Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4265 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz und Christian Meyer (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Umweltschutz namens der Landesregierung Fragen zur Sportwagen-Rallye im Entlastungspolder Holter Hammrich Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz und Christian Meyer (GRÜNE), eingegangen am 07.06.2019 - Drs. 18/3915 an die Staatskanzlei übersandt am 12.06.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Umweltschutz namens der Landesregierung vom 30.07.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Im Landkreis Leer fand Ende Mai eine Sportwagen-Rallye im Entlastungspolder Holter Hammrich statt. Der Entlastungspolder Holter Hammrich ist Brut- und Rastgebiet für zahlreiche Vogelarten, alleine der Wiesenvogelbereich umfasst 230 ha. Die hinzugerufene Polizei stellte fest, dass die Rallye zulässig sei. Der Generalanzeiger Rhauderfehn berichtet am 30.05.2019: „Mehr als 60 Vogelarten haben Experten hier, in dem vor neun Jahren vom Land geschaffenen Entlastungspolder Holter Hammrich, schon gezählt. Manche Arten kommen zum Rasten, andere zum Brüten oder zum Bleiben. ‚Manche auch zum Jagen‘, weiß Peter Pauschert von der Naturschutzstation Ems des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). ‚Ein Seeadler und ein Fischadler jagen dort‘, berichtet er. Der Seeadler gehöre zu einem von fünf Paaren seiner Art, die seit wenigen Jahren in Ostfriesland, unter anderem in der Krummhörn, brüten. Mitten in diese Polder-Idylle preschen an einem Sonntag röhrende Sportwagenmotoren hinein. Dutzende Porsche, Audi, BMW, Mercedes, Lamborghini und dergleichen mit niederländischen Kennzeichen fallen in den Hammrich ein. Sie kommen flott aus Richtung Holterbarge und düsen die mehrere Kilometer lange kurvenreiche, mal gepflasterte, mal asphaltierte Straße unterhalb des südlichen Ledadeiches entlang bis zur Ledastraße. Es ist eine geplante, angemeldete, genehmigte und sich über Stunden hinziehende Ausfahrt niederländischer Sportwagenfans, wird die von Radfahrern und Fußgängern informierte Polizei feststellen. Und die Beamten werden in ihrem Protokoll festhalten , dass die Autos dort auch fahren durften. Es ist eine öffentliche Straße, ohne jedwede Begrenzung oder Einschränkung.“ Vorbemerkung der Landesregierung Am 18. und 19. Mai 2019 wurde von der Bartje Classic Tour Trophy eine Oldtimer-Ausfahrt unter dem Titel „Autofahrt durch schöne Plätze in Deutschland“ durchgeführt. Es handelte sich hierbei um eine touristische Ausfahrt mit maximal 50 zugelassenen Oldtimer-Fahrzeugen, die von den Niederlanden ausgehend durch verschiedene Landkreise in Niedersachsen führte. Die Strecke war mit etwa 450 km kalkuliert, welche sich in sechs Etappen untergliederte. Gestartet wurde Einzeln im Abstand von einer Minute. Die Veranstaltung wies keinen Renncharakter auf. Ziel war es vielmehr, eine pro Abschnitt festgelegte Durchschnittsgeschwindigkeit einzuhalten. Sie betrug maximal 40 km/h und wurde an teilweise geheimen Kontrollstellen geprüft. Eine Überschreitung wurde mit Strafpunkten oder Ausschluss geahndet. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4265 2 Die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) hat für diese Veranstaltung eine Erlaubnis gemäß § 29 Abs. 2 in Verbindung mit § 44 Abs. 3 Satz 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) erteilt. Bei der Straßenrallye handelte es sich um übermäßige Straßenbenutzung . Die Straßen wurden nicht gesperrt und die Vorschriften der StVO waren einzuhalten. 