Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4267 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Christian Meyer und Miriam Staudte (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Wird die Jagd auf die seltenen Krick- und Pfeifenten beendet? Anfrage der Abgeordneten Christian Meyer und Miriam Staudte (GRÜNE), eingegangen am 27.06.2019 - Drs. 18/4099 an die Staatskanzlei übersandt am 03.07.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 30.07.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Wildenten sind in Niedersachsen Brut- und Gastvögel. Krickenten und Pfeifenten sind als Zugvogelart nach Artikel 4 Abs. 2 der EU-Vogelschutzrichtlinie und nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 des Bundesnaturschutzgesetzes als „besonders geschützte Art“ ausgewiesen. Die Krickente und die Stockente unterliegen in Niedersachsen der Bejagung. 1. Wie groß sind die aktuellen Bestände der Krickenten und Pfeifenten in Niedersachsen? Der aktuelle niedersächsische Gastvogelbestand der Krickente liegt bei 18 000 Individuen (Bezugsjahr 2010 in KRÜGER et al. 2013) und umfasst damit ca. 18 % des in Deutschland rastenden Bestandes . Der aktuelle landesweite Brutbestand der Krickente liegt bei 3 000 Brutpaaren (Bezugsjahr 2014 in Rote Liste Niedersachsen KRÜGER & NIPKOW 2015). Der Anteil Niedersachsens am bundesdeutschen Brutbestand liegt damit bei etwa 60 % und ist im Ländervergleich dementsprechend der mit Abstand bedeutendste. Das bedeutet, dass Niedersachsen eine besonders hohe Verantwortung für den Schutz und die Erhaltung der Krickente besitzt. Der aktuelle niedersächsische Gastvogelbestand der Pfeifente liegt bei 80 000 Individuen (Bezugsjahr 2010 in KRÜGER et al 2013) und umfasst fast ein Drittel des in Deutschland rastenden Bestandes . Niedersachsen hat damit auch bei dieser Art eine besonders hohe Verantwortung (KRÜ- GER et al 2013) zum Erhalt des in Deutschland rastenden Bestandes. Niedersachsen liegt am südwestlichen Rand des Brutareals, das sich weitgehend auf Nordeuropa beschränkt, Brutvorkommen der Pfeifente sind hier äußerst selten, aus dem Bezugszeitraum der Roten Liste 2015 ist ein Brutpaar bekannt (KRÜGER & NIPKOW 2015). 2. Wie haben sich die Bestände der Krickente und der Pfeifente in den letzten 40 Jahren entwickelt? Entwicklung des Gastvogelbestandes der Krickente: Der Trend zeigt eine deutliche Abnahme des in Deutschland rastenden Bestandes. Die Verbreitung der Art war ehemals häufig, jetzt zählt die Krickente zu einer nur noch mäßig häufigen Gastvogelart in Deutschland. Nach Einstufung der erstmals erarbeiteten Roten Liste wandernder Vogelarten in Deutschland (HÜPHOPP et al. 2013) zeigt der langfristige Bestandstrend 1850/1900 bis 1980/2005 einen deutlichen Rückgang, der kurzfristige Bestandstrend 1980 bis 2005 zeigt sogar eine starke Abnahme (um 20 %). Nach aktueller Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4267 2 Trendermittlung für die Rastpopulation des Niedersächsischen Wattenmeers ist von 1987/1988 bis 2013/2014 ebenfalls ein Rückgang zu verzeichnen (BLEW et al. 2016). Im Gegensatz dazu sind die Rastpopulationen im Wattenmeer Dänemarks, Schleswig-Holsteins und der Niederlande im selben Betrachtungszeitraum stabil (TMAP Bericht BLEW et al. 2016). Im kurzfristigen Betrachtungszeitraum 2004/2005 bis 2013/2014 hat der Rastbestand der Krickente im Wattenmeer der Nachbarländer sogar zugenommen. Brutbestandsentwicklung Krickente: Langfristiger Trend (seit 1900) um mehr als 50 % abnehmend; kurzfristiger Trend (1990 bis 2014) stabil bzw. Veränderung unter 20 % (KRÜGER & NIPKOW 2015). Von 1980 bis 1999 lag der niedersächsische Bestand bei etwa 2 500 Brutpaaren (Heckenroth 1985, Heckenroth & Laske 1997, Südbeck & Wendt 2002), mit zuletzt (2014) ca. 3 000 Brutpaaren ist er somit weitgehend stabil. Entwicklung des Gastvogelbestandes der Pfeifente: Die Pfeifente rastet im Herbst mit hohen Anteilen an der Küste (v. a. im Wattenmeer), der Frühjahrszug erfolgt überwiegend über das Binnenland. Sowohl der langfristige Trend von 1850/1900 bis 1980/2005 als auch der kurzfristige Bestandstrend von 1980 bis 2005 zeigen eine deutliche Zunahme des in Deutschland rastenden Bestandes (HÜPHOPP et al. 2013). Dies gilt insbesondere auch für die binnenländischen Vorkommen in Niedersachsen . Hier profitiert die Art von verbesserten Nahrungsbedingungen durch geänderte landwirtschaftliche Praxis (Wintergetreide, Raps, hochproduktives Grünland) und milde Winter (SCHMITZ 2011). An der Küste hat der Rastbestand