Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4027 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg und Miriam Staudte (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Warum wurde die Begleitgruppe Landessammelstelle Leese nicht über die Auslagerung von Atommüllfässern informiert? Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg und Miriam Staudte (GRÜNE), eingegangen am 16.05.2019 - Drs. 18/3783 an die Staatskanzlei übersandt am 21.05.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 19.06.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten „Aus dem Zwischenlager Leese (Kreis Nienburg) sind die ersten der knapp 1 500 Atommüllfässer nach Jülich (Nordrhein-Westfalen) gebracht werden. ‚Die Arbeiten haben begonnen‘, sagte eine Sprecherin des niedersächsischen Umweltministeriums. Die 1 484 Fässer aus der Landessammelstelle Steyerberg enthalten schwach und mittelradioaktive Abfälle aus den 80er- und 90er-Jahren aus den Bereichen Medizin, Forschung und Technik und sollen endlagergerecht an den Bund übergeben werden. Sie werden für eine spätere Einlagerung im Schacht Konrad in 112 spezielle Container verpackt und danach zunächst wieder in Leese eingelagert.“ Das berichtete die NWZ am 23. April1. Die Gemeinde Leese hat eine Begleitgruppe Landessammelstelle Leese eingerichtet zur öffentlichen Kontrolle der Entwicklungen in der Leeser Landessammelstelle für schwach radioaktive Abfälle aus Forschung, Medizin und Technik. Die letzte Sitzung der Begleitgruppe fand am 9. April im Umweltministerium statt. Das Umweltministerium informierte die Mitglieder der Begleitgruppe über die Planungen zur Nachkonditionierung der sogenannten Steyerberg-Fässer. Die Begleitgruppe wurde jedoch nicht darüber informiert, dass die Auslagerung der ersten Fässer unmittelbar bevorstand . Die radioaktiven Abfälle der Landessammelstelle Steyerberg werden im Zuge der geplanten Nachkonditionierung in Konrad-Container verpackt. Die Landesregierung rechnet nach eigenen Angaben damit, dass am Ende rund 100 Container entstehen und weiter zwischengelagert werden müssen. Die Container sollen aus Jülich zurück nach Leese gebracht werden, dort stehen jedoch nur 50 Container-Stellplätze zur Verfügung (vgl. Drs. 18/972, Antworten auf die Fragen 31 und 33). Vorbemerkung der Landesregierung Das Land Niedersachsen ist gesetzlich verpflichtet, radioaktive Abfälle aus Medizin, Forschung und Technik, die in Niedersachsen anfallen, in einer Landessammelstelle anzunehmen und bis zur Ablieferung an eine Anlage des Bundes zur Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle zwischenzulagern . Aus der ehemaligen Landessammelstelle Steyerberg stammen 1 484 Fässer mit derartigen radioaktiven Abfällen, die zurzeit durch ein privates Unternehmen in einem Zwischenlager in Leese aufgrund eines Vertrages mit dem Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (MU) gelagert werden. Im Sommer 2018 erteilte das MU nach einer europaweiten Aus- 1 https://www.nwzonline.de/politik/niedersachsen/hannover-faesser-mit_a_50,4,2318181863.html Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4027 2 schreibung den Auftrag an ein anderes privates Unternehmen, die Abfälle bis 2030 endlagergerecht nachqualifizieren und nachkonditionieren (d. h. nachbehandeln) zu lassen. Für diese geplante Nachbehandlung sollen die Fassgebinde aus dem Zwischenlager in Leese ausgelagert und in die Betriebsstätte des Auftragnehmers transportiert werden. Zurzeit finden die Detailplanung des Vorhabens und die notwendige Abstimmung mit den zuständigen Behörden statt. Ein Abtransport bzw. eine Auslagerung von Fassgebinden aus dem Zwischenlager in Leese hat daher noch nicht stattgefunden . Die Begleitgruppe Leese wurde zuletzt im April 2019 vom MU über den Stand des Vorhabens ausführlich und korrekt informiert. 