Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4463 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung „Diebe im Gesetz“ auch in Niedersachsen? Anfrage des Abgeordneten Belit Onay (GRÜNE), eingegangen am 01.08.2019 - Drs. 18/4295 an die Staatskanzlei übersandt am 06.08.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 30.08.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten Bereits im November 2018 berichtete Der Spiegel über ein Netzwerk „armenischer Mafiagruppen“ in Deutschland, die „Diebe im Gesetz“. Berichtet wurde in diesem Zusammenhang auch über ein gemeinsames Projekt des Bundeskriminalamts mit sechs Landeskriminalämtern zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Nach dem Spiegel-Bericht soll es auch in Niedersachsen (Göttingen) Aktivitäten gegeben haben, und zwar im Rahmen einer körperlichen Auseinandersetzung mehrerer Armenier. Zwischenzeitlich hat die Bundesregierung bestätigt, dass in Deutschland armenische Kriminelle aktiv sind, die der Organisierten Kriminalität zugerechnet werden. Es soll zu 14 Ermittlungsverfahren und Ermittlungsmaßnahmen gegen insgesamt 42 Personen gekommen sein. In der Vergangenheit gab es in Niedersachsen bereits beim Landgericht Lüneburg ein Strafverfahren gegen sechs Männer einer russisch-georgischen Mafia. Vorbemerkung der Landesregierung Die Bekämpfung der Russisch-Eurasischen Kriminalität (REOK) bildet seit Jahren einen Schwerpunkt in der OK-Bekämpfung der niedersächsischen Polizei. Auf Basis der 2013 in einer Bund- Länder-Projektgruppe (BLPG) unter Beteiligung des LKA Niedersachsen erstellten Rahmenkonzeption zur Bekämpfung der Russisch-Eurasischen Kriminalität, welche mit Erlass vom 12.05.2014 für Niedersachsen verbindlich umgesetzt wurde, wird diesem Phänomenbereich in der Kriminalitätsbekämpfung konsequent begegnet. Darüber hinaus besteht im Rahmen des Informationsaustauschs u. a. zu REOK-Strukturen in niedersächsischen Justizvollzugseinrichtungen eine enge Zusammenarbeit zwischen Justiz und Polizei. Aufgrund anhaltender politischer und wirtschaftlicher Spannungen in der Russischen Föderation sowie einigen Ländern der ehemaligen Sowjetunion sind die Sicherheitsbehörden auch weiterhin mit kriminellen Aktivitäten aus dem Bereich der REOK befasst und strategisch dahin gehend ausgerichtet. 1. War das Landeskriminalamt Niedersachsen an der gemeinsamen Bund-/Länder-Projektgruppe zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität der armenischen Mafia beteiligt ? Das LKA Niedersachsen war kein unmittelbarer Teilnehmer dieses Projektes, sondern mittelbar bei Erkenntnisanfragen und im Erfahrungsaustausch einbezogen. Die Anfragen wurden durch die zuständige Fachabteilung des LKA Niedersachsen beantwortet. Darüber hinaus gab es wegen vermuteter Bezüge Besprechungen mit Teilnehmern aus Niedersachsen, aus denen sich jedoch keine Ermittlungsansätze für Niedersachsen ergaben. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4463 2 2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über armenische oder russisch-georgische oder sonstige eurasische Mafiagruppen oder Einzelpersonen in Niedersachen, die der Organisierten Kriminalität zuzurechnen sind? Wie in den Vorbemerkungen dargelegt, gehört die Bekämpfung der Russisch-Eurasischen Organisierten Kriminalität zu den Schwerpunkten der OK-Bekämpfung in Niedersachsen. Im Zuge der Umsetzung der eingangs erwähnten Rahmenkonzeption zur Bekämpfung der Russisch-Eurasischen Kriminalität werden alle OK-Strukturen erfasst, welche von Personen dominiert werden, die in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion geboren wurden und eine entsprechende Prägung erfahren haben. Dazu gehören auch OK-Strukturen, welche von Personen beherrscht werden, die außerhalb eines Nachfolgestaates der ehemaligen Sowjetunion geboren wurden, sich aber aufgrund ihrer Kultur, Geschichte, Sprache, Traditionen oder Vorfahren als Angehörige einer Volksgruppe eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion betrachten. In Westeuropa auftretende russisch-eurasische Mafiagruppierungen sind oftmals nach den Regeln der sogenannten Diebe im Gesetz organisiert. Es handelt sich hierbei um eine mafiaähnliche kriminelle Organisationsstruktur mit eigenem Wertesystem, die ihren Anfang in sibirischen Straflagern nahm. Sowohl armenische als auch russisch-georgische