Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4459 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Imke Byl (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung EU geht gegen Mikroplastik durch Kunstrasenplätze vor: Wie viele Sportstätten sind betroffen , und wie will die Landesregierung die Kommunen unterstützen? Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Imke Byl (GRÜNE), eingegangen am 25.07.2019 - Drs. 18/4232 an die Staatskanzlei übersandt am 29.07.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 30.08.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Der Weser-Kurier berichtete am 10. Juli 20191: „Das von der Europäischen Union geplante Verbot von Kunstrasenplätzen mit Gummigranulat ab 2021 stellt viele Sportvereine in Bremen und Niedersachsen vor große Probleme. Die EU bereitet derzeit ein Gesetz vor, dass die Verwendung von bewusst zugefügtem Mikroplastik verbieten soll. Das hätte nicht nur drastische Konsequenzen für die Sportinfrastruktur in Bremen und Umgebung, sondern in der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Nach Angaben des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) wären bundesweit über 5 000 Plätze von einem Verbot betroffen, da auf diesen Flächen Gummigranulate verwendet werden. (…) Für Niedersachsen gibt es noch keine Einzelaufstellung der betroffenen Kunstrasenplätze. Klar ist aber: Setzt sich die EU mit dem Mikroplastik-Verbot durch, droht diesen Plätzen in zwei Jahren die Stilllegung. Möglich wäre auch eine Nachrüstung der Flächen, die allerdings extrem aufwendig und teuer wäre. Außerdem wären die Hersteller von Kunstrasenplätzen nicht in der Lage, bundesweit 5 000 Plätze in zwei Jahren von den Mikroplastiken zu befreien. (…) Anja Stahmann (Grüne), die als Bremer Sportsenatorin derzeit auch Vorsitzende der Sportministerkonferenz ist, hat die Problematik ‚Mikroplastik auf Kunstrasenplätzen‘ jetzt zur Chefsache erklärt. In einem Brief an die EU im Namen aller deutschen Sportminister, der dem Weser-Kurier vorliegt, begrüßt sie zwar grundsätzlich das Bestreben, das biologisch kaum abbaubare Mikroplastik in die Umwelt drastisch zu vermindern. Sie weist jedoch darauf hin, ‚dass sich ein derartig kurzfristiges Verbot von Granulaten auf Kunstrasenflächen ohne massive Folgen für den Sport nur bei Neuanlagen umsetzen lässt‘. Für Altanlagen sei deshalb eine Übergangsfrist erforderlich, wie sie die Europäische Chemikalienagentur auch für andere Produkte mit zugefügten Kunststoffen vorsehe. Im Gespräch ist demnach eine Sechs-Jahres-Frist, in der die Plätze entsprechend umgerüstet werden können und dann frei von den schädlichen Mikroplastiken wären. Die dafür benötigten Gelder müssten dann aus Sportfördermitteln bereitgestellt werden. Auch der DOSB und der DFB sprechen sich für solch eine Übergangsfrist aus. Ein sofortiges Verbot ab 2021 sei unverhältnismäßig, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. ‚Es würde zu hohen, unerwarteten Umstellungskosten und Mehrkosten für Vereine und Kommunen führen, wodurch dem gemeinwohlorientierten Sport Mittel entzogen würden‘, schreiben Deutschlands führende Sportverbände. Eine Beschränkung ohne Übergangsfristen würde das Breitensportangebot in Deutschland sehr negativ beeinflussen.“ 1 Weser-Kurier vom 10.07.2019, https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,- kunstrasenplatzverbot-bedroht-vereine-in-bremen-und-niedersachsen-_arid,1843857.html Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4459 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat einen Beschränkungsvorschlag veröffentlicht, in dem das Inverkehrbringen von „bewusst zugesetztem“ Mikroplastik verboten werden könnte. Nach diesem Vorschlag erfüllen verwendete Gummigranulate für Kunstrasen die Definition von absichtlich zugesetztem Mikroplastik und würden damit unter das Verbot des Inverkehrbringens nach Inkrafttreten der Beschränkung fallen. Der Beschränkungsvorschlag der ECHA vom 20.03.2019 befindet sich zurzeit in einem frühen Stadium und steht bis spätestens 20.09.2019 zur öffentlichen Konsultation. In diesem Zeitraum können Stellungnahmen, Kommentare, Daten und Fakten eingebracht werden. Die ECHA weist in der öffentlichen Konsultation auf den Informationsbedarf, insbesondere über die Auswirkungen der Beschränkung der Verwendung von Mikroplastik als