Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4584 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Detlev Schulz-Hendel und Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung Flughafen Hannover - Betriebsgenehmigung 2020 Anfrage der Abgeordneten Detlev Schulz-Hendel und Belit Onay (GRÜNE), eingegangen am 08.08.2019 - Drs. 18/4330 an die Staatskanzlei übersandt am 13.08.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung vom 12.09.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Der Flughafen Hannover-Langenhagen erhielt im Jahr 1952 seine Betriebsgenehmigung. Diese Genehmigung schloss auch nächtliche Flüge mit ein. Seither wurde der Nachtflug im Rahmen befristeter Regelungen eingeschränkt. Die letzte Erlaubnis aus dem Jahr 2009 läuft Ende dieses Jahres aus. Die Landesregierung hat für die Anschlussregelung von 2020 an einen neuen Vorschlag entwickelt. Vorgesehen sei u. a., dass die Genehmigung künftig nicht mehr wie bisher befristet sei, sondern eine unbefristete Erlaubnis erteilt werden solle. Darin enthalten soll auch ein Verbot „besonders laute(r) Maschinen“ sein (Rundblick 12.06.2019). Für seinen Vorschlag erntet Verkehrsminister Bernd Althusmann Kritik: Bürgerinitiativen betroffener Anwohnerinnen und Anwohner und die betroffenen Kommunen sind mit den Plänen der Landesregierung nicht einverstanden. So fordert die Bürgerinitiative „Besser ohne Nachtflug“ ein Nachtflugverbot und mehr Engagement von der Landesregierung für die Nachtruhe der Anwohnerinnen und Einwohner. Auch die Stadt Garbsen fordert den Verkehrsminister in ihren Beschlüssen vom 26.06.2019 auf, keine Flugzeuge mehr zwischen 24 und 6 Uhr fliegen zu lassen. Ferner stimmt Garbsen einer Entfristung der Geltungsdauer nicht zu und fordert stattdessen eine verkürzte Frist von fünf statt von wie bisher zehn Jahren. Unterdessen stellten die Umweltministerinnen und -minister und Umweltsenatorinnen und -senatoren der Länder in ihrem Beschluss zur 92. Umweltministerkonferenz im Mai 2019 in Hamburg fest, „dass die Belange des Umwelt- und Gesundheitsschutzes einschließlich des Lärmschutzes im Luftverkehrskonzept des BMVI entgegen dem Beschluss der 81. UMK (TOP 14) nicht angemessen berücksichtigt und die Belastungen durch den Luftverkehr nicht deutlich vermindert wurden“ (Ergebnisprotokoll vom 11.06.2019). Sie fordern den Bund auf, für mehr Fluglärmschutz zu sorgen, indem u. a. gesetzliche Regelungen für verbindliche Kapazitätsbegrenzungen geschaffen werden - „z. B. über Lärmkontingente mit einer entsprechenden Dynamisierungsklausel in Bezug auf den zu erwartenden technischen Fortschritt bei der Lärmminderungstechnik“. Gleichzeitig hat Flughafenchef Raoul Hille in Hannover angekündigt, den Frachtbereich in Hannover ausbauen zu wollen (NDR 05.01.2019). Noch in diesem Herbst soll das chinesische Staatsunternehmen China Post seine Europazentrale am Standort Langenhagen nach einigen Verzögerungen in Betrieb nehmen. Vorbemerkung der Landesregierung Der Flughafen Hannover-Langenhagen stellt mit seiner Konnektivität den für die Wirtschaft sowie für die Bevölkerung wichtigen Anschluss an internationale Märkte sowie Destinationen in der ganzen Welt sicher. Ferner ist der Flughafen Hannover-Langenhagen mit seinen unmittelbaren Nachbarbetrieben eine der größten Arbeitsstätten in der Region Hannover. Nach der neuesten vollständigen Arbeitsstät- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4584 2 tenerhebung gab es im Jahr 2017 auf dem Gelände 158 Betriebe mit insgesamt 10 391 Mitarbeitern . Allein in der Region Hannover hängen über 19 500 Arbeitsplätze vom Flughafen Hannover- Langenhagen ab. Der wirtschaftliche Erfolg des Flughafens hängt maßgeblich insbesondere auch von der Möglichkeit zu