Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3769 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Fußball-(Hoch-)Risikospiele in Niedersachsen Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 15.04.2019 - Drs. 18/3517 an die Staatskanzlei übersandt am 17.04.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 17.05.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten In jeder Saison werden bestimmte Fußballspiele als sogenannte (Hoch-)Risikospiele eingestuft bzw. auch öffentlich bezeichnet. Dies gilt auch für Partien in Niedersachsen. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 29.03.2019 geurteilt, dass eine Beteiligung der Profiklubs an den Kosten von Polizeieinsätzen grundsätzlich rechtens ist - insbesondere für sogenannte (Hoch-)Risikospiele (Süddeutsche Zeitung, 29.03.2019). Vorbemerkung der Landesregierung Das Niedersächsische Verwaltungskostengesetz bzw. die Allgemeine Gebührenordnung sehen nicht vor, dass ein Veranstalter für die Kosten von Polizeieinsätzen in Anspruch genommen werden kann. Im Land Bremen wurde hierfür ein neuer Gebührentatbestand in das Bremische Gebührenund Beitragsgesetz aufgenommen, diese Regelung wurde durch das Bundesverwaltungsgericht für verfassungskonform erklärt. Derzeit liegen die Urteilsgründe zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht vor. Es ist auch nicht absehbar, ob das Verfahren bis zum Bundesverfassungsgericht vorangetrieben wird. Eine abschließende Bewertung der Entscheidung ist daher nicht möglich. 1. Wie viele Risikospiele (oder auch: Rotspiele) gab es in den letzten fünf Spielzeiten und in der laufenden Saison bisher in Niedersachsen (unterteilt nach Ligen bzw. Standorten )? Die einsatzführenden Polizeibehörden haben in den zurückliegenden Spielzeiten im Fußball sogenannte Risikospiele in folgender Anzahl eingestuft: 2013/2014 Ort Anzahl Bundesliga Braunschweig 9 Spiele Bundesliga Hannover k. A. Regionalliga Nord Meppen 2 Spiele Regionalliga Nord Oldenburg 1 Spiel 3. Liga + DFB-Pokal Osnabrück 6 Spiele Bundesliga Wolfsburg 7 Spiele Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3769 2 2014/2015 Ort Anzahl 2. Bundesliga Braunschweig 3 Spiele Bundesliga Hannover 7 Spiele Regionalliga Nord + NFV-Pokal Meppen 4 Spiele Regionalliga Nord Oldenburg 2 Spiele 3. Liga Osnabrück 6 Spiele Bundesliga Wolfsburg 6 Spiele 2015/2016 Ort Anzahl 2. Bundesliga Braunschweig 4 Spiele Bundesliga Hannover 8 Spiele Regionalliga Nord + DFB-Pokal Meppen 4 Spiele Regionalliga Nord Oldenburg 2 Spiele 3. Liga + DFB-Pokal Osnabrück 5 Spiele Bundesliga Wolfsburg 3 Spiele 2016/2017 Ort Anzahl 2. Bundesliga Braunschweig 6 Spiele 2. Bundesliga Hannover 7 Spiele Regionalliga Nord Meppen 5 Spiele Regionalliga Nord Oldenburg 2 Spiele 3. Liga + DFB-Pokal Osnabrück 5 Spiele Bundesliga Wolfsburg 3 Spiele 2017/2018 Ort Anzahl 2. Bundesliga Braunschweig 4 Spiele Bundesliga Hannover 8 Spiele 3. Liga Meppen 10 Spiele Regionalliga Nord + NFV-Pokal Oldenburg 3 Spiele 3. Liga + DFB-Pokal Osnabrück 6 Spiele Bundesliga Wolfsburg 6 Spiele 2018/2019 (bis 02.05.2019) Ort Anzahl 3. Liga Braunschweig 4 Spiele Bundesliga Hannover 7 Spiele 3. Liga Meppen 6 Spiele Regionalliga Nord + NFV-Pokal Oldenburg 4 Spiele 3. Liga + DFB-Pokal Osnabrück 4 Spiele Bundesliga Wolfsburg 2 Spiele 2. Wer definiert bzw. legt fest, bei welchen Spielen es sich um (Hoch-)Risikospiele handelt , und inwieweit werden szene- und fußballszenekundige Beamte, Vereine, Fanprojekte und Fans hierbei angehört bzw. einbezogen? Die Bewältigung von Fußballspielen ist ein wesentlicher Bestandteil polizeilicher Lagen an den entsprechenden Standorten mit Fußballvereinen. Im Rahmen entsprechender Saisonvorbereitungen nehmen die einsatzführenden Polizeibehörden eine langfristige Lageeinschätzung für die in der Regel 17 bzw. 19 Ligaspiele vor. In diese kalendermäßigen Vorbereitungen werden die Erfahrungen mindestens aus der zurückliegenden Spielzeit und aktuelle Entwicklungen sowie Einschätzungen aus anderen beteiligten Standorten im Rahmen des standardisierten Informationsaustausches einbezogen. Diese Einstufungen erfolgen in den Fachdienststellen durch die Einsatzleiterinnen und Einsatzleiter , die Szenenkundigen Beamtinnen und Beamten und in der Regel unter Beteiligung der Sicherheitsbeauftragten der Vereine und gegebenenfalls weiterer Netzwerkpartner. Dabei kann es auf- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3769 3 grund unterschiedlicher Perspektiven durchaus zu unterschiedlichen Auffassungen kommen, das gilt auch für Einstufungen durch die Bundespolizei im Rahmen der Betrachtung der Bahnreisewege . Es ist in diesem Zusammenhang jedoch deutlich darauf hinzuweisen, dass diese zu Saisonbeginn vorgenommenen Risikobewertungen dem Einfluss aktueller Entwicklungen und Lageeinschätzungen unterliegen. 