Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4178 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stefan Henze (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung namens der Landesregierung Brexit (A.) und Handelsstreit (B.) als Gefahren für die niedersächsische Wirtschaft - Wie reagiert die Landesregierung? Anfrage des Abgeordneten Stefan Henze (AfD), eingegangen am 11.06.2019 - Drs. 18/3961 an die Staatskanzlei übersandt am 17.06.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung namens der Landesregierung vom 15.07.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten A. Brexit Der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (GB) aus der EU wurde vom 29.03.2019 auf ein noch unbekanntes Datum verschoben. Zum heutigen Stand kann also niemand sagen, wann er kommt und wie der Warenverkehr danach organisiert wird. Nach einer Umfrage des Beratungsunternehmens Deloitte in Kooperation mit dem BDI e. V. gibt die Hälfte der deutschen Automobilunternehmen an, dass ihnen der Brexit und die damit verbundenen Unsicherheiten bei der Planung ihrer Geschäfte Probleme bereiten. Für den Fall eines „harten Brexit“ rechnet der IWF mit einer Rezession für Großbritannien sowie signifikanten Wachstumsschwächen für die EU-Länder. Die Weltbank gibt an, dass die Volkswirtschaften Osteuropas und Nordafrikas ebenfalls von einem Brexit betroffen wären. Vorbemerkung der Landesregierung Das Vereinigte Königreich teilte dem Europäischen Rat am 29. März 2017 seine Absicht mit, nach Artikel 50 EUV aus der Europäischen Union auszutreten. Die Europäische Union hatte in der Folgezeit mit dem Vereinigten Königreich ein Abkommen gemäß Artikel 50 EUV ausgehandelt, in dem unter Berücksichtigung des Rahmens für die künftigen Beziehungen dieses Staates zur Union die Einzelheiten für den Austritt festgelegt sind. Der Europäische Rat billigte im November 2018 den Entwurf des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union („Austrittsabkommen“) sowie die Politische Erklärung zur Festlegung des Rahmens für die künftigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich. Der Rat nahm Anfang Januar 2019 den Beschluss über die Unterzeichnung des Austrittsabkommens an. Trotz mehrmaliger Versuche der früheren Premierministerin May billigte jedoch das britische Unterhaus das Austrittsabkommen nicht. Ursprünglich war als Frist für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union nach Artikel 50 Abs. 3 EUV der 29. März 2019 vorgesehen. Auf Bitte der britischen Regierung wurde diese jedoch mehrmals verlängert. Zuletzt ersuchte das Vereinigte Königreich mit Schreiben vom 5. April 2019 um eine weitere Verlängerung der Frist bis zum 30. Juni 2019, um die Ratifizierung des Austrittsabkommens abschließen zu können. Der Europäische Rat stimmte am 10. April 2019 einer weiteren Fristverlängerung bis zum 31. Oktober 2019 zu. Das Austrittsabkommen kann zu einem früheren Zeitpunkt in Kraft treten, sofern die Parteien ihre jeweiligen Ratifizierungsverfahren vor dem 31. Oktober 2019 abschließen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4178 2 1. Wird es nach derzeitigem Stand einen geregelten, teilgeregelten oder ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der EU geben, und welche Informationen liegen der in Berlin , Brüssel und London vernetzten Landesregierung dazu vor? Derzeit ist weiter unklar, ob, wann und wie der Brexit vollzogen wird. Insofern ist auch offen, wie das zukünftige Verhältnis der Europäischen Union zum Vereinigten Königreich ausgestaltet sein wird. Entscheidend sind hier die aktuellen innenpolitischen Entwicklungen im Vereinigten Königreich nach dem Rücktritt von Premierministerin May. Derzeit sind verschiedene Szenarien denkbar. So ist weiterhin nicht ausgeschlossen, dass das britische Parlament das mit der Europäischen Union ausgehandelte Austrittsabkommen doch noch annimmt und es damit zum geregelten Brexit kommt. Unter Umständen führen die aktuellen Entwicklungen aber auch zu einem erneuten Referendum im Vereinigten Königreich mit ungewissem Ausgang. Vor diesem Hintergrund kann sogar ein Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union nicht ausgeschlossen werden. Letztlich droht aber weiterhin ein ungeregelter Brexit, mit all seinen negativen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen. Ein solcher wird weder seitens der EU noch seitens der Bundesregierung noch seitens der Landesregierung angestrebt. Da dieser aber eine realistische Option ist, sind die Vorbereitungen hierfür auf Ebene der EU wie auch bei Bund und Ländern weitestgehend abgeschlossen . 