Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4117 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Jörg Bode und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung In welcher Form ist die Landesregierung bezüglich der A1-Bescheinigung bisher tätig gewesen ? Anfrage der Abgeordneten Jörg Bode und Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegangen am 28.05.2019 - Drs. 18/3859 an die Staatskanzlei übersandt am 03.06.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung vom 04.07.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Im Rahmen der 49. Plenarsitzung der 18. Wahlperiode wurde am 16.05.2019 unter dem Tagesordnungspunkt 37 „Gut gemeint, aber schlecht gemacht - die jetzige A1-Bescheinigung muss abgeschafft werden!“ (Drucksache 18/3646) mehrfach durch einen Redner der Regierungskoalition ausgeführt , dass die Landesregierung bei der Problemstellung der A1-Bescheinigung tätig geworden sei. Mit Bezug auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Gibt es Schwierigkeiten beim A1-Verfahren?“ (Drucksache 18/3353) ergeben sich Nachfragen, weil der Landesregierung bis zum 01.04.2019 „keine eigenen Erkenntnisse über Probleme bei der technischen Umsetzung“ vorlagen. Auf die Frage „Was kann oder wird die Landesregierung unternehmen, um das A1- Verfahren zeitnah für die betroffenen Beschäftigten und Arbeitgeber zu vereinfachen?“ antwortete die Landesregierung seinerzeit wie folgt: „Die Landesregierung ist an dem elektronischen Antragsund Bescheinigungsverfahren A1 und an der Vereinbarung der Gemeinsamen Grundsätze nicht beteiligt und hat keine Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen.“ Vorbemerkung der Landesregierung Die dem A1-Verfahren zugrundeliegenden Regelungen des EU-Rechts (Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit - VO (EG) 883/2004) sollen sicherstellen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (im weiteren Sinne) bei einer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat den Nachweis einer Sozialversicherung im Heimatland erbringen können und daher nur zu einem Sozialversicherungssystem Beiträge leisten müssen. Außerdem dient die Regelung der Wettbewerbsgleichheit, da auch ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur bei bestehender Sozialversicherung in den Mitgliedstaaten tätig werden dürfen. Dabei sind der rechtliche Rahmen und der praktische Umgang mit vorübergehenden Entsendungen innerhalb des Anwendungsbereichs der heutigen VO (EG) 883/2004 von langjährigen Entwicklungen geprägt. Daraus resultiert zwar ein komplexes Regelwerk, das jedoch im Hinblick auf die deutsche Sozialversicherung auch einen hohen Schutzzweck gegen Schwarzarbeit erfüllt. Ohne die Vorgaben der EG-Verordnung zu grenzüberschreitenden Sachverhalten bestünde bei einer vorübergehenden Beschäftigung im Ausland jeweils die Notwendigkeit einer Sozialversicherungspflicht in dem jeweiligen Beschäftigungsstaat für relativ kurze Zeiträume. Die Ziele der zugrundeliegenden EU-Regelungen werden von der Landesregierung daher unterstützt . Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4117 2 Das Mitführen einer A1-Bescheinigung bei Entsendungen in das EU-Ausland ist seit Mai 2010 verpflichtend und soll eine Überprüfung, ob eine Sozialversicherung besteht, erleichtern. Dies wird jedoch zunehmend, vor allem in den Medien, von Unternehmen, Kammern und Verbänden, kritisiert. Diesen Berichten zufolge werden die Regelungen insbesondere bei kurzfristigen und kurzzeitigen Reisen in einen anderen Mitgliedstaat der EU als unnötig belastend empfunden. Das gilt auch, obwohl das zum Erhalt der A1-Bescheinigung durchzuführende Antragsverfahren seit Anfang 2019 elektronisch erfolgt. Dabei treffen die Regelungen der EU auch Bereiche, für die sich der ursprüngliche Sinn nicht ganz erschließt - z. B. Lehrkräfte im Rahmen von Klassenfahrten ins Ausland. Allerdings ist die Landesregierung an der Umsetzung des elektronischen Antrags- und