Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4547 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Anja Piel und Meta Janssen-Kucz (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Welche Pflegepersonalschlüssel gelten im Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen? Anfrage der Abgeordneten Anja Piel und Meta Janssen-Kucz (GRÜNE), eingegangen am 01.08.2019 - Drs. 18/4297 an die Staatskanzlei übersandt am 06.08.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 09.09.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten In einem offenen Brief vom 6. Mai 2019 an die Landesregierung und mehrere Mitglieder des Landtages weisen die Beschäftigten des AMEOS Klinikums Osnabrück auf die nach ihrer Aussage angespannte Pflegepersonalsituation im Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen (MRVZN) hin. Diese sei maßgeblich auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zum Einsatz von Zwangsmaßnahmen zurückzuführen und führe u. a. dazu, dass weniger Lockerungsmaßnahmen durchgeführt werden können. Auch Anzahl und Intensität von Übergriffe auf Beschäftigte hätten in den letzten Jahren zugenommen. Zusammenfassend stellen die Beschäftigten fest, dass die 2005/2006 im Beleihungsakt festgelegten Personalvorgaben nicht mehr zeitgemäß seien. Vorbemerkung der Landesregierung Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) werden in Niedersachsen an insgesamt zehn Standorten vollzogen. Dabei befinden sich die Einrichtungen in Moringen (einschließlich der Außenstelle Göttingen), Bad Rehburg und Brauel in der Trägerschaft des Landes Niedersachsen und sind zum Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen (MRVZN) zusammengefasst. Die Einrichtungen in Göttingen, Hildesheim, Königslutter, Lüneburg, Osnabrück, Wehnen und Wunstorf sind in Häusern von Krankenhausträgern untergebracht, die vom Land Niedersachsen mit der Durchführung des Maßregelvollzugs beliehen worden sind. Während im MRVZN ausschließlich Landesbedienstete tätig sind, sind die beliehenen Träger verpflichtet , das vom Land bereitgestellte Personal durch eigenes Personal des beliehenen Trägers aufzustocken. Der Brief der 70 Beschäftigten des Maßregelvollzugs im AMEOS Klinikum Osnabrück vom 30. April 2019 wurde sowohl von den dort tätigen Landesbediensteten als auch den Beschäftigten des beliehenen Krankenhausträgers unterzeichnet. Der Brief bezieht sich auf die Situation in der Forensik beim beliehenen Träger AMEOS Osnabrück. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4547 2 1. Wie bewertet die Landesregierung die Ausführungen der Beschäftigten des AMEOS Klinikum Osnabrück insbesondere im Hinblick auf die durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes veränderten Anforderungen an den Einsatz von Zwangsmaßnahmen insgesamt? Es ist zutreffend, dass sich die Situation durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes verändert hat: Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes im Jahr 2011, der eine Zwangsbehandlung nur in Ausnahmefällen und unter Beachtung strenger Anforderungen zulässt, hat die Zeitdauer bis zum Beginn einer medikamentösen Zwangsbehandlung deutlich verlängert. Es dauert i. d. R. mehrere Monate, bis mit der Behandlung der Anlasserkrankung begonnen werden kann. Solange müssen die krankheitsbedingt teilweise hoch aggressiven Patientinnen und Patienten mit hohem Personaleinsatz deeskaliert und in großer Zahl in den besonders gesicherten Bereichen untergebracht werden . 