Kunstrasenfüllmaterial auf die Gesellschaft, hin. Ob es zu einem Verbot des Inverkehrbringens oder anderweitigen Regulierungen kommt und in welchem Zeitraum diese inkrafttreten, ist zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Der formelle Ablauf des Beschränkungsverfahrens ist auf der Homepage der ECHA ausführlich dargestellt und unter folgendem Link abrufbar: https://echa.europa.eu/de/regulations/reach/restric tions/restriction-procedure. Die kommunalen Spitzenverbände, der organisierte Sport und die Sportministerkonferenz der Länder (SMK) haben sich bereits mit Stellungnahmen an die ECHA gewandt. Ziel ist u. a., das Bewusstsein zu schaffen, dass ein mögliches Verbot Auswirkungen auf den Sport- und Spielbetrieb in Deutschland haben würde und daher insbesondere Fragen des Bestandsschutzes und angemessener Übergangsfristen ausführlich geprüft werden müssten. Die ECHA hat mit Schreiben vom 25.07.2019 (veröffentlicht auf der Webseite der ECHA) sowie mit Schreiben vom 29.07.2019 an die Vorsitzende der SMK klargestellt, dass weder die ECHA noch die Europäische Kommission ein Verbot von Kunstrasenplätzen plant. Existierende Plätze wären nicht sofort vom Verbotsvorschlag betroffen. Der Spielbetrieb auf den betroffenen Plätzen könnte fortbestehen. Allerdings wäre deren Unterhalt vom Verbotsvorschlag betroffen, wenn die Bestände von bisherigem Füllmaterial aufgebraucht wären. Basierend auf den von verschiedenen Institutionen /Organisationen angeführten Argumenten wird von den wissenschaftlichen Ausschüssen der ECHA eine geeignete Übergangsfrist für den Unterhalt geprüft werden. Es wird auch geprüft, ob allenfalls technische Maßnahmen zur Vermeidung des Granulataustrags anstelle eines Verbots implementiert werden können. Davon unabhängig hat das Ministerium für Inneres und Sport entschieden, aus Mitteln der Finanzhilfe des Landes an den Landessportbund Niedersachsen e. V. (LSB) und aus dem 100-Millionen- Euro-Sportstättensanierungsprogramm bis auf Weiteres keine Förderungen von Kunststoffrasenplätzen mit besagtem Füllstoff vorzunehmen. Alternative Verfüllungen aus Sand oder Kork sind zu prüfen, insbesondere, um die Sportvereine und die Kommunen vor Fehlinvestitionen zu schützen. Im Rahmen des 100-Millionen-Euro-Sportstättensanierungsprogramms liegt der Förderschwerpunkt bei kommunalen Sportstätten auf Maßnahmen an Sporthallen (Turnhallen) und Hallenschwimmbädern . Der LSB ist am 27.05.2019 und am 24.06.2019 entsprechend informiert worden. Die Mitgliedsvereine und -organisationen des LSB wurden über den LSB-Newsletter, das LSB-Magazin (u. a. Ausgaben 08 und 09/2019), Rundschreiben und die Homepage (www.lsb-niedersachsen.de/sportstaet tenbau/mikroplastik/) des LSB informiert. Auch das Bundesinstitut für Sportwissenschaften und der Deutsche Olympische Sportbund haben in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden ein Faktenpapier „Füllstoffe in Kunststoffrasensysteme im Sport - Informationen und aktuelle Entwicklungen“ (Stand: 30.07.2019) entwickelt. Dieses Papier richtet sich an Eigentümer und Betreiber von Sportanlagen, insbesondere Kommunen und Sportvereine. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4459 3 1. Wie bewertet die Landesregierung das geplante Verbot von Kunstrasenplätzen mit Mikrogranulat ab 2021? Siehe Vorbemerkung. 2. Wie viele Kunstrasenplätze mit Kunststoffeinstreu gibt es in Niedersachsen (bitte je Landkreis aufführen)? Das Vorhalten und der Betrieb von Sportstätten ist eine Aufgabe im Rahmen der Daseinsvorsorge. Auf Grundlage der Niedersächsischen Kommunalverfassung stellen die Kommunen im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit die für die Einwohnerinnen und Einwohner erforderlichen sozialen, kulturellen , sportlichen und wirtschaftlichen öffentlichen Einrichtungen bereit. Aus diesem Grund liegt keine Statistik über die Anzahl von Kunstrasenplätzen vor. Eine aktuelle, kurzfristige Abfrage bei den niedersächsischen Kommunen, dem LSB und dem Niedersächsischen Fußballverband e. V. (NFV) hat Folgendes ergeben: Nach Rückmeldungen der Kommunen gibt es 143,5 Kunstrasenplätze im kommunalen Eigentum (inklusive Klein- bzw. Minispielfelder), von denen 96 mit Kunststoffeinstreu verfüllt sind. Im Verbandsgebiet des NFV befinden sich 193 Kunstrasenplätze im Spiel- und Trainingsbetrieb. Daneben nutzen die Mitgliedsvereine des NFV für den ergänzenden Trainings- und Freizeitspielbetrieb mehr als 100 Kunstrasen-Minispielfelder. Aufgrund nicht vollständig erfolgter Rückmeldungen der Kommunen sowie fehlender Kenntnisse über die jeweilige Art der Verfüllung sowie zu den Eigentumsverhältnissen sind die Angaben des NFV nicht vergleichbar mit den kommunalen Angaben. 