Bescheinigungsverfahrens A1 für die Arbeitgeber gemäß § 106 SGB IV und an der Vereinbarung der „Gemeinsamen Grundsätze für das elektronische Antrags- und Bescheinigungsverfahren A1 nach § 106 SGB IV“ (im Folgenden: Gemeinsame Grundsätze) nicht beteiligt und hat keine Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen. Auch liegen dem innerhalb der Landesregierung für Fragen des Sozialversicherungsrechts zuständigen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (MS) bis heute (Stand: 17.06.2019) zum Antrags- und Bescheinigungsverfahren A1 keine Anfragen, Eingaben oder Beschwerden von einzelnen Personen, Unternehmen, Einrichtungen oder Verbänden vor. Bezüglich weiterer Informationen zum Verfahren und den daran Beteiligten wird auf die Antwort der Landesregierung vom 26.03.2019 (Drs. 18/3353) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner und Jörg Bode (FDP) vom 06.03.2019 „Gibt es Schwierigkeiten beim A1-Verfahren?“ (Drs. 18/3135) verwiesen. Vor diesem Hintergrund hat sich Wirtschaftsminister Dr. Althusmann Ende Mai 2019 in einem Schreiben an den Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Herrn Altmaier, gewandt und darum gebeten, sich für Änderungen der Regelungen zur A1-Bescheinigung einzusetzen. Insoweit hat Dr. Althusmann vorgeschlagen, Auslandseinsätze bzw. Dienstreisen bis zu 14 Tagen ganz ohne A1-Bescheinigung zu ermöglichen und anstelle des Antragsverfahrens eine EU-weite Online-Meldeplattform einzuführen. Ein Schreiben gleichen Inhalts hat er an den Präsidenten der EU-Kommission , Herrn Juncker, übersandt. Das Problem der bürokratischen Lasten bei den bestehenden A1-Regelungen ist der EU-Kommission bekannt. Ein erster Vorschlag der EU-Kommission zur Reform der A1-Bescheinigung wurde im Frühjahr 2019 jedoch nicht umgesetzt, weil darüber unter den Mitgliedstaaten keine Einigung erzielt werden konnte. Sollten vonseiten der EU bis Ende des Jahres keine konkreten Änderungsbemühungen ersichtlich sein, behält sich die Landesregierung vor, eine entsprechende Bundesratsinitiative zu unternehmen, um die Bundesregierung förmlich zu einem Tätigwerden gegenüber der EU zu veranlassen. Die Beantwortung der Fragen, die die Umsetzung des A1-Verfahrens betreffen, erfolgte auf Grundlage von Stellungnahmen der Landesverbände der niedersächsischen Krankenkassen sowie der vdek-Landesvertretung Niedersachsen, der Deutschen Rentenversicherung Oldenburg-Bremen und der Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover. 1. Was hat die Landesregierung bis zum 06.03.2019 bezüglich der Thematik A1- Bescheinigung unternommen? 2. Was hat die Landesregierung im Zeitraum vom 06.03.2019 bis zum 11.03.2019 bezüglich der Thematik A1-Bescheinigung konkret unternommen? 3. Was hat die Landesregierung im Zeitraum vom 11.03.2019 bis zum 26.03.2019 bezüglich der Thematik A1-Bescheinigung konkret unternommen? 4. Was hat die Landesregierung im Zeitraum vom 26.03.2019 bis zum 01.04.2019 bezüglich der Thematik A1-Bescheinigung konkret unternommen? 5. Was hat die Landesregierung im Zeitraum vom 01.04.2019 bis zum 08.05.2019 bezüglich der Thematik A1-Bescheinigung konkret unternommen? Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4117 3 6. Was hat die Landesregierung im Zeitraum vom 08.05.2019 bis zum 16.05.2019 bezüglich der Thematik A1-Bescheinigung konkret unternommen? Die Fragen 1 bis 6 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die A1-Regelung beruht auf der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit - VO (EG) 883/2004 - und gehört insoweit im weiteren Sinne zum Sozialversicherungsrecht. Das hierfür zuständige Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (MS) beobachtet und begleitet die einschlägigen Entwicklungen auf europäischer Ebene im Sinne der niedersächsischen Interessen und bringt in diesen Prozess ihm bekanntgewordene Probleme ein. Zugleich betrachtet das Ministerium für Wirtschaft , Arbeit, Verkehr und Digitalisierung (MW) die Auswirkungen derartiger Regelungen unter dem Aspekt des Bürokratieabbaus. Insoweit hat im unter Frage 5 genannten Zeitraum eine Vertreterin des MW die Thematik in der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft zum Bürokratieentlastungsgesetz III angesprochen und erörtern lassen. 