2. Welche Auswirkungen hat die erwähnte Personalsituation im MRVZN für die Beschäftigten ? Die aktuelle Personalsituation verstärkt die Belastungen aufseiten der Beschäftigten und erschwert die Akquise neuer, zusätzlicher Fachkräfte. Erschwerend kommt hinzu, dass sich in Pendelentfernung zum AMEOS Klinikum Osnabrück zwei nordrhein-westfälische Maßregelvollzugs-Kliniken befinden (Münster, Rheine), die nach TVöD vergüten . 3. Welche Auswirkungen hat die erwähnte Personalsituation im MRVZN für die Patientinnen und Patienten? Die aktuelle Belastungssituation aufseiten des Personals spiegelt sich in der Stimmung auf den Stationen wider und erschwert es in Einzelfällen, eine gute Therapiemotivation mit den Patientinnen und Patienten zu entwickeln. Dies führt u. a. zu einer Verstärkung des Aggressionspotenzials bei den Patientinnen und Patienten. 4. Welche Personalvorgaben sind in den jeweiligen Beleihungsakten für die einzelnen Standorte des MRVZN vorgesehen? Für die therapeutischen Berufsgruppen im Maßregelvollzug sind in den Beleihungsakten die folgenden Personalschlüssel festgelegt worden: Ärztlich-psychologischer Dienst 1 : 11,21 Patientinnen und Patienten, Krankenpflege-/Erziehungsdienst mit dreijähriger Ausbildung 1 : 1,79 Patientinnen und Patienten, mit einjähriger Ausbildung 1 : 7,16 Patientinnen und Patienten, Sozialdienst 1 : 25 Patientinnen und Patienten, Funktionsdienst 1 : 22,98 Patientinnen und Patienten. Der Personalbedarf errechnet sich auf der Grundlage der tatsächlichen Belegung in einer Maßregelvollzugseinrichtung . Der beliehene Träger darf maximal elf Vollzeitkräfte der Landesbediensteten auf die von ihm zu erbringende Personalausstattung anrechnen. Die vertragliche Verpflichtung der Beleihung gilt als erfüllt, wenn mindestens 90 % des sich aus dem Personalschlüssel ergebenden Personalbedarfs vorgehalten wird. Für den Personalbedarf des MRVZN werden die Personalschlüssel der beliehenen Träger analog angewendet. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4547 3 5. Halten die Einrichtungsträger die in den Beleihungsakten festgelegten Personalvorgaben regelmäßig ein? Meist wird die 90-Prozent-Quote von den beliehenen Trägern eingehalten. Allerdings ist es auch wiederholt zu einer Unterschreitung dieser Quote gekommen. Davon war bisher schon einmal jeder beliehene Träger betroffen. Die Personalquote in den Einrichtungen des MRVZN liegt über 100 %. 6. Wie kontrolliert die Landesregierung die Einhaltung der Personalvorgaben durch die Einrichtungsträger? Die beliehenen Träger sind verpflichtet, monatlich eine Meldung zur Belegungs- und Personalentwicklung im dortigen Maßregelvollzug an das Ministerium zu übersenden. Hierbei sind zu melden: die im zurückliegenden Monat angefallenen Berechnungstage, die Ist-Belegung und die Ist-Personalausstattung . 7. Hält die Landesregierung die Personalvorgaben in den Beleihungsakten aus den Jahren 2005/2006 noch für zeitgemäß? Die Personalvorgaben aus den Beleihungsakten 2005/2006 werden u. a. aufgrund der in Frage 1 geschilderten Entwicklungen derzeit intensiv geprüft und sollen sukzessive im Rahmen der Weiterentwicklung im Maßregelvollzug angepasst werden. 8. Hat sich die Anzahl und die Intensität von Angriffen gegen Beschäftigte im MRVZN in den letzten zwei Jahren im Vergleich zu den Vorjahren verändert? Während sich die Anzahl der Übergriffe von Patientinnen und Patienten auf Beschäftigte in den letzten Jahren auf einem etwa gleichbleibenden Niveau bewegt (ca. 40 Fälle pro Jahr), ist die Intensität der einzelnen Fälle spürbar angestiegen, sodass die betroffenen Beschäftigten in der Folge häufiger und länger arbeitsunfähig sind (im Jahr 2017 gab es acht Arbeitsunfähigkeitsmeldungen länger als drei Tage aufgrund von Übergriffen, im Jahr 2018 waren es 14, im Jahr 2019 bislang zehn). 