3. Welcher Anteil der Kunstrasenplätze wird von Vereinen bzw. Kommunen betrieben (bitte je Landkreis aufführen)? Siehe Antwort zu Frage 2. 4. Welche Kosten würde eine Sanierung aller niedersächsischen Kunstrasenplätze infolge eines Verbots von Kunststoffgranulat verursachen? Siehe Vorbemerkung. 5. Hat die Landesregierung die Kommunen darüber informiert, dass die Europäische Union voraussichtlich ein Verbot von Kunstrasenplätzen mit Kunststoffeinstreu plant? Siehe Vorbemerkung. 6. Welche Berücksichtigung findet die Vermeidung von Kunststoff im Sportstättensanierungsprogramm der Landesregierung? Siehe Vorbemerkung. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4459 4 7. Ist es zutreffend, dass die Sanierung des Kunstrasenplatzes in Drochtersen/Assel (LK Stade) aufgrund der Verbotsperspektive und einer Intervention des Innenministeriums auf Eis gelegt wurde2? Falls ja, wie soll die Sanierung des Platzes nun umgesetzt werden, und gab es solche Interventionen auch hinsichtlich anderer Kunstrasenplätze? Nein, dies ist nicht zutreffend. Der Verein plant den Bau des Kunstrasenplatzes mit Kork als Füllstoff. Die Ausschreibung soll zeitnah erfolgen. 8. Fördert die Landesregierung weiterhin die Errichtung bzw. Sanierung von Kunstrasenplätzen mit Kunststoffeinstreu? Falls nein, welche Alternativen verfolgt die Landesregierung ? Im Rahmen des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes werden durch die Landesregierung auf Grundlage des Niedersächsischen Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes die zur Verfügung stehenden Bundesfördermittel auf die berechtigten, finanzschwachen Kommunen verteilt. Seit Beginn des Förderzeitraums sind keine Fördermittel aus diesem Budget in die Sanierung oder die Neuanlage von niedersächsischen Kunstrasenplätzen geflossen. Die Landesregierung wirkt im Rahmen der Abwicklung des Bundesförderprogrammes darauf hin, dass keine Förderung von Kunstrasenplätzen mit Kunststoffeinstreu erfolgt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 9. Werden Kommunen und Vereine generell sowie Antragstellerinnen des Sportstättensanierungsprogramms über Umweltfolgen von Kunstrasenplätzen mit Kunststoffeinstreu und mögliche Alternativen informiert? Siehe Vorbemerkung. 10. Welche Alternativen zu Kunststoffeinstreu sind in Niedersachsen bislang in welcher Form erprobt? In Deutschland und Niedersachsen sind im Wesentlichen Sand und Kork als kunststofffreie Füllstoffe im Einsatz. Darüber hinaus gibt es noch sogenannte „unverfüllte“ Systeme, die ohne Füllstoffe auskommen. Verschiedenste Hersteller haben zu allen drei Varianten Kunstrasensysteme im Angebot , die die Anforderungen der DIN und FIFA erfüllen. Die Systeme sind zum Teil schon seit vielen Jahren im Einsatz. Seit Ende 2012 ist beispielsweise ein mit Kork verfüllter Kunstrasen in Kloster Oesede in der Nutzung. Rein sandverfüllte Kunstrasenplätze sind in der Nutzung, seit es verfüllte Kunstrasensysteme gibt. „Unverfüllte“ Systeme sind in Deutschland noch nicht so verbreitet. In Niedersachsen befindet sich aber ein entsprechender Kunstrasenbelag seit Ende 2016 am Zentrum für Hochschulsport der Leibniz Universität Hannover. 11. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um Vorsorge für eine mögliche EU-Regulierung zum Einsatz von Kunststoffeinstreu zu treffen? Der Vorschlag der ECHA zur Beschränkung von absichtlich zugesetztem Mikroplastik in Produkten befindet sich zurzeit noch in der öffentlichen Konsultationsphase. Zu gegebenenfalls erforderlichen Maßnahmen kann aufgrund des frühen Stadiums des Beschränkungsvorschlags keine Aussage getroffen werden. 2 taz vom 18.07.2019, https://taz.de/Fussballplaetze-vor-der-Sperrung/!5607225/ (Verteilt am 02.09.2019) Drucksache 18/4459 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Imke Byl (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport EU geht gegen Mikroplastik durch Kunstrasenplätze vor: Wie viele Sportstätten sind betrof-fen, und wie will die Landesregierung die Kommunen unterstützen?