Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3985 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz und Björn Försterling (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Positionspapier der Pflegekammer zur Fachkraftquote in stationären Pflegeeinrichtungen Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz und Björn Försterling (FDP), eingegangen am 22.05.2019 - Drs. 18/3811 an die Staatskanzlei übersandt am 24.05.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 17.06.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten In ihrem Positionspapier „Fachkraftquote in stationären Pflegeeinrichtungen - Verordnung über personelle Anforderungen für unterstützende Einrichtungen nach dem Niedersächsischen Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWGPersVO)“ stellt die Pflegekammer Niedersachsen fest: „Der Verordnungsgeber hat die Regelungen zur Definition der Fachkraftquote (vgl. § 4 Abs. 1 NuWGPersVO vom 25.10.2018) dahin gehend ‚aufgeweicht‘, dass sich die Fachkraftquote nicht mehr auf eine pflegespezifische Fachkraftquote bezieht, sondern in eine einrichtungsbezogene Fachkraftquote umgewandelt wurde“ (https://www.pflegekammer-nds.de/publikationen/positionspa pier-fachkraftquote-in-stationaeren-pflegeeinrichtungen-nuwgpersvo). In der Begründung führt sie dazu aus: „Unverständlich ist, warum der Verordnungsgeber auf Landesebene eine Regelung schafft, welche den Betreibern von Einrichtungen gemäß § 2 Abs. 2 NuWG ermöglicht, die Struktur der Beschäftigten im Bereich ‚Pflege‘ völlig anders zu gestalten, als dies ab 01.01.2020 bundesgesetzlich gefordert sein wird“ (https://www.pflegekammernds .de/publikationen/positionspapier-fachkraftquote-in-stationaeren-pflegeeinrichtungen-nuwg persvo). Auch die in § 4 Abs. 2 NuWGPersVO beschriebenen Regelungen zur Anrechnung von Pflegeassistentinnen und Pflegeassistenten auf die Fachkraftquote sind nach Ansicht der Pflegekammer „völlig unsachgemäß“ (https://www.pflegekammer-nds.de/publikationen/positionspapier-fachkraftquote-instationaeren -pflegeeinrichtungen-nuwgpersvo). Vorbemerkung der Landesregierung Eine „Aufweichung“ der Regelungen zur Definition der Fachkraftquote gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über personelle Anforderungen für unterstützende Einrichtungen nach dem Niedersächsischen Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWGPersVO) vom 25.10.2018 (Nds. GVBl Nr. 14/2018) dahin gehend, dass sich die Fachkraftquote nicht mehr auf eine pflegespezifische Fachkraftquote beziehe, sondern in eine einrichtungsspezifische Fachkraftquote umgewandelt worden sei, ist durch den Verordnungsgeber nicht erfolgt. Richtig ist, dass bereits lange vor Erlass der NuWGPersVO nach der bis zum 31.12.2018 geltenden Rechtslage neben Pflegefachkräften auch Angehörige anderer Berufe als Fachkraft in stationären Pflegeeinrichtungen anerkannt und damit auf die Fachkraftquote angerechnet werden konnten. Gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung über personelle Anforderungen für Heime (HeimPersV; BGBl. I S. 1205), die am 19.07.1993 erlassen wurde und bis zum 31.12.2018 in Niedersachsen in Kraft war, durften betreuende Tätigkeiten nur durch Fachkräfte oder unter angemessener Beteiligung Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3985 2 von Fachkräften wahrgenommen werden. Kennzeichnend für diese betreuenden Tätigkeiten war gemäß einem Erlass des Sozialministeriums zur Durchführung der Verordnung über personelle Anforderungen für Heime vom 20.10.1994 (Nds. MBl. S. 1536), dass sie auf eine unmittelbare Unterstützung der Lebensführung gerichtet waren. Sie erstreckten sich in diesem