Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3697 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dirk Adomat, Marcus Bosse, Axel Brammer, Gerd Hujahn, Dr. Dörte Liebetruth, Guido Pott und Volker Senftleben (SPD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung Schlammgruben in Niedersachsen Anfrage der Abgeordneten Dirk Adomat, Marcus Bosse, Axel Brammer, Gerd Hujahn, Dr. Dörte Liebetruth, Guido Pott und Volker Senftleben (SPD), eingegangen am 02.04.2019 - Drs. 18/3430 an die Staatskanzlei übersandt am 05.04.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung vom 09.05.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Bis in die 1960er-Jahre war es üblich, in der Nähe von Erdgas- oder Erdölbohrungen Schlammgruben anzulegen und in diesen u. a. die entstandenen Bohrschlämme zu lagern. Seit einigen Jahren findet eine Bearbeitung dieser ehemaligen Bohrschlammgruben statt, wobei jedoch nicht jede Grube bekannt ist. Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie geht von mindestens 500 ehemaligen Schlammgruben aus. Vorbemerkung der Landesregierung In Niedersachsen werden Kohlenwasserstoffe (Erdöl und Erdgas) seit den 1850er-Jahren gefördert . Bereits damals wurden einfache Gruben zur Ablagerung von Grabungs- oder Bohrrückständen genutzt. Bis in die 1960er-Jahre hinein war es gängige Praxis, nahezu neben jeder Tiefbohrung eine Schlammgrube anzulegen. Später wurden Bohrrückstände mehrerer Bohrungen in einer zentralen Bohrschlammgrube gesammelt. Abgelagert wurden verbrauchte Bohrspülungen und das zerkleinerte Gestein aus dem Bohrloch. Bohrspülungen bestehen aus dem Trägerfluid (Süßwasser, Salzwasser oder Erdöldestillate), Stoffen zur Einstellung der Viskosität und der Thixotropie (z. B. Bentonit, Kreide, Zellulose) und Stoffen zur Einstellung der Dichte, beispielsweise Schwerspat. Heutzutage werden Bohr- und Ölschlammgruben nicht mehr benötigt. Die Möglichkeiten der Abfallentsorgung haben sich grundlegend geändert. Rückstände aus Bohrungen sind außerhalb der Bergbaubetriebe nach dem Kreislaufwirtschaftsrecht zu entsorgen. In Niedersachsen befinden sich noch 37 Schlammgruben unter Aufsicht des Landesamts für Bergbau , Energie und Geologie (LBEG). Daneben wird derzeit von insgesamt 544 Verdachtsflächen für ehemalige Schlammgruben ausgegangen, 474 davon konnten eindeutig der Erdgas- und Erdöl (E&P)-Industrie zugeordnet werden. Für Untersuchungen dieser Altlastverdachtsflächen an Standorten ehemaliger Öl- und Bohrschlammgruben hat das Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (MU) Ende 2015 mit dem Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e. V. (heute Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e. V.) unter Einbeziehung der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände eine Vereinbarung über Fördergrundsätze zur Gewährung von Zuwendungen erzielt, die zum 01.01.2016 in Kraft getreten ist (www.gewerbeaufsicht.niedersachsen.de). Die Unternehmen der E&P-Industrie stellen dafür bis zu 5 Millionen Euro zur Verfügung. Die Förderung wird in den Jahren 2016 bis 2021 angeboten. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3697 2 1. Welche Arten von Schlammgruben sind in Niedersachsen zu unterscheiden? Bei den historischen ehemaligen Schlammgrubenverdachtsflächen wird unterschieden zwischen Bohrschlamm-, Ölschlamm- und Mischgruben. Maßgebliches Kriterium für die Unterscheidung ist der Kohlenwasserstoffgehalt. Bohrschlammgruben sind Einrichtungen, in denen hauptsächlich nicht oder nur gering mineralölhaltiger Bohrschlamm (< 5 %), der beim Niederbringen von Bohrungen anfiel, abgelagert wurde. Als Bohrschlamm werden verbrauchte, nicht wiederverwertbare Bohrspülungen, Bohrspülungsreste und Bohrklein bezeichnet. Ölschlammgruben sind Einrichtungen, in denen Öl und ölhaltige Rückstände aus der Exploration und Produktion von Erdöl und Erdgas gelagert und/oder feste von flüssigen Bestandteilen getrennt wurden. Ölschlammgruben werden seitens der Bergbehörde seit 1987 (Oberbergamt Clausthal- Zellerfeld 1987) nur noch als zeitlich befristete Einrichtungen angesehen, die in der Regel spätestens mit Ende des Betriebs vollständig zu entfernen sind. In Mischgruben wurden neben siedlungstypischen Abfällen wie Bodenaushub, Bauschutt, Hausmüll , Gewerbeabfällen, park- und forstwirtschaftlichen Abfällen auch Öl- und Bohrschlamm eingebracht . Mischgruben wurden seit 1985 im Rahmen des Altlastenprogramms als Altablagerungen erfasst , bewertet und teilweise untersucht. 2. Werden aktuell in Niedersachsen noch Schlammgruben betrieben oder genehmigt? Falls ja, bitte Auflistung nach Art. Das LBEG ist für Schlammgruben während der Betriebs-, Stilllegungs- und Nachsorgephase zuständig . In Betrieb befindet sich keine Schlammgrube. Die letzte Schlammgrube In Niedersachsen wurde bis zum 31.03.2015 betrieben. Zwei Schlammgruben befinden sich in der Stilllegungsphase. 35 Schlammgruben sind in der Nachsorgephase und zwei der Schlammgruben sollen ab Mitte 2019 zurückgebaut werden. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 3. a) Wie sehen die bisherigen Ergebnisse zur Untersuchung der Schlammgruben aus? b) Welche Stoffe sind in den Schlammgruben vorhanden? c) Wie ist der aktuelle Stand der Bearbeitung? Die Fragen 3 a) bis c) werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs nachfolgend gemeinschaftlich wie folgt beantwortet: Die zum Vereinbarungsvertrag (siehe Vorbemerkung der Landesregierung) gehörende Standortliste enthält 474 Schlammgrubenverdachtsflächen, die auf Grundlage der Arbeitshilfe „Geofakten 29“ des LBEG und in Anlehnung an das Bundesbodenschutzgesetz mehrstufig untersucht werden sollen . Zurzeit befinden sich von diesen 474 Verdachtsflächen 220 Verdachtsstandorte im Untersuchungsprogramm der Fördermaßnahme. Allerdings liegen bislang erst für 142 Standorte Gutachten vor. Demnach hat sich für 56 Standorte ein Gefahrenverdacht nicht bestätigt, für 59 Standorte werden orientierende Untersuchungen durchgeführt (sogenannte Phase 2) und für 23 Standorte sind Detailuntersuchungen (sogenannte Phase 3) erforderlich. Für zwei Standorte haben sich weiterführende Maßnahmen (Sanierungsuntersuchung) ergeben. Zwei Standorte sind als Mischgruben identifiziert worden und damit aus der Fördermaßnahme ausgeschieden. Der aktuelle Bearbeitungsstand ist auf dem Kartenserver des LBEG einsehbar. Das Stoffinventar von Bohr- und Ölschlammgruben wird durch die Art der eingelagerten Rückstände bestimmt (s. Tabelle). Mengenmäßig von besonderer Relevanz sind Bohrschlämme bzw. Bohrspülungen . Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3697 3 Rückstandsarten (DÖRHÖFER & DARGEL 1998) Art der Rückstände Inhaltsstoffe Bohrspülungen: Ton-Süßwasser-, Ton-Salzwasser-, Ton-Kreidespülungen wasserbasische Spülungen mit Spülungszusätzen (Beschwerungsstoffe , Viskositätsregulatoren, pH-Regulatoren, Tenside, Entschäumer, Verflüssiger zur Feststoffdispergierung , Biozide) Bohrklein erbohrte, vom Spülungskreislauf abgetrennte Feststoffe aus dem durchbohrten Gestein Bohrschlamm verbrauchte Spülungen, Spülungsreste und Bohrklein Zementschlamm aus der Zementation von Rohrtouren oder Verfüllung von Bohrungen Polymerabfälle Spülungsreste und Flutungswässer mit polymeren Zuschlagstoffen Ölschlamm Gemisch aus > 5 % bis max. 50 % Rohöl und Sand/Schluff Ölsand, Ölboden, rohölverunreinigter Boden Sand/Schluff mit < 5 % Rohöl, (enthalten PAK, BTEX, Phenole , Aldehyde, Alkylbenzole) Salz- und Schmutzwasser mit Öl, Salzen und anderen Stoffen verunreinigte Wässer (Lagerstättenwässer, Tenside, Öle, Fette) Kondensat leichtes, niedrig viskoses Öl aus der Gasförderung Eisenschlamm Ausfällungen mit bis zu 20 % FeO(OH); enthalten u. a. Cl-, [SO4]2-, NO3-, Na, K, Mg, Mn Säurewasser nach Säuerung aus dem Bohrloch geförderte Flüssigkeit (anorganische und organische Säuren, NaCI, N2 und CO2) Noch unter Bergaufsicht stehende Standorte werden mit einem Grundwassermonitoring überwacht, in dessen Rahmen werden an den einzelnen Schlammgruben über mehrere Messstellen unterschiedliche Parameter erfasst. 4. Zu welchen Ergebnissen kommt die sogenannte Abstandsstudie im Hinblick auf mögliche Zusammenhänge von Krebshäufungen und Schlammgruben? Das vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung in Auftrag gegebene Forschungsvorhaben „Zusammenhang von hämatologischen Krebserkrankungen und der wohnlichen Nähe zu Schlammgruben (-verdachtsflächen) und zu Anlagen der Kohlenwasserstoffförderung in Niedersachsen“ (sogenannte Abstandsstudie) untersuchte im Jahr 2018, ob Fälle (an hämatologischen Krebserkrankungen erkrankte Personen) näher als Kontrollen (nicht an hämatologischen Krebserkrankungen erkrankte Personen) an Anlagen der Kohlenwasserstoffförderung, an Schlammgrubenverdachtsflächen und an Altablagerungen wohnen. Im Hinblick auf Schlammgrubenverdachtsflächen und Altablagerungen ergaben sich in den verschiedenen Analysen (getrennte Betrachtung von Schlammgrubenverdachtsflächen inklusive Mischgruben; Schlammgrubenverdachtsflächen ohne Mischgruben; Altablagerungen) keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Fällen und Kontrollen. Das heißt, dass kein Zusammenhang der räumlichen Wohnortnähe von an hämatologischen Krebserkrankungen erkrankten Personen zu Schlammgrubenverdachtsflächen und zu Altablagerungen nachgewiesen werden konnte. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3697 4 5. Wie werden diese vorliegenden Ergebnisse zu Schlammgruben bewertet im Hinblick auf a) den Boden, b) die Luftqualität, c) das Grundwasser, d) die menschliche Gesundheit, e) Flora und Fauna? Die vorstehenden Fragen 5 a) bis 5 e) werden aufgrund ihres Sachzusammenhanges nachfolgend gemeinschaftlich beantwortet: Die vorgenannten Faktoren (Boden, Luftqualität, Grundwasser, menschliche Gesundheit, Flora und Fauna) gelten für die Prüfung der Umweltverträglichkeit von Anlagen, der Fokus beim Einstellen eines Bergbaubetriebes ist rechtlich aber anders gesetzt. Im Zulassungsverfahren für