Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/410 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Eva Viehoff, Meta Janssen-Kucz, Imke Byl, Detlev Schulz-Hendel, Anja Piel, Dragos Pancescu und Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur, namens der Landesregierung Welchen Stellenwert hat die Akademisierung des Hebammenberufes für die Landesregierung ? Anfrage der Abgeordneten Eva Viehoff, Meta Janssen-Kucz, Imke Byl, Detlev Schulz-Hendel, Anja Piel, Dragos Pancescu und Belit Onay (GRÜNE), eingegangen am 17.01.2018 - Drs. 18/209 an die Staatskanzlei übersandt am 24.01.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kulturnamens der Landesregierung vom 26.02.2018, gezeichnet In Vertretung der Staatssekretärin Carsten Mühlenmeier Vorbemerkung der Abgeordneten Die Ausbildung zur Hebamme bzw. zum Entbindungspfleger erfolgt bisher bundesweit einheitlich an Berufsfachschulen. Sie dauert drei Jahre und führt zu einer staatlichen Abschlussprüfung. Daneben besteht seit 2008 die Möglichkeit, Hebammenkunde an Hochschulen zu studieren. In Niedersachsen gibt es an der Universität Osnabrück den ausbildungsergänzenden Studiengang Midwifery . Aufgrund einer Modellklausel im Bundeshebammengesetz gibt es deutschlandweit drei primärqualifizierende Modellstudiengänge in Bochum, Fulda und Berlin. Seit September 2009 wird außerdem ein European Master of Science in Midwifery an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) angeboten. Im Bericht an den Deutschen Bundestag vom 19.08.2016 stellt die Bundesregierung für die Gesundheitsfachberufe fest, „dass eine Anpassung der bisherigen Ausbildungsregelungen an die hochschulischen Gegebenheiten als unverzichtbar angesehen wird.“ Für die Hebammenausbildung wird „bereits heute die Notwendigkeit einer vollständigen Akademisierung der Ausbildung bis zum 18. Januar 2020“ gesehen. Grund dafür ist die Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, die von allen EU-Staaten eine grundständige akademische Hebammenausbildung fordert. Deutschland ist neben Luxemburg, Estland und Lettland eines von vier EU-Ländern, welches die Hebammenausbildung bisher nicht akademisiert hat. Einem Artikel der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) vom 13.12.2017 zufolge hat die Hebammenwissenschaftlerin Prof. Dr. Mechthild Groß, die derzeit den Masterstudiengang an der MHH leitet und als Koryphäe ihres Faches gilt, den Ruf auf eine W-2-Professur in Lübeck erhalten. Dabei sind sich die Hebammenverbände, die Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft, der Wissenschaftsrat und das Bundesgesundheitsministeriumeinig einig, dass die Etablierung eines Bachelorstudiengang in Hebammenwissenschaften in Hannover notwendig, machbar und dringlich ist, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/410 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die in der Anfrage getroffene Aussage, die Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaften, der Wissenschaftsrat und das Bundesgesundheitsministerium hätten sich explizit für einen Bachelorstudiengang Hebammenwissenschaften in Hannover ausgesprochen, ist nicht korrekt. Richtig ist, dass sich die drei genannten Institutionen für eine Akademisierung in der Hebammenausbildung allgemein aussprechen; dies jedoch in unterschiedlicher Ausprägung. Während sich der Wissenschaftsrat in seinen im Juli 2012 veröffentlichten Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen für den „Ausbau von grundständigen Studiengängen mit dem Ziel eines zur unmittelbaren Tätigkeit am Patienten befähigenden pflege-, therapie- oder hebammenwissenschaftlichen Bachelor-Abschlusses“ ausspricht und dabei angesichts des absehbaren Versorgungsbedarfs und des Komplexitätszuwachses in den Aufgabenbereichen der Geburtshilfe eine Akademisierungsquote von 10 bis 20 % eines Ausbildungsjahrgangs empfiehlt, hält der Deutsche Hebammenverband eine ausschließlich akademisch-primäre Ausbildung im Hebammenwesen für zwingend. Das Bundesgesundheitsministerium schließlich vertritt die Ansicht der Bundesregierung, die sich im „Bericht über die Ergebnisse der Modellvorhaben zur Einführung einer Modellklausel in die Berufegesetze der Hebammen, Logopäden, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten“ - BT-Drs. 18/9400 - für eine vollständige Akademisierung der Hebammenausbildung bis zum 18.01.2020 ausspricht. Zielsetzung der Bundesregierung ist es dabei, die Richtlinienkonformität und damit die automatische Anerkennung der Ausbildung nach