Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3858 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Endlagersuche Atommüll: Wie werden die niedersächsischen Atomstandorte beteiligt? Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte (GRÜNE), eingegangen am 23.04.2019 - Drs. 18/3589 an die Staatskanzlei übersandt am 29.04.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 31.05.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Der Kreistag des Landkreises Lüchow-Dannenberg hat am 17.12.2018 folgende Resolution zur Standortsuche für ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle beschlossen: „Wir erwarten als Kreistag und Standortgemeinde, mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf in öffentlichen Veranstaltungen an der Erarbeitung von Sicherheitsanforderungen, Sicherheitskriterien und einer zukünftigen Sicherheitsanalyse für ein Endlager für hoch radioaktive wärmeentwickelnde Abfälle (HAW) ergebnisrelevant beteiligt zu werden. Der Kreistag geht davon aus, dass heute formulierte Sicherheitsanforderungen auch noch den Bedürfnissen zukünftiger Generationen genügen müssen und somit in keinem Punkt hinter die seinerzeit vom Arbeitskreis Endlager (AK-End) oder in den Sicherheitsanforderungen von 2010 formulierten Standards zurückfallen dürfen, sondern in ihrer Sicherheitsbetrachtung und in ihren Vorgaben vielmehr weit über diese hinausreichen sollten. Insbesondere erachtet der Kreistag das zusätzliche Risiko eines Menschen, im Laufe seines Lebens einen schwerwiegenden Gesundheitsschaden durch aus dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich ausgetretene Radionuklide zu erleiden, von 10 hoch -4 als nicht akzeptabel und nicht vereinbar mit dem Grundsatz des vorrangigen Schutzes von Leib und Leben. Unabhängig davon fordert der Kreistag eine gleichwertige Risikovorsorge auch für den Fall des Eintretens weniger wahrscheinlicher Entwicklungen.“ Vorbemerkung der Landesregierung Nach dem Standortauswahlgesetz (StandAG) soll bis zum Jahr 2031 innerhalb Deutschlands der Standort für ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle gefunden werden, der die bestmögliche Sicherheit für einen Zeitraum von einer Million Jahren bietet. Angestrebt wird ein ergebnisoffener, wissenschaftsbasierter und transparenter Auswahlprozess, der in einem festgelegten Verfahren und nach den im StandAG gesetzlich definierten Kriterien abläuft. Das Standortauswahlverfahren startet von einer „weißen Landkarte“ unter Einbeziehung aller deutschen Bundesländer. Der Vorhabenträger, die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), setzt das Standortauswahlverfahren um. Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) ist zum einen Kontroll- und Aufsichtsbehörde bei der Suche nach einem Endlager, zum anderen ist es verantwortlich für die Öffentlichkeitsbeteiligung. Es stellt dazu die für die Standortauswahl wesentlichen Informationen für alle Verfahrensbeteiligten frühzeitig, umfassend, systematisch und dauerhaft zur Verfügung und organisiert die gesetzlich festgelegten Beteiligungsformate der Öffentlichkeitsbeteiligung . Darüber hinaus bietet das BfE informelle Beteiligungsformate wie Dialogveranstaltungen und Online-Konsultationen an. 1 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3858 Die diesbezüglichen gesetzlichen Vorgaben sind im StandAG in den §§ 5 bis 11 geregelt: Nach § 6 StandAG errichtet das BfE zur umfassenden Unterrichtung der Öffentlichkeit eine Internetplattform mit einem Informationsangebot. Nach § 7 StandAG gibt das BfE der Öffentlichkeit und den Trägern öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch einen Vorschlag des Vorhabenträgers nach § 7 Abs. 2 StandAG berührt wird, nach Übermittlung des jeweiligen Vorschlags sowie im Fall einer Nachprüfung nach abgeschlossenem Nachprüfverfahren nach § 10 Abs. 5 StandAG Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Vorschlägen sowie den dazu jeweils vorliegenden Berichten und Unterlagen. Nach