Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4426 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Imke Byl (GRÜNE) Antwort des Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Auf welcher Rechtsgrundlage will die Landesregierung die Stickoxidbelastung neu berechnen ? Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Imke Byl (GRÜNE), eingegangen am 23.07.2019 - Drs. 18/4242 an die Staatskanzlei übersandt am 29.07.2019 Antwort des Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 28.08.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Umweltminister Lies kündigte eine „Weiterentwicklung“ der Luftschadstoffmessungen in Niedersachsen an. Nachdem für Oldenburg bereits Modellrechnungen vorgelegt werden, sollen ähnliche Berechnungen auch für Hannover veröffentlicht werden. In einer Pressemeldung des Umweltministeriums heißt es: „Diese positioniert die Messpunkte für die NO2-Jahresbelastung zukünftig an die Wohnbebauungsfront . Nur in der Nähe der Wohnbebauung ist, wie rechtlich vorgeschrieben, von einem signifikanten Aufenthalt der Wohnbevölkerung im Vergleich zum Mittlungszeitraum des NO2-Jahresgrenzwertes auszugehen. Die dort ermittelten Werte sind maßgeblich für die Jahresbelastung.“ Im Juni 2019 stellte der Europäische Gerichtshof in einem Urteil zur Luftreinhaltung fest, dass bei der Schadstoffmessung schon einzelne Grenzwertüberschreitungen gegen EU-Recht verstoßen: „In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass die Richtlinie detaillierte Regelungen für die Einrichtung und die Standorte von Probenahmestellen zur Messung der Luftqualität in den Gebieten und Ballungsräumen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten enthält. Der Gerichtshof führt aus, dass einige dieser Regelungen klare, präzise und nicht an Bedingungen geknüpfte Verpflichtungen vorsehen, sodass sich Einzelpersonen gegenüber dem Staat auf sie berufen können. Dies gilt insbesondere für die Verpflichtung, Probenahmestellen so einzurichten, dass sie Informationen über die am stärksten belasteten Bereiche liefern sowie die Verpflichtung, eine Mindestzahl von Probenahmestellen einzurichten. (…) Daher stellt der Gerichtshof fest, dass bei der Beurteilung, ob die Mitgliedstaaten die Grenzwerte eingehalten haben, der an jeder einzelnen Probenahmestelle gemessene Verschmutzungsgrad entscheidend ist. Für die Feststellung, dass ein Grenzwert im Mittelungszeitraum eines Kalenderjahrs überschritten wurde, genügt es daher, wenn an nur einer Probenahmestelle ein über diesem Wert liegender Verschmutzungsgrad gemessen wird.“1 Vorbemerkung der Landesregierung Zum umfassenden Schutz des einzelnen Menschen vor dem Hintergrund einer individuell-gesundheitsbezogenen Zielrichtung ist es geboten, dort zu messen, wo sich die Menschen typischerweise über einen längeren Zeitraum aufhalten. In Niedersachsen betrifft dies in der Regel Wohngebäude, 1 Vgl. PM des EuGH vom 26.06.2019, https://curia.europa.eu/jcms/jcms/p1_2165990/de/ Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4426 2 die für die Ermittlung der Bereiche der höchsten NO2-Jahreskonzentrationen eines Gebiets oder Ballungsraums in den Blick zu nehmen sind. Die Weiterentwicklung der Luftschadstoffmessungen in Niedersachsen zielt darauf ab, neben ergänzenden Modellrechnungen auch Passivsammler an der Baufluchtlinie zur Ermittlung der NO2- Jahresbelastung innerhalb eines Straßenabschnitts aufzustellen, um besser abschätzen zu können , ob Fahrverbote erforderlich sein könnten. Das aktuelle Urteil des EuGH betrifft einen Fall, in welchem an mehreren Probenahmestellen innerhalb des Stadtgebiets von Brüssel gemessen und anschließend ein Mittelwert aus diesen verschiedenen Standorten gebildet wurde. Die Bewertung in Niedersachsen bezieht