2. Führt die Landesregierung selbst Gespräche mit Regierungsvertretern Großbritanniens oder seiner Verwaltungsuntergliederungen auf regional level und/oder county level, um im Fall eines teilgeregelten oder ungeregelten Brexits wirtschaftliche Durchlässigkeit, insbesondere auch für Aus- und Einfuhren über die Häfen gewährleisten zu können? Nein. Die Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich wurden und werden insbesondere vor dem Hintergrund der ausschließlichen Zuständigkeit der Union für den Abschluss internationaler Übereinkünfte durch die Europäische Union geführt (vgl. Artikel 3 Abs. 2 AEUV). Soweit es den in der kleinen Anfrage angesprochenen Handel und freien Warenverkehr betrifft, sind hier zudem die ausschließlichen Zuständigkeiten der Union für die Bereiche der Zollunion und des gemeinsamen Handels (vgl. Artikel 3 Abs. 1 AEUV) zu nennen. Mit Blick auf die zukünftige Beziehung zum Vereinigten Königreich ist es für Niedersachsen jedoch bedeutsam, den Gesprächsfaden aufrechtzuerhalten. Vor diesem Hintergrund hat Frau Ministerin Honé regelmäßig die niedersächsischen Interessen in Brüssel artikuliert. Im Oktober 2018 hat sie einen Brief mit den zentralen Anliegen Niedersachsens an den EU-Chefunterhändler Michel Barnier übermittelt. Darüber hinaus bringt Frau Ministerin Honé die Interessen Niedersachsens im Ausschuss der Regionen vor, etwa indem sie die Betroffenheit Niedersachsens im Bereich der Hochseefischerei infolge eines möglichen Brexits in ihren Reden thematisiert. Im Rahmen ihrer London-Reise sprach Frau Ministerin Honé u. a. am 11. Februar 2019 mit Herrn George Eustice, dem damaligen Staatsminister für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung. Dabei ging es insbesondere um die zukünftigen Fischereibeziehungen mit dem Vereinigten Königreich. Die besondere Betroffenheit Niedersachsens wurde auch auf Arbeitsebene in Besprechungen mit der Britischen Botschaft am 28. Januar 2019 und 17. Mai 2019 verdeutlicht. 3. Wenn Frage 2 positiv beantwortet wurde: Mit welchen Vertretern welcher Ebenen (Angabe von Verwaltungsebene und Namen der offiziellen Vertreter) wurden wann und zu welchen Themen Gespräche geführt? Frage 3 ist mit Frage 2 beantwortet. 4. Wenn Frage 2 negativ beantwortet wurde: Glaubt die Landesregierung, sich in Fragen des Brexits auf Berlin und Brüssel verlassen zu können und/oder zu müssen? Ja. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4178 3 B. Handelsstreit Die USA konfrontieren derzeit Handelspartner, z. B. China, Europa, Indien, mit Handelsstreitigkeiten . Mit Blick auf die EU sprach US-Präsident Trump von einem „brutalen Handelspartner“. Inhaltlich geht es u. a. um Subventionen für den Flugzeugbauer Airbus. Die Welthandelsorganisation entscheidet zu einem Airbus-Subventionsvorwurf des früheren US-Präsidenten George W. Bush in den kommenden Monaten, ob den USA deshalb Vergeltungsmaßnahmen zustehen oder nicht. Darüber hinaus droht Präsident Trump über viele Produktkategorien hinweg mit Strafzöllen im Umfang von 11 Milliarden US-Dollar. Im Raum stehen dabei auch Zölle bei der Einfuhr von Pkw aus der EU in Höhe von 25 %. Etwaige Maßnahmen der USA beträfen auch Niedersachsen und seine Bürger. 1. Welche Informationen bekommt die Landesregierung von der mit der Verhandlung des Handelsstreits mandatierten EU-Kommission über den Stand der Verhandlungen der Handelsstreitigkeiten USA vs. EU? Die Kommission der Europäischen Union informiert die Öffentlichkeit über wichtige Handelsthemen durch Pressemitteilungen und auf ihren Internetseiten. Dabei veröffentlicht sie auch aktuelle Informationen über den Stand der Verhandlungen mit den USA und ihre geplanten Reaktionen. Darüber hinaus erhält die Landesregierung die vertraulichen Berichte der Länderbeobachter aus Brüssel zu allen wichtigen Themen. Außerdem hat die Landesregierung über die geschützte Datenbank EUDYSIS Zugang zu den vertraulichen Berichten der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union an die Bundesregierung über den Austausch der Kommission mit den Gremien der Europäischen Union; dies umfasst auch entsprechende Berichte über den Stand der Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den USA. Zudem berichtet die Landesvertretung Niedersachsen der Landesregierung über aktuelle und wichtige Entwicklungen . 