Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4382 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Diebstahl von Unterlagen aus Privat-Pkw eines Polizeivollzugsbeamten Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegangen am 11.07.2019 - Drs. 18/4170 an die Staatskanzlei übersandt am 18.07.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 20.08.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Am 12.07.2019 unterrichtete das Innenministerium den Ausschuss für Inneres und Sport darüber, dass es am 08.05.2019 im Stadtgebiet von Hannover zu einem Einbruchsdiebstahl aus dem Privat- Pkw eines Polizeivollzugsbeamten des Landeskriminalamts (LKA) Niedersachsen gekommen sei. Dieser Beamte finde Verwendung im Dezernat für die Operative Informationsbeschaffung und nehme dort die Aufgabe als Führer von Vertrauenspersonen wahr. Durch die Entwendung habe ein bisher unbekannt gebliebener Täter eine Aktentasche erlangt. Diese beinhaltete neben persönlichen Gegenständen auch Unterlagen, die einen Rückschluss auf die polizeiliche Verwendung des Geschädigten zuließen. Die Unterlagen enthielten sensible Informationen und Daten aus dem Bereich der Operativen Informationsbeschaffung des LKA Niedersachsen . 1. Wie bewertet die Landesregierung die durch den Vorgang eingetretene Möglichkeit einer Gefährdung von Informanten von LKA oder Verfassungsschutz? Das Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA NI) hat umgehend alle erforderlichen Anstrengungen unternommen, um etwaigen Gefahren für Personen vorzubeugen, die durch den Missbrauch der Unterlagen gegebenenfalls hätten entstehen können. Bis heute sind entsprechend den fortlaufenden Gefährdungsbewertungen des LKA NI keine Umstände bekannt geworden, die ein schädigendes Ereignis für die Aufgabenwahrnehmung der Sicherheitsbehörden und für die eingesetzten Personen befürchten lassen. 2. Kann die Landesregierung ausschließen, dass es durch die Kenntnisnahme der Unterlagen durch dazu unbefugte Personen zu einer Gefährdung von Personen kommt oder gekommen ist, die Gegenstand der entwendeten Unterlagen sind? Die Tatbegehung und die weiteren Umstände führten im LKA NI zu der kriminalistischen Bewertung , dass es sich um ein typisches Eigentumsdelikt gehandelt hat. Der Fokus lag offenkundig ausschließlich auf der Erlangung von Wertgegenständen - hier Bargeld, EC-Karte und Mobiltelefon. Im Übrigen siehe Antwort zu Frage 1. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4382 2 3. Welche organisatorischen Maßnahmen bzw. Vorkehrungen sind im Geschäftsbereich des Innenministeriums vorherrschend, um entsprechende Gefährdungen auszuschließen ? In der Polizei des Landes Niedersachsen sind für den Einsatz von Vertrauenspersonen ausschließlich das LKA, die Zentralen Kriminalinspektionen der Polizeidirektionen sowie in der Polizeidirektion Hannover zusätzlich die Kriminalfachinspektion 4 zuständig. Zwischen den VP-führenden Dienststellen herrscht ein intensiver und etablierter Informationsaustausch , insbesondere hinsichtlich möglicher erkannter Gefährdungen für Vertrauenspersonen eigener oder anderer Dienststellen. Vorgänge im Bereich der Führung von Vertrauenspersonen werden generell als Verschlusssachen eingestuft und behandelt. Grundlage für den Umgang mit Verschlusssachen (VS) ist die Verschlusssachenanweisung (VS-Anweisung/VSA) für das Land Niedersachsen in der Fassung vom 17.11.1998. Ergänzend zur VSA gilt landesweit für diesen Aufgabenbereich die „Durchführungsrichtlinie über die Inanspruchnahme von Informanten, den Einsatz/die Verwendung von Vertrauenspersonen (V-Personen), Verdeckten Ermittlern (VE) und nicht offen ermittelnden Beamten (NoeB), die Beschaffung und Verwendung von Tarnpapieren“, LKA NI, Stand: Juli 2008. Diese basiert auf dem gemeinsamen Runderlass des MI und des MJ vom 04.02.2008, „Richtlinien über die verdeckte Informationsgewinnung im Rahmen der Strafverfolgung durch Informantinnen und Informanten, Vertrauenspersonen , Verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler und sonstige nicht offen ermittelnde Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte“. Darüber hinaus gelten in den Organisationsbereichen der Polizeidirektionen, in denen Vertrauenspersonen geführt werden, über die VSA