An- und Abflügen zur Nachtzeit ab. Wirtschaftliche Untersuchungen zeigen, dass ca. 28 % des Umsatzes der Flughafengesellschaft auf der Möglichkeit zu Nachtflügen begründet sind. Ein generelles Nachtflugverbot würde dazu führen, dass der Flughafen Hannover- Langenhagen nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könnte. Dieses geht aus der neuesten Studie „Hannover Airport ein zentraler Wirtschafts- und Standortfaktor für die Region“, durchgeführt von Prof. Dr. Lothar Hübl, hervor. Die aktuell geltenden Betriebsbeschränkungen für den Flughafen Hannover-Langenhagen, die insbesondere die derzeit gültige Nachtflugregelung enthalten, sind durch das Ministerium für Wirtschaft , Arbeit, Verkehr und Digitalisierung (MW) im Jahr 2009 erlassen worden und noch bis zum 31.12.2019 gültig. Rechtlich betrachtet sind sie in Form eines Teilwiderrufs der unbeschränkten Betriebsgenehmigung des Flughafens aus dem Jahr 1952 ausgestaltet. Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Anwohnerinnen und Anwohner des Flughafens hatte das MW diese Betriebsgenehmigung bis jetzt letztmalig 2009 auf Antrag des Flughafens eingeschränkt und für die Nachtzeit (23:00 bis 05:59 Uhr) vor allem besonders laute Flugzeugmuster und bestimmte Verkehrsarten ausgeschlossen - sogenannter aktiver Lärmschutz, da Lärm an der Quelle verringert wird. Als zuständige oberste Luftverkehrsbehörde ist MW derzeit damit befasst, eine Folgeregelung, die Betriebsbeschränkungen auch über den 31.12.2019 hinaus vorsieht, zu erarbeiten. Zweck dieses Vorhabens ist es, den Gesundheitsschutz für die von Fluglärm betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner auch nach Auslaufen der bisherigen Regelung für die Zukunft bei der Beibehaltung des Nachtflugbetriebs uneingeschränkt zu gewährleisten. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass jede Einschränkung der Betriebsgenehmigung des Flughafens Hannover nur auf Basis einer gesetzlichen Rechtsgrundlage möglich ist. Nur wenn die gesetzlichen Voraussetzungen (insbesondere: Fluglärm, der unter Umständen gesundheitsgefährdende Ausmaße erreicht) für eine Einschränkung der Betriebserlaubnis des Flughafens bejaht werden können, hat MW die rechtliche Handhabe zu einer Beschränkung. Hierbei ist stets eine Abwägung zwischen den rechtlich ebenso geschützten Interessen des Flughafens und dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung vorzunehmen. Dieses wiederum darf allein in verhältnismäßiger Weise erfolgen. Aufgrund des Vorliegens einer bestandskräftigen Betriebsgenehmigung der Flughafengesellschaft aus dem Jahr 1952, die Nachtflüge ohne wirksame Beschränkungen zulässt, kann abweichend von der Vorbemerkungen der Abgeordneten nicht davon gesprochen werden, dass MW Nachtflüge „genehmige“. Vielmehr dient das aktuelle Verwaltungsverfahren gerade dem gegenteiligen Effekt, die Betriebsgenehmigung im Rahmen des rechtlichen Möglichen einzuschränken. Mit dem nun vorgesehenen Weg einer erstmaligen unbefristeten und damit dauerhaften Einschränkung der Betriebserlaubnis greift MW sehr viel stärker in die Gewerbefreiheit der Flughafengesellschaft ein, als dies unter den bisherigen befristeten Betriebsbeschränkungen der Fall war. Dies wird aus Gründen des Gesundheitsschutzes aber dennoch für erforderlich gehalten. Ein weiterer Grund für die vorgesehene Entfristung ist, dass das bisher gewählte Vorgehen von befristeten Betriebseinschränkungen von fünf bzw. zehn Jahren Dauer im Gesetz keinen Anknüpfungspunkt findet . Dieses fordert die Aufsichtsbehörden (auch bereits jetzt) vielmehr zu einer kontinuierlichen Überwachung auf, ob bestehende Regelungen dem Gesundheitsschutz zu jedem Zeitpunkt genügen . MW war und ist es ein besonderes Anliegen, im Rahmen