2. In welchen Abständen wurde und wird vonseiten der EU-Kommission oder der Bundesregierung informiert bzw. wurde/wird vonseiten der Landesregierung der Stand abgefragt (bitte Daten nennen)? Die Kommission der Europäischen Union informiert die zuständigen Rats- und Parlamentsausschüsse und -arbeitsgruppen je nach inhaltlichem Schwerpunkt regelmäßig über die EU-USA- Verhandlungen. Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union stellt in der Regel täglich Berichte an die Bundesregierung über den Austausch zwischen der Kommission und den Gremien der Europäischen Union in die vertrauliche Datenbank ein. Diese Berichte werden regelmäßig im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung zentral abgefragt und an die zuständigen Stellen weitergeleitet. Zusätzlich berichtet die Bundesregierung den deutschen Landesregierungen in verschiedenen Gremien über wirtschaftspolitisch bedeutsame Entwicklungen im Verhältnis zwischen den USA und der Europäischen Union, z. B. im Rahmen der Wirtschaftsministerkonferenz. 3. Wie ist die Landesvertretung Niedersachsens in Brüssel in diesen Vorgang eingebunden , und welche Initiativen wurden von dort vorgeschlagen oder umgesetzt? Unter anderem ist es die Aufgabe der zuständigen Kolleginnen und Kollegen in der Vertretung des Landes Niedersachsen in Brüssel, die aktuellen Entwicklungen im Handelsstreit der USA mit der Europäischen Union zu beobachten, zu analysieren und darüber die jeweils zuständigen Ressorts zu informieren. Neben dem Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung sind hier insbesondere das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, das Ministerium für Wissenschaft und Kultur sowie das Justizministerium zu nennen. Ob und welche Initiativen daraus abgeleitet werden, ist eine politische Entscheidung, die in Hannover getroffen wird. Das Know-how der Landesvertretung fließt in die jeweiligen Entscheidungen ein. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4178 4 4. Hat oder hatte die Landesregierung die Möglichkeit, abseits der EU-Bemühungen in direkten Gesprächen mit US-Vertretern über die Angelegenheiten zu sprechen, und wenn ja, mit wem wurde gesprochen, und wann fanden die Gespräche statt? Ministerpräsident Weil hat am 11. Juni 2019 ein Gespräch mit dem Generalkonsul der Vereinigten Staaten von Amerika (Generalkonsulat Hamburg), Richard T. Yoneoka, geführt. Die US-Handelspolitik war auch Gegenstand des Gesprächs. Für den Inhalt und das Ergebnis derartiger Gespräche gilt die Vertraulichkeit. 5. Welche Ergebnisse oder Zwischenergebnisse lassen sich aus vorhandenen Informationen ableiten, insbesondere in Bezug auf die angedrohten Autozölle? Die Kommission der Europäischen Union verfolgt in intensiven Verhandlungen mit der US-amerikanischen Regierung das Ziel, ein Abkommen zur gegenseitigen Senkung der Industriezölle zu schließen und damit endgültig die angedrohten Strafzölle auf Automobilimporte aus der Europäischen Union abzuwenden. Eine Einschätzung ist erst nach Abschluss der Verhandlungen möglich. 6. Hat der VW-Konzern über die Aufsichtsratsvertreter des Landes Niedersachsen Empfehlungen /Hinweise zu dem Stand der Verhandlungen erhalten? Alle Informationen, die die vom Land Niedersachsen in den Aufsichtsrat der Volkswagen AG entsandten Vertreter im Rahmen ihrer Mandate und in den Sitzungen des Aufsichtsrats erhalten, unterliegen der aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflicht nach §§ 93 Abs. 1 Satz 3, 116 Satz 2 des Aktiengesetzes und dürfen nicht weitergegeben werden. (Verteilt am 18.07.2019) Drucksache 18/4178 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stefan Henze (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regio-nale Entwicklung Brexit (A.) und Handelsstreit (B.) als Gefahren für die niedersächsische Wirtschaft - Wie rea-giert die Landesregierung?