9. Liegen der Landesregierung auch von den anderen Standorten des MRVZN Hinweise vor, dass die in den Beleihungsakten festgelegten Personalstandards nicht mehr zeitgemäß sind? Siehe Antwort zu Frage 7. 10. Wie viele zusätzliche Stellen im Pflegedienst des MRVZN sind nach Einschätzung der Landesregierung notwendig, um eine angemessene Versorgung der Patientinnen und Patienten sowie die Sicherheit der Beschäftigten sicherzustellen? Im ersten Schritt sind in den Haushaltsplanentwurf für den Haushalt 2020 zusätzliche Finanzmittel für weitere 25 Stellen aufgenommen worden. Parallel zur Weiterentwicklung des Maßregelvollzugs wird ein weiterer Stellenausbau neben den besonders gesicherten Bereichen auch in den therapeutischen und ärztlichen Bereichen geprüft. 11. Welche weiteren Maßnahmen sind nach Einschätzung der Landesregierung notwendig, um die Sicherheit der Beschäftigten im MRVZN zu gewährleisten? Die bauliche Ausstattung muss den geänderten therapeutischen Anforderungen und Bedarfen der Patientinnen und Patienten im Maßregelvollzug angepasst werden. Neben einem Ausbau der Plät- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4547 4 ze in den besonders gesicherten Bereichen werden insbesondere deutlich mehr Räume zur Krisenintervention bei Patientinnen und Patienten mit aggressivem Verhalten benötigt. 12. In welcher Gehaltsstufe des TV-L sind Pflegekräfte im MRVZN eingruppiert? Pflegekräfte, die als Landesbedienstete im MRVZN und bei den beliehenen Trägern eingesetzt sind, werden wie folgt eingruppiert: – Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pfleger mit entsprechender Tätigkeit sind in Entgeltgruppe KR 7 a, Fallgruppe 4, Teil IV, Abschnitt 1.6 der Entgeltordnung zum TV-L eingruppiert . – Gesundheits- und Krankenpflegehelferinnen und -helfer mit entsprechender Tätigkeit sind in Entgeltgruppe KR 4 a, Fallgruppe 2, Teil IV, Abschnitt 1.6 der Entgeltordnung zum TV-L eingruppiert . – Pflegehelferinnen und -helfer mit entsprechender Tätigkeit sind in Entgeltgruppe KR 3 a, Teil IV, Abschnitt 1.6 der Entgeltordnung zum TV-L eingruppiert. – Des Weiteren werden Fachkräfte für psychiatrische Pflege beschäftigt. Sie sind in Entgeltgruppe KR 9 a, Fallgruppe 2 b, Teil IV, Abschnitt 1.6 der Entgeltordnung zum TV-L eingruppiert. – Die pflegerische Stationsleitungen sind je nach Unterstellungsverhältnis von Entgeltgruppe KR 9 c, Fallgruppe 2 bis Entgeltgruppe KR 9 b, Fallgruppe 2, Teil IV, Abschnitt 1.2 der Entgeltordnung zum TV-L eingruppiert. Die stellvertretenden Stationsleitungen sind je nach Unterstellungsverhältnis von Entgeltgruppe KR 9 b, Fallgruppe 3 bis Entgeltgruppe KR 8 a, Fallgruppe 2, Teil IV, Abschnitt 1.2 der Entgeltordnung zum TV-L eingruppiert. – Die pflegerische Funktionsbereichsleitungen sind je nach Unterstellungsverhältnis von Entgeltgruppe KR 10 a bis Entgeltgruppe KR 9 c, Fallgruppe 1, Teil IV, Abschnitt 1.2 der Entgeltordnung zum TV-L eingruppiert. – Die Pflegedienstleitungen sind je nach Unterstellungsverhältnis von Entgeltgruppe KR 10 a, Fallgruppe 1, bis Entgeltgruppe KR 9 c, Fallgruppe 1, Teil IV, Abschnitt 1.1 der Entgeltordnung zum TV-L eingruppiert. Pflegekräfte, die bei den beliehenen Trägern angestellt sind, werden nach den Haustarifen der beliehenen Träger oder nach TVöD vergütet. (Verteilt am 11.09.2019) Drucksache 18/4547 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Anja Piel und Meta Janssen-Kucz (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales Gesundheit und Gleichstellung Welche Pflegepersonalschlüssel gelten im Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen?