Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/423 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Björn Försterling, Susanne Victoria Schütz und Sylvia Bruns (FDP) Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung Wie sieht die Zukunft der beruflichen Bildung in Niedersachsen aus? Anfrage der Abgeordneten Björn Försterling, Susanne Victoria Schütz und Sylvia Bruns (FDP), eingegangen am 10.01.2018 - Drs. 18/217 an die Staatskanzlei übersandt am 24.01.2018 Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung vom 27.02.2018, gezeichnet In Vertretung Gaby Willamowius Vorbemerkung der Abgeordneten Der Berufsschullehrerverband Niedersachsen hat zusammen mit dem Verband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen Niedersachsen ein Zehn-Punkte-Papier zur Stärkung der beruflichen Bildung in Niedersachsen verfasst, in dem die beiden Verbände zehn Forderungen an die neue Landesregierung richten. Unter anderem wird in dem Papier gefordert, dass die berufliche Bildung effektiver gesteuert werden und die Unterrichtsversorgung auf 100 % steigen solle sowie dass die Lehrer auf die Herausforderungen der Digitalisierung vorbereitet werden müssen. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund hat sich im Zuge des Ausbildungsreportes Niedersachsen 2017 dahin gehend geäußert, dass dringend in die personelle und infrastrukturelle Ausstattung der Berufsschulen investiert werden müsse. Durch die in der letzten Legislaturperiode vorgenommenen Regulierungen der Kompetenzen berufsbildender Schulen als Regionale Kompetenzzentren wurden zudem zahlreiche in der Transferphase nach dem Schulversuch ProReKo (2003 bis 2007) getroffene Übertragungsentscheidungen zurückgenommen oder eingeschränkt. Ferner wurde die in § 112 a NSchG verankerte Verordnungsermächtigung zur Regulierung des gemeinsamen Budgets aus Landesmitteln und Schulträgermitteln (Globalbudget) für die Berufsbildenden Schulen bislang nicht genutzt. Damit sind die berufsbildenden Schulen entgegen dem Auftrag des Landtages (der Landtag hat in seiner 63. Sitzung am 18.02.2010 die Entschließung „Weiterentwicklung aller berufsbildenden Schulen in Niedersachsen zu regionalen Kompetenzzentren“ angenommen) immer noch nicht in der Lage, gemeinsame Schulbudgets aus Landesmitteln und Mitteln des Schulträgers zu bewirtschaften. Auch die im Schulversuch ProReKo ausgeklammerte Erprobung von intelligenten Arbeitszeitmodellen steht bis heute aus. 1. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um die Rahmenbedingungen für die duale Ausbildung zu stärken und so zukunftsfähig zu machen? Aus der Koalitionsvereinbarung (Ziffer 384 ff.) der Regierungsfraktionen von SPD und CDU wird deutlich, dass die berufliche Bildung auch in dieser Legislaturperiode im besonderen Fokus der Landesregierung steht. Im Spannungsfeld zwischen der Ermöglichung einer wohnort- bzw. betriebsnahen Beschulung von Auszubildenden einerseits und der Bündelung von Ressourcen andererseits ist es erforderlich, dass die berufsbildenden Schulen und Schulträger einer Region - moderiert von der Niedersächsischen Landesschulbehörde (NLSchB) - unter Beteiligung der Partner des „Bündnis Duale Berufsausbildung (BDB)“ durch ein Regionalmanagement die Standortfrage für die Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/423 2 Erstausbildung optimieren. Dabei sind auch die Bildung von Bezirks- oder Landesfachklassen in bestimmten Ausbildungsberufen sowie die Erstattung der entstehenden Fahrt- und gegebenenfalls Unterbringungskosten durch Blockunterricht zu prüfen. Die im BDB entwickelten Vorschläge zum Aufbau der Jugendberufsagenturen, des Beratungsgesprächs sowie der Berufsorientierung an allen allgemeinbildenden Schulen und die Reformierung des Berufseinstiegssystems mit größeren betrieblichen Anteilen werden realisiert. Die in den nachfolgenden Antworten zu den Fragen 2, 3, 6, 7 und 8 dargestellten Maßnahmen tragen maßgeblich dazu bei, die Rahmenbedingungen für die duale Berufsausbildung zu stärken. 2. Wird die Landesregierung einen neuen und ergänzenden Schulversuch „Projekt Regionale Kompetenzzentren (ProReKo)“ initiieren? Die Stärkung und Weiterentwicklung der berufsbildenden Schulen zu regionalen Kompetenzzentren und zentralen Bildungspartnern soll konsequent fortgesetzt und durch die Einbindung in das „Regionalmanagement “ der NLSchB gezielt ausgebaut werden. Die berufsbildenden Schulen sollen starke Partner der regionalen Wirtschaft vor Ort sein (Koalitionsvereinbarung, Zeile 416 f.). Ein erneuter Schulversuch „ProReKo II“ erscheint beim derzeitigen Stand des Entwicklungsprozesses nicht zielführend . 3. Wie können die berufsbildenden Schulen zumal dann, wenn sie im Zuge des Masterplans zur Digitalisierung bestens mit Technologien aus dem Industrie-4.0- oder beispielsweise aus dem Geriatronic-Kontext ausgestattet sein sollten, stärker mit bedarfsund nachfrageorientierten Bildungsangeboten als Qualifizierungseinrichtungen zu Digitalisierungsthemen durch die regionale Wirtschaft genutzt werden? Die Bildungsangebote in der Berufsausbildung sowie in der Weiterbildung orientieren sich an den (digitalen) Kompetenzen, die in der Wirtschaft nachgefragt werden und aufgrund von Veränderungsprozessen kontinuierlich angepasst werden. Die Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft - insbesondere mit kleinen und mittleren Unternehmen aus der Region - zielt auf die bedarfsgerechte Gestaltung der Bildungsgänge. Insoweit übernehmen die berufsbildenden Schulen bereits heute die in der Fragestellung genannten Aufgaben. Eigene Qualifizierungsangebote haben aufgrund der gegenwärtigen Unterrichtsversorgung keine Priorität. Sie stünden zudem in Konkurrenz zu Angeboten des freien Marktes und wären daher EU-beihilferechtlich nicht unproblematisch. 4. Beabsichtigt die Landesregierung eine Aufteilung der beruflichen Bildung zwischen den Ministerien, wie es im Koalitionsvertrag im Bereich der Gesundheits- und Pflegeberufe - bis hin zu der curricularen Verantwortlichkeit - vorgesehen ist? Aus der Koalitionsvereinbarung lässt sich eine Aufteilung der beruflichen Bildung nicht ableiten. Vielmehr ist das Kultusministerium unverändert das für die berufliche Bildung zuständige Ressort. Unabhängig davon ist es Aufgabe des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, inhaltliche Ausbildungsziele aufzuzeigen, die sich an den Notwendigkeiten der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung ausrichten. Die konkrete Umsetzung der Zuständigkeiten für die Gesundheits - und Pflegeberufe ist noch zu klären. Aktuell befinden sich das Kultusministerium und das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung hierzu in einem Abstimmungsprozess. 5. Wird die Landesregierung ein Gutachten zu der Frage der Rechts- und Organisationsform der beruflichen Bildung mit dem Ziel der Einrichtung eines landeseigenen Instituts für berufliche Bildung in Auftrag geben, wie von den beiden Verbänden gefordert? In Hamburg und Schleswig-Holstein wurde die Zuständigkeit für die berufliche Bildung aus den Ministerien in landeseigene Institute (HIBB bzw. SHIBB) ausgelagert und neu organisiert. Im Rahmen der hiesigen Koalitionsvereinbarung haben sich die Koalitionspartner hingegen für Niedersachsen auf den Erhalt der bisherigen, bewährten Struktur im Kultusministerium verständigt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/423 3 6. Was wird die Landesregierung unternehmen, um die Unterrichtsversorgung in den berufsbildenden Schulen auf 100 % zu erhöhen? Nachdem in den Jahren 2014 bis 2016 die drei besten Einstellungsergebnisse der letzten Dekade erreicht werden konnten, wurde auch im Haushaltsjahr 2017 mit über 500 Einstellungen ein überdurchschnittliches Einstellungsergebnis erzielt. Nach der Umstellung auf die zentrale Bewirtschaftung freier Stellen und Stellenanteile konnten damit die besten vier Einstellungsergebnisse erreicht und die Einstellungszahlen gegenüber den Jahren 2011 bis 2013 von unter 300 auf jährlich über 500 signifikant gesteigert werden. Auch im Haushaltsjahr 2018 sind die Voraussetzungen für ein gutes Einstellungsergebnis geschaffen worden. Mit dem Stellenausgleich I./2018 konnten den öffentlichen berufsbildenden Schulen für Stellenbesetzungen ab dem 01.02.2018 bereits 310 Einstellungsermächtigungen erteilt werden. Zur Planungswerterhöhung der landesweiten Unterrichtsversorgung wurden ab dem Haushaltsjahr 2017 im Rahmen der Haushaltsanmeldungen 190 zusätzliche Stellen angemeldet. In Ergänzung der in der Beantwortung der Frage 7 dargestellten Aktivitäten der Landesregierung haben die vorstehenden Maßnahmen zu einer stetigen Verbesserung der Unterrichtsversorgung berufsbildender Schulen geführt. 