Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3989 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Anja Piel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Wer ist tatsächlich ausreisepflichtig? Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Anja Piel (GRÜNE), eingegangen am 14.05.2019 - Drs. 18/3775 an die Staatskanzlei übersandt am 20.05.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 17.06.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Der Antwort der Hessischen Landesregierung auf eine Kleine Anfrage eines Abgeordneten der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag (Drs. 20/197 vom 18.04.2019) bezüglich Ausreisen und Abschiebungen in den Jahren 2017 und 2018 ist folgende Aussage der Hessischen Landesregierung über die Qualität der veröffentlichten Daten zu ausreisepflichtigen Personen zu entnehmen: „Hierzu ist anzumerken, dass die Aussagekraft der im Ausländerzentralregister gespeicherten Daten aus vielfältigen Ursachen nur begrenzt valide ist. (…) Zunächst ist Folgendes zu berücksichtigen: Unter den zum 31.12.2018 erfassten 11 697 Personen befanden sich insgesamt 1 364 Bürger der Europäischen Union, von denen lediglich bei 256 Personen der Freizügigkeitsverlust festgestellt wurde. Die restlichen 1 108 Personen sind nach geltendem Recht nicht ausreisepflichtig, werden aber in der Auswertelogik des AZR gleichwohl als ausreisepflichtig aufgeführt. Die Hessische Landesregierung hat die hierfür zuständige Bundesregierung wiederholt auch auf diesen Missstand hingewiesen und Abhilfe angeregt. Zudem hat eine im Jahr 2017 unter großem Aufwand durch Landesbedienstete durchgeführte händische Überprüfung aller Akten ausreisepflichtiger Personen in den Kommunen vor Ort ergeben, dass von den nach AZR-Standardauswertung (Stichtag 31.08.2017) erfassten ausreisepflichtigen und aufhältigen Personen lediglich 63 % tatsächlich ausreisepflichtig waren. Die im Rahmen der Überprüfung gewonnen Erkenntnisse sind Grundlage für die Aktivitäten der Landesregierung zur Verbesserung der Datenqualität des AZR. Da die Ursachen vielfältig sind, ist davon auszugehen, dass trotz aller Bemühungen nach wie vor die Anzahl der tatsächlich ausreisepflichtigen Personen unter der o. g. Anzahl liegt.“ In ihrer Antwort auf eine Anfrage (Drucksache 17/8182) schreibt die Niedersächsische Landesregierung : „Zum Stichtag 31.03.2017 lebten in Niedersachsen insgesamt 20 167 ausreisepflichtige Personen, dabei war allerdings bei 15 644 Personen der Vollzug der Abschiebung vorübergehend ausgesetzt (Duldung). Die genaue Anzahl der vollziehbar ausreisepflichtigen Personen kann nicht aus dem AZR beziffert werden, da das AZR nicht danach differenziert, ob bereits die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht eingetreten ist. Daher ist bei der verbleibenden Differenz zwischen Ausreisepflichtigen und Geduldeten (5 477 Personen) zu berücksichtigen, dass in diesen Fällen in der Regel die Ausreisepflicht noch nicht vollziehbar ist.“ In ihrer Antwort auf eine andere Anfrage (Drucksache 18/2937) schreibt die Niedersächsische Landesregierung : „Mit einer geplanten Änderung der AZRG-Durchführungsverordnung soll zukünftig auch die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht im AZR abgebildet werden.“ Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3989 2 1. Wie viele der in Niedersachsen als „ausreisepflichtig“ erfassten Personen sind Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union? Für wie viele dieser Personen wurde der Freizügigkeitsverlust festgestellt? Die nachstehende Übersicht beinhaltet die Daten zu ausreisepflichtigen EU-Bürgern basierend auf einer Sonderauswertung der Daten aus dem Ausländerzentralregister (AZR) durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF): Ausreisepflichtige EU-Bürger 854 davon: Ausreisepflichte EU-Bürger mit Freizügigkeitsverlust 319 Quelle: Ausländerzentralregister zum Stichtag 30.04.2019 2. Verfügt die Landesregierung über Zahlen, wie viele der in Niedersachsen als „ausreisepflichtig “ registrierten Personen tatsächlich ausreisepflichtig sind? Wenn nicht: Hält die Landesregierung es für plausibel, dass in Niedersachsen die Fehlerquote ähnlich hoch ist wie in Hessen, wo festgestellt wurde, dass nur 63 % der als „ausreisepflichtig“ registrierten Personen tatsächlich ausreisepflichtig