1. Warum wurde die Begleitgruppe bei dem Treffen mit dem Umweltministerium am 9. April nicht über den anstehenden Transport von Atommüllfässern informiert? Es gab noch keinen Transport. Auch in den nächsten Monaten ist noch nicht mit einem Transport zu rechnen, da zuerst die Detailplanung des Vorhabens abgeschlossen und die notwendigen behördlichen Zustimmungen vorliegen müssen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 2. Seit wann war der Landesregierung der Transporttermin für die erste Fasslieferung nach Jülich bekannt? Siehe Antwort zu Frage 1. 3. Liegt eine Freigabe der BGE über die Prüffolgepläne für alle oder Teile der Gebinde vor? Wenn ja, seit wann und für welche Gebindechargen? Nein. Die Kampagne wurde bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) angemeldet. Die BGE prüft diese Anmeldung zurzeit unter Beteiligung ihres Sachverständigen. Erst nach positivem Abschluss der Prüfung wird die BGE die Zustimmung zur Kampagne erteilen und die eingereichten Ablaufpläne freigeben. 4. Wie viele Fässer wurden an welchem Datum abtransportiert? Siehe Antwort zu Frage 1. 5. Welche Fässer wurden transportiert (bitte Gebindenummer angeben)? Siehe Antwort zu Frage 1. 6. An welcher Position innerhalb der Halle befanden sich diese Fässer jeweils zur Lagerung (bitte Stellplan der Fässer beifügen)? Siehe Antwort zu Frage 1. 7. Wie wurden die Fässer transportiert, und wie viele Lkw-Transporte waren notwendig? Siehe Antwort zu Frage 1. 8. Wurden die Gebinde im Freien oder in der Halle verladen? Siehe Antwort zu Frage 1. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4027 3 9. Ist während des Auslagerns die vollständige Fassung von Ausgasungen durch die Hallenabluftanlage und damit auch eine messtechnische Erfassung dieses Emissionspfades sichergestellt und, wenn ja, wie? Ja. Durch die in den Umgangsgenehmigungen vorgegebene Emissionsüberwachung der Lagerbetreiberin werden luftgetragene radioaktive Stoffe kontinuierlich überwacht. Diese Messungen werden durch ein ergänzendes Messprogramm des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft , Küsten- und Naturschutz als unabhängige Messstelle stichprobenartig kontrolliert. 10. Zu welchem Ergebnis kamen die Verhandlungen mit dem Lagerbetreiber EZN über die Anmietung von Stellplatzkapazität in Teilen der zweiten Halle als Rangierfläche für Fässer zur Vorbereitung der Auslagerung? Inwieweit wurde davon bislang gegebenenfalls Gebrauch gemacht? Nach aktuellem Planungsstand können ausreichend Stellplätze bzw. Rangierfläche für die vorgesehene Auslagerung zur Verfügung gestellt werden. 11. Wie viele Transporte erwartet die Landesregierung im Zusammenhang mit dem Ab- und Rücktransport der Steyerberg-Fässer? Nach aktuellem Planungsstand sollen jeweils ca. 30 Fassgebinde in einen Transportcontainer gestellt und mit einem Lastkraftwagen aus Leese abtransportiert werden. Dabei werden voraussichtlich jeweils zwei Transportcontainer zu einer Transportcharge gehören. Bei 1 484 Fassgebinden macht dies rund 25 Transportchargen, die sich über einen Zeitraum von knapp zehn Jahren verteilen werden. Die Fassgebinde werden im Zuge der Nachbehandlung in für das Endlager Konrad zugelassene Container (Konrad-Container) verpackt. Dabei ist es vom Typ (und damit der Größe) des Konrad-Containers abhängig, wie viele Fassgebinde jeweils verpackt werden können. Die entstandenen Konrad-Container werden anschließend wieder zum Zwischenlager transportiert. 