Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4293 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Susanne Victoria Schütz, Sylvia Bruns und Björn Försterling (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung „Erhebliche Mängel bei der Förderung von Mietwohnungen“? Anfrage der Abgeordneten Susanne Victoria Schütz, Sylvia Bruns und Björn Försterling (FDP), eingegangen am 09.07.2019 - Drs. 18/4142 an die Staatskanzlei übersandt am 12.07.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 02.08.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Der Niedersächsische Landesrechnungshof merkt in seinem Jahresbericht 2019 zur Haushaltsund Wirtschaftsführung im Geschäftsbereich des Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz an, dass es „erhebliche Mängel bei der Förderung von Mietwohnungen“ gebe. Das Ministerium habe die Mängel eingeräumt und Maßnahmen zur Beseitigung zugesagt. 1. Wem unterstehen die Wohnraumförderstellen im Land Niedersachsen? Für die Durchführung der Aufgaben der zuständigen Stelle sind nach § 18 des Niedersächsischen Wohnraumfördergesetzes (NWoFG) die Landkreise und kreisfreien Städte zuständig. Die Aufgaben gehören zum übertragenen Wirkungskreis der kommunalen Körperschaften. Nach § 17 des Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) erfüllen die selbständigen Gemeinden und die großen selbständigen Städte in ihrem Gebiet alle Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises. Die Region Hannover und die Landkreise nehmen nach § 171 Abs. 5 NKomVG die Fachaufsicht gegenüber den regionsangehörigen Gemeinden (ausgenommen Landeshauptstadt Hannover) sowie den kreisangehörigen Gemeinden (ausgenommen große selbständige Städte) wahr. Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz nimmt die Fachaufsicht gegenüber den Landkreisen, der Region Hannover, den kreisfreien und großen selbständigen Städten, der Landeshauptstadt Hannover und der Stadt Göttingen wahr. 2. Wie will die Landesregierung dafür sorgen, dass eine angemessene Überprüfung der Gleichwertigkeit von Ersatzwohnungen bei Übertragung der Belegungsbindung auf nicht geförderte Wohnungen (mittelbare Belegung) erfolgt? Am 1. Juli 2019 ist eine neue Richtlinie zur Durchführung der sozialen Wohnraumförderung in Niedersachsen (Wohnraumförderbestimmungen - WFB) in Kraft getreten (RdErl. d. MU v. 2. 7. 2019, Nds. MBl. S. 1075). Diese Verwaltungsvorschrift enthält im Vergleich zu den bisherigen Wohnraumförderbestimmungen erweiterte Vorgaben für die sogenannte „mittelbare Belegung“. Darin ist u. a. geregelt, dass die Wohnraumförderstellen die Eignung der Ersatzwohnungen durch Inaugenscheinnahme prüfen. Um Fehlförderungen auszuschließen, ist zu gewährleisten, dass die Ersatzwohnungen im Wesentlichen dieselben baufachlichen Anforderungen erfüllen, die der geförderte Wohnraum aufgrund einer besonderen Zweckbestimmung oder aufgrund von Belegungsbindungen bestimmter Art erfüllen muss. Zur Übertragung von Bindungen ist darüber hinaus ein öffentlichrechtlicher Vertrag zwischen der oder dem Verfügungsberechtigten, der Wohnraumförderstelle und nunmehr auch der Bewilligungsstelle zu schließen. Gegenstand der vertraglichen Übertragungs- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4293 2 vereinbarung sollen Anzahl, Dauer, Art und Höhe der Belegungs- und Mietbindungen sowie Größe und Ausstattung des Ersatzwohnraums sein. Durch die Einbeziehung der Bewilligungsstelle (Investitions - und Förderbank Niedersachsen - NBank) als Vertragspartnerin soll eine bessere Berücksichtigung der Förderinteressen und -ziele des Landes als Zuwendungsgeber erreicht werden. 3. Strebt die Landesregierung eine bestimmte Quote an Überprüfungen an? Die Inaugenscheinnahme der Ersatzwohnungen durch die Wohnraumförderstelle ist verbindlich vorgeschrieben. Insoweit wird eine vollständige Überprüfung angestrebt. 4. Wenn ja, welche Quote wäre dann nach Ansicht der Landesregierung angemessen, um künftigen Missbrauch zu verhindern, und welche Quote will die Landesregierung bis wann erreichen? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 5. Der Landesrechnungshof merkt an, dass „bei der überwiegenden Zahl“ der von ihm geprüften Wohnraumförderstellen „entgegen den Bestimmungen“ Ersatzwohnungen „nicht oder nicht zeitgerecht frei“ geworden seien. Welche Maßnahmen sollen ergriffen werden, um so etwas künftig zu vermeiden? Das Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz beabsichtigt, die Umsetzung der Vorgaben zur mittelbaren Belegung angesichts der Feststellungen des Landesrechnungshofes im Rahmen einer verstärkten Fachaufsicht sicherzustellen. Für die Ausübung der Fachaufsicht kommen in erster Linie die in § 172 Abs. 2 NKomVG genannten Instrumente in Betracht. Im Übrigen sind die in der Frage genannten Feststellungen des Landesrechnungshofes auch im Rahmen der Beratungen des „Bündnis für bezahlbares Wohnen in Niedersachsen“ seitens des Fachministeriums thematisiert worden. Sowohl die Kommunen als auch die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sind nachdrücklich auf die Bestimmungen hingewiesen worden. Die neuen WFB sehen für den Fall, dass bezugsfertige und freie Ersatzwohnungen zum Zeitpunkt des Übergangs der Belegungs- und Mietbindungen nicht im erforderlichen Umfang zur Verfügung gestellt werden können, vor, dass Ersatzwohnungen spätestens ein Jahr nach Bezugsfertigkeit der geförderten Wohnungen zur Überlassung an wohnberechtigte Haushalte zur Verfügung stehen müssen. 6. Welche Maßnahmen sollen ergriffen werden, um den Vorgaben für barrierefreie Wohnungen mehr Beachtung zu verschaffen? Auf die Antworten zu den Fragen 2 und 5 wird verwiesen. Die Wohnraumförderstellen haben zu gewährleisten, dass die Ersatzwohnungen im Wesentlichen dieselben baufachlichen Anforderungen erfüllen, die der geförderte Wohnraum aufgrund einer besonderen Zweckbestimmung oder aufgrund von Belegungsbindungen bestimmter Art erfüllen muss. Dies gilt insbesondere für Wohnraum für ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung, der besondere baufachliche Anforderungen in Bezug auf Barrierefreiheit erfüllen muss. 7. Der Landesrechnungshof merkt an, dass einige der von ihm untersuchten Wohnraumförderstellen „die Einhaltung der Belegungsbindung überhaupt nicht oder nur aus besonderem Anlass“ überprüfen. Wie soll die Überwachung der Belegungs- und Mietbindungen verbessert werden? Die zum 1. Juli 2019 in Kraft getretenen neuen WFB sehen erstmals vor, dass die Belegungsbindungen jährlich einer systematischen Überprüfung zu unterziehen sind. Dies kann beispielsweise durch einen jährlichen Abgleich der Wohnungsbelegung mit den Daten des Melderegisters erfol- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4293 3 gen. Darüber hinaus werden die Wohnraumförderstellen anlässlich kommender Dienstbesprechungen aufgefordert, in geeigneten Fällen verstärkt von ihrem Auskunftsanspruch und Wohnungsbetretrecht nach § 10 Abs. 5 NWoFG Gebrauch zu machen. 8. Welche Gründe sind der Landesregierung bekannt, aus denen von der Möglichkeit, Verstöße gegen die Bindungen als Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen und mit Geldbußen zu ahnden, kaum Gebrauch gemacht wurde? Der Landesregierung liegen keine von kommunaler Ebene kommunizierten Erkenntnisse über Gründe vor. Auf die Bedeutung der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten wurden die Wohnraumförderstellen letztmalig in einem Runderlass im März 2019 hingewiesen. Das Thema wird auch Gegenstand im Rahmen von Dienstbesprechungen sein, das nächste Mal im August 2019. 9. Warum fand im Berichtsjahr bei 7 837 Freistellungen kein Ausgleich bei Freistellungen von Belegungsbindungen statt? Entscheidungen über Freistellungen sowie über Ausgleichsleistungen nach § 11 NWoFG sind auf die Besonderheiten des Einzelfalls und auf die Möglichkeiten der oder des Verfügungsberechtigten abzustimmen. Der Ausgleich besteht gleichrangig entweder in einem angemessenen Geldausgleich , der vertraglichen Einräumung eines Belegungsrechts an einer oder mehreren Ersatzwohnungen oder einem sonstigen angemessenen Ausgleich. Die Auswahl zwischen diesen Formen des Ausgleichs erfolgt im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen. Nur bei einer Freistellung im überwiegenden öffentlichen Interesse kann von einem Ausgleich abgesehen werden. Die jeweilige Entscheidung ist gegenüber der Fachaufsichtsbehörde nicht anzeigepflichtig. Sollten die zuständigen Stellen Freistellungen im Rahmen ihres Ermessens vorrangig gegen Einräumung eines Belegungsrechts im Bestand statt gegen Geldausgleich erteilen, wird dies von der Landesregierung im Sinne einer nachhaltigen Wohnraumversorgung begrüßt. Der benötigte Wohnraum steht dann bereits zur Verfügung und muss nicht erst neu geschaffen werden. Im Gegenzug sinkt allerdings das Volumen an abgeführten