Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3887 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe und Sylvia Bruns (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Opferentschädigungsgesetz: Unterstützung in Niedersachsen Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe und Sylvia Bruns (FDP), eingegangen am 10.05.2019 - Drs. 18/3749 an die Staatskanzlei übersandt am 16.05.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 05.06.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Jeder kann Opfer einer Gewalttat werden. Gewaltopfer haben das Recht auf die Wiederherstellung ihrer leiblichen und seelischen Unversehrtheit. Wer durch eine Gewalttat einen gesundheitlichen Schaden erlitten hat, kann auf der Grundlage des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz, OEG) vom Staat medizinische Hilfe und finanzielle Versorgung erhalten. Im Todesfall haben auch die Angehörigen Anspruch auf Unterstützung. Zur Gewährung der Versorgung ist das Land verpflichtet, in dem die Schädigung eingetreten ist. Die entsprechenden Anträge werden in Niedersachsen beim Landesamt für Soziales, Jugend und Familie gestellt. Auf der Internetplattform „Weisser-Ring.de“ veröffentlichten Iris Borrée, Johannes Friedrich, Barbara Wüsten in der Onlinepublikation der Ausgabe 2/2014 einen Artikel mit der Überschrift „Das kaum bekannte Opferentschädigungsgesetz. Die Leistungen und ihre Gewährung - Praxisprobleme und Novellierungsbedarf“. Die Autoren berichten, dass die Opferhilfsorganisation der WEISSE RING seit 1997 jährlich auf der Basis der von den Landesversorgungsämtern gelieferten Zahlen eine Statistik über die staatliche Opferentschädigung in Deutschland erstelle. In dieser Statistik seien die gestellten OEG-Anträge in Relation zu der Anzahl der Gewaltdelikte der Polizeilichen Kriminalstatistik gestellt worden. Es habe sich nun seit Jahren gezeigt, dass in lediglich rund 10 % der Gewaltdelikte ein Antrag gestellt worden sei. So seien bei bundesweit 195 143 Gewaltdelikten im Jahr 2012 nur 20 086 OEG-Anträge gestellt worden. Für das Jahr 2012 habe es eine Ablehnungsquote der gestellten Anträge von 42,5 % in Deutschland gegeben. Zu beachten sei hierbei, dass einzelne Bundesländer vorübergehende bzw. mit einem Grad der Schädigungsfolgen von unter 25 anerkannte Gesundheitsstörungen mit einem Anspruch auf Heilbehandlung als Ablehnung erfassten. Nur 35,6 % der gestellten Anträge seien 2012 anerkannt worden (https://weisser-ring.de/sites/ default/files/domains/weisser_ring_dev/downloads/sosi22014opfer.pdf). Die Zahl der Anträge sei nach wie vor zu gering, wie die vom WEISSEN RING jedes Jahr auf Basis von Behördenangaben erstellte Statistik zeige. Das OEG scheine selbst bei Behörden und Rechtsanwälten noch immer recht unbekannt zu sein (https://weisser-ring.de/media-news/publikationen/ statistiken-zur-staatlichen-opferentschaedigung). Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung sieht Verbesserungsbedarf bei den Voraussetzungen der Anerkennung als Opfer einer Gewalttat und der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem OEG. Sie arbeitet zusammen mit der Bundesregierung an einer Novellierung der Vorschriften des Sozialen Entschädi- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3887 2 gungsrechtes mit dem Ziel der Eingliederung in das Sozialgesetzbuch als neues SGB XIV. Das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat den Ländern Ende 2018 einen Referentenentwurf zur „Neuregelung des Sozialen Entschädigungsrechts“ übersandt. Diese haben Stellung genommen und die im Entwurf vorgesehenen Regelungen überwiegend positiv bewertet. Es wird damit gerechnet, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung in Kürze dem Bundesrat zur Stellungnahme übersandt wird. Um der sozialen Verantwortung gegenüber den Opfern von Gewalttaten gerecht zu werden, sind dabei eine