EU-Richtlinie zu erhalten. In keiner dieser Betrachtungen spielt der Standort Hannover eine explizite Rolle. Die Landesregierung hat den Standort Hannover bei der Frage zur Einrichtung grundständiger Bachelorstudiengänge in der Hebammenwissenschaft durchaus im Blick. Aus Sicht der Landesregierung ist die berufsrechtliche Regelung zur Implementierung einer akademisch -primären Ausbildung für Hebammen nicht im unmittelbaren Zusammenhang zu sehen mit der Frage nach dem Bedarf an Ausbildungsplätzen, der Nachfrage nach der beruflichen Ausbildung oder dem Verbleib von ausgebildeten Hebammen in ihrem Beruf. Die Landesregierung verkennt in diesem Gesamtkontext nicht die Attraktivitätssteigerung, die mit einem akademischen Abschluss für ein Berufsbild verbunden sein kann. Hemmnisse etwa im Bereich der Vergütung, der Belastungen durch ungünstige Arbeitszeiten oder auch persönliche Lebensplanungen der Berufstätigen können damit jedoch nicht ausgeräumt werden. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen soll ein duales Studienangebot für das Hebammenwesen geprüft werden. Unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Wissenschaftsrates werden bei 198 Ausbildungsplätzen in Niedersachsen (in 2016) an der Hochschule Osnabrück 44 Studienplätze im ausbildungsintegrierenden grundständigen Bachelor Midwifery/B.Sc. angeboten. Das entspricht einer Akademisierungsquote von rund 22 %. 1. Wie viele Studienplätze für angehende Hebammen und Entbindungspfleger müssen zur Erfüllung der EU-Richtlinie 2013/55/EU bis 2020 in Niedersachsen geschaffen werden? Keine. Zunächst einmal erfordert die EU-Änderungsrichtlinie 2013/55/EU die Umsetzung in nationales Recht. Da es sich um ein Gesetz handelt, das die Ausübung eines Heilberufs regelt, ist hierfür der Bund zuständig. Mit der EU-Richtlinie ist nicht explizit der „Bachelor-Abschluss“, also eine vollständige akademische Hebammenausbildung, gefordert. Es werden vielmehr der Berufszugang für die Hebammenausbildung auf zwölf Jahre allgemeine schulische Ausbildung angehoben und Ausbildungsinhalte im Hinblick auf den Grad beruflicher Kenntnisse erweitert. Bund und Länder vertreten durchaus unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der akademischen Erfordernisse zur Umsetzung der EU-Richtlinie. Derzeit werden in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe die Randbedingungen und die Regelungsnotwendigkeiten abgestimmt sowie die Voraussetzungen zur Etablierung eines rechtlich reglementierten akademischen Ausbildungsweges ausgelotet . Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/410 3 2. Wie viele Studienplätze für angehende Hebammen und Entbindungspfleger müssten in Niedersachsen geschaffen werden, um eine bedarfsgerechte Versorgung mit geburtshilflichen Leistungen in Niedersachsen sicherzustellen? Die bedarfsgerechte Versorgung mit Hebammen und Entbindungspflegern ist nicht von der Anzahl der Studienplätze, sondern von verschiedenen anderen Faktoren abhängig. Sie wird einerseits von der Zahl der in Niedersachsen ausgebildeten Hebammen und Entbindungspfleger beeinflusst, andererseits von der Fluktuation auf dem Arbeitsmarkt sowie der Zahl der Geburten. Im Jahr 2016 befanden sich insgesamt 198 Nachwuchskräfte in diesem Berufsfeld in Ausbildung. In der Vergangenheit konnte mit ähnlichen Ausbildungszahlen die Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Der demografische Wandel sowie der u. a. aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen nur teilweise vorhersehbare Anstieg der Geburtenzahlen haben zu einem steigenden Bedarf an Hebammen geführt . Aufgrund dieser Entwicklung hat das Klinikum Salzgitter die Zahl der Ausbildungsplätze im vergangenen Jahr um 30 Plätze aufgestockt. Auch die Region Hannover beabsichtigt, in den kommenden Jahren die Zahl der Ausbildungsplätze um 30 Plätze zu erhöhen und damit zu verdoppeln. Bis zum Jahr 2020 werden somit in Niedersachsen ca. 260 Ausbildungsplätze für Hebammen und Entbindungspfleger zur Verfügung stehen. 3. Wie viele Studienplätze für angehende Hebammen und Entbindungspfleger wird die Landesregierung an welchen Hochschulen und in welchem Zeitraum schaffen? Derzeit werden in Niedersachsen an der Hochschule Osnabrück im Studiengang Midwifery 44 Anfängerplätze angeboten. Ein sukzessiver Aufbau von Studienkapazitäten auch an anderen Standorten ist geplant. Es ist vorgesehen, diese Mittel mit dem nächsten erreichbaren Haushalt zur Verfügung zu stellen. Über die Größenordnung wird im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens durch den Haushaltsgesetzgeber entschieden. 