Rahmen also auf alle Formen der Hilfe, die nicht (lediglich) die reine Gebrauchsüberlassung des Wohn-/Schlafplatzes oder die Verpflegung betrafen, mithin also auf die Bereiche Pflege, Eingliederung, Förderung bzw. Therapie und soziale Betreuung. Dementsprechend sind in dem vorstehend genannten Erlass Fachkräfte unterschiedlichster Berufsgruppen u. a. für die Bereiche Pflege, Eingliederung, Förderung bzw. Therapie und soziale Betreuung benannt worden. Die bisherige Rechtslage wurde dem Grunde nach mit den §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 NuWGPersVO fortgeschrieben. Neu ist lediglich, dass die betreuenden Tätigkeiten jetzt einzeln begrifflich aufgeführt worden sind (Pflege, Therapie, soziale Betreuung sowie sozialpädagogische und psychosoziale Betreuung, heilpädagogische Förderung bzw. Therapie von Menschen mit Behinderungen). Für alle diese Bereiche muss - wie bereits seit 25 Jahren - die Fachkraftquote in Heimen nach § 2 Abs. 2 NuWG insgesamt 50 % betragen. 1. Aus welchen Gründen hat sich die Landesregierung für die kritisierten Regelungen des § 4 Abs. 1 NuWGPersVO entschieden? Die Regelung der HeimPersV zur Berechnung der Fachkraftquote hat sich seit Jahrzehnten bewährt und wurde, wie in der weit überwiegenden Mehrheit der übrigen Bundesländer, auch in Niedersachsen übernommen und fortgeschrieben. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung hingewiesen . 2. Welche Gründe sprechen für bzw. gegen die Anrechnungsregelungen des § 4 Abs. 2 NuWGPersVO? Die Ausbildung der Pflegeassistentinnen und Pflegeassistenten wird durch die zwischen dem Kultusministerium und dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen abgestimmten Rahmenrichtlinien für den berufsbezogenen Lernbereich - Theorie - in der berufsqualifizierenden Berufsfachschule - Pflegeassistenz - geregelt. Grundlage für zu erbringende Pflege- und Betreuungsleistungen durch Pflegeassistentinnen und Pflegeassistenten sind danach die Pflegedokumentation sowie der individuelle Pflegeplan, anhand derer sie ihre Tätigkeiten unter Beachtung individueller Bedürfnisse, Ressourcen und Probleme der zu Betreuenden organisieren. Aufgrund einer Unterrichtseinheit von 360 Stunden sind sie in der Lage, nach Anweisung und Überprüfung durch Pflegefachkräfte die pflegerische Grundversorgung und ausgewählte Maßnahmen der Behandlungspflege in stabilen Pflegesituationen selbstständig und eigenverantwortlich durchzuführen. Im Rahmen ihrer Ausbildung erwerben sie u. a. Kenntnisse zum Pflegeprozess, zu Hygienestandards, zur Anatomie und Physiologie der Haut sowie deren Beobachtung und Pflege, zur Anatomie und Physiologie der Verdauungs- und Ausscheidungsorgane, zur Mobilisation einschließlich Lagerung und Transfer, zu diagnostischen, therapeutischen und weiteren pflegerischen Maßnahmen, wie beispielsweise der Blutzuckerkontrolle und Sondenernährung , subkutanen Injektionen, Katheter- und Sondenpflege, Beutelversorgung bei Enterostoma, zum Wechseln und Anlegen von Verbänden sowie zur Messung und Überwachung vitaler Funktionen . Weitere 160 Stunden sind dem Erkennen von Veränderungen im Gesundheitszustand sowie der adäquaten Reaktion auf diese Veränderungen gewidmet. Durch dieses Lernfeld werden die Pflegeassistentinnen und Pflegeassistenten in die Lage versetzt, durch Einsatz entsprechender Beobachtungsmethoden , verknüpft mit geriatrischem, anatomischem und physiologischem Fachwissen , eine stabile Pflegesituation von einer sich verändernden zu unterscheiden. Aufgrund der vermittelten beruflichen Handlungskompetenz nehmen sie in geeigneter Weise Kontakt mit der zuständigen Pflegefachkraft auf, wenn eine stabile