3. Mit welchem Vorlauf erfolgt die Einordnung von Spielen als (Hoch-)Risikospiel? Im Rahmen der Planung erfolgt eine Einordnung der Spiele vor Saisonbeginn bei Feststehen der jeweiligen Ligenzusammensetzung. Diese wird fortlaufend überprüft. Maßgeblich für die Lagebewältigung am Spieltag und die entsprechende Kräftedisposition sind die dann vorliegenden aktuellen polizeilich relevanten Erkenntnisse. 4. Welche Rolle spielt der Ausschuss Sport und Sicherheit bei der Entscheidungsfindung über (Hoch-)Risikospiele? Keine. 5. Welche Abstufungen bei der Einordnung der Spiele gibt es? Analog zu den „Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen“ (SiRiLi) des DFB gibt es Spiele mit erhöhtem Risiko (§ 32). Spiele mit erhöhtem Risiko im Sinne dieser Richtlinie sind Spiele, bei denen aufgrund allgemeiner Erfahrung oder aktueller Erkenntnisse die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine besondere Gefahrenlage eintreten wird. 6. Welche Kriterien führen zur Einstufung einer Partie als (Hoch-)Risikospiel, und sind diese niedersachsenspezifisch oder bundesweit einheitlich? Die Kriterien entsprechen grundsätzlich der Formulierung in § 32 der SiRiLi und analog in den jeweiligen Richtlinien der Regional- bzw. Landesverbände für die weiteren Ligen. So wird dazu in der Rahmenkonzeption „Sicherheit bei Fußballspielen niedersächsischer Vereine im Amateurbereich“ ausgeführt: „Spiele mit erhöhtem Risiko sind anzunehmen, wenn konkrete Erkenntnisse zu besonderen Konfliktlagen vorliegen oder sich die Anhänger beider beteiligten Mannschaften traditionell feindschaftlich gegenüber stehen und beim Aufeinandertreffen jederzeit die Möglichkeit gewalttätiger Auseinandersetzungen zu befürchten ist.“ Zu den Kriterien zählen u. a.: – Verlaufsberichte/Erfahrungswerte aus der zurückliegenden Spielzeit und gegebenenfalls davor, – Störeraufkommen/-potenzial in der Anhängerschaft der beteiligten Vereine, – Derbycharakter, – Reiseverhalten. 7. Welche Kriterien waren für die in Frage 1 genannten Spiele in der abgelaufenen und aktuellen Saison für vorgenommene Einstufungen maßgeblich (Mehrfachnennungen möglich)? Die in Antwort 6 aufgeführten Kriterien waren für die entsprechende Einstufung maßgeblich. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3769 4 8. Was sind die Folgen einer entsprechenden Einstufung bei Polizei, Ordnungsdiensten, Vereinen und Fans, bzw. welche Maßnahmen werden regelmäßig ergriffen? Wie bereits in Antwort zu Frage 3 dargestellt, ergeben sich konkrete Folgen bzw. Maßnahmen aus der jeweils aktuellen polizeilichen Beurteilung der Lage. Ist die Begegnung anhand dieser aktuellen Erkenntnisse abschließend als Spiel mit erhöhtem Risiko einzuordnen, erfolgt eine entsprechende polizeiliche Kräftedisposition. Neben weiteren präventivpolizeilichen Maßnahmen können darüber hinaus in Absprache mit dem Veranstalter eine Reihe von Maßnahmen gemäß § 32 d) SiRiLi getroffen werden. § 32 SiRiLi - Spiele mit erhöhtem Risiko/Spiele unter Beobachtung (auszugsweise): „ ... d) Darüber hinaus sind folgende Maßnahmen zu erwägen: – Begrenzung des Verkaufs der Eintrittskarten sowohl für Steh- als auch Sitzplatzbereiche; – strikte Trennung der Anhänger in den Zuschauerbereichen durch – Zuweisung von Plätzen entgegen dem Aufdruck auf den Eintrittskarten (zwangsweise Kanalisierung), – Einrichten und Freihalten sogenannte ‚Pufferblöcke‘ (Freiblöcke zwischen gefährdeten Zuschauerbereichen), – Verstärkung des Ordnungsdienstes, insbesondere an den Zu- und Ausgängen der Zuschauerbereiche , im Innenraum der Platzanlage und zwischen den Anhängern verfeindeter Zuschauergruppen; – Durchführung von verstärkten Personenkontrollen; – striktes Freihalten der Auf- und Abgänge in den Zuschauerbereichen; – Bewachung der Platzanlage mindestens in der Nacht vor der Veranstaltung; – rechtzeitige Information der Zuschauer über den ‚Ausverkauf‘ eines Spiels; – Begleitung der Gästefans durch Ordner des Gastvereins; – Einsatz des Stadionsprechers des Gastvereins; – Verbot des Verkaufs und der öffentlichen Abgabe von alkoholischen Getränken.