7. Auf welcher Grundlage basieren die Aussagen von MdL Henning über die Tätigkeiten der Landesregierung bezüglich der Thematik A1-Bescheinigung? Die Antworten des MdL Henning erfolgten in Wahrnehmung seines freien Abgeordnetenmandats. Er ist nicht Mitglied der Landesregierung. Insofern liegen der Landesregierung hierzu keine Informationen vor. 8. Werden durch Einrichtungen der Landesregierung A1-Bescheinigungen für Dienstreisen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Mitgliedsländer der EU ausgestellt und, falls ja, seit wann? A1-Bescheinigungen werden nicht durch Stellen der Landesregierung, sondern - auf Antrag von Stellen der Landesregierung - durch Träger der Sozialversicherung ausgestellt. Zuständig ist für gesetzlich krankenversicherte Tarifbeschäftigte die jeweilige Krankenkasse der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters, bei privat krankenversicherten Tarifbeschäftigten sowie bei Beamtinnen und Beamten die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund). Einen Sonderfall für die Erteilung von A1-Bescheinigungen stellen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dar, die nicht gesetzlich krankenversichert, jedoch Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerkes sind. Bei ihnen ist der Antrag an die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. (ABV) zu richten. Die (schriftliche) Rückmeldung des Trägers wird der oder dem Beschäftigten ausgehändigt. Eine separate Bescheinigung wird nicht erstellt. 9. Hat die Landesregierung in den vergangenen Jahren die Vorgaben zur A1-Bescheinigung umgesetzt und eingehalten? Es wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. Die Beantragung von A1-Bescheinigungen erfolgt innerhalb der Landesregierung standardmäßig seit dem Frühjahr 2019; bis zu einem dementsprechenden Erlass des Finanzministeriums (MF) vom 25.03.2019 war die Kenntnis über die Notwendigkeit von A1-Bescheinigungen unterschiedlich ausgeprägt. So hat etwa das Ministerium für Inneres und Sport (MI) in der Vergangenheit bei längerfristigen Auslandseinsätzen im Tarifbereich A1-Bescheinigungen beantragt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4117 4 10. Wie viele A1-Bescheinigungen wurden durch Einrichtungen der Landesregierung in den Jahren 2016, 2017 und 2018 für Dienstreisen von Landesbeschäftigten ins EU-Ausland ausgestellt? Durch die Landesregierung werden keine A1-Bescheinigungen ausgestellt. Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. 11. Ist die Ausstellung von A1-Bescheinigungen für Dienst- und Delegationsreisen in der Europäischen Union für Minister, Staatssekretäre und Abgeordnete erforderlich, oder ist dieser Personenkreis von diesem Erfordernis befreit (bitte mit Begründung)? Für Beamtinnen und Beamte gelten die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, dem die sie beschäftigende Verwaltungseinheit angehört (Artikel 11 Abs. 3 Buchst. b der VO (EG) 883/2004). Als Beamtinnen und Beamte gelten aus deutscher Sicht Personen, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB VI rentenversicherungsfrei sind (Beamtinnen/Beamte und Richterinnen/Richter auf Lebenszeit, auf Zeit und auf Probe, Berufssoldatinnen/Berufssoldaten auf Zeit sowie Beamtinnen /Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst). Hierzu zählen auch Staatssekretärinnen und Staatssekretäre. Darüber hinaus gibt es sonstige Beschäftigte des Bundes, der Länder und Anstalten der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der Körperschaften und der Stiftungen des öffentlichen Rechts einschließlich der Beschäftigten ihrer Verbände, die als den Beamtinnen und Beamten gleichgestellt gelten. Diesem Personenkreis sind Ministerinnen und Minister sowie Abgeordnete als beamtenähnliche Personen zuzuordnen. Sofern Beamtinnen und Beamte oder die ihnen Gleichgestellten ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben, benötigen sie eine entsprechende A1-Bescheinigung. 