Erweiterung des Kreises der Berechtigten und die Schaffung bedarfsgerechter Hilfen für diesen Personenkreis notwendig. Im neuen SGB XIV werden auch neue Formen der psychischen Gewalt, wie z. B. Stalking sowie Hilfen für Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, aufgenommen. Ferner wird durch die Schaffung der „Schnellen Hilfen“ eine psychotherapeutische Frühintervention initiiert. Mit dem SGB XIV soll insgesamt ein modernes Entschädigungsrecht geschaffen werden, das klar, übersichtlich und einfach anwendbar ist. Daneben hat Niedersachsen ein eigenes Notfallkonzept entwickelt, um bei Großschadensereignissen sicherzustellen, dass alle Betroffenen schnelle und umfassende Beratung und Betreuung zu den Leistungen des OEG erhalten. 1. Wie viele Anträge wurden a) durch Opfer einer Gewalttat, b) durch Angehörige aufgrund eines Todesfalls nach dem Opferentschädigungsgesetz in Niedersachsen in den Jahren 2015, 2016, 2017, 2018 und im ersten Quartal 2019 gestellt? Zu 1 a): Anträge von Geschädigten auf Leistungen nach dem OEG: 2015 2016 2017 2018 I. Quartal 2019 1.578 1.649 1.667 1.630 464 Zu 1. b): Anträge von Hinterbliebenen eines Gewaltopfers nach dem OEG: 2015 2016 2017 2018 I. Quartal 2019 40 39 52 48 11 2. Wie viele der zu den Fragen 1 a) und b) genannten Anträge wurden abgelehnt (bitte nach den entsprechenden Jahren aufschlüsseln)? Anzahl der abgelehnten Anträge: 2015 2016 2017 2018 I. Quartal 2019 608 553 614 550 161 Anmerkung: Die abgelehnten Anträge beziehen sich nicht unbedingt auf die in den jeweiligen Jahren gestellten Anträge. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3887 3 3. Für welche Dauer gewährt das Land Niedersachsen finanzielle Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz für a) Opfer einer Gewalttat, b) Angehörige aufgrund eines Todesfalls? Zu 3 a) und b): Finanzielle Leistungen an Berechtigte werden nach den Bestimmungen des OEG in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach dem jeweiligen Schweregrad der Folgen einer Schädigung gezahlt. Die Zahlungen erfolgen grundsätzlich lebenslang, es sei denn, es ist mit einer erheblichen Besserung der Schädigungsfolgen zu rechnen bzw. eine Besserung eingetreten. Einkommensabhängige Leistungen werden gezahlt, solange der Bedarf besteht. Waisenrenten werden grundsätzlich nur bis zum Abschluss der Schul- und Berufsausbildung gezahlt . 4. Müssen sich Opfer während des Bezugs von finanziellen Leistungen in Niedersachsen nach dem Opferentschädigungsgesetz untersuchen/begutachten lassen, um den „Status Opfer“ durchgängig zu erhalten? Falls ja, wie häufig müssen solche Untersuchungen /Begutachtungen durchgeführt werden? Der Bezug von Leistungen ist an das Ausmaß bzw. den Grad der Schädigungsfolgen geknüpft. Nach § 1 OEG i. V. m. § 30 Abs. 1 BVG ist der Grad der Schädigungsfolgen nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Diese Beurteilung erfolgt nach Auswertung von Befundunterlagen der behandelnden Ärzte durch die Mediziner der Behörde. Diese entscheiden, ob eine weitere Untersuchung erforderlich ist. Im Sozialen Entschädigungsrecht sind Gutachten die Regel; diese werden grundsätzlich nur einmal vorgenommen. Dies gilt nicht, wenn mit einer Besserung zu rechnen ist (s. auch Antwort zu Frage 3) oder ein sogenannter Neufeststellungsantrag gestellt wird. Die Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen sind in der Versorgungsmedizin-Verordnung festgelegt. 5. Sieht die Landesregierung im Hinblick auf die „Anerkennung“ als Opfer und Inanspruchnahme der Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz Verbesserungsbedarf ? Auf die Vorbemerkung der Landesregierung wird verwiesen. (Verteilt am 07.06.2019) Drucksache 18/3887 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe und Sylvia Bruns (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Opferentschädigungsgesetz: Unterstützung in Niedersachsen