Abschluss des jeweiligen Stellungnahmeverfahrens nach § 7 Abs. 3 StandAG führt das BfE in den betroffenen Gebieten einen Erörterungstermin zu den Vorschlägen nach § 7 Abs. 2 StandAG sowie den dazu jeweils vorliegenden Berichten und Unterlagen auf Grundlage der ausgewerteten Stellungnahmen durch. § 8 StandAG weist auch dem Nationalen Begleitgremium (NBG) eine Rolle in der Öffentlichkeitsbeteiligung zu. Danach ist die vermittelnde und unabhängige Begleitung des Standortauswahlverfahrens , insbesondere der Öffentlichkeitsbeteiligung, mit dem Ziel, so Vertrauen in die Verfahrensdurchführung zu ermöglichen, Aufgabe des NBG. Nach § 9 StandAG hat das BfE nach Erhalt des Zwischenberichts nach § 13 Abs. 2 Satz 3 Stand AG eine Fachkonferenz Teilgebiete einzurichten. Nach § 10 StandAG hat das BfE in jeder nach § 14 Abs. 2 StandAG zur übertägigen Erkundung vorgeschlagenen Standortregion eine Regionalkonferenz einzurichten. Nach § 11 StandAG richtet das BfE nach Bildung der Regionalkonferenzen eine Fachkonferenz Rat der Regionen ein. Hinzu kommt die Informationspflicht des Vorhabenträgers BGE über die im Rahmen des Standortauswahlverfahrens von ihm vorgenommenen Maßnahmen (§ 3 Abs. 2 StandAG). 1. Ist die Landesregierung an der Erarbeitung von Sicherheitsanforderungen, Sicherheitskriterien und einer zukünftigen Sicherheitsanalyse für ein Endlager beteiligt? Das StandAG unterscheidet bei den Anforderungen für die Standortauswahl zwischen Sicherheitsanforderungen und vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen. Die Erarbeitung von Sicherheitskriterien und einer zukünftigen Sicherheitsanalyse für ein Endlager ist hingegen im StandAG, also im gesamten Standortauswahlprozess, nicht vorgesehen. Gleichwohl kann davon ausgegangen werden, dass sich die vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen mit fortschreitendem Standortauswahlverfahren zunehmend den Anforderungen einer Sicherheitsanalyse im Genehmigungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb des zukünftigen Endlagers annähern . Nach § 26 Abs. 1 StandAG sind Sicherheitsanforderungen die Anforderungen, denen die Errichtung , der Betrieb und die Stilllegung einer nach § 9 b Abs. 1 a des Atomgesetzes genehmigungsbedürftigen Anlage zur Gewährleistung der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Vorsorge gegen Schäden genügen müssen und die damit das bei der Endlagerung zu erreichende Schutzniveau festlegen. Nach § 26 Abs. 3 StandAG wird das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMU) ermächtigt, durch Rechtsverordnung auf Grundlage der Sicherheitsprinzipien nach Absatz 2 Sicherheitsanforderungen für die Endlagerung festzulegen. § 27 StandAG regelt die vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen. Gegenstand der vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen ist nach § 27 Abs. 1 StandAG die Bewertung, inwieweit der sichere Einschluss der radioaktiven Abfälle unter Ausnutzung der geologischen Standortgegebenheiten erwartet werden kann. Dabei sind die Sicherheitsanforderungen nach § 26 StandAG zugrunde zu legen und die Anforderungen an die Durchführung der Sicherheitsuntersuchungen nach § 27 Abs. 6 StandAG einzuhalten. 2 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3858 Nach § 27 Abs. 6 StandAG wird das BMU ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, welche Anforderungen für die Durchführung der vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen im Standortauswahlverfahren für die Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle gelten. Die Verordnung muss spätestens zum Zeitpunkt der Durchführung repräsentativer vorläufiger Sicherheitsuntersuchungen gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 vorliegen. Sie ist alle zehn Jahre zu überprüfen und, soweit erforderlich, an den Stand von Wissenschaft und Technik anzupassen. Zur Erarbeitung der Rechtsverordnungen nach §§ 26 und 27 StandAG hat das BMU nach Beschluss des Bund-Länder-Ausschuss für Atomkernenergie