße instand zu setzen. Weil über die beiden Vorhaben nur einheitlich entschieden werden kann, ist der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) als Planfeststellungsbehörde für die Zulassung insgesamt zuständig. Für den einkonzentrierten straßenbaulichen Teil wird der NLWKN vom Landkreis Göttingen unterstützt. Um eine Vollsperrung über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren eventuell zu vermeiden, wurden im Rahmen der Planung verschiedene Alternativen betrachtet. Der Bau einer temporären Umfahrung auf der Berme (Böschung) der Vorsperre wurde erwogen, aber letztlich nicht beantragt. Der Erläuterungsbericht führt als Nachteile aus: – einspuriger Verkehr mit Ampelregelung führt im Ergebnis nur zu geringer Zeitersparnis, – hohe Investitionskosten (Größenordnung: 2 Millionen Euro nach Aussagen des LK Göttingen), – zeitweise Vollsperrung bleibt nötig, Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3616 2 – Verlängerung der Gesamtbauzeit, – nachteilige Auswirkungen auf den Trinkwasserschutz durch die temporäre Straße unmittelbar am Rand des Stausees (Schutzzone I des Wasserschutzgebiets). Der Landkreis Göttingen hat in einem Bericht vom März 2019 die Problematik beschrieben und die Rechtsfrage aufgeworfen, ob die Variante der Bermen-Umfahrung bereits aufgrund der WSG-Verordnung nicht zugelassen werden kann. Das Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz hat in seiner Antwort dargestellt, dass die Verbote der WSG-Verordnung durch eine Befreiung nach § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG überwunden werden könnten, falls die Voraussetzungen dieser Befreiungsvorschrift von der Planfeststellungsbehörde bejaht würden. 1. Welche Voraussetzungen müssen für das geplante Vorhaben erfüllt sein? Die Berme der Vorsperre befindet sind in der Schutzzone I des für die Trinkwassergewinnung ausgewiesenen WSG. In der Schutzzone I sind gemäß § 3 der Schutzgebietsverordnung grundsätzlich alle Handlungen verboten, die nicht zur Pflege der Landflächen in Sinne des Gewässerschutzes oder für den Betrieb, die Unterhaltung und die Instandsetzung der Talsperre und ihrer technischen Einrichtungen erforderlich sind. Die Schutzgebietsverordnung enthält in § 5 Abs. 1 außerdem eine Befreiungsmöglichkeit zum Zweck der Unterhaltung, der Instandsetzung und des Ausbaus der B 498, wenn die Belange des Trinkwasserschutzes dadurch nicht beeinträchtigt werden. Aus dem Wasserhaushaltsgesetz, das in seiner geltenden Fassung nach der Schutzgebietsverordnung in Kraft trat, kommt die Befreiungsmöglichkeit des § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG in Betracht. Dieser lautet: „Die zuständige Behörde kann von Verboten, Beschränkungen sowie Duldungs- und Handlungspflichten ... eine Befreiung erteilen, wenn der Schutzzweck nicht gefährdet wird oder überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern.“ 2. Welches sind die „hohen Hürden“ für eine Befreiung von der Wasserschutzgebietsverordnung ? Bei der Ermessensentscheidung, ob die Schutzbestimmungen aufgrund der genannten Befreiungsmöglichkeiten durchbrochen werden, ist der Schutzbedarf eines Wassergewinnungsgebietes mit einem hohen Gewicht zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere, wenn die zentrale Schutzzone I betroffen ist. Eine temporäre Umfahrung auf der Berme müsste entweder mit dem Schutzzweck vereinbar sein, oder die „überwiegenden Gründe des Wohls der Allgemeinheit“ müssten ihrerseits sehr schwerwiegend sein, um eine Zurückstellung des Gewässerschutzinteresses zu rechtfertigen . 3. Welche weiteren Schritte sind für den zuständigen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) bis zu einer Realisierung der Berme als Umleitungsstrecke erforderlich? Der NLWKN als Planfeststellungsbehörde hat über den von den HWW und der NLStBV vorgelegten Antrag zu entscheiden, der die Sperrung der Bundesstraße - und nicht eine temporäre Umfahrung auf der Berme - vorsieht. Zu einer Realisierung der Bermen-Umfahrung könnte es, verfahrensrechtlich betrachtet, nur kommen , wenn entweder die Planfeststellungsbehörde zu der Auffassung gelangen würde, dass das Vorhaben in der beantragten Variante - ohne die Umfahrung - nicht zulassungsfähig wäre, oder wenn die Antragsteller von sich aus den Antrag entsprechend abändern würden. Beide Verfahrenswege würden aber voraussetzen, dass es aus Sicht der Planfeststellungsbehörde möglich wäre, eine Befreiung von den Verboten der Schutzgebietsverordnung zu erteilen (s. Fragen 1 und 2). Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3616 3 4. Wer finanziert die oben genannte Baumaßnahme? Die Harzwasserwerke GmbH und die Bundesrepublik Deutschland. 5. Gibt es mögliche Fördermittel bzw. Zusagen durch Bund und Land, wenn ja, welche? Bei der Sanierung der Sösetalvorsperre und der B 498 handelt es sich um eine Gemeinschaftsbaumaßnahme der Harzwasserwerke und der Niedersächsischen Straßenbauverwaltung. Die Niedersächsische Straßenbauverwaltung ist im Auftrag des Bundes für die Verwaltung der Bundesfernstraßen verantwortlich. Die Finanzierung dieser Gemeinschaftsmaßnahme obliegt ausschließlich den Harzwasserwerken und dem Bund. Zwischen den Harzwasserwerken und dem örtlich zuständigen regionalen Geschäftsbereich Goslar der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr wurde im Vorfeld der Planung eine Kooperationsvereinbarung hinsichtlich der Kostenträgerschaft und der Verantwortlichkeiten abgeschlossen. In einem sehr frühen Planungsstadium wurde seitens des Landes in Erwägung gezogen, Mehrkosten für eine Behelfsumfahrung gegebenenfalls anteilig zu tragen. Im Rahmen der weiteren Bearbeitung kam es nach Abwägung der Erkenntnisse aus den untersuchten Varianten, auch hinsichtlich Kostenumfang und technischer Detailumsetzung, einvernehmlich zu der im letzten Jahr in das Planfeststellungsverfahren eingebrachten Lösung. (Verteilt am 06.05.2019) Drucksache 18/3616 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Umsetzung der Berme-Umfahrung