Abschlussbetriebspläne (Betriebsplan zur Einstellung des Bergbaubetriebes gemäß § 53 BBergG) werden die Zulassungsvoraussetzungen des § 55 geprüft. Dazu gehören der Nachweis, dass gemeinschädliche Einwirkungen nicht zu erwarten sind (§ 55 Abs. 1 Nr. 9) und dass der Schutz Dritter vor den durch den Betrieb verursachten Gefahren für Leben und Gesundheit auch noch nach Einstellung des Betriebes sichergestellt sein muss. Neben den Regelungen des Bergrechts gelten die Vorschriften des Umweltschutzrechtes (z. B. Bodenschutz-, Wasser-, Naturschutz- und Artenschutzrecht ) subsidiär, soweit deren Anwendung für bergbauliche Belange nicht eingeschränkt wurde. Für die Beendigung der Bergaufsicht und damit der Zuständigkeit des LBEG gilt, dass nach allgemeiner Erfahrung nicht mehr damit zu rechnen ist, dass durch den eingestellten Bergbaubetrieb Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter, für andere Bergbaubetriebe und für Lagerstätten, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, oder gemeinschädliche Einwirkungen eintreten werden (vgl. § 69 Abs. 2 BBergG). Die Bearbeitung der Schlammgrubenverdachtsflächen erfolgt auf Grundlage der bodenschutzrechtlichen Vorgaben. Betrachtet werden die Wirkungspfade Boden - Mensch, Boden - Pflanze und Boden - Wasser. – Für den Wirkungspfad Boden - Mensch hat sich bisher kein Handlungsbedarf ergeben. Bei den bisher vorliegenden 59 Untersuchungen der Phase 2 des Untersuchungsprogramms hat sich in keinem Fall ein Verdacht ergeben. – Für den Wirkungspfad Boden - Pflanze hat sich kein Handlungsbedarf ergeben. – Für den Wirkungspfad Boden - Wasser hat sich bisher von 142 Standorten für zwei Standorte ein weiterer Untersuchungsbedarf zu möglichen Sanierungsmaßnahmen ergeben. 6. Wie soll mit den noch vorhandenen Schlammgruben und deren Auswirkungen weiter umgegangen werden? Welche Aktivitäten sind hier vonseiten des Landes geplant? Nach derzeitigem Kenntnisstand stehen für die aus der Standortliste (siehe Antwort zu Frage 3) noch nicht untersuchten Schlammgruben ausreichend Finanzmittel für Gefährdungsabschätzungen zur Verfügung. Für die noch unter Bergaufsicht befindlichen Schlammgruben sind die in vorstehender Frage 5 genannten Voraussetzungen nachzuweisen, entweder in den Abschlussbetriebsplänen oder durch deren Ergänzungen aufgrund von Erkenntnissen aus der Nachsorgephase. Für die historischen Schlammgruben hat MU gemeinsam mit der Industrie einen Rahmen für Untersuchungen und Bewertungen nach aktuellem Rechtsstand geschaffen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3697 5 7. Wer zahlt den finanziellen Schaden, der durch Verschmutzungen und entstandene Altlasten im Bereich der Erdöl- und Erdgasförderung entsteht? Solange der Bergbauunternehmer oder der Rechtsnachfolger des Verursachers als natürliche oder juristische Person existiert, trägt er die Kosten und auch die Verantwortung für die Schlammgruben. Ist der Bergbauunternehmer nicht mehr existent, trägt das Land oder - falls zumutbar - der Grundeigentümer die Kosten. (Verteilt am 10.05.2019) Drucksache 18/3697 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dirk Adomat, Marcus Bosse, Axel Brammer, Gerd Hujahn, Dr. Dörte Liebetruth, Guido Pott und Volker Senftleben (SPD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung Schlammgruben in Niedersachsen