Pflegesituation sich hin zu einer instabilen verändert . Darüber hinaus sind sie in lebensbedrohlichen Krisensituationen befähigt, die erforderlichen Notfallmaßnahmen einzuleiten. In Anbetracht des in Niedersachsen im Rahmen der Ausbildung in insgesamt 520 Stunden vermittelten Fachwissens zur Pflege und Betreuung von Bewohnerinnen und Bewohnern in stabilen Pflegesituationen, des weiteren Unterrichts in den Fächern „Unterstüt- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3985 3 zung von Menschen“ und der Gestaltung von „Arbeits- und Beziehungsprozessen“ sowie der in mindestens drei Jahren zu erwerbenden beruflichen Erfahrungen war es gerechtfertigt, Pflegeassistentinnen und Pflegeassistenten in angemessenem Umfang bei der Fachkraftquote zu berücksichtigen , wobei ein Zeitanteil von 50 % ihrer regelmäßigen Arbeitszeit veranschlagt wurde. 3. Trifft es zu, dass die Regelungen, wie von der Pflegekammer behauptet, völlig anders gestaltet sind als bundesgesetzlich gefordert? Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Pflegeberufe (Pflegeberufegesetz - PflBG), der am 01.01.2020 in Kraft treten wird, dürfen pflegerische Aufgaben beruflich nur von Personen mit einer Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 (Pflegefachfrau, Pflegefachmann) durchgeführt werden. Die pflegerischen Aufgaben im Sinne des Abs. 1 umfassen 1. die Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs, 2. die Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses sowie 3. die Analyse, Evaluation, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege. Pflegeassistentinnen und Pflegeassistenten sind keine Fachkräfte im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 NuWGPersVO. Zur Durchführung der durch § 4 Abs. 2 PflBG definierten pflegerischen Aufgaben (sogenannte Vorbehaltsaufgaben) sind sie nicht berechtigt. Diese landesrechtliche Regelung ist somit nicht anders gestaltet als bundesgesetzlich gefordert. Durch die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 NuWGPersVO erhalten die Pflegeassistentinnen und Pflegeassistenten auch gerade nicht den Status einer Fachkraft. Da der Bundesgesetzgeber durch die Regelung des § 4 Abs. 1, 2 PflBG keine Regelung zur Anrechnung bestimmter Berufsgruppen auf die landesrechtlich geregelte Fachkraftquote getroffen hat, ist die Regelung des § 4 Abs. 2 NuWGPersVO nicht anders gestaltet als bundesgesetzlich gefordert . 4. Denkt die Landesregierung vor dem Hintergrund des bestehenden Personalmangels in der Pflege - nach neuesten Meldungen benötigen Altenheime derzeit 183 Tage, um offene Stellen zu besetzen (https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/pflege-fach kraeftemangel-in-der-altenpflege-steigt-weiter-a-1266722.html) - über weitere Änderungen in Bezug auf die Fachkräftequote nach und, wenn ja, über welche? Änderungen in Bezug auf die Fachkraftquote sind derzeit nicht beabsichtigt. 5. Wie viele stationäre Einrichtungen unterschreiten nach Kenntnis der Landesregierung eine Fachkraftquote von 50 % (bitte nach Art der Trägerschaft differenzieren), und welche Konsequenzen leitet die Landesregierung daraus ab? Nach Mitteilung der kommunalen Heimaufsichtsbehörden des Landes (zwei Behörden haben nicht geantwortet) unterschreiten 387 stationäre Einrichtungen (rund 20 % aller stationären Pflegeeinrichtungen ) die Fachkraftquote von 50 %. Dabei handelt es sich um 302 Einrichtungen in privater und 85 Einrichtungen in frei-gemeinnütziger Trägerschaft. In ca. 15 %, also rund einem Sechstel, dieser Einrichtungen erfolgt die Abweichung von der Fachkraftquote mit ausdrücklicher Zustimmung der Heimaufsichtsbehörden gemäß § 4 Abs. 3 NuWGPersVO. In den übrigen Fällen reagieren die Heimaufsichtsbehörden, orientiert an der Gesamtsituation in der Einrichtung, im Rahmen ihres heimrechtlichen Instrumentariums, das von der Beratung bis hin zum temporären freiwilligen oder angeordneten Belegungsstopp, gegebenenfalls beschränkt auf die Aufnahme bestimmter Personengruppen, reicht, um eine Gefährdung der Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner sowie der Pflegequalität zu verhindern. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3985 4 Die Landesregierung weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Fachkraftquote selbst oder deren Unterschreiten nicht Ursache, sondern Ausdruck des Fachkräftemangels in der Pflege ist. Die Landesregierung hat in der Vergangenheit diese Problematik bereits erkannt und daher u. a. die Bestrebungen des Bundes hinsichtlich einer generalistischen Pflegeausbildung nachhaltig unterstützt . Von den jetzt durch das Pflegeberufegesetz festgeschriebenen Regelungen hinsichtlich einer vereinheitlichten Ausbildung erhofft sich die Landesregierung eine Steigerung der Attraktivität der Pflegeberufe und daraus resultierend steigende Ausbildungszahlen, die wiederum zu mehr Fachkräften in der Pflege führen sollen und damit dem bestehenden Fachkräftemangel entgegen wirken. Auf Landesebene wurde die Bereitschaft zur Aufnahme einer Ausbildung im Bereich der Altenpflege dadurch gestärkt, dass das Land diese Ausbildung unter Einbringung von Haushaltsmitteln für alle Auszubildenden in der Altenpflege schulgeldfrei gestellt hat. Parallel dazu strebt die Landesregierung die stetige Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen an, damit Menschen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen in der Pflege in Niedersachsen tätig sein können. Hierbei gilt im Rahmen der Patientensicherheit aber insbesondere der Aspekt der Qualitätssicherung. Mit dem Ziel, konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der beruflich Pflegenden zu entwickeln und deren Umsetzung verbindlich festzuhalten, haben das Bundesministerium für Gesundheit , das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Sommer 2018 die Konzertierte Aktion Pflege (KAP) auf Bundesebene gestartet. Sie bezog in einem Dachgremium und fünf themenbezogenen Arbeitsgruppen alle relevanten Akteure ein: Pflegeberufs- und Pflegeberufsausbildungsverbände, Verbände der Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser, die Kirchen, Pflege- und Krankenkassen, Betroffenenverbände , die Berufsgenossenschaft, die Bundesagentur für Arbeit sowie die Sozialpartner. Das Land Niedersachsen hat sich intensiv in die Arbeitsgruppen zu den Themenfeldern „Personalmanagement , Arbeitsschutz, Gesundheitsförderung“ (AG 2) und „Innovative Versorgungsansätze und Digitalisierung “ (AG 3) eingebracht. Am 03.06.2019 wurden die Ergebnisse vorgestellt; es wurden zahlreiche vielversprechende Ansätze zur Sicherstellung der personellen Ausstattung in der Pflege identifiziert und konkrete Maßnahmen verabredet. Die Landesregierung wird sich nunmehr dafür einsetzen, dass die Ergebnisse der KAP konsequent umgesetzt werden. Zu diesem Zweck wird das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung im Rahmen der Konzertierten Aktion auf Landesebene die Kostenträger und die Verbände der Leistungsanbieter an einen Tisch holen. Konkrete Ergebnisse sollen bis Jahresende vorliegen. (Verteilt am 19.06.2019) Drucksache 18/3985 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz und Björn Försterling (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Positionspapier der Pflegekammer zur Fachkraftquote in stationären Pflegeeinrichtungen