1. Wie bewertet die Landesregierung die Durchführung von Sportwagen-Rallyes im Holter Hammrich? Die Landesregierung teilt die Auffassung der Fachbehörde für Naturschutz, die in der Antwort zu Frage 2 wiedergegeben ist, wonach der Oldtimer-Ausflug wohl nicht zu Beeinträchtigungen des Brutgeschehens im Holter Hammrich geführt hat. Da keine belastbaren Daten zu Auswirkungen eines solchen singulären Ereignisses auf Brutvogelarten vorliegen, wäre es allerdings wünschenswert wenn bei einer Wiederholung entsprechende Begleituntersuchungen erfolgen könnten. Alternativ könnte in Zusammenarbeit mit dem Veranstalter auch geprüft werden, ob eine Verlagerung des Oldtimer-Ausflugs in Zeiten außerhalb der Brutzeit möglich ist. 2. Welche Auswirkungen haben Sportwagen-Rallyes in der Brut- und Setzzeit auf die Vogelwelt im Holter Hammrich? Es liegen keine Beobachtungen der Sportwagen-Rallye durch Mitarbeiter der Naturschutzbehörden oder fachkundiger Dritter vor. Daher können die Auswirkungen der Veranstaltung auf die Vogelwelt im Holter Hammrich während der Brut- und Setzzeit nur rückblickend prognostiziert werden. Art und Weise möglicher negativer Auswirkungen hängen von mehreren Faktoren ab (u. a. Tageszeit , Intensität und Dauer der Störwirkungen durch Lärm und optische Reize, gefahrene Geschwindigkeiten ). Im vorliegenden Fall wird davon ausgegangen, dass sowohl die Vorschriften der StVO als auch die vom Veranstalter selbst übermittelten eigenen Beschränkungen bei der Durchführung der Oldtimer- Ausfahrt (siehe Vorbemerkung der Landesregierung) eingehalten worden sind, sodass unnötige Emissionen (z. B. durch längeres Laufenlassen von Motoren im Stillstand) vermieden wurden. Die Fauna, insbesondere die reiche Brutvogelfauna des Entlastungspolders Holter Hammrich, ist an optische und akustische Reize, die von den öffentlichen Wegen auch in der empfindlichen Brutund Setzzeit ausgehen, grundsätzlich gewöhnt. Unter den oben beschriebenen Voraussetzungen ist daher zu vermuten, dass die Ende Mai durchgeführte Sportwagen-Rallye zwar zusätzliche Störwirkungen auf die Brutvogelfauna des Polders entfaltet haben kann, diese aber wohl nicht zu Beeinträchtigungen des Brutgeschehens geführt hat. 3. Bei welcher Behörde wurde die Rallye angemeldet und genehmigt? Die NLStBV ist die zuständige Genehmigungsbehörde für das Erlaubnisverfahren nach § 29 Abs. 2 StVO. Der Veranstalter hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Die NLStBV hat die Erlaubnis am 9. Mai 2019 erteilt. 4. Gab es seitens der Genehmigungsbehörden irgendwelche Auflagen zum Schutz des Brut- und Rastgebietes? Im Rahmen des Anhörungsverfahrens zur Erteilung einer Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO sind die Polizei, die Straßenverkehrsbehörden, der Straßenbaulastträger, die Forstbehörden und die Naturschutzbehörden zu hören, soweit ihr Zuständigkeitsbereich berührt wird. Neben den allgemeinen Nebenbestimmungen kann die Erlaubnisbehörde besondere Nebenbestimmungen auferlegen, welche Ausfluss aus dem Anhörungsverfahren der beteiligten Behörden sind und die Besonderheiten der örtlichen Gegebenheiten berücksichtigen. Seitens des Landkreises Leer wurden unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Gemeinde Rhauderfehn und der Polizeiinspektion Leer keine Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4265 3 Bedenken gegen die Durchführung der Rallye vorgetragen. Daher waren in der Erlaubnis keine Auflagen zum Schutz des Brut- und Rastgebietes enthalten. 5. Wenn ja, welche, und wie wurden sie kontrolliert? Siehe Beantwortung zu Frage 4. 6. Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es auf kommunaler oder Landesebene, lärmintensive Nutzungen der Straße durch den Holter Hammrich auszuschließen? Erlaubnisse zur übermäßigen Straßenbenutzung nach § 29 Abs. 2 StVO dürfen nicht erteilt werden, wenn es sich bei der geplanten Veranstaltung um ein Rennen handelt. Rennen sind Wettbewerbe oder Teile eines Wettbewerbs sowie Veranstaltungen zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten oder höchsten Durchschnittsgeschwindigkeiten mit Kraftfahrzeugen. In diesen Fällen ist von erhöhten Geräuschemissionen durch die Fahrzeuge auszugehen. Weiterhin kann die Nutzung der Straßen durch den Holter Hammrich im Rahmen einer genehmigungsbedürftigen oder erlaubnispflichtigen Veranstaltung untersagt werden, wenn es aufgrund der Art der Veranstaltung Sicherheitsbedenken gibt oder die Rallye über Straßenabschnitte führt, die für diese Art von Fahrzeugen aufgrund von Beschränkungen der Straße nicht zulässig ist. Eine Gefährdung oder Beeinträchtigung des allgemeinen Straßenverkehrs ist auszuschließen. 