dieses Verfahrens nicht zuletzt wegen der Bedeutung der Thematik für die Anwohnerinnen und Anwohner vor Ort sowie zur Gewährleistung der Teilhabe der kommunalen Gremien und Entscheidungsträger insbesondere den Vertretern der Anrainerkommunen Gelegenheit zu geben, sich ausführlich mit den geplanten Regelungen auseinanderzusetzen , die jeweiligen örtlichen Interessenlagen der Bürgerinnen und Bürger zu bündeln und als Stellungnahme gegenüber MW in das Verfahren einzubringen. Vor diesem Hintergrund hat MW neben dem gesetzlich vorgesehenen Beteiligungsverfahren auch ein umfangreiches und freiwilliges Beteiligungsverfahren unter Einbeziehung verschiedenster Institutionen durchgeführt. Dies erfolgt auch vor dem Hintergrund einer größtmöglichen Transparenz und Akzeptanz einer künftigen Regelung. Beteiligt worden sind u. a. alle für den Luftverkehr relevanten Verbände, Institutionen mit Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4584 3 Lärmbezug (Fluglärmschutzkommission, Fluglärmschutzbeauftragter, Bundesvereinigung gegen Fluglärm e. V.) sowie weitere Institutionen (u. a. Deutsche Flugsicherung, fachlich berührte niedersächsische Ministerien). Die im Rahmen dieses Verfahrens eingegangenen und hinsichtlich ihrer fachlichen Einschätzungen sehr unterschiedlichen Stellungnahmen werden derzeit ausgewertet. Hiernach sowie der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung weiterer Institutionen und Behörden auch auf Bundesebene wird eine Folgeregelung sodann von MW erlassen werden. Diese wird, wie bereits im niedersächsischen Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD angelegt, einen Interessenausgleich zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Flughafens und der auf seine Nutzung angewiesenen Unternehmen sowie dem Lärmschutz der Anwohner treffen müssen. Dabei sind auch die bundespolitischen Vorgaben des Luftverkehrskonzepts des BMVI zu beachten, die den Flughafen Hannover-Langenhagen aufgrund seines 24-Stunden-Betriebs als im „bundespolitischen Interesse“ stehend erklärt haben. Daher ist ein generelles Nachtflugverbot weder tatsächlich geboten noch rechtlich umsetzbar. 1. Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es, ein Nachtflugverbot für den Flughafen Hannover a) im Rahmen der Betriebsgenehmigung aus dem Jahr 1952 und/oder b) im Rahmen einer Betriebsbeschränkung zu erwirken? Aufgrund des im Rahmen der Vorbemerkung bereits darstellten rechtlichen Rahmens ist der Erlass von Betriebsbeschränkungen nur möglich, soweit hierfür eine Rechtsgrundlage gegeben ist. Eine solche findet sich allein in § 6 Abs. 2 Sätze 3 und 4 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG). Dieser ermöglicht den Erlass betriebsbeschränkender Maßnahmen, soweit diese zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich sind. Teil der öffentlichen Sicherheit ist die Gewährleistung eines ausreichenden Gesundheitsschutzes (Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes). Dieser wird jedoch bereits durch die seit 2009 geltenden Betriebsbeschränkungen vollumfänglich gewährleistet. Der einseitige Erlass von über dieses Niveau hinausgehenden Beschränkungen ist auf gesetzlicher Grundlage daher nicht möglich. 2. Welche Folgen würden sich aus Sicht der Landesregierung aus einem Nachtflugverbot ergeben? Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 3. In welcher Weise sind die Erkenntnisse aus der Lärmwirkungsforschung und dem lärmmedizinischen Gutachten, das zum letzten Ausbau des Flughafens erstellt worden war, umgesetzt worden? Die Formulierung der Frage („umgesetzt worden“) legt nahe, dass die Fragesteller Auskünfte zu bereits geltenden Regelungen erbitten. Die derzeit gültigen Betriebsbeschränkungen für den Flughafen Hannover-Langenhagen aus dem Jahr 2009 basieren im Wesentlichen auf der Zielrichtung, durch den Ausschluss bestimmter, besonders lauter Flugzeugtypen sowie bestimmter Flugzwecke, die nicht auf eine Durchführung zur Nachtzeit angewiesen sind, ein Lärmniveau zu erreichen, das unterhalb der Vorsorgewerte des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (FluglärmG) verbleibt. Dessen Festlegungen wiederum basieren auf den maßgeblichen Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung . Soweit darüber hinaus nach Erkenntnissen aus dem lärmmedizinischen Gutachten, das zum letzten Ausbau des Flughafens erstellt worden ist, gefragt wird, haben sich aus diesem keine gesonderten Handlungsbedarfe zur Sicherstellung eines weitergehenden Gesundheitsschutzes ergeben. Im Rahmen des seinerzeitigen Verfahrens zum Ausbau des Westbereichs des Flughafens waren eine Schalluntersuchung zum Gewerbelärm des damals geplanten Sondergebiets sowie eine Schalluntersuchung zur Bodenlärmsituation bei Rollvorgängen eingeholt worden. Deren Ergebnisse sind von der Planfeststellungsbehörde im Rahmen ihrer Abwägung berücksichtigt worden. Der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Hannover vom 16.02.1999 zum Ausbau Westbe- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4584 4 reich enthielt jedoch mit nachvollziehbarer Begründung keinerlei Auflagen oder Beschränkungen im Hinblick auf Nachtflüge und stellte fest, dass nach den Ergebnissen der schalltechnischen Untersuchung sowie den fluglärmtechnischen und fluglärmmedizinischen Gutachten durch den Ausbau im Westbereich des Flughafens Hannover-Langenhagen keine wesentlichen oder medizinisch relevanten Lärm-immissionen gegenüber einem Zustand ohne Ausbau zu erwarten wären. Dieses Ergebnis hat sich auch in der Folge bestätigt. 4. In welcher Weise und mit welchen Maßnahmen unterstützt die Landesregierung die Umweltministerkonferenz und ihren Beschluss aus 05/2019 zur Stärkung des Lärmschutzes ? Das Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (MU) hat dem zitierten Beschluss der Umweltministerkonferenz und den vorherigen Forderungen nach mehr Beteiligung der Umweltseite im „Luftverkehrskonzept für Deutschland“ TOP 14 der 81. UMK, TOP 25 der 83. UMK und TOP 40 der 85. UMK sowie dem TOP 32 der 89. UMK „Bericht zum Fluglärmgesetz - Bundesländer beteiligen “ jeweils zugestimmt. Das MU wirkt zudem in den jeweiligen Fachgremien auf Bund/Länderebene daran mit, eine sachgerechte Neufassung des Fluglärmgesetzes zeitnah zu verabschieden. 5. In welcher Weise ist es möglich, sollte das Land kein Nachtflugverbot für die Zeit zwischen 24 und 6 Uhr erwirken, in dieser Zeit nur den Flugverkehr von Flugzeugen zuzulassen , die unter die Lärmkategorien 1 bis 6 der HAJ-Flughafenentgeltregelung 2019 fallen und die Bedingungen von ICAO Annex 16 Kapitel 4 erfüllen (Lärmzulassungsvorschriften der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation)? Aus den Ausführungen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen in der Vorbemerkung sowie zu Frage 1 folgt, dass Einschränkungen der Nachtflugmöglichkeiten, die über die aktuell geltenden Beschränkungen aus dem Jahr 2009 hinausgehen, aus rechtlichen Gründen einseitig nicht verfügt werden können. Denn bereits die aktuell geltenden Betriebsbeschränkungen führen zur Einhaltung der Vorsorgewerte des FluglärmG. Werden diese Vorsorgewerte eingehalten, kann nicht vom Vorliegen eines gesundheitsschädlichen Lärmniveaus ausgegangen werden. Die an den vorhandenen neun Messpunkten im Umfeld des Flughafens Hannover-Langenhagen durchgängig erhobenen Lärmmessdaten werden vom Fluglärmschutzbeauftragten des MW für den Flughafen Hannover-Langenhagen kontinuierlich ausgewertet, von MU geprüft und für die Öffentlichkeit