12. Nach welchen Kriterien wird entschieden, in welcher Reihenfolge die 1 484 Fässer ausgelagert werden? Bei der Festlegung der Reihenfolge der Auslagerung der Fassgebinde werden die folgenden Kriterien berücksichtigt: der Strahlenschutz, d. h. insbesondere die Dosisminimierung für die mit der Auslagerung betrauten Personen, der Inhalt der Fässer, d. h. die Art des Abfalls, der äußere Zustand der Fässer sowie die Lagerlogistik. 13. Welche der bekannten schadhaften Gebinde werden bevorzugt geborgen, und bis wann ist jeweils damit zu rechnen? Zurzeit erfolgt noch die Detailplanung der Auslagerung und der ersten Transportcharge. Aus Gründen des Strahlenschutzes und zur Schaffung von Rangierfläche sollen zuerst insbesondere die Fassgebinde im vorderen Teil der Lagerhalle ausgelagert werden. Die Zusammenstellung der weiteren Transportchargen wird danach jeweils sukzessive erfolgen. Die bei Inspektionen in den letzten Jahren festgestellten Befunde an einzelnen Fassgebinden machen nach aktueller Einschätzung ein sofortiges Auslagern dieser Fassgebinde nicht erforderlich. Sollte sich diese Einschätzung, z. B. aufgrund neuer Erkenntnisse, ändern, so werden kurzfristig Maßnahmen vorgenommen bzw. die Auslagerungsplanung angepasst werden. 14. Wurden seit der Antwort in Drs. 18/972 (Frage 6) weitere Gebinde mit auffälligem Fund bekannt, wenn ja, welche Fässer mit welchem jeweiligen Schadensbild? Nein. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4027 4 15. Werden Maßnahmen zur Verbesserung der Lagerbedingungen in Leese durchgeführt bzw. sind solche geplant, z. B. zur Verbesserung der Sichtkontrolle oder zur Regulierung der Luftfeuchtigkeit? Durch die Auslagerung von Fassgebinden wird die Sichtkontrolle von bisher dahinter stehenden Fassgebinden verbessert bzw. möglich. Jedes ausgelagerte Fassgebinde wird zudem von allen Seiten visuell inspiziert. Durch die Nachbehandlung der Fassgebinde und ihre Verpackung in Konrad -Container werden die Abfälle nicht nur endlagerfähig, sondern auch ihre Zwischenlagerfähigkeit wird sich verbessern. 16. Vor dem Hintergrund, dass in Leese lediglich 50 Container-Stellplätze zur Verfügung stehen: Wo sollen die Steyerberg-Abfälle nach Abschluss der Nachqualifizierung gelagert werden? Die in den nächsten Jahren entstehenden ersten Konrad-Container werden nach aktueller Planung wieder zurück nach Leese gebracht und dort eingelagert. Hinsichtlich der Zwischenlagerung der weiteren entstehenden Konrad-Container führt das MU aktuell Gespräche mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) über alternative Zwischenlagermöglichkeiten . Langfristig sollen die radioaktiven Abfälle im Endlager Konrad, welches zurzeit bei Salzgitter im Bau ist, eingelagert werden. 17. Welche Ergebnisse haben bislang die Gespräche mit dem Bund über eine Übernahme der Abfälle in ein Bundeslager erbracht, und inwieweit hat der Bund eine befürwortende oder ablehnende Haltung zu diesem Ansinnen geäußert? Die Gespräche mit dem BMU zu alternativen Zwischenlagermöglichkeiten sind noch nicht abgeschlossen . 18. In welches bundeseigene Lager sollen die Abfälle gegebenenfalls verbracht werden? Siehe Antwort zu Frage 17. 19. Sofern es bislang keine Einigung mit dem Bund gibt: Bis wann müsste eine solche finalisiert werden, um anderenfalls noch eine landeseigene Lösung zum 1. Januar 2031 sicherstellen zu können? Die Landesregierung geht davon aus, dass die Gespräche mit dem Bund kurzfristig abgeschlossen werden können. 