Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4515 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Björn Försterling, Dr. Stefan Birkner und Susanne Viktoria Schütz (FDP) Antwort des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung „Drohung statt Debatte“ - Diskurs in der Pflegekammer nicht erwünscht? Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Björn Försterling, Dr. Stefan Birkner und Susanne Viktoria Schütz (FDP), eingegangen am 01.08.2019 - Drs. 18/4292 an die Staatskanzlei übersandt am 06.08.2019 Antwort des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 05.09.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Nach Presseangaben steht die Pflegekammer seit Monaten, u. a. wegen der Zwangsmitgliedschaft und der Zwangsabgabe, in der Kritik. Erst Ende Juli fand eine Demonstration in Göttingen statt (Göttinger Tageblatt, 28.07.2019). Am 29.07.2019 berichtet der Bundesverband für freie Kammern (bffk) e. V. auf seiner Homepage, dass das Kammermitglied Axel B. ein Schreiben von der Kanzlei Dr. Rüping und Partner mbB erhalten habe. Die Kanzlei gibt in diesem Schreiben an, dass sie die Vertretung der Pflegekammer Niedersachsen übernommen habe. Anlass für das Schreiben der Kanzlei an das Kammermitglied Axel B. sei der Umstand, dass Axel B. auf seiner Facebook-Seite aus einem nicht öffentlichen Protokoll des Kammerausschusses „Pflege- und Gesundheitspolitische Angelegenheiten“ aus dem April 2019 zitiert habe. In dem Schreiben wird Herr B. auf die Verschwiegenheitspflichten im Pflegekammergesetz (§ 12 Abs. 3 PflegeKG) hingewiesen und ihm mitgeteilt, dass die Kammerpräsidentin , Frau Sandra Mehmecke, „jegliche Äußerungen über Angelegenheiten, die Mitglieder ihrer Organe im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit erfahren haben, zur Kenntnis nimmt und auf einen möglichen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht“ hin überprüfe (https://www. bffk.de/aktuel les/drohung-statt-debatte-meinungsbildung-in-der-pflegekammer-niedersachsen. html? fbclid=IwAR 1X4MEaS_WQuX1MIYkFKJEhjL95w1UUj5JJM-BDm6IhLcYvcIdQ-4BRI-8). Herr B. wird laut bffk „in keiner Weise konkret zur Unterlassung irgendwelcher Äußerungen aufgefordert . Die Anwaltspost ist also nichts weiter als ein aus Mitgliedsbeiträgen finanzierter Versuch plumper Einschüchterung. Gleichzeitig demaskiert sich die Pflegekammer völlig. Mit der schlichten Normalität einer konstruktiven, lebhaften und vielfältigen Debatte sind die Kammerfunktionäre völlig überfordert“ (https://www.bffk.de/aktuelles/drohung-statt-debatte-meinungsbildung-in-der-pflegekam mer-niedersachsen.html?fbclid=IwAR1X4MEaS_WQuX1MIYkFKJEhjL95w1UUj5JJM-BDm6IhLcY vcIdQ-4BRI-8). Herr B. hatte in seinem Facebook-Beitrag einen Satz aus dem Protokoll zitiert, der besagt, dass seine Mitarbeit im Ausschuss zu dem betreffenden Thema nicht nötig sei (Facebook-Seite Axel B.). Vorbemerkung der Landesregierung In § 12 Abs. 3 des Kammergesetzes für die Heilberufe in der Pflege (PflegeKG) ist die Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder der Organe der Pflegekammer geregelt. Im Rahmen der Landtagsberatungen wurde eine Formulierung gewählt, bei der es sich um eine auch in anderen Rechtsgebieten - beispielsweise im Niedersächsischen Architektengesetz oder im Niedersächsischen Kommu- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4515 2 nalverfassungsgesetz - auffindbare generelle Regelung handelt, die durch Rechtsprechung und Rechtsanwendung ausreichend definiert ist (vgl. Drs. 17/7110). Unbestrittener Zweck der Regelungen in den vorgenannten Rechtsgebieten ist, dass bestimmte Themen während des Prozesses der internen Meinungsbildung noch nicht offenbart werden müssen oder sollen. 1. Welche genauen Sachverhalte sind nach § 12 Abs. 3 PflegeKG geheim? Nach § 12 Abs. 3 PflegeKG unterliegen der Verschwiegenheitspflicht alle Angelegenheiten, die den Mitgliedern der Organe im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit bekannt geworden sind. Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht gelten nach § 12 Abs. 3 Satz 3 PflegeKG nur für Mitteilungen im dienstlichen Verkehr oder über Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Letztere sind beispielsweise solche, bei denen erkennbar kein öffentliches oder privates Interesse an der Geheimhaltung besteht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 84, Rn. 4 ff.). Nach § 3 Abs. 4 der Geschäftsordnung der Kammerversammlung gilt die Verschwiegenheitspflicht darüber hinaus nicht für Angelegenheiten, die in einer Sitzung der Kammerversammlung öffentlich beraten wurden. 2. Wer definiert, welche Sachverhalte unter 12 Abs. 3 PflegeKG fallen? Von den Regelungen des § 12 Abs. 3 PflegeKG sind alle Sachverhalte erfasst, die ein Organmitglied im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit erfährt. Einer zusätzlichen Definition bedarf es deshalb nicht. 3. Wie eng ist die Geheimhaltung gefasst, umfasst die Geheimhaltung beispielsweise als Mitglied in den Gremien auch die Präsidentin? Da die jetzige Präsidentin Mitglied der Kammerversammlung und des Vorstands, somit der Organe der Pflegekammer, ist, gilt die Verschwiegenheitspflicht des § 12 Abs. 3 PflegeKG auch für sie. 4. Fällt nach Ansicht der Landesregierung dieser Sachverhalt unter § 12 Abs. 3 PflegeKG? Bei der Niederschrift einer Sitzung eines Ausschusses der Kammerversammlung handelt es sich um eine Angelegenheit, die dem betroffenen Mitglied der Kammerversammlung im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bekannt geworden ist. Es handelt sich somit um einen Sachverhalt, der von § 12 Abs. 3 PflegeKG erfasst ist. 5. Welche Sanktionen sieht das Pflegekammergesetz bei Verstoß vor? Das PflegeKG enthält keine Vorschrift, die regelt, welche Folgen eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht des § 12 Abs. 3 Satz 1 PflegeKG hat. 6. Wurde die rechtliche Vertretung der Kammer ausgeschrieben? Ja. 7. Handelt es sich um eine generelle juristische Beratung/Vertretung der Kammer durch die betreffende Kanzlei oder nur um den konkreten Einzelfall? Die Beauftragung der Kanzlei im konkreten Fall erfolgte nach Angaben der Pflegekammer im Rahmen der kontinuierlichen Beratung und Vertretung in verwaltungsrechtlichen Fragen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4515 3 8. Ist vor der externen Beratung um Einschätzung durch die Fachaufsicht (MS) gebeten worden? Die Pflegekammer untersteht der Rechts- und nicht der Fachaufsicht. 9. Welche Kosten sind durch die Beauftragung der Kanzlei in diesem Fall entstanden? Nach Angaben der Pflegekammer wurde von der Kanzlei für ihre Tätigkeit im beschriebenen Fall ein Betrag von 53,55 Euro in Rechnung gestellt. 10. Hält die Landesregierung das Vorgehen der Kammer in diesem Fall für richtig? Gemäß § 37 Abs. 1 PflegeKG hat das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung im Rahmen der Rechtsaufsicht darüber zu wachen, dass die Pflegekammer ihre Tätigkeit im Einklang mit den gesetzlichen und satzungsrechtlichen Vorschriften ausübt, somit auch darüber, dass sie die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht durch die Mitglieder ihrer Organe sicherstellt. Im beschriebenen Fall hat ein Mitglied der Kammerversammlung Inhalte der Niederschrift einer Sitzung eines Ausschusses auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht. Es handelt sich dabei um eine Angelegenheit, die ihm im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bekannt geworden ist und über die es deshalb Verschwiegenheit zu wahren hat. Bei der Veröffentlichung auf einer Facebook-Seite handelt es sich nicht um eine Mitteilung im dienstlichen Verkehr. Die Inhalte einer nicht öffentlichen Ausschusssitzung sind keine offenkundigen Tatsachen. Nach Auffassung der Pflegekammer handelt es sich bei dem veröffentlichten Inhalt um eine Tatsache, die ihrer Bedeutung nach der Geheimhaltung bedarf. Somit greife keine der in § 12 Abs. 3 Satz 3 PflegeKG normierten Ausnahmeregelungen. Aus diesem Grund habe die Pflegekammer das betroffene Mitglied der Kammerversammlung zur Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht aufgefordert. Dies ist aus rechtsaufsichtlicher Sicht nicht zu beanstanden. (Verteilt am ) (Verteilt am 09.09.2019) Drucksache 18/4515 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Björn Försterling, Dr. Stefan Birkner und Susanne Viktoria Schütz (FDP) Antwort des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung „Drohung statt Debatte“ - Diskurs in der Pflegekammer nicht erwünscht?