einen Arbeitskreis eingerichtet. Die Landesregierung nimmt an den Sitzungen der Arbeitsgruppe teil. 2. Wie kann die Expertise der Atomstandorte Wolfenbüttel, Salzgitter und Lüchow-Dannenberg für die Erarbeitung von Sicherheitsanforderungen, Sicherheitskriterien und einer zukünftigen Sicherheitsanalyse für ein Endlager genutzt werden? Welche Schritte unternimmt die Landesregierung, um die niedersächsischen Atomstandorte an der Erarbeitung von Sicherheitsanforderungen, Sicherheitskriterien und einer zukünftigen Sicherheitsanalyse ergebnisrelevant zu beteiligen? Zu den Sicherheitskriterien sowie zur zukünftigen Sicherheitsanalyse wird auf die Antwort zu Frage 1 Absatz 2 verwiesen. Nach § 26 Abs. 4 StandAG hat das BMU die Verordnung zu den Sicherheitsanforderungen spätestens zum Zeitpunkt der Durchführung repräsentativer vorläufiger Sicherheitsuntersuchungen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 StandAG vorzulegen. Sie ist spätestens alle zehn Jahre zu überprüfen und, soweit erforderlich, an den Stand von Wissenschaft und Technik anzupassen. Das StandAG sieht eine Beteiligung von Standortgemeinden bei der Erarbeitung der Verordnung zu den Sicherheitsanforderungen und vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen nicht vor. 3. Zu welchem Zeitpunkt sieht das Endlagersuchgesetz eine Beteiligung von betroffenen Regionen vor, und welche Möglichkeiten der Einflussnahme sind vorgesehen? Siehe hierzu die Ausführungen in den Vorbemerkungen und in der Antwort zu Frage 1. Hiernach hat das BfE in jeder nach § 14 Abs. 2 StandAG zur übertägigen Erkundung vorgeschlagenen Standortregion eine Regionalkonferenz einzurichten. Zudem richtet das BfE nach Bildung der Regionalkonferenzen eine Fachkonferenz Rat der Regionen ein. 4. Hält die Landesregierung vor dem Hintergrund der niedersächsischen Sonderrolle bei den bisherigen Endlagerprojekten diese Möglichkeiten der Einflussnahme für ausreichend ? Die Landesregierung hat im Bundesrat dem im StandAG geregelten Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren zugestimmt. Unbeschadet dessen wird sie im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Verfahrensabläufe ihre fachlichen und politischen Einflussnahmen verstärkt darauf ausrichten, dass das „Prinzip der weißen Landkarte“ beim Erkundungsprozess uneingeschränkt gilt und es keinerlei Vorfestlegungen oder Prioritäten für Regionen gibt, in denen Ton- oder Salzformationen in größerer Häufigkeit auftreten . Dies bedeutet auch, dass den in der Vergangenheit weniger im Fokus stehenden kristallinen Gesteinsformationen in Deutschland eine fachlich wie wissenschaftlich stärkere Beachtung zukommen muss. Dies gilt umso mehr, als die Länder Finnland und Schweden aufgrund ihrer eigenen geologischen Disposition das Konzept der Endlagerung im Kristallin verfolgen und hier gegenüber Deutschland in einem fortgeschrittenem Verfahrensstadium auf gute wissenschaftliche Erkenntnisse der Eignung kristalliner Gesteinsformationen für die Endlagerung von wärmeentwickelnden radioaktiven Abfällen verweisen können. 3 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3858 5. Wie bewertet die Landesregierung die Forderung des Kreistags nach einer strengeren Vorsorge vor Gesundheitsschäden infolge von Strahlungsfreisetzung? Die in der Anfrage benannten Zahlen und Risikobewertungen sind bislang in den Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle konkretisiert, die 2010 vom damaligen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit veröffentlicht worden sind. Die Verordnung zu den Sicherheitsanforderungen nach § 26 StandAG befindet sich zurzeit in der Erarbeitung. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht absehbar, ob der BMU den Ansatz der Risikobewertungen aus der o. g. Veröffentlichung weiter verfolgt. (Verteilt am 04.06.2019) 4 Drucksache 18/3858 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Endlagersuche Atommüll: Wie werden die niedersächsischen Atomstandorte beteiligt?