und andere eurasische Gruppierungen sind in Niedersachsen aktiv. Diese nehmen jedoch in der polizeilichen Hellfeldbilanz bislang keine übergeordnete Rolle ein. In Niedersachsen lebende armenische Tatverdächtige traten beispielsweise vereinzelt mit der Verbreitung von Falschgeld in Erscheinung. Zahlreicher traten georgische Staatsangehörige in Erscheinung; deliktisch fielen sie insbesondere bei der Begehung von Ladendiebstählen auf. Nach intensiver Betrachtung wurde hierbei deutlich, dass die hier aktiven Tatverdächtigen in Gruppierungen organisiert waren, die den Dieben im Gesetz zuzurechnen sind. In dem zwischen 2015 und 2018 vor dem Landgericht Lüneburg geführten Verfahren gegen sechs Mitglieder der Russischen Organisierten Kriminalität wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung wurden die Urteile inzwischen gesprochen. Es wurden Haftstrafen zwischen 1,5 und 8 Jahren verhängt . Zum Teil haben die Angeklagten Rechtsmittel gegen die Urteile eingelegt. Der Hauptangeklagte (Dieb im Gesetz) hat nach Abschluss der Verhandlungen die Bundesrepublik Deutschland nach Südeuropa dauerhaft verlassen. Hinweise auf herausragende Einzelpersonen in Niedersachsen liegen der Landesregierung aktuell nicht vor. 3. Werden aktuell in Niedersachsen weitere Ermittlungen bezogen auf den o. g. Täterkreis durchgeführt? Fragen zu laufenden Verfahren der schweren oder Organisierten Kriminalität können in öffentlich zugänglichen Drucksachen grundsätzlich nicht beantwortet werden, da durch die Beantwortung der Anfrage dem Wohl des Landes Nachteile zugefügt und schutzwürdige Interessen Dritter verletzt würden (Artikel 24 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung). Aussagen, die Rückschlüsse auf Ermittlungen in Bereichen der schweren oder Organisierten Kriminalität zulassen, könnten den Erfolg sicherheitsbehördlicher Maßnahmen erheblich gefährden. Auch Angaben über das Nichtdurchführen entsprechender Ermittlungen würden den Schluss auf das Vorliegen anderer Fälle zulassen. Dies würde einen Nachteil für eine wirksame Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden und damit für die Interessen des Landes Niedersachsen bedeuten. 4. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über entsprechende mafiöse Strukturen in den Justizvollzugsanstalten des Landes Niedersachsen? Gefangene, die der Organisierten Kriminalität (OK) zuzuordnen sind, stehen in den Justizvollzugseinrichtungen des Landes Niedersachsen unter verstärkter Beobachtung der jeweiligen Fachbereiche Sicherheit. Dies gilt insbesondere für Gefangene, bei denen Hinweise zur Zugehörigkeit zur sogenannten Russisch-Eurasischen Organisierten Kriminalität (REOK) vorliegen. Es liegen Erkenntnisse vor, dass diese Gefangenen in den Justizvollzugseinrichtungen subkulturell aktiv und Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4463 3 strukturiert-hierarchisch organisiert sind. Sie agieren anstaltsübergreifend und verfügen über ein schwer zu dechiffrierendes Kommunikations- sowie über ein weitreichendes Informationssystem. Aus diesen Gründen wurde ein Konzept zur Einführung und Umsetzung eines in den Justizvollzugseinrichtungen einheitlichen und standardisierten Informationsmanagements erarbeitet. Im Ergebnis wurde im Jahr 2014 die Zentrale Informationsstelle für Banden- und Organisierte Kriminalität (ZIBOK) eingerichtet. Aufgabe dieser landesweit zuständigen Fachabteilung ist es, die im Rahmen des Informationsmanagements durch die Justizvollzugseinrichtungen erkannten und erfassten Kontakt- und Kommunikationsstrukturen der Zielgruppengefangenen zentralisiert zu systematisieren, zu untersuchen und auszuwerten. Die Analyseergebnisse bieten einen Ansatz zum Erkennen übergreifender Zusammenhänge und sicherheitsgefährdender Aktivitäten, die in der Folge konkret aufgehellt und durch die Anordnung von Maßnahmen eingedämmt werden sollen. Mit Stand vom 13.08.2019 sind im niedersächsischen Justizvollzug 63 Gefangene als OK-relevant eingestuft, davon liegen bei 35 Gefangenen Hinweise vor, dass sie der Russisch-Eurasischen Organisierten Kriminalität angehören. Eine weitergehende Differenzierung nach „armenisch“ oder „georgisch“ wird nicht vorgenommen. (Verteilt am ) (Verteilt am 03.09.2019) Drucksache 18/4463 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport „Diebe im Gesetz“ auch in Niedersachsen?