Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/390 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Mobiler Handscanner des Fraunhofer-Instituts Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD), eingegangen am 15.01.2018 - Drs. 18/204 an die Staatskanzlei übersandt am 23.01.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 23.02.2018, gezeichnet Dr. Carola Reimann Vorbemerkung des Abgeordneten Das Münchener Fraunhofer-Institut hat im Oktober 2017 einen mobilen Handscanner vorgestellt, mit dessen Hilfe sich binnen kürzester Zeit eine Aussage über das tatsächliche Alter eines Menschen treffen lässt. Vorbemerkung der Landesregierung Die behördliche oder gerichtliche Feststellung des Alters von geflüchteten Menschen ist von besonderer Bedeutung für die rechtmäßige Durchführung von altersabhängigen Verfahren, beispielsweise im Asyl- und Ausländerrecht, Strafrecht, Familienrecht und im Kinder- und Jugendhilferecht. Für die Betroffenen sind mit der Altersbestimmung erhebliche Konsequenzen verbunden. In der Rechtsprechung sind die Anforderungen an eine zuverlässige Altersdiagnostik bereits wiederholt niedergelegt worden in Anlehnung an die „Empfehlungen der interdisziplinären ‚Arbeitsgemeinschaft für forensische Altersdiagnostik‘ der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin‘“, siehe auch die Übersichtsarbeit „Forensische Altersdiagnostik“ (AGFAD) von Prof. Dr. med. Andreas Schmeling , M. A. u. a. (Deutsches Ärzteblatt, Jahrgang 113, Heft 4 vom 29.01.2016). Im Verbund eines multidisziplinären Forschungsprojekts „Prävention und Intervention bei Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung (PRIMSA)“ hat das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT einen mobilen, nichtinvasiven Ultraschall-Handscanner zur Identifizierung minderjähriger Opfer bei illegalen Grenzübertritten entwickelt, dessen Einsatz der Aufdeckung, Bekämpfung und Prävention von Menschenhandel dienen soll. Das PRIMSA-Ultraschall-System wurde auf der Medizinmesse MEDICA im November 2017 in Düsseldorf vorgestellt. Der PRIMSA- Handscanner hat bislang allerdings keine Marktreife erreicht. Nach der Presseinformation des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik IBMT vom 26.10.2017 ist das PRIMSA-Handscanner-System zudem auch gerichtlich nicht verwertbar. Eine Nutzung im justiziellen Bereich ist daher derzeit nicht abzusehen. Falls Gerichte oder Staatsanwaltschaften das Alter einer Person feststellen möchten, werden sie in Zweifelsfällen Sachverständigengutachten einholen. Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ist die Minderjährigkeit Voraussetzung für die (vorläufige) Inobhutnahme einer bzw. eines unbegleiteten ausländischen Minderjährigen. Das Altersfeststellungsverfahren nach § 42 Abs. 1 Satz 1, § 42 a Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 des Sozialgesetzbuchs Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) wird im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme durch Fachkräfte der Jugendämter in einem abgestuften Verfahren, das sich mittler- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/390 2 weile bewährt hat, vorgenommen. Wenn eine qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis führt, hat das Jugendamt auf Antrag der betroffenen Person, ihrer gesetzlichen Vertretung oder von Amts wegen eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 SGB VIII). Die ärztliche Untersuchung ist mit den schonendsten und soweit möglich zuverlässigsten Methoden von qualifizierten medizinischen Fachkräften durchzuführen. Die Anwendung des PRIMSA-Handscanners scheidet daher nach dem aktuellen Erkenntnisstand auch bei der Altersfeststellung nach § 42 f SGB VIII aus. 1. Hat sich die Landesregierung über die Möglichkeiten des Einsatzes dieses Handscanners informiert? Die Polizeidirektion Hannover war im Rahmen des Forschungsprojekts PRIMSA in dem Teilprojekt zur Entwicklung eines Handscanners assoziierter Partner. Zu einem hierbei avisierten Praxistest zur Identifizierung von minderjährigen Menschenhandelsopfern kam es nicht. Vertreter des Innenministeriums und der Polizei nahmen bei der PRIMSA-Abschlussveranstaltung am 08.09.2017 teil, bei dem die Funktionsweise des Handscanners in einem Vortrag beschrieben wurde. Da auch bei der Medizinmesse MEDICA nur ein Demonstrationsgerät präsentiert wurde und über einen Prototyp das einsatzfähige Produkt erst entwickelt werden muss, werden die Möglichkeiten des Einsatzes eines Handscanners zu gegebener Zeit geprüft. Die weitere Entwicklung dieses Projektes wird beobachtet. Am 08.02.2018 fand in gemeinsamer Sitzung des Ausschusses für Inneres und Sport und des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung eine Unterrichtung u. a. zum Thema „Altersfeststellung von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen mittels eines mobilen PRIMSA-Handscanners “ auf Antrag der Fraktion der AfD statt. Herr Prof. Dr. med. Andreas Schmeling vom Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Münster und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für forensische Altersdiagnostik (AGFAD) der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin führte zum PRIMSA-Handscanner aus, dass dieser in der Praxis zum jetzigen Erkenntnisstand nicht anwendbar sei. Es lägen noch keine wissenschaftlichen Studien vor, die eine Verbesserung zu den bisher angewandten konventionellen Methoden (z. B. Röntgenuntersuchungen der Hand, zahnärztliche Untersuchungen mit Panoramaaufnahme der Kieferregion, Dünnschicht-CT der medialen Claviculaepiphysen ) nachweisen könnten. 2. Plant die Landesregierung den Einsatz dieses Handscanners für die niedersächsischen Behörden? Nein. Es wird auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 1 verwiesen. (Verteilt am 27.02.2018) Drucksache 18/390 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Mobiler Handscanner des Fraunhofer-Instituts