hinausgehende Hausverfügungen und Regelungen, die sich an den speziellen Bedarfen der einzelnen Dienststellen orientieren. Die Kenntnisnahme der landesweiten Vorschriften für diesen Aufgabenbereich wird in jährlichen Belehrungen für den betreffenden Personenbereich dokumentiert. Darüber hinaus ist im Geschäftsbereich des LKA NI durch Protokoll der Behördenleitung geregelt, dass Einsatzkonzeptionen aus den Bereichen der verdeckten Informationsbeschaffung und des Zeugenschutzes nur von Hand zu Hand und versiegelt weiterzugeben sind. Im internen Umgang des Geschäftsbereiches des LKA NI werden in den Bereichen der verdeckten Informationsbeschaffung und des Zeugenschutzes aus einsatztaktischen Gründen Codierungen von V-Personen verwendet. Weiterführende Maßnahmen zum Schutz der Identität sind die Verwendung von Sperrerklärungen bei auskunftssuchenden Behörden und Tarndokumenten. Weiterführend hat das MI durch Erlass geregelt, dass Konzeptionen aus den Bereichen der verdeckten Informationsbeschaffung und des Zeugenschutzes mindestens als VS-NfD einzustufen sind und im geschützten Bereich des Kommunikationsnetzwerkes der Polizei versandt werden dürfen . Ebenso gewährleisten auch begrenzende und gesicherte Zugangsmöglichkeiten (Tür-Codes, Alarmanlagen) sowie entsprechende Schließmöglichkeiten von Dienstgebäuden und Diensträumen einen nur berechtigten Zugang zu sensiblen Schriftstücken und eingestuften Dokumenten. Besondere Aufbewahrungsmöglichkeiten existieren in abschließbaren Stahlschränken und in separaten Tresoren. 4. Wurden diese Maßnahmen bzw. Vorkehrungen in diesem Fall beachtet? Die Maßnahmen wurden durch den betroffenen Beamten zum Teil nicht beachtet. Hierzu wurde bereits der Ausschuss für Inneres und Sport im Rahmen einer Unterrichtung am 12.07.2019 in öffentlicher und vertraulicher Sitzung informiert. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4382 3 5. Wenn ja: Welche zusätzlichen organisatorischen Maßnahmen oder Vorkehrungen hält die Landesregierung für erforderlich, um die Sicherheit von Informanten zu gewährleisten ? Entfällt. 6. Wenn nein: Wie und durch wen wird die Einhaltung bzw. Befolgung der Maßnahmen und Vorkehrungen kontrolliert? Jeder Beamte, der mit dem Umgang von Verschlusssachen betraut werden soll, wird im Anschluss an die erforderliche Sicherheitsüberprüfung nach dem Niedersächsischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (Nds. SÜG) in einem persönlichen Gespräch mit dem Beauftragten für Informationssicherheit und Geheimschutz für die Inhalte der VSA sensibilisiert. Darüber hinaus ist der Geheimschutzbeauftragte verpflichtet, stichprobenartig Kontrollen durchzuführen. Die jeweiligen Dienstvorgesetzten tragen im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht dafür Sorge, dass die Bestimmungen der VSA eingehalten werden. Speziell für die Durchführung von VP-Einsätzen wird im Rahmen der oben genannten Durchführungsrichtlinie die Dienst- und Fachaufsicht in einem abgestuften Qualitätssicherungsprozess durch die jeweiligen Fach- und Dienstvorgesetzten gewährleistet. Darüber hinaus erfolgt zu dem in der Durchführungsrichtlinie geregelten Umgang mit Tarnpapieren eine jährliche Belehrung der betreffenden Beamten. 7. Betreffen die entwendeten Unterlagen eine Vertrauensperson nach § 36 NPOG oder nach § 14 NVerfSchG? Die Unterlagen betreffen eine Vertrauensperson der Polizei. 8. War der LKA-Beamte, dem die Unterlagen entwendet wurden, berechtigt zum Besitz der entwendeten Unterlagen? Ja. 9. Wann genau haben welche Mitglieder der Landesregierung von wem und auf welchem Wege von dem Vorgang Kenntnis erlangt? Am 10.05.2019, gegen 11 Uhr, wurde der Vizepräsident des LKA NI durch den Dezernatsleiter 24 LKA NI über den Sachverhalt informiert. Im Anschluss wurde gegen 11:30 Uhr der Referatsleiter 23 im Ministerium für Inneres und Sport durch den Vizepräsidenten des LKA NI und im zeitlichen Fortgang zur Mittagszeit der Landespolizeidirektor und durch diesen der Staatssekretär informiert. Parallel dazu wurden um 13:03 Uhr durch den Dezernatsleiter 24 LKA NI der Landespolizeipräsident und die Leiter der Referate 21 und 23 im Landespolizeipräsidium per E-Mail über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt. Herr Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius, ist noch am selben Tag von Herrn Staatssekretär Stephan Manke informiert worden. 10. Wann genau wurde der Sachverhalt im Verfassungsschutz und wann in einer anderen Abteilung des Innenministeriums aktenkundig bzw. bekannt? Der niedersächsische Verfassungsschutz erhielt am 10.05.2019 und am 13.05.2019 Informationen zu dem Sachverhalt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 9 hingewiesen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4382 4 11. Anhand welcher Kriterien wurde wann und durch wen entschieden, über den Vorgang nicht im zuständigen Landtagsausschuss zu berichten? Eine erste Information über den Sachverhalt erging am 10.07.2019 auf schriftlichem Wege aus dem Ministerium für Inneres und Sport an Herrn Vorsitzenden des Ausschusses für Inneres und Sport Thomas Adasch (MdL) mit der Ankündigung, eine schriftliche Unterrichtung in 29. Kalenderwoche vorzunehmen. Am 11.07.2019 hat der Minister für Inneres und Sport den Herrn Vorsitzenden des Ausschusses für Inneres und Sport Thomas Adasch (MdL) angerufen und ihm angeboten, den Ausschuss am 12.07.2019 über den Sachverhalt zu unterrichten. Dieses Angebot hatte der Ausschussvorsitzende angenommen und zu einer Sitzung für den 12.07.2019 eingeladen. Der Entscheidung, den Ausschuss für Inneres und Sport nicht früher zu unterrichten, lag der Umstand zugrunde, dass nach den Gesamtumständen der Tat und des Sachverhalts ein schädigendes Ereignis nicht zu erwarten war. Gerade vor dem Hintergrund der auch aktuell noch andauernden Ermittlungen zum Diebstahl der Aktentasche und wegen der besonderen Sensibilität für den betroffenen Einsatzbereich im LKA wurde die Entwicklung insbesondere hinsichtlich eine möglichen Gefährdung von V-Personen intensiv beobachtet. Um einer etwaigen Gefahrenerhöhung durch zu frühzeitige Unterrichtung des Ausschusses und der Öffentlichkeit in dieser Phase keinen Vorschub zu leisten, wurde diese nach einer sorgfältigen Abwägung zunächst zurückgestellt. Dieser Entscheidung von Herrn Staatssekretär Manke lag die Empfehlung des Landespolizeipräsidiums und des Landeskriminalamts zugrunde, dass der Kreis der Informierten so klein wie möglich zu halten ist. Diese so begründete Entscheidung hat Herr Minister Pistorius zustimmend zur Kenntnis genommen . 12. Hält die Landesregierung an der Praxis fest, über vergleichbare Vorgänge auch zukünftig nicht in den zuständigen parlamentarischen Gremien zu unterrichten? Die Unterrichtungspflicht der Landesregierung ist in Artikel 25 der Niedersächsischen Verfassung (NV) geregelt. Danach ist die Landesregierung verpflichtet, über die Vorbereitung von Gesetzen sowie über Grundsatzfragen der Landesplanung, der Standortplanung und Durchführung von Großvorhaben frühzeitig und vollständig zu unterrichten. Das Gleiche gilt, soweit es um Gegenstände von grundsätzlicher Bedeutung geht, für die Vorbereitung von Verordnungen, für die Mitwirkung im Bundesrat sowie für die Zusammenarbeit mit dem Bund, den Ländern, anderen Staaten, der Europäischen Gemeinschaft und deren Organen. Diese in Artikel 25 NV genannten Gegenstände sind in dem hier vorliegenden Fall nicht betroffen, sodass keine Unterrichtungspflicht der Landesregierung bestand. Darüber hinaus steht eine Unterrichtung im Ermessen der Landesregierung. Die Landesregierung hält es über ihre gesetzliche Verpflichtung hinaus für geboten, die Ausschüsse des Landtages nach Abwägung der Folgen insbesondere einer eventuellen Gefahr für Dritte zu einem in der Sache gebotenen Zeitpunkt zu informieren. 13. Wann wird die Landesregierung dem Aktenvorlagebegehren des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zur Enttarnung eines V-Manns im November 2018 entsprechen? Aufgrund des erheblichen Aktenumfangs und des mit der Zusammenstellung und der erforderlichen Durchsicht sämtlicher Akten auf vertrauliche bzw. personenbezogene Angaben verbundenen Aufwands kann eine Vorlage der Akten nur sukzessive erfolgen. Mit einer ersten Tranche wurden Teile des Vorlagebegehrens bereits erfüllt, die noch ausstehenden Vorlagen werden schnellstmöglich erfolgen . (Verteilt am 22.08.2019) Drucksache 18/4382 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Diebstahl von Unterlagen aus Privat-Pkw eines Polizeivollzugsbeamten