7. Was wird die Landesregierung tun, um den Lehrermangel, besonders bei Mangelfächern an berufsbildenden Schulen, zu beenden? Erklärtes Ziel der Landesregierung bleibt es, das Unterrichtsangebot an berufsbildenden Schulen vor allem durch grundständig ausgebildete Lehrkräfte sicherzustellen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden vielfältige Anstrengungen unternommen. Zur Ausbildung im Vorbereitungsdienst werden alle zulassungsfähigen Bewerberinnen und Bewerber in Niedersachsen zugelassen. Die Möglichkeit des Quereinstiegs in den Vorbereitungsdienst wurde um die Zulassung mit allen beruflichen Fachrichtungen und jeweils einem Unterrichtsfach erweitert. Daneben wurden auch Bewerberinnen und Bewerber mit gleichwertigen Studienabschlüssen im Rahmen des Quereinstiegs in den Vorbereitungsdienst zugelassen. Um Bachelorabsolventinnen und -absolventen fachwissenschaftlicher Studiengänge als Lehrkräfte für die Mangelfächer Metalltechnik und Elektrotechnik zu gewinnen, werden derzeit neue Studienmodelle wie „SprintING“ an der Universität Hannover und „Quermaster“ an der Universität Osnabrück akkreditiert. Diese Studienmodelle sehen einen Einstieg in den Masterstudiengang „Master of Education für das Lehramt an berufsbildenden Schulen“ vor. Darüber hinaus werden die bestehenden Werbemaßnahmen für die grundständige Lehrerausbildung weitergeführt. Durch die Neuauflage der seit fünf Jahren existierenden Schüler-Lehrer- Akademie in Zusammenarbeit mit der Stiftung NiedersachsenMetall und der VME-Stiftung konnten bereits 24 Interessentinnen und Interessenten für den Lehrerberuf in den Mangelfächern Elektro-, Metall- und Fahrzeugtechnik gewonnen werden. Weitere Anstrengungen werden zusammen mit den Universitäten, den Studienseminaren und auf Bundesebene durch Förderprojekte (z. B. die Qualitätsoffensive Lehrerbildung) unternommen. Mit Erlass vom 20.06.2017 zum „Quereinstieg-BBS“ wurde die Bewerbungs- und Einstellungsmöglichkeit für Personen an berufsbildenden Schulen im Tarifbeschäftigtenverhältnis, die ausschließlich über einen Studienabschluss auf Master-Niveau in einem Unterrichtfach verfügen, erweitert. Damit können bei Vorliegen der Voraussetzungen u. a. die von den Schulen eingestellten „SPRINT“-Lehrkräfte langfristig an die Schulen gebunden werden. Gleichzeitig wurde das Prüfungs- und Einstellungsverfahren von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern an berufsbildenden Schulen neu geregelt. Ziel dieser, mit der NLSchB abgestimmten, Neuregelung ist die Vereinfachung und Verkürzung der Prüfverfahren bei höchstmöglicher Transparenz der Entscheidungen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/423 4 8. Wann wird die Landesregierung Gespräche für eine neue Arbeitszeitverordnung für Lehrkräfte und Schulleitungen aufnehmen? Die Landesregierung hat dem Thema Lehrerarbeitszeit in ihrer Koalitionsvereinbarung eine hohe Priorität eingeräumt. Daher wird mit der Novellierung der Arbeitszeitverordnung voraussichtlich noch im ersten Halbjahr 2018 begonnen. Die Beteiligten werden in geeigneter Weise in den Prozess eingebunden. Ein genauer Zeitpunkt für die in diesem Zusammenhang auch vorgesehenen Gespräche ist noch nicht terminiert. (Verteilt am 01.03.2018) Drucksache 18/423 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Björn Försterling, Susanne Victoria Schütz und Sylvia Bruns (FDP) Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums Wie sieht die Zukunft der beruflichen Bildung in Niedersachsen aus?