Ausgleichszahlungen. Die vom Landesrechnungshof angeführten Zahlen zu Freistellungen stammen aus halbjährlich von den Wohnraumförderstellen zu meldenden Bestandsdaten zu Freistellungen bzw. Ausnahmen von der Belegungsbindung bei Mietwohnungen. Es handelt sich also nicht um in einem bestimmten Zeitraum erteilte Freistellungen, sondern um den Bestand jeweils zum 30.06. und 31.12. eines Kalenderjahres . Zum 30.06 2017 waren danach in Niedersachsen 7.837 geförderte Wohnungen ohne Ausgleich freigestellt. Es ist davon auszugehen, dass diese Wohnungen im überwiegenden öffentlichen Interesse freigestellt wurden, da nur in diesem Fall von einem Ausgleich abgesehen werden kann. 10. Wie viele Freistellungen wurden seitdem ausgesprochen, und bei wie vielen fand kein Ausgleich statt? Da Freistellungen, wie in der Antwort zu Frage 9 dargelegt, im Einzelfall nicht anzeigepflichtig sind, ist der Landesregierung die Zahl der seit 30.06.2017 ausgesprochenen Freistellungen und ebenso die Zahl der Freistellungen bei denen kein Ausgleich stattfand, nicht bekannt. Die Anzahl der freigestellten geförderten Wohnungen ohne Ausgleich hat sich in Niedersachsen seit dem 30.06.2017 wie folgt entwickelt: – 30.06.2017: 7 837 – 31.12.2017: 7 498 – 30.06.2018: 7 156 – 31.12.2018: 6 715 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4293 4 Die Angaben zum Stichtag 30.06.2019 liegen zurzeit noch nicht vor. 11. Auf welcher Grundlage ermittelt sich ein möglicher Geldausgleich bei der Freistellung von Belegungsbindungen? Die am 01.07.2019 in Kraft getretenen WFB machen Vorgaben zur Konkretisierung des Ermessens bezüglich eines angemessenen Geldausgleichs. Dabei ist zwischen einer Freistellung von der Belegungsbindung und der Mietbindung zu unterscheiden. Bei einer Freistellung von der Belegungsbindung beträgt die laufende Geldleistung 0,50 Euro pro m² Wohnfläche und Monat. Bei einer Freistellung von der Mietbindung ist als laufende Geldleistung monatlich die Differenz zwischen der höchstzulässigen Miete laut Förderentscheidung und der tatsächlich geschuldeten Miete als Subventionsvorteil abzuschöpfen. 12. Ist geplant, auf eine Erhöhung der Anzahl der Ausgleichsleistungen hinzuwirken und, wenn ja, wie? Freistellungen von der Miet- und Belegungsbindung können ein Instrument darstellen, um flexibel auf die unterschiedlichen Herausforderungen auf dem niedersächsischen Wohnungsmarkt zu reagieren . Verfügungsberechtigte erhalten dadurch in Gebieten und zu Zeiten hoher Wohnraumüberhänge die Möglichkeit, geförderten Wohnraum ausnahmsweise und vorübergehend auch an Haushalte zu vermieten, die die Voraussetzungen zur Erteilung eines Wohnberechtigungsscheines nicht erfüllen. Dies kann auch einer wohnungspolitisch gewünschten Durchmischung und damit der Verbesserung und Stabilisierung der Bewohnerstruktur dienen. Im Übrigen werden dadurch Leerstände vermieden und Mieteinnahmen für die notwendige Gebäudeunterhaltung gesichert. Freistellungen sind somit als Steuerungsinstrument auf dem öffentlich geförderten Wohnungsmarkt anzusehen. Der subventionsrechtliche Vorteil, den Verfügungsberechtigte durch eine Freistellung von der Miet- und Belegungsbindung erlangen, ist im Regelfall durch einen Ausgleich abzugelten. Die Festsetzung einer Ausgleichszahlung ist daher keine fiskalische Maßnahme zur Beschaffung von Haushaltsmitteln. Angesichts der zurzeit vorherrschenden Marktanspannung liegt es im Bestreben sowohl der Landesregierung als auch der Kommunen, vorhandenen gebundenen Wohnraum möglichst lange zu erhalten und zweckgerecht zu vermieten. An die Freistellung von der Miet- und Belegungsbindung muss daher insbesondere in Gebieten mit drohender oder bereits bestehender Wohnraumunterversorgung ein strenger Maßstab angelegt werden. Deshalb kann es nicht Ziel der Landesregierung sein, dass geförderter Wohnraum vermehrt von der Miet- und Belegungsbindung freigestellt und dadurch dem Zugriff gering verdienender Haushalte entzogen wird, um eine Erhöhung der Anzahl der Ausgleichszahlungen zu forcieren. (Verteilt am 06.08.2019) Drucksache 18/4293 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung „Erhebliche Mängel bei der Förderung von Mietwohnungen“? Anfrage der Abgeordneten Susanne Victoria Schütz, Sylvia Bruns und Björn Försterling (FDP), ein-gegangen am 09.07.2019 - Drs. 18/4142 an die Staatskanzlei übersandt am 12.07.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 02.08.2019