12. Hat die Landesregierung sämtliche Meldepflichten bezüglich der Entsendung von Beschäftigten in die Europäische Union in den vergangenen Jahren erfüllt? Aufgrund der Vielfältigkeit der mitgliedstaatsspezifischen Vorgaben im Hinblick auf Meldepflichten kann diese Frage nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Bisher wurden allerdings gegenüber den Stellen und Beschäftigten der Landesregierung aus keinem anderen Mitgliedstaat - trotz hoher Kontrolldichte der dort zuständigen Behörden - Bußgelder angedroht oder verhängt. Mithin ist bislang kein Verstoß gegen Meldepflichten dokumentiert. 13. Hat die Landesregierung als Arbeitgeber das elektronische A1-Verfahren zum 01.01.2019 in Gänze umgesetzt? Der (elektronische) Antrag an einen Sozialversicherungsträger ist ab 2019 mittels einer systemgeprüften maschinellen Ausfüllhilfe („sv.net“) oder durch gesicherte und verschlüsselte Datenübertragung aus einem systemgeprüften Programm an die jeweils hierfür zuständige Stelle zu übermitteln. Durch die Spitzenverbände der Sozialversicherung (siehe § 106 Abs. 3 SGB IV) wurde das „systemgeprüfte Programm“ in der Entgeltabrechnung verortet. In Niedersachsen liegt das Verfahren beim Niedersächsischen Landesamt für Bezüge und Versorgung (NLBV). Da das NLBV bei sv.net für verschiedene Meldeverfahren (als Arbeitgeber Land Niedersachsen ) angemeldet ist und eine doppelte Registrierung unter einer Betriebsnummer nicht möglich ist, muss die Anmeldung für die A1-Bescheinigung über die Hauptbetriebsnummer des NLBV erfolgen. Aus diesem Grund können sich die Personaldienststellen für die A1-Bescheinigung nicht selbst bei sv.net registrieren, sondern müssen den Umweg über das Referat 13 des NLBV gehen und von dort „zugelassen“ werden. Bisher wurden über 200 Dienststellen für das sv.net- Verfahren zugelassen - Tendenz steigend. Vom Softwarehersteller des NLBV-KIDICAP-Verfahrens wurde die Auslieferung des A1-Meldeverfahrens als Bestandteil des KIDICAP-Meldewesens für das Release 19.4 angekündigt. Durch Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4117 5 die erforderlichen Tests und andere vorbereitende Maßnahmen ist mit einer Produktivsetzung nicht vor 2020 zu rechnen. Das elektronische A1-Meldeverfahren gilt nicht für Beamtinnen und Beamte. Für Beamtinnen und Beamte muss die A1-Bescheinigung durch die Personalstellen bis auf weiteres in Papierform bei der zuständigen Stelle beantragt werden. Als Service und Hilfestellung hat das NLBV auf seiner Webseite einen Vorschlag für ein Antragsformular zur Verfügung gestellt. Daneben wurde vom Kultusministerium (MK) speziell für den Bereich der Schulen durch die Niedersächsische Landesschulbehörde (NLSchB) per Rundverfügung über die Verpflichtung zur Mitführung der A1-Bescheinigung und das Antragsverfahren informiert. Den Schulen wurden weitergehende Informationen über den Leitfaden „Genehmigung und Abrechnung von Schulfahrten“ und den Leitfaden „Genehmigung von Dienstreisen“ zur Verfügung gestellt. 14. War für die Dienstreise von Herrn Oberbürgermeister Jürgen Krogmann zum Grünkohlessen der Landesregierung in Brüssel (19.02.2019) eine A1-Bescheinigung erforderlich, und falls ja, ist diese vor der Dienstreise durch den Arbeitgeber von Herrn Oberbürgermeister Jürgen Krogmann korrekt beantragt worden? Bei dem durch Herrn Oberbürgermeister Jürgen Krogmann am 19.02.2019 wahrgenommenen Termin mit der Landesregierung in Brüssel handelt es sich nach Auskunft der Stadt Oldenburg um einen rein repräsentativen Termin. Die Stadt Oldenburg prüft derzeit in Abstimmung mit der Deutschen Rentenversicherung, ob bei rein repräsentativen Dienstreisen überhaupt eine A1-Bescheinigung notwendig ist. 15. Sind alle erforderlichen