“ 9. Welche zusätzlichen Kosten sind durch Risikospiele in der abgelaufenen und aktuellen Saison bei der Polizei entstanden? Eine solche Aussage kann nicht getroffen werden. Es entstehen die Kosten, die für die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung durch die Polizei und andere Ordnungsbehörden erforderlich sind. 10. Gibt es eine Evaluation, inwieweit die vorher getroffene Klassifizierung von Spielen (z. B. als Rotspiel) sich bewahrheitet hat? Die einsatzführenden Polizeibehörden prüfen ständig, inwieweit vorgenommene Einordnungen den tatsächlichen Lagebeurteilungen und Einsatzverläufen entsprechen. Eine gesonderte Evaluation erfolgt nicht. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3769 5 11. Wie oft hat sich die unter Frage 5 erfolgte Klassifizierung in Niedersachsen in der abgelaufenen und aktuellen Saison als (un-)zutreffend erwiesen, und welche Konsequenzen wurden daraus gezogen? Auf die bisherigen Antworten wird hingewiesen. 12. Welche finanziellen Auswirkungen hatten die Abweichungen von Spieleinordnung und realer Lage am Spieltag für die Polizei bzw. das Land Niedersachsen? Auf die bisherigen Antworten wird hingewiesen. 13. Wie viel personeller Mehraufwand entsteht bei der Polizei im Durchschnitt durch eine Klassifizierung eines Fußballspiels als (Hoch-)Risikospiel? Eingangs wird auf die bisherigen Antworten hingewiesen. Hat die polizeiliche Beurteilung der Lage anhand der aktuellen Erkenntnisse zum Ergebnis, dass es sich bei der Begegnung um ein Spiel mit erhöhtem Risiko handelt, dann erfolgt eine entsprechende Kräftedisposition. Ein durchschnittlicher Mehraufwand lässt sich nicht konkret benennen. So sind z. B. die Mehraufwände bei der Bewältigung der Derbys zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig oder im Rahmen der Relegation zwischen dem VfL Wolfsburg und Eintracht Braunschweig nicht annähernd realistisch in einen Vergleich mit dem „Ligaalltag“ zu bringen. Darüber hinaus gibt es erhebliche regionale Unterschiede in den erforderlichen Aufwänden für die Bewältigung des „Ligaalltags“ und besonderen Lagen bei einem Spiel mit erhöhtem Risiko, die sich u. a. auch an den unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten orientieren. 14. Welche Rolle spielt der Einsatz von nicht-uniformierten Konfliktmanagern der Polizei („Hannoveraner Modell“) bei sogenannten Rotspielen? Eine wirksame Deeskalationsstrategie der Polizei beinhaltet als einen wesentlichen Baustein ein wirksames und strategisch angelegtes Konfliktmanagement. Der Einsatz von Dialogteams ist grundsätzlich vorgesehen, standortabhängig erfolgt er nicht nur bei Spielbegegnungen mit einem hohen Gastaufkommen. Die präventiv wirkende und deeskalierende Kommunikation mit Fangruppierungen im Vorfeld sich anbahnender Konfliktsituationen und vor dem Einsatz uniformierter Kräfte ist ein wirkungsvoller Bestandteil im Rahmen der polizeilichen Bewältigung von Fußballspielen. Die Dialogteams stehen insbesondere den Gästefans als besonderer polizeilicher Ansprechpartner zur Verfügung und sind Teil der taktischen Kommunikation sowie kommunikatives Bindeglied zwischen der polizeilichen Einsatzleitung und der Fanszene. Diese Wirkung reduziert sich allerdings bei massiv emotions- und aggressionsgeladenen Konfliktsituationen. 15. Sind diese Konfliktmanager in ihrer Funktion für eine deeskalierende Situationsbeurteilung weisungsbefugt oder ihre Handlungsempfehlungen für die Einsatzleitung bindend ? Die Dialogteams fungieren als enge Beratungspersonen der polizeilichen Einsatzleitung und sind dieser unmittelbar unterstellt. Eine Bindungswirkung des Polizeiführers an die Handlungsempfehlungen der Dialogteams besteht nicht. 16. Gab bzw. gibt es auch außerhalb des Fußballs (Hoch-)Risikospiele in Niedersachsen? Bislang gab es in anderen Sportarten keinen Anlass für eine entsprechende Einordnung. (Verteilt am 20.05.2019) Drucksache 18/3769 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Fußball-(Hoch-)Risikospiele in Niedersachsen