bereitgestellt. Die umfangreichen Jahresberichte des Fluglärmschutzbeauftragten sind bis einschließlich 2018 unter https://www.mw.niedersachsen.de/startseite/themen/verkehr/luftverkehr/ fluglaerm/fluglaermschutzbeauftragte/fluglaermschutzbeauftragter_fur_den_flughafen_hannover_ langenhagen/fluglaermschutzbeauftragter-fuer-den-flughafen-hannover-langenhagen-113947.html abrufbar. Über die gesetzlichen Möglichkeiten hinaus hat MW in Verhandlungen mit der Flughafengesellschaft (FHG) jedoch eine Lösung erzielt, woraufhin die FHG im Rahmen des laufenden Verwaltungsverfahrens im März dieses Jahres einen Antrag gestellt hat, der eine Verschärfung der bisher geltenden Lärmgrenzwerte vorsieht. Aufgrund dessen würde bereits auf Grundlage des zur Beteiligung gestellten Entwurfs für eine Neuregelung der Betriebsbeschränkungen ab dem 01.01.2020 für Passagierflüge zur Nachtzeit ein den Vorgaben der ICAO, Anhang 16, Kapitel 4 vergleichbares Niveau eingeführt werden. Eine Bezugnahme auf die Entgeltregelung der Flughafen Hannover-Langenhagen GmbH würde aus mehreren Gründen keinen tauglichen Anknüpfungspunkt darstellen. Zum einen handelt es sich hierbei um eine Regelung, die von der Flughafengesellschaft selbst entworfen worden ist und von ihr fortentwickelt werden kann, ohne dass dies von MW im Rahmen des rechtlich Möglichen in der für Lärmschutzzwecke erforderlichen Detailtiefe beeinflusst werden könnte. Würde zur Vermeidung dieses Nachteils demgegenüber starr auf die Entgeltregelung aus dem Jahr 2019 Bezug genommen , schlösse dies die Nachtflugmöglichkeiten neuer Flugzeugmuster aus, die in dieser Fassung der Entgeltregelung noch nicht enthalten sind. Dies wiederum würde das Ziel einer nicht zuletzt aus Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4584 5 Lärmschutzgründen gerade erwünschten, möglichst schnellen Einführung neuer und damit leiserer Flugzeugmuster konterkarieren. Bei der Neufassung der Betriebsbeschränkungen für den Flughafen Hannover-Langenhagen handelt es sich zudem um ein derzeit noch laufendes Verwaltungsverfahren. Ein abschließendes Ergebnis liegt noch nicht vor. 6. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, einen stärkeren finanziellen Anreiz für leise Flugzeugtypen zu schaffen, indem das Start- und Landegeld deutlicher als bisher vom Höchststartgewicht des Flugzeugs, der Lärmkategorie, der Lande- und Abflugzeit und der Frachtmenge abhängig gemacht wird? Im Rahmen von Betriebsbeschränkungen nach § 6 Abs. 2 LuftVG können derartige Regelungen nicht getroffen werden - vergleiche hierzu auch die Darstellungen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen in der Vorbemerkung sowie der Antwort zu Frage 1. Theoretisch denkbar wäre allein eine Berücksichtigung im Rahmen der Entgeltordnung der Flughafen Hannover-Langenhagen GmbH. Insoweit ist jedoch festzuhalten, dass nur der Flughafenbetreiber nach dem Luftverkehrsgesetz die Start- und Landegebühren bestimmen kann. Die Gebühren stellen den Kernbereich der unternehmerischen Verantwortung - und damit auch Freiheit - dar, die grundgesetzlich vor Eingriffen Dritter geschützt ist. Die Entgelte werden von MW lediglich genehmigt und nicht gestaltend festgesetzt. Es fehlt damit eine Rechtsgrundlage für die vorgeschlagenen Anordnungen seitens MW. Denn die aktuelle Entgeltordnung des Flughafens Hannover-Langenhagen mit ihren Differenzierungen nach Lärmklassen des verwendeten Fluggeräts und Einsatzzeiten setzt die insoweit maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben des § 19 Abs. 1 LuftVG vollständig um. 7. In welcher Weise wird die Landesregierung der Forderung betroffener Anwohnerinnen und Anwohner und Kommunen nachkommen, auch die künftigen Betriebsbeschränkungen des Flughafens