waren? Das zentrale Datensystem im Bereich des Asyl- und Ausländerrecht ist das AZR. Das BAMF ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Ausländerzentralregistergesetzes (AZRG) die zuständige Registerbehörde und stellt den Ländern monatlich statistische Auswertungen zu den Daten aus dem AZR zur Verfügung, insbesondere hinsichtlich der Anzahl der ausreisepflichtigen und geduldeten Personen . Die Zahl der Ausreisepflichtigen umfasst zum einen alle Personen, die laut dem allgemeinen Datenbestand des AZR aufgrund ihres Meldestatus in Deutschland aufhältig sind und die aufgrund gegen sie verfügter aufenthaltsbeendender Maßnahmen aufgefordert sind, das Bundesgebiet zu verlassen. Dies sind z. B. Personen, bei denen zumindest ein aktueller Speichersachverhalt zu Abschiebungen und/oder Ausweisungen und/oder Zurückweisungen/Zurückschiebungen und/oder Duldungen vorhanden ist. Nicht berücksichtigt werden Datensätze, die zwar die o. g. Kriterien erfüllen , jedoch gleichzeitig einen aktuelleren Eintrag eines Aufenthaltsrechts besitzen. Insofern gibt es mehrere differenzierte Sachverhalte zur Ausreisepflicht. Zum Stichtag 30.04.2019 lebten in Niedersachsen insgesamt 22 918 ausreisepflichtige Personen, dabei war allerdings bei 17 896 Personen der Vollzug der Abschiebung vorübergehend ausgesetzt (Duldung). Durch eine gegebenenfalls noch nicht erfolgte Erfassung späterer Sachverhalte (z. B. Erteilung eines Aufenthaltsrechts, bereits erfolgte Ausreise oder Ausweisung) kann die Anzahl der ausreisepflichtigen Personen einer Abweichung unterliegen. Eine prozentuale Prognose hinsichtlich einer Abweichung, auch mit Blick auf die infrage stehende Angaben aus Hessen, ist nicht valide. 3. In welche Länder werden zurzeit Abschiebungen aus rechtlichen oder politischen Gründen in der Regel, also bis auf Ausnahmen wie bei Straftätern, nicht vollzogen? Wie viele Menschen aus diesen Ländern haben jeweils eine Duldung, wie viele sind ausreisepflichtig (bitte nach Ländern aufschlüsseln)? Die Frage wird so verstanden, dass gefragt wird, bezüglich welcher Herkunftsländer durch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) ein Beschluss gefasst worden ist, der Auswirkungen auf den Abschiebungsvollzug hat. Die IMK hat beschlossen, dass Abschiebungen nach Syrien gemäß § 60 a Abs. 1 AufenthG ausgesetzt werden. Abschiebungen nach Afghanistan und in den Irak (Nord- und Zentralirak) werden nur bei Gefährdern und Straftätern durchgeführt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3989 3 Im Übrigen wird hinsichtlich der Anzahl der ausreisepflichtigen und geduldeten Personen aus diesen Herkunftsländern auf die nachstehende Übersicht verwiesen: Herkunftsland Ausreisepflichtige Personen Geduldete Personen Syrien 613 477 Afghanistan 1 262 985 Irak 1 763 1 404 Quelle: Ausländerzentralregister zum Stichtag 30.04.2019 4. Wann ist mit der oben beschriebenen Änderung der AZRG-Durchführungsverordnung zu rechnen? Welche Inhalte wird die Änderung haben? Welche Position vertritt die Landesregierung hierzu? Die Novellierung erfolgte durch die am 14.12.2018 verkündete Zweite Verordnung zur Änderung der AZRG-Durchführungsverordnung (Zweite Verordnung zur Änderung der AZRG-Durchführungsverordnung vom 11.12.2018 [BGBl. I S. 2424], berichtigt mit Verordnung vom 09.01.2019 [BGBl. I S. 15]). Diese sieht u. a. eine Erweiterung von Speicherungsinhalten zur Verbesserung der Identitätssicherungsfunktion vor, beispielsweise durch die Ermöglichung der Zuordnung von Ausweisdokumenten, Speicherung von Wohnsitzregelungen und der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht zu im Ausländerzentralregister erfassten Personen. Für den Personenkreis der ausreisepflichtigen Geduldeten ist nunmehr eine genauere und ausdifferenzierte Abbildung der Duldungsgründe möglich. Die Zweite Verordnung zur Änderung der AZRG-Durchführungsverordnung tritt Großteils am 14.09.2019 in Kraft. Einzelne Teile der Änderung, insbesondere die Abbildung der Duldungsgründe , sind bereits am 14.05.2019 in Kraft getreten. Die Änderungen der AZRG-Durchführungsverordnung werden von der Landesregierung grundsätzlich begrüßt. (Verteilt am 19.06.2019) Drucksache 18/3989 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Anja Piel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Wer ist tatsächlich ausreisepflichtig?