7. Warum und mit welcher Begründung wird der Holter Hammrich nicht als Schutzgebiet ausgewiesen? Genehmigungsrechtliche Grundlage für den Bau des Entlastungspolders Holter Hammrich ist der Planfeststellungsbeschluss des NLWKN Oldenburg vom 13. August 2008 (hier: Feststellung gemäß §§ 119 bzw. 127, 139 NWG und des § 1 NVwVfG i. V. m. § 72 ff. VwVfG). Eine 1. Änderung des Beschlusses erfolgte am 3. Juli 2009. Gemäß der Beschlusslage ist der Polder Holter Hammrich ein Hochwasserrückhaltebecken im Sinne DIN 19700 - 12. Er ist entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik, insbesondere unter Berücksichtigung der DIN 19700 und den baurechtlichen Vorschriften zu errichten, zu betreiben und zu überwachen. Gegenstand der Planung waren auch landschaftspflegerische Maßnahmen (hier: Vermeidungs-, Minimierungs- und Ausgleichmaßnahmen), die insbesondere im Kernbereich umgesetzt wurden. Grundlage für diese Maßnahmen war die „Entwicklungskonzeption Holter Hammrich“, ein Naturschutzprojekt in Trägerschaft des Landes Niedersachsen. Dieses Konzept beinhaltete auch Maßnahmen zur Besucherlenkung und zur Informationsvermittlung (z. B. Aussichtsplattform und Naturbeobachtungsstation , Entwicklung eines Wege- und Radwegekonzeptes). Die vorgenannten Zielsetzungen wurden im Rahmen eines vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens bodenordnerisch begleitet. Damit ließen sich Landnutzungskonflikte, die insbesondere durch die Umsetzung der „Entwicklungskonzeption Holter Hammrich“ entstehen, auflösen. Anlage und Entwicklung des Polders sind entsprechend den vorgenannten Ausführungen im Gesamtkontext zu sehen. Eine Sicherung des Polders als Schutzgebiet könnte nur soweit reichen, wie sie der oben ausgeführten Funktion als Entlastungspolder und dem Planfeststellungsbeschluss sowie dem Flurbereinigungsverfahren entspricht. Die bisherigen Regelungen und das bisherige Vorgehen werden als sachgerecht und naturschutzfachlich ausreichend angesehen, sodass sich eine hoheitliche Sicherung des Holter Hammrichs erübrigt. 8. Welche Einschränkungen gelten zurzeit für den Bereich Entlastungspolder Holter Hammrich, und wie erfolgt die Kontrolle zum Schutz des Brut- und Rastgebiets? Im Rahmen der o. a. Verfahren erfolgte ein teilweiser Rückbau von Straßen und Wegen und damit eine Rücknahme des Autoverkehrs im Bereich innerhalb des Entlastungspolders. Dies führt zu ei- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4265 4 ner Beruhigung des Gebiets. Im Zuge von unregelmäßigen Ortbesichtigungen durch den Landkreis Leer als untere Naturschutzbehörde wird auf die Einhaltung der Vorgabe geachtet. Spezielle Einschränkungen über die bestehenden Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes während der Brut- und Setzzeit hinaus wurden nicht vorgenommen. Allerdings liegen insgesamt für den Entlastungspolder Holte unterschiedliche Maßgaben/Nutzungsbeschränkungen auf öffentlichen Flächen vor, die der nachfolgenden Anlage (hier: Karte und weitergehende Informationen) zu entnehmen sind. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4265 5 (Verteilt am 31.07.2019) Anlage Drucksache 18/4265 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz und Christian Meyer (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Umweltschutz Fragen zur Sportwagen-Rallye im Entlastungspolder Holter Hammrich