A1-Bescheinigungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesregierung für das Grünkohlessen am 19.02.2019 in Brüssel vor der Dienstreise rechtzeitig und rechtskonform beantragt worden? Nach Abfrage aller Ministerien und der Staatskanzlei war dies nicht der Fall. 16. Ist der Landesregierung die „Limosa-Meldepflicht“ für Dienstreisen nach Belgien bekannt , und falls ja, welche Erfahrungen hat sie hiermit gemacht? Die „Limosa-Meldepflicht“ ist der Landesregierung bekannt. Behördenpersonal, zu dem insoweit sowohl Beamtinnen und Beamte als auch Tarifbeschäftigte gehören, ist aber generell von der Meldeplicht befreit. Es liegen daher keine Erfahrungen mit der Meldepflicht vor. 17. Welche Erfahrungen hat die Landesregierung als Arbeitgeber bei der Umsetzung /Anwendung des elektronischen A1-Verfahrens seit dem 01.01.2019 gemacht /gesammelt? Das elektronische A1-Verfahren ist für die Landesregierung neu. Insoweit liegen unterschiedliche Erfahrungen vor, die zum Teil den hiermit verbundenen personellen und verwaltungsmäßigen Aufwand in den Vordergrund stellen, andererseits aber auch positive Rückmeldungen enthalten. Hingewiesen wird u. a. darauf, dass für Tarifbeschäftigte sowie Beamtinnen und Beamte unterschiedliche Verfahren gelten, dass zwar das Antragsverfahren elektronisch abgewickelt wird, die Bescheinigungen der Sozialversicherungsträger aber schriftlich übersandt werden, und dass die Bearbeitungsdauer bei den Sozialversicherungsträgern gerade für kurzfristige Dienstreisen zu lang ist, sodass anstelle einer Bescheinigung nur eine Antragskopie mitgeführt werden konnte. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4117 6 18. Wie beurteilt die Landesregierung die Vorgaben und Notwendigkeiten für grenzüberschreitende Entsendungen von Beschäftigten in die Europäische Union? Die Landesregierung erkennt die in der Vorbemerkung beschriebenen Ziele der zugrundeliegenden EU-Regelung an und hält die insoweit geltenden EU-Bestimmungen für grundsätzlich sinnvoll und notwendig. In der Vergangenheit war gerade auch Unternehmen aus Wettbewerbsgründen wichtig, dass in Niedersachsen tätige Beschäftigte aus anderen EU-Mitgliedstaaten eine A1-Bescheinigung mitführen. Allerdings erscheint die Anwendung der Regelung auf kurze Dienstreisen kaum praxisgerecht, und es ist zu prüfen, ob sie der Intention des Regelungsgedankens entspricht. Wegen der fehlenden Konkurrenzsituation wären auch Ausnahmen für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes zu begrüßen ; ebenso wie in Zeiten von Internationalisierung und grenzüberschreitenden Kooperationen des Wissenschaftsbereichs Sonderregelungen für die Hochschulen die Forschung und Lehre erleichtern würden. Im Übrigen wird auf die in der Vorbemerkung beschriebene Zuständigkeit der EU und den dortigen Sachstand verwiesen. 19. Wie beurteilt die Landesregierung die Meldepflichten/Anwendung des A1-Verfahrens in Deutschland für die grenzüberschreitende Entsendungen von Beschäftigten in die Europäische Union für Anlässe wie Messebesuche, Seminarteilnahmen oder Besprechungen ? Wegen der grundsätzlichen Haltung der Landesregierung wird auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 18 verwiesen. In der Sache ist bei jeder grenzüberschreitenden Arbeit zu prüfen, ob eine Entsendung im Sinne des Sozialversicherungsrechts vorliegt. Nach aktuellem Stand ist dies auch bei Messebesuchen, Seminarteilnahmen oder Besprechungen zu bejahen. Hinzu kommt, dass durch das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz in Österreich (in Kraft seit 01.01.2017) und durch eine Änderung des französischen Sozialgesetzbuchs zum 01.04.2017 der Bereich der sozialen Sicherheit in diesen Staaten stärker kontrolliert wird, was seit 2017 zu einem Anstieg der Anträge auf Entsendebescheinigungen A1 geführt hat. Zwar wäre eine Ausnahmeregelung z. B. für die reine Teilnahme an den o. g. Veranstaltungen ohne tatsächliche Tätigkeit zu begrüßen. Die Zuständigkeit für eine entsprechende Änderung der Vorgaben liegt jedoch auf europäischer Ebene. 