sich jeweils auf eine Probenahmestelle in einem Straßenabschnitt in den jeweils betroffenen Kommunen. Es ist unstreitig , dass es für die Feststellung der Überschreitung eines Grenzwertes im Mittelungszeitraum eines Kalenderjahrs genügt, wenn an nur einer Probenahmestelle ein über diesem Wert liegender Verschmutzungsgrad gemessen wird. 1. Sind die Luftmessstellen in Oldenburg und Hannover rechtskonform aufgestellt? Ja. 2. Wurden an den Messstellen in Oldenburg und Hannover in den letzten fünf Jahren jeweils Überschreitungen des Stickoxidgrenzwerts von 40 µg/m3 im Jahresmittel festgestellt ? In Hannover wurden in den zurückliegenden fünf Jahren an mehreren verkehrsnahen Probenahmestellen NO2-Messungen durchgeführt. An der Mehrzahl der Messpunkte sind NO2-Jahresmittelwerte von über 40 µg/m3 gemessen worden. In Oldenburg befand sich in dem Zeitraum ausschließlich eine Messstelle am Heiligengeistwall, die in den letzten fünf Jahren durchweg NO2-Jahresmittelwerte von über 40 µg/m3 gemessen hat. Für das Jahr 2018 sind auch NO2-Konzentrationsberechnungen mit dem Strömungs- und Ausbreitungsmodell MISKAM durchgeführt worden. Diese Berechnungen ergeben im Nahbereich der Wohnbebauung in Oldenburg im Heiligengeistwall und in Hannover in der Friedrich-Ebert-Straße und Göttinger Straße im Jahresmittel NO2-Konzentrationen unterhalb von 40 µg/m3. 3. Sollen die bestehenden Standorte der Luftmessstellen in Oldenburg und Hannover verändert werden? Derzeit ist im Rahmen der angestrebten Optimierung vorgesehen, die zusätzliche Einrichtung von Probenahmestellen zur Messung der NO2-Jahresbelastung mit Passivsammlern an der Baufluchtlinie ergänzend vorzunehmen. Dies ist in Oldenburg bereits geschehen. In Hannover sind zwei Standorte eingerichtet, zwei weitere sind noch offen. 4. Auf welcher Rechtsgrundlage kommt die Landesregierung zu folgender Einschätzung: „Nur in der Nähe der Wohnbebauung ist, wie rechtlich vorgeschrieben, von einem signifikanten Aufenthalt der Wohnbevölkerung im Vergleich zum Mittlungszeitraum des NO2-Jahresgrenzwertes auszugehen. Die dort ermittelten Werte sind maßgeblich für die Jahresbelastung“? Rechtsgrundlage ist Anlage 3 B. 1. a) erster Spiegelstrich der Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV). Dazu hat das BVerwG in einer Entscheidung, die einen Rechtsstreit zu einem straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren zum Gegenstand hatte (Urteil des BVerwG, Az. 9 A 19.11 vom 10.10.2012, Rn. 42), ausgeführt, dass die Grenzwerte dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienten und die Belastung des einzelnen Menschen relevant sei, sodass es auf dessen typische Aufenthaltsdauer ankäme. Daraus kann geschlussfolgert Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4426 3 werden, dass die Wohnbevölkerung im zu betrachtenden Straßenabschnitt die Bevölkerungsgruppe ist, die beim Jahresgrenzwert primär in Betracht zu ziehen ist. 5. Erkennt die Landesregierung das Urteil des Europäischen Gerichtshof an, in dem Folgendes festgestellt wurde: „Für die Feststellung, dass ein Grenzwert im Mittelungszeitraum eines Kalenderjahrs überschritten wurde, genügt es daher, wenn an nur einer Probenahmestelle ein über diesem Wert liegender Verschmutzungsgrad gemessen wird“? Ja, das Land Niedersachsen erkennt grundsätzlich Entscheidungen des EuGH an. 6. Wann sollen die angekündigten Modellrechnungen für Hannover vorgelegt werden? Eine veröffentlichungsfähige Modellrechnung wird im September vorliegen. (Verteilt am 29.08.2019) Drucksache 18/4426 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Imke Byl (GRÜNE) Antwort des Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Auf welcher Rechtsgrundlage will die Landesregierung die Stickoxidbelastung neu berechnen?