Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3903 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen und Björn Försterling (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Wird die Bereichsausnahme in das Niedersächsische Rettungsdienstgesetz aufgenommen? Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen und Björn Försterling (FDP), eingegangen am 16.05.2019 - Drs. 18/3766 an die Staatskanzlei übersandt am 17.05.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 07.06.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Urteil vom 21. März 2019 auf Vorlage des Oberlandesgerichts Düsseldorf über die Bereichsausnahme im Vergaberecht betreffend Rettungsdienste und qualifizierte Krankentransporte sowie zur Frage der Gemeinnützigkeit entschieden (Rechtssache C-465/17). Das Urteil des EuGH bestätigt, dass die Ausnahme vom Geltungsbereich der Regelungen über die öffentliche Auftragsvergabe sowohl für die Betreuung und Versorgung von Notfallpatienten in einem Rettungswagen durch einen Rettungsassistenten/Rettungssanitäter als auch für den qualifizierten Krankentransport gilt, sofern die Leistung von einer gemeinnützigen Organisation oder Vereinigung erbracht wird. Der EuGH bestätigt weiterhin, dass die Betreuung und Versorgung von Notfallpatienten in einem Rettungswagen unter den Begriff der „Gefahrenabwehr“ im Sinne von Artikel 10 Buchst. h der Richtlinie 2014/24 fielen. Rettungsdienste als Gefahrenabwehr würden damit in die Bereichsausnahme aufgenommen. In dem beschlossenen Gesetzesentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes vom 25. August 2018 merkt die Landesregierung an, die verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte hinsichtlich des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu prüfen und in einer weiteren zeitnahen Novelle gegebenenfalls umzusetzen (Drucksache 17/6348). Vorbemerkung der Landesregierung In der Begründung des von der Landesregierung beschlossenen und dem Landtag vorgelegten „Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes und der allgemeinen Gebührenordnung“ ist auf Seite 8 der Drs. 17/6348 vom 25. August 2016 zum Ergebnis der Anhörung der Verbände Folgendes ausgeführt: „Mehrere Verbände und Organisationen, wie z. B. der Verband der Krankenkassen als Kostenträger , die Hilfsorganisationen als Leistungsträger oder auch der DGB, haben auf das Erfordernis einer zeitnahen Umsetzung der Bereichsausnahme Bevölkerungsschutz im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen durch das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts und den sich daraus ergebenden weiteren Novellierungsbedarf des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes hingewiesen. Die Gespräche sowohl mit den Beteiligten direkt (Hilfsorganisationen, Kostenträger, kommunale Rettungsdienstträger) als auch im Landesausschuss ‚Rettungsdienst‘ haben jedoch vor allem zu dem konsentierten Ergebnis geführt, die jetzige Novelle nicht mit weiteren Forderungen zu überfrachten und damit zu verzögern. So werden die mit der Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verbundenen rechtlichen Möglichkeiten auch unter verfassungsrechtli- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3903 2 chen Bedenken eingehend zu prüfen und dann in einer weiteren zeitnahen Novelle gegebenenfalls umzusetzen sein.“ Der EuGH hat nunmehr mit seinem Urteil vom 21. März 2019 zu den vier im Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Düsseldorf enthaltenen Fragen entschieden, dass die Notfallrettung und auch grundsätzlich der qualifizierte Krankentransport als Bestandteile des Rettungsdienstes unter die Bereichsausnahme fallen. Ebenso hat der EuGH entschieden, dass die Anerkennung als Zivil- und Katastrophenschutzorganisation im Sinne von § 107 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) allein nicht genügt, um die Voraussetzungen einer gemeinnützigen Organisation oder Vereinigung im Sinne der Richtlinie zu erfüllen. Der Gerichtshof hat zu den von ihm dargelegten Anforderungen an die Gemeinnützigkeit im Sinne der Bereichsausnahme bestimmt, dass es insoweit Sache des vorlegenden Gerichts sei, zu beurteilen , ob § 107 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz GWB in Verbindung mit § 52 der Abgabenordnung im Einklang mit den Erfordernissen von Artikel 10 Buchstabe h der genannten Richtlinie ausgelegt werden könne. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat bisher nicht abschließend in dieser Angelegenheit entschieden , sodass letztlich noch nicht endgültig festgestellt wurde, ob die Hilfsorganisationen in Deutschland unter die in der Richtlinie 2014/24/EU genannten Organisationen und Vereinigungen zu subsumieren sind; allerdings geht die Landesregierung davon aus. Die ausstehende Entscheidung des Oberlandesgerichts bleibt abzuwarten, auch wenn die Firma Falck als Klägerin inzwischen die Klage zurückgezogen haben soll. Unabhängig davon hat die Europäische Kommission Anfang des Jahres ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eben wegen des § 107 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz GWB eingeleitet, welches sich jedoch nach den Erfahrungen mit anderen EU-Verfahren über einen längeren Zeitraum hinziehen wird. Nach aktuellem Sachstand geht die Landesregierung derzeit von der Geltung der Bereichsausnahme bei der Erbringung von Rettungsdienstleistungen durch die kommunalen Träger in Niedersachsen aus. 1. Sieht die Landesregierung aufgrund des Urteils vom EuGH die Notwendigkeit einer Aufnahme der Bereichsausnahme in das Niedersächsische Rettungsdienstgesetz? Aufgrund der jüngsten Rechtsprechung wird keine Notwendigkeit zur Aufnahme der Bereichsausnahme in das NRettDG gesehen, da sich die Geltung aus dem GWB als bundesgesetzliche Umsetzung der Richtlinie 2014/24/EU direkt ergibt. Im Übrigen ist in § 5 Abs. 1 Satz 3 des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes (NRettDG) bereits das sogenannte Hilfsorganisationsprivileg enthalten , wonach die Träger des Rettungsdienstes bei der Auswahl der Beauftragten „die Eignung und Bereitschaft zur Mitwirkung am Katastrophenschutz sowie zur Bewältigung von Großschadensereignissen berücksichtigen können“. Am Tag nach der Urteilsverkündung am 22. März 2019 fand ein Treffen mit Vertretern der niedersächsischen Hilfsorganisationen, des Niedersächsischen Landkreistags und des Ministeriums für Inneres und Sport statt, bei dem die Teilnehmer keine Notwendigkeit zur kurzfristigen Änderung des NRettDG erkennen ließen. Der Landesausschuss Rettungsdienst hat dies in seiner Sitzung am 24. April 2019 zur Kenntnis genommen. Darüber hinaus wird die Landesregierung den bewährten und auch in den zurückliegenden Monaten des vor dem EuGH anhängigen Verfahrens sehr engen Austausch mit den Aufgabenträgern und Beteiligten im Rettungsdienst fortsetzen. Soweit sich hieraus ein derzeit nicht ersichtlicher gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergeben sollte, wird dieser entsprechend vorbereitet. 2. Wenn ja, in welcher Form und wann plant die Landesregierung die Aufnahme der Bereichsausnahme ? Auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3903 3 3. Ist die verfassungsrechtliche Prüfung des Gesetzes gegen die Wettbewerbsbeschränkung abgeschlossen? Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist die Landesregierung dabei gekommen? Bereits in der Vorbemerkung ist auf das kürzlich eröffnete Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik im Hinblick auf die Umsetzung in § 107 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz GWB hingewiesen worden. Im Übrigen fällt die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des GWB nicht in die Zuständigkeit der Landesregierung. (Verteilt am 12.06.2019) Drucksache 18/3903 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen und Björn Försterling (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Wird die Bereichsausnahme in das Niedersächsische Rettungsdienstgesetz aufgenommen?