20. Ist es zutreffend, dass bereits für einen grenzüberschreitenden stundenweisen Messeaufenthalt von Beschäftigten eine A1-Bescheinigung erforderlich ist? Ja, ergänzend wird aber auf die Antwort zu Frage 27 verwiesen. 21. Wie gestaltet sich die Beschaffung einer A1-Bescheinigung für grenzüberschreitende Dienstleister mit 24-Stunden-Vorort-Service? Laut Stellungnahme der AOK Niedersachsen handelt es sich bei einem 24-Stunden-Service eher um eine gewöhnliche Erwerbstätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten als um eine Entsendung. Eine gewöhnliche Erwerbstätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten liegt vor, wenn davon auszugehen ist, dass die Beschäftigte oder der Beschäftigte regelmäßig an mindestens einem Tag im Monat oder fünf Tagen im Quartal in zwei Mitgliedstaaten (Deutschland und einem angrenzenden EU- Staat) arbeitet. Sofern die Beschäftigte oder der Beschäftigte in Deutschland wohnt, ist die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung - Ausland des GKV Spitzenverbandes (DVKA) für diese Bescheinigung A1 zuständig. Der Vordruck wird dann einheitlich - auch über mehrere Jahre - für alle Mitgliedstaaten ausgestellt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4117 7 22. Sind alle Krankenkassen in Deutschland in der Lage (personell und material), kurzfristig und rechtskonform A1-Bescheinigungen für alle Eventualitäten der realen Arbeitswelt zur Verfügung zu stellen? Die Frage kann nur für die Krankenkassen in Niedersachsen beantwortet werden. Laut Stellungnahmen der Landesverbände der niedersächsischen Krankenkassen sowie der vdek- Landesvertretung Niedersachsen sind die niedersächsischen Krankenkassen ausgehend von typischen Regelfällen (maschineller Antrag, fehlerfreie Angaben, eindeutiger Entsendefall) in der Lage, die A1-Bescheinigung im vorgegebenen gesetzlichen Rahmen zur Verfügung zu stellen. 23. Welche Rechtsgrundlagen, Vorgaben und Vorschriften der EU sind für einen grenzüberschreitenden stundenweisen Messeaufenthalt von Beschäftigten eines grenznahen Handwerksbetriebes zu beachten? 24. Welche nationalen Rechtsgrundlagen sind zusätzlich für einen rechtskonformen grenzüberschreitenden stundenweisen Messeaufenthalt von Beschäftigten eines grenznahen Handwerksbetriebes zusätzlich zu beachten? Die Fragen 23 und 24 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Erbringt ein deutscher Handwerksbetrieb grenzüberschreitende Dienstleistungen in einem Nachbarland , so sind nach Art der Tätigkeit und des Nachbarlands verschiedene rechtliche Bestimmungen zu beachten. Die Spannbreite der vorab zu klärenden Fragestellungen reicht insbesondere über die Bereiche des Steuer-, Entsende-, Arbeits- und Sozialversicherungsrechts, des Gewerberechts und fachlicher Qualifikationsanforderungen bis hin zu den Themen des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit. In diesem Zusammenhang gelten häufig von Staat zu Staat divergierende Anforderungen sowie spezifische Anzeige- bzw. Meldepflichten und einzuhaltende Verfahren. Die hierfür maßgeblichen nationalen Vorschriften der jeweiligen Zielländer gehen teilweise auf das EU-Recht zurück, setzen dieses jedoch nicht immer einheitlich um. Vor diesem Hintergrund ist eine pauschale Aussage zu den geltenden Regelungen nicht möglich. Die Kammern halten hierzu jedoch Informationen bereit; ebenso lassen sich im Internet verschiedene Tools zur Ermittlung der maßgeblichen Anforderungen finden. 25. Sind der Landesregierung Probleme bei der Entsendung erwerbstätiger Personen (Notwendigkeit A1-Bescheinigung) z. B. durch Medienberichte, IHK-Organisationen, Handwerkskammern, Familienunternehmen, Selbstständige oder sonstige bekannt und, falls ja, welche? Neben den in der Antwort der Landesregierung vom 26.03.2019 (Drs. 18/3353) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner und Jörg Bode (FDP) vom 06.03.2019 „Gibt es Schwierigkeiten beim A1-Verfahren?