Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/458 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Belit Onay, Dragos Pancescu und Christian Meyer (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Zurückholung eines Abgeschobenen Anfrage der Abgeordneten Belit Onay, Dragos Pancescu und Christian Meyer (GRÜNE), eingegangen am 05.02.2018 - Drs. 18/265 an die Staatskanzlei übersandt am 07.02.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 06.03.2018, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung der Abgeordneten Laut einer Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Hannover vom 29.12.2017 wurde dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 8 000 Euro auferlegt, einen Mann aus Simbabwe zurückholen, der bisher im Landkreis Schaumburg gelebt habe und Ende Oktober 2017 nach Simbabwe abgeschoben worden sei. Nachdem das BAMF dessen Asylantrag Ende Mai 2017 als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt und seine Abschiebung nach Simbabwe angeordnet habe, habe der von dem Asylbewerber beim Verwaltungsgericht gestellte Eilantrag gegen die sofortige Vollziehung der Abschiebungsanordnung zunächst keinen Erfolg gehabt. Daraufhin habe der beigeladene Landkreis Schaumburg als für die Durchführung der Abschiebung zuständige Ausländerbehörde die Abschiebung des Asylbewerbers in die Wege geleitet und ihn zunächst nach Addis Abeba (Äthiopien) ausfliegen lassen. Von dort aus habe der Asylbewerber bei dem Verwaltungsgericht am 24.10.2017 einen Abänderungsantrag bezüglich seines im Juli 2017 abgelehnten Eilantrages gestellt und in dem Zusammenhang weitere Unterlagen vorgelegt, die seine politische Verfolgung in seinem Herkunftsland belegen sollten. Die 10. Kammer habe diesem Abänderungsantrag mit Beschluss vom selben Tage stattgegeben, indem sie nunmehr die aufschiebende Wirkung der vom Asylbewerber gegen die Abschiebungsanordnung in dem Ablehnungsbescheid des BAMF erhobenen Klage anordnete. Das Gericht habe hierüber auch noch am selben Tag das BAMF informiert. Da das BAMF gleichwohl daran festgehalten habe, den Asylbewerber von Addis Abeba aus weiter nach Simbabwe verbringen zu lassen, habe die 10. Kammer mit weiterem Beschluss vom 26.10.2017, am selben Tag an den Beigeladenen um 12:06 Uhr und an das BAMF um 12:20 Uhr gesandt, die Aufhebung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung angeordnet. Den darauf am 26.10.2017,13:31 Uhr, gestellten Antrag des BAMF auf Abänderung des Beschlusses vom 24.10.2017 habe die Kammer mit Beschluss wiederum vom 26.10.2017, an den Beigeladenen und die Antragsgegnerin um 14:56 Uhr gesandt, abgelehnt . Zu der Zeit habe sich der Asylbewerber weiterhin auf dem Flughafen in Addis Abeba befunden . Nach Angaben des Asylbewerbers habe die Deutsche Botschaft in Addis Abeba den Beschluss ebenfalls erhalten, aber das äthiopische Migrationsbüro gleichwohl gebeten, den Asylbewerber nach Simbabwe weiterbefördern zu lassen, was auch geschehen sei. Am 27.10.2017 habe der Asylbewerber bei Gericht den Antrag gestellt, das BAMF zu verpflichten, seine Abschiebung rückgängig zu machen. Die 10. Kammer habe diesen Antrag im Rahmen der mündlichen Verhandlung als Antrag auf Vollstreckung ihres Beschlusses vom 26.10.2017 interpretiert . Bereits aus diesem Beschluss habe sich für das BAMF die Verpflichtung ergeben, die vollzogene Abschiebung rückgängig zu machen. Das BAMF habe den Handlungsbefehl in dem Beschluss der Kammer vom 26.10.2017, die Vollziehung der Abschiebung einzustellen, missachtet. Der Beschluss bekunde hinreichend deutlich die Handlungsverpflichtung, die gegenüber dem Asyl- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/458 2 bewerber eingeleitete Abschiebung rückgängig zu machen. Das BAMF habe deshalb bereits am 26.10.2017 die Verpflichtung gehabt, den Asylbewerber, als der sich noch auf dem Flughafen Addis Abeba befand, wieder nach Deutschland zurückzuholen. Dem BAMF sei zumindest im Zusammenwirken mit der beigeladenen Ausländerbehörde die Rückholung des Asylbewerbers aus Simbabwe (oder Südafrika) auch möglich. Der Einwand des Beigeladenen, dem Vollzugsanspruch des Asylbewerbers stehe entgegen, dass sein Asylbegehren in der Hauptsache keinen Erfolg haben werde und es deshalb der Vollzugsfolgenbeseitigung nicht bedürfe, sei nicht überzeugend. Von Verfassungs wegen (Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, Artikel 6 Abs. 1 EMRK) müsse dem Asylbewerber die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung des Gerichts über sein Asylbegehren möglich sein, solange nicht (mehr) ein Fall des § 36 Abs. 1 AsylG (Unzulässigkeit oder offensichtliche Unbegründetheit des Asylbegehrens) vorliege und er damit nicht vor Abschluss des gerichtlichen Verfahrens ausreisepflichtig sei. Das Ergebnis einer solchen Verhandlung sei derzeit nicht absehbar. Die Androhung eines Zwangsgeldes als notwendige Verfahrensstufe nach § 172 Satz 1 VwGO erkläre sich aus Rücksichtnahme auf die besondere Person des Vollstreckungsschuldners sowie aus der im Rechtsstaat berechtigten Erwartung, zu weiteren Stufen des Vollstreckungsverfahrens werde es nicht kommen, weil eine Behörde als Vollstreckungsschuldner ihren gesetzlichen Verpflichtungen auch ohne weitere Zwangsmaßnahmen nachkommen werde. Die Höhe der Zwangsgeldandrohung werde als erforderlich und angemessen angesehen, um gegenüber dem BAMF den notwendigen Beugedruck zu erzeugen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover sei unanfechtbar. 1. Inwieweit war die Landesregierung in diesen Vorgang eingebunden, verantwortlich oder auch nur informationell? Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens war die negative asylrechtliche Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 30.05.2017, mit welcher der Antrag des Betreffenden auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, der Asylanerkennung und der Anerkennung auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet abgelehnt und ihm die Abschiebung angedroht worden war. Den dagegen gerichteten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht Hannover mit Beschluss vom 26.07.2017 abgelehnt. In diesem verwaltungsgerichtlichen Verfahren war das BAMF ebenso die allein beklagte Partei wie in dem wieder aufgenommenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren, das mit der Aufforderung an das BAMF, den Antragsteller nach Deutschland zurückzuholen, beendet wurde. Die Landesregierung war in diese Verfahren nicht eingebunden. Das Innenministerium hat erst am 27.10.2017 Kenntnis von diesem Vorgang erhalten. Eine Handlungsoption bestand wegen fehlender Zuständigkeit für die Landesregierung nicht. 2. Welche Verantwortlichkeiten bestanden in diesem Fall beim Landkreis Schaumburg? Die örtlichen Ausländerbehörden wenden das Aufenthaltsgesetz im übertragenen Wirkungskreis in eigener Zuständigkeit an. Sie sind dabei gemäß § 42 des Asylgesetzes (AsylG) an die Entscheidungen des BAMF gebunden. Im Fall einer negativen Asylentscheidung des BAMF vollziehen die Ausländerbörden also die Entscheidung der Bundesbehörde. Eine eigene Entscheidungskompetenz besitzen sie in diesen Fällen nicht. Vielmehr besteht für die Ausländerbehörden eine gesetzliche Verpflichtung, ausreispflichtige Personen abzuschieben, wenn diese ihrer gesetzlichen und vom BAMF verfügten Ausreiseverpflichtung nicht innerhalb der vorgegebenen Frist nachkommen. Die Ausländerbehörde des Landkreises Schaumburg war demnach gemäß § 58 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gesetzlich verpflichtet, die Abschiebung des Betreffenden einzuleiten, da dieser der vom BAMF am 30.05.2017 erlassenen und vom Verwaltungsgericht Hannover am 26.07.2017 bestätigten Ausreiseaufforderung, die mit einer Abschiebungsandrohung einhergegangen ist, nicht freiwillig gefolgt war. Die Einleitung der Abschiebung am 19.09.2017 durch die Ausländerbehörde und die vom zuständigen Landeskriminalamt Niedersachsen auf den 23.10.2017 terminierte Flugbuchung auf der Route Frankfurt/Main–Addis Abeba–Harare waren rechtmäßig. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/458 3 Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover vom 24.10.2017, in Abänderung des Beschlusses vom 26.07.2017 die aufschiebende Wirkung der Klage des Betreffenden gegen die negative Entscheidung des BAMF wiederherzustellen, erging also während der bereits laufenden Abschiebungsmaßnahme . Mit Beschluss vom 26.10.2017 hat das Verwaltungsgericht Hannover die Aufhebung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung angeordnet. Nachdem das Verwaltungsgerichts Hannover mit Entscheidung vom 22.12.2017 das BAMF verpflichtet hatte, den Antragsteller nach Deutschland zurückzuholen, um ihm die Teilnahme an der Hauptverhandlung seiner Klage gegen das BAMF zu ermöglichen, war seine Einreise im Visumverfahren zu organisieren. In diesem Verfahren wurde von der zuständigen Ausländerbehörde des Landkreises Schaumburg die ausländerrechtlich vorgesehene Zustimmung für die Erteilung des Visums zur Einreise nach Deutschland gegeben. 3. Wie viele Abschiebungen sind in den letzten fünf Jahren aus Niedersachsen nach Simbabwe erfolgt (bitte jeweils angeben, ob die Abschiebung über Äthiopien erfolgte)? In den vergangenen fünf Jahren gab es neben dem der Fragestellung zugrunde liegenden Fall lediglich im Jahr 2017 eine weitere Abschiebung einer vollziehbar ausreisepflichtigen Person nach Simbabwe. Die Rückführung erfolgte auch in diesem Fall mit Zwischenlandung in Äthiopien. (Verteilt am 15.03.2018) Drucksache 18/458 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Belit Onay, Dragos Pancescu und Christian Meyer (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Zurückholung eines Abgeschobenen