4. Welche weiteren Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um die Akademisierung des Hebammenberufes zu fördern? Eine Neustrukturierung in der akademischen Hebammenausbildung setzt klare gesetzliche Rahmenbedingungen über das zukünftige Berufsbild und die Zugangsvoraussetzungen voraus. Auf die Antwort zu Frage 1 wird hingewiesen. Unabhängig davon prüft die Landesregierung, wo die Implementierung ausbildungsbegleitender, ausbildungsintegrierender und/oder berufsbegleitender akademischer Angebote sinnvoll ist. Hinsichtlich der Finanzierung derartiger Angebote wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 5. Mit welchen Verbänden hat die Landesregierung hinsichtlich der Akademisierung des Hebammenberufes und der Einrichtung von dafür notwendigen Studiengängen Gespräche geführt und mit welchen Ergebnissen? Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur hat die Akademisierung der Hebammenausbildung mit den Hebammenverbänden erörtert. 6. Welche Kosten entstehen dem Land Niedersachsen durch die Akademisierung der Hebammenausbildung? Es wird unterstellt, dass sich diese Frage auf die ausschließlich akademisch-primäre Hebammenausbildung bezieht. Die Frage ist derzeit nicht valide zu beantworten, da das gesetzgeberische Verfahren, in welchem u. a. auch die Kosten für die akademische Ausbildung geregelt werden müssen, unter Beteiligung der Länder gerade erst begonnen hat. Als Anhaltspunkt kann die Kostenkalkulation im Rahmen des Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/410 4 Fachhochschulentwicklungsprogramms oder des Hochschulpakts herangezogen werden. Danach sind Kosten in Höhe von ca. 6 500 Euro pro Studienplatz und Semester (ohne Berücksichtigung gegebenenfalls erforderlicher baulicher Maßnahmen) zugrunde gelegt worden. Noch offen sind die Folgen, die sich aus der Übernahme der berufsrechtlichen Anforderungen für die Hochschulen ergeben könnten. Nicht kalkulierbar sind zudem die Kosten, die durch die Rückwirkungen auf die Fachschulen entstehen. 7. Welche Auswirkungen hat der mögliche Wechsel von Prof. Dr. Mechthild Groß nach Lübeck auf die Planungen der Landesregierung zur Akademisierung der Hebammenausbildung ? Unmittelbar keine. 8. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass nur über den Erhalt des Hebammenstudiengangs an der MHH die Versorgungssicherheit für Gebährende gewährleistet werden kann? Nein. Ein derartiger Zusammenhang ist in Bezug auf den an der MHH angebotenen weiterbildenden Masterstudiengang für Hebammenwissenschaft nicht herzuleiten. Es handelt sich nicht um ein grundständiges Ausbildungsangebot, sondern um wissenschaftliche Weiterbildung bereits ausgebildeter Hebammen aus dem In- und Ausland, die somit nicht in der Geburtshilfe tätig werden. Der Masterstudiengang dient der wissenschaftlichen Nachwuchsgewinnung. 9. Was unternimmt die Landesregierung, um Frau Prof. Dr. Groß an der MHH zu halten? Die Verhandlungen liegen in der Verantwortung der MHH. 10. Plant die Landesregierung die Einrichtung einer Stiftungsprofessur und eines Sonderfonds , um den Hebammenstudiengang an der MHH zu erhalten? Nein. Es handelt sich - wie unter Frage 8. ausgeführt - um einen weiterbildenden Masterstudiengang mit ca. zehn Plätzen, der zudem kostenpflichtig ist. 11. Wie schätzt die Landesregierung die Bedeutung der Akademisierung der Hebammenausbildung im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen, die Bezahlung und die Attraktivität des Hebammenberufes ein? Allein durch eine Akademisierung in der Hebammenausbildung wird sich im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung zunächst einmal nichts Grundlegendes verändern. Ob ein vollakademisches Angebot den Verlust der Auszubildenden auszugleichen vermag, die heute bereits den Hebammenberuf ergreifen, für den akademischen Ausbildungsweg aber nicht die Zugangsvoraussetzungen erfüllen, kann derzeit nicht beantwortet werden. Auch die Interessenverbände haben bislang die Frage, ob es genügend Anwärterinnen und Anwärter für eine vollakademische Ausbildung geben wird, nach hiesiger Kenntnis noch nicht abschließend beantwortet. (Verteilt am 27.02.2018) Drucksache 18/410 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Eva Viehoff, Meta Janssen-Kucz, Imke Byl, Detlev Schulz-Hendel, Anja Piel, Dragos Pancescu und Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur Welchen Stellenwert hat die Akademisierung des Hebammenberufes für die Landesregie-rung?