20. Liegt dem Land eine verbindliche Vereinbarung über die Lagerung im Lager Leese nach Ende des derzeitigen Pachtvertrags im Jahr 2030 vor oder ist diese konkret in Aussicht gestellt? Falls nein, bis wann soll mit der Vorbereitung einer landeseigenen Lösung begonnen werden? Nein. Wenn sich abzeichnet, dass eine Kooperation mit dem Bund nicht möglich sein sollte, wird die Landesregierung prüfen, ob gegebenenfalls eine Kooperation mit einem anderen Dritten möglich ist, und ansonsten eine landeseigene Lösung erarbeiten. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4027 5 21. Zu welchem Ergebnis kam die Prüfung der Landesregierung, rechtliche Schritte bezüglich falsch deklarierter Atommüllfässer einzuleiten (vgl. Drs. 18/972, Antwort auf Frage 16)? Die Landesregierung ist in ihrer Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden wäre. Sie hat daher entschieden, etwaige Schadensersatzansprüche nicht zu verfolgen. Zur Vermeidung weiterer Schäden hat die Landesregierung vielmehr die Nachqualifizierung und Nachkonditionierung der Steyerberg-Abfälle in Auftrag gegeben (s. Vorbemerkung). 22. Vor dem Hintergrund, dass auch die 3 400 GE-Fässer im Lager Leese nicht den Einlagerungsbedingungen von Schacht Konrad entsprechen: Welche Schritte hat die Landesregierung bislang unternommen, um die Nachqualifizierung der GE-Fässer vorzubereiten ? Die 3 400 GE-Fassgebinde haben zurzeit den Status eines „Zwischenprodukts“. Das heißt, die ursprünglichen Rohabfälle wurden nach der Annahme durch die Landessammelstelle bereits einmal unter behördlicher Aufsicht behandelt und in die 3 400 Fässer verpackt. Die grundsätzliche Eignung dieser erfolgten Maßnahme im Hinblick auf eine spätere Einlagerung im Endlager Konrad wurde durch das Bundesamt für Strahlenschutz anschließend bestätigt. Nun müssen die Abfälle noch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich aktualisierten Endlagerungsbedingungen Konrad nachqualifiziert und in für das Endlager Konrad zugelassene Behälter verpackt werden. Zurzeit befindet sich das MU mit dem ehemaligen Ablieferer der Abfälle, GE Healthcare Buchler (GE), in Gesprächen zum zukünftigen Umgang mit den Abfällen. 23. Wird das Umweltministerium die Begleitgruppe Leese künftig rechtzeitig über Planungen , Maßnahmen und aktuelle Entwicklungen bezüglich der radioaktiven Abfälle im Lager Leese informieren? Ja. Das MU hat die Begleitgruppe Leese in den vergangenen Jahren bei Treffen in Leese oder im MU persönlich und ausführlich informiert - insbesondere auch zur geplanten Nachqualifizierung und Nachkonditionierung der Abfälle aus der ehemaligen Landessammelstelle Steyerberg - und beabsichtigt , dies auch in der Zukunft zu tun. 24. Wie wird die Landesregierung die Öffentlichkeit über die anstehenden Atommülltransporte von und nach Leese sowie den Fortgang der Nachqualifizierung informieren? Das MU wird die Öffentlichkeit über den Fortgang der bis 2030 geplanten Nachqualifizierung und Nachkonditionierung der Fassgebinde aus der ehemaligen Landessammelstelle Steyerberg regelmäßig informieren. Informationen zur Landessammelstelle Niedersachsen und zu den radioaktiven Abfällen des Landes Niedersachsen werden jährlich im Tätigkeitsbericht des MU veröffentlicht und sind auch auf der Internetseite des MU abrufbar. Bei neuen Vorhaben oder besonderen Ereignissen veröffentlicht das MU zudem Pressemitteilungen oder zu den in Leese gelagerten Abfällen des Landes auch Infobriefe. (Verteilt am 21.06.2019) Drucksache 18/4027 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg und Miriam Staudte (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Warum wurde die Begleitgruppe Landessammelstelle Leese nicht über die Auslagerung von Atommüllfässern informiert?