Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/442 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Mehrfachregistrierung unbegleiteter minderjähriger Asylbewerber Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD), eingegangen am 29.01.2018 - Drs. 18/253 an die Staatskanzlei übersandt am 06.02.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 01.03.2018, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung des Abgeordneten Bei einer erkennungsdienstlichen Nacherfassung von unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern wurde in Baden Württemberg bei ca. 1 000 Untersuchungen festgestellt, dass 550 Asylbewerber bereits in der europäischen Datenbank „Eurodac“ erfasst worden sind. Somit müssten sie nach dem Dubliner Abkommen von den Staaten, in denen sie bereits registriert wurden, betreut werden. Vorbemerkung der Landesregierung Das Land Baden-Württemberg hat im Januar 2017 mit einem gemeinsamen Schreiben des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration und des Ministeriums für Soziales und Integration die Jugendämter unter Beteiligung der Ausländerbehörden um Mitteilung aller registrierten unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländer (umA) gebeten. Die mitgeteilten Personen wurden durch das Landeskriminalamt Baden-Württemberg auf deren erkennungsdienstliche Erfassung überprüft. Die nicht erfassten umA wurden über die Jugendämter durch die Ausländerbehörden im Zusammenwirken mit den zwölf regionalen Polizeipräsidien eingeladen und beginnend im März 2017 erkennungsdienstlich nacherfasst. Abschluss der konzertierten Nacherfassung war im September 2017. Über 550 der erkennungsdienstlich nacherfassten fast 1 000 umA waren bereits in EURODAC erfasst. EURODAC ist das europäische daktyloskopische System, mit dem Fingerabdrücke von Asylbewerbern und Asylbewerberinnen und illegalen Einwanderern und Einwanderinnen europaweit abgeglichen werden. Auch das Land Niedersachsen hat im Jahr 2017 eine Nacherfassung von umA initiiert. Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport hat in seiner Dienstbesprechung mit den Ausländerbehörden am 14.03.2017 die ausländerrechtliche Erfassung und Registrierung aller umA thematisiert . Es wurde herausgestellt, dass insbesondere aus Sicherheitsgründen eine zeitnahe Erfassung und - außer bei den unter 14-Jährigen - eine erkennungsdienstliche Behandlung dieses Personenkreises enorm wichtig sei. Um dies zu erreichen, sei eine gute Zusammenarbeit vonseiten der Jugendämter und der Ausländerbehörden zwingend erforderlich. Ergänzend haben das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung und das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport die Jugendämter und nachrichtlich die Ausländerbehörden mit Erlass vom 31.07.2017 umfassend über die Rechtslage und die notwendigen Handlungsschritte informiert und um weitere Veranlassung gebeten: „Aufgrund des Vorrangs des Kindes- und Jugendwohls werden umA nach § 42 b SGB VIII in einem eigenständigen Verfahren von dem hierfür zuständigen Landesjugendamt auf die Kommunen verteilt . Das Jugendamt vor Ort hat dabei die Ausländerbehörde über den Aufenthalt des Ausländers Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/442 2 zu informieren (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG -). Es wird insoweit verwiesen auch auf den Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 24.05.2016, mit dem den Kommunen Hinweise zu ausländer-, sozialleistungs- und verfahrensrechtlichen Zuständigkeiten für umA gegeben wurden. In der Praxis scheint es allerdings nicht immer gewährleistet zu sein, dass den Ausländerbehörden ausreichende Informationen über der Kommune zugewiesene umA vorliegen. Es hat - sowohl zum Schutz der Minderjährigen als auch aus grundsätzlichen Gründen - insgesamt hohe Priorität, dass alle umA von den Ausländerbehörden erfasst und registriert sind. Auch kommt der entsprechenden Sicherung, Feststellung und Überprüfung der Identität eine hohe Bedeutung zu. Den Ausländerbehörden obliegt - soweit nicht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aufgrund eines laufenden Asylantrages zuständig ist - die weitere ausländerrechtliche Bearbeitung. Eine erkennungsdienstliche Behandlung von asylsuchenden umA durch das BAMF erfolgt derzeit meist erst mit der Anhörung, da die Antragstellung bei umA schriftlich erfolgt und die Anhörung folglich in der Regel der erste Termin ist, zu dem umA persönlich in einer Außenstelle des BAMF erscheinen . Das BAMF beabsichtigt allerdings, die erkennungsdienstliche Behandlung von umA vorzuziehen , um früher Kenntnis über die Identität der umA zu haben, die einen Asylantrag stellen. Sofern umA keinen bzw. nicht sofort einen Asylantrag stellen, obliegt die Verantwortung für die Veranlassung der erkennungsdienstlichen Behandlung bei der Ausländerbehörde. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass mit dem Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht die grundsätzliche Verpflichtung der Jugendämter vorgesehen ist, für die von ihnen in Obhut genommenen umA umgehend von Amts wegen einen Asylantrag zu stellen, wenn internationaler Schutz in Betracht kommt. Als erkennungsdienstliche Maßnahmen sind gemäß § 49 Abs. 9 Satz 2 AufenthG Lichtbilder und die Abdrucke aller zehn Finger zugelassen; soweit die betreffende Person das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, dürfen nur Lichtbilder aufgenommen werden (§ 49 Abs. 9 Satz 3 AufenthG). Um sicher ausschließen zu können, dass sich in Niedersachsen noch umA und junge Volljährige, die Leistungen nach § 41 SGB VIII erhalten (ehemalige umA), befinden, die sich bereits seit einiger Zeit im Land aufhalten, aber noch nicht erkennungsdienstlich behandelt worden sind, wird um Ihre Unterstützung gebeten. Wir bitten darum, in Zusammenarbeit mit den Ausländerbehörden eine entsprechende Bestandsaufnahme bzw. einen Abgleich durchzuführen, damit ggf. erkennungsdienstliche Maßnahmen durch die Ausländerhörde veranlasst werden können. Sofern hierbei strukturelle Probleme grundsätzlicher Art in der Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde bestehen sollten, die nicht unmittelbar geklärt werden können, bitten wir um entsprechende Mitteilung.“ Strukturelle Probleme grundsätzlicher Art sind von keiner Kommune vorgetragen worden. Ausdrückliche Vollzugsmeldungen sind von 50 der insgesamt 52 kommunalen niedersächsischen Ausländerbehörden erfolgt. Eine Nacherfassung der umA war hierbei entweder bereits erfolgt oder wurde entsprechend veranlasst. Die Gesamtzahl der erkennungsdienstlich nacherfassten umA durch das BAMF bzw. die niedersächsischen Ausländerbehörden wurde nicht erfasst. Nach der Eurodac-Verordnung ist die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, jedem Asylbewerber und jeder Asylbewerberin, der mindestens 14 Jahre alt ist, umgehend die Fingerabdrücke aller Finger abzunehmen und dem Eurodac-System zu übermitteln. Die Zentraleinheit vergleicht sie mit den von anderen Mitgliedstaaten übermittelten und in der zentralen Datenbank bereits gespeicherten Daten. Ist der Antragsteller bereits durch einen anderen Mitgliedstaat im Eurodac-System erfasst worden, prüft das Bundesamt, ob die Bundesrepublik Deutschland nach der Dublin-III-VO für die Entscheidung über den Asylantrag zuständig ist. Eine weitere Übermittlung an das Eurodac-System erfolgt im Falle eines illegalen Grenzübertritts oder illegalen Aufenthalts und wenn die angetroffene Person mindestens 14 Jahre ist. Zusätzlich ist Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/442 3 es möglich, Fingerabdrücke mit dem Bestand der Eurodac-Datei zum Zwecke der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung (bei Vorliegen terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten) abzugleichen. Die im Rahmen der Asylverfahren durchgeführten Eurodac-Abfragen obliegen dem BAMF. Über deren Ergebnisse liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Das BAMF hat um Verständnis gebeten, dass kein Beitrag zur Verfügung gestellt werden könne, und darauf hingewiesen, dass es als Bundesbehörde nicht der parlamentarischen Kontrolle durch das Parlament des Landes Niedersachsen unterliege. Eine mögliche freiwillige Beantwortung sei dem BAMF aufgrund der sehr hohen Arbeitsbelastung gegenwärtig nicht möglich. 1. Hat in Niedersachsen eine entsprechende erkennungsdienstliche Nacherfassung von unbegleitet minderjährigen Asylbewerbern stattgefunden? Ja. Die erkennungsdienstliche Erfassung von unbegleiteten minderjährigen Asylbewerberinnen und Asylbewerbern obliegt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Des Weiteren wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 2. Wenn ja, welche Ergebnisse hat diese Nacherfassung ergeben? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 3. Wenn nein, plant das Land Niedersachsen eine entsprechende Nacherfassung unbegleiteter minderjähriger Asylbewerber? Entfällt. (Verteilt am 06.03.2018) Drucksache 18/442 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Mehrfachregistrierung unbegleiteter minderjähriger Asylbewerber