im Bereich des Wattenmeeres (400 000 Individuen ) dagegen sowohl im kurz- als auch im langfristigen Betrachtungszeitraum abgenommen (BLEW et al. 2016). Einzig der anteilige geringe Rastbestand im niedersächsischen Teil des Wattenmeers (unter 50 000 Individuen) hat im Zeitraum 1987/1988 bis 2013/2014 eine Zunahme zu verzeichnen. Brutbestandsentwicklung Pfeifente: Ein lang- oder auch kurzfristiger Trend ist nicht erkennbar. Das niedersächsische Brutvorkommen ist zu klein, um daraus Rückschlüsse über (Areal-und Populations -)Veränderungen ziehen zu können. Daten aus den letzten 40 Jahren: Erste Dokumentation von neun bis zwölf Brutpaaren zwischen 1981 und 1985 (Heckenroth & Laske 1997). Von 1990 bis 2005 wurde der Bestand auf unter fünf Brutpaare taxiert (Krüger & Oltmanns 2007). 3. Welchen Gefährdungsstatus haben die Krickente und die Pfeifente auf der Roten Liste Niedersachsens? Rote Liste der in Niedersachsen und Bremen gefährdeten Brutvögel (Krüger & Nipkow 2015): – Krickente: Kategorie 3 = „gefährdet“, – Pfeifente: Status R = „extrem selten“, dies bereits seit 2002, davor offenbar keine Vorkommen in NI/HB. Arten mit Status R werden wegen geographischer Restriktion (dafür stand/steht das R) keiner Gefährdungskategorie zugeordnet. Eine Rote Liste für Gastvögel gibt es erstmals seit 2013 auf der Ebene Deutschlands, nicht für Niedersachsen (HÜPHOPP et al. 2013): – Krickente: Kategorie 3 = gefährdet, – Pfeifente: ungefährdet. 4. Welche Faktoren bedrohen die Bestände der Krickente und der Pfeifente? Krickente: Lebensraumverlust durch weiträumige Entwässerung von Niedermooren und Feuchtwiesen und andere wasserbauliche Maßnahmen, Verlust von Überschwemmungsflächen in Flussniederungen (Eindeichungen, v. a. auch in Ästuaren), Grundwasserabsenkungen in den Feuchtgebieten , Trockenlegung und Abtorfungen in den Mooren, Freizeitaktivitäten in den Brut-, Mauser- und Rastgebieten, direkte und indirekte Auswirkungen einer Jagd, sofern sie nicht nachhaltig erfolgt (vgl. auch Antwort zu Frage 7). Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4267 3 Pfeifente: Lebensraumverluste durch Eindeichung und andere wasserbauliche Maßnahmen, durch Entwässerung von Feuchtgebieten und Feuchtgrünland, Veränderungen der Gewässer (Eingriffe in die Verlandungszonen und Vegetationsgürtel), Störungen u. a. durch Vergrämung an Nahrungsund Rastplätzen, Verfolgung auf dem Zug und in den Winterquartieren. 5. Ergreift die Landesregierung Maßnahmen zum Schutz der Krickente und der Pfeifente, gegebenenfalls welche? Wiedervernässungsmaßnahmen im Hoch- und Niedermoor sowie im Feuchtgrünland (Beispiel Diepholzer Moorniederung, Dalum-Wietmarscher Moor, Dümmer). Renaturierung der Salzwiesen, Ausdeichungsmaßnahmen, Öffnung von Sommerpoldern (NP Wattenmeer), Jagdverbot in bestimmten EU-Vogelschutzgebieten, Erhalt von störungsfreien Ruhezonen im Wattenmeer und in den Salzwiesen. Auf Ebene der Landkreise: Wiederherstellung von oligotrophen Heide- und Moorseen und sonstigen Kleingewässern (als Bruthabitat Krickente), Feuchtwiesen und anderen Feuchtgebieten, Schutz der Gewässer vor verstärkter Freizeitnutzung (Schaffung von Ruhezonen an Brutgewässern der Krickente über Schutzgebietsverordnungen). 6. Wie viele Krickenten und Pfeifenten wurden in den vergangenen fünf Jahren jeweils erlegt ? Jagdjahr Krickenten inkl. Fallwild Pfeifenten inkl. Fallwild 2018/2019 1.800 1.038 2017/2018 1.512 886 2016/2017 1.909 924 2015/2016 1.495 861 2014/2015 1.887 895 7. Plant die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass in NRW fast alle Wildenten bereits 2015 aus dem Jagdrecht gestrichen wurden, eine ganzjährige Schonzeit für Krickenten und Pfeifenten? Krick- und Pfeifente unterliegen der EU-Vogelschutzrichtlinie und zählen nach Anhang II/A zu den Arten, die in allen EU-Mitgliedstaaten bejagt werden dürfen. Die Gesamtbestände der genannten Arten sind nicht akut gefährdet. Eine gemäßigte Bejagung - hier handelt es sich in der Regel um Zufallstreffer angelegentlich der Jagd auf Stockenten - stellt für die Arterhaltung kein gravierendes Problem dar. Eine ganzjährige Schonzeit für die beiden Arten würde an der gegenwärtigen Situation der Bestände kaum etwas ändern, hätte aber unter Umständen schwerwiegende Konsequenzen für die Jagdausübung. (Verteilt am 01.08.2019) Drucksache 18/4267 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Christian Meyer und Miriam Staudte (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Wird die Jagd auf die seltenen Krick- und Pfeifenten beendet?