“ (Drs- 18/3135) genannten technischen Problemen ist der Landesregierung bekannt, dass insbesondere bei kurzfristigen Entsendungen, Messebesuchen, Dienstreisen , Seminaren oder Fortbildungen im Ausland Unsicherheiten bestehen und die Notwendigkeit einer A1-Bescheigung in diesen Fällen kritisch gesehen wird. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 26. Wie beurteilt die Landesregierung das Engagement der IHK-Organisationen, „die bürokratischen Anforderungen bei der Arbeitnehmerentsendung deutlich zu verringern“ (Dr. Horst Schrage, Leistungsspiegel 2018, IHK Hannover)? Die Landesregierung versteht die Interessen der IHK-Organisationen und setzt sich im Rahmen der bestehenden politischen und rechtlichen Möglichkeiten dafür ein, die aus den EU-rechtlichen Vorgaben zur Arbeitnehmerentsendung resultierenden bürokratischen Lasten abzubauen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4117 8 27. Gibt es bezüglich der Meldepflichten bei der grenzüberschreitenden Entsendung von Beschäftigten in die Europäische Union nationalen Handlungsspielräume, und falls ja, welche sind dies, und werden diese in Deutschland genutzt? Bezogen auf das A1-Verfahren gibt es einen Handlungsspielraum bei den Gemeinsamen Grundsätzen . Dies haben die Vereinbarungspartner auf Bundesebene genutzt und eine Übergangsregelung vereinbart, wonach in Einzelfällen bis zum 30.06.2019 eine papiergebundene Antragstellung möglich ist. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat aktuell eine Handhabung der Bescheinigung A1 bei kurzfristig anberaumten und kurzzeitigen Tätigkeiten im EU-Ausland, den EWR- Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen sowie der Schweiz veröffentlicht. Darin weist das BMAS darauf hin, dass nach geltendem Recht nicht in jedem Fall einer kurzfristigen oder kurzzeitigen Tätigkeit im Ausland eine Bescheinigung A1 zwingend erforderlich sei und insoweit ein Ermessen der Mitgliedstaaten bestünde. Wenn aber gleichwohl eine Pflicht zur Beantragung einer Bescheinigung A1 nach nationalem Recht im Zielstaat bestünde (siehe auch Antwort zu Frage 19), könne das BMAS den Verzicht auf eine vorherige Antragstellung auch in Ausnahmefällen nicht empfehlen. 28. Erkennt die Landesregierung Veränderungsbedarf bei der derzeitigen Anwendung der A1-Bescheinigung in Deutschland, und falls ja, was wird sie unternehmen? Aus Sicht der Landesregierung sollte geprüft werden, ob das Antrags- und Bescheinigungsverfahren bei kurzfristigen und kurzzeitigen Auslandseinsätzen einfacher gestaltet werden kann. Hierfür sind Änderungen in der VO (EG) 883/2004 erforderlich, um europaweit einheitliche Regelungen für das Antrags- und Bescheinigungsverfahren zu gewährleisten. Gleichwohl darf der Schutzzweck der Regelungen nicht geschwächt werden und es dürfen keine Rechtsunsicherheiten entstehen. Die Landesregierung hat sich in diesem Zusammenhang an die Europäische Kommission und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gewandt und angeregt, Auslandseinsätze bis zu 14 Tagen ganz ohne Meldung zu ermöglichen und eine EU-weite Online-Meldeplattform einzuführen , um das Antragsverfahren zu vereinfachen. 29. Was erwartet die Landesregierung vom Bericht der EU-Kommission zur Umsetzung und Anwendung der Durchsetzungsrichtlinie, der am 18.06.2019 veröffentlicht werden soll? Nach Kenntnis der Landesregierung war für den 18.06.2019 ein Bericht zur Entsenderichtlinie, nicht aber zur Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, auf der die A1- Regelung beruht, angekündigt. Daher erwartet die Landesregierung von dem - nach ihrer Kenntnis bisher (Stand 21.06.2019) nicht veröffentlichten - Bericht keine Klärung der hier erörterten Problematik . (Verteilt am 05.07.2019) Drucksache 18/4117 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Jörg Bode und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung In welcher Form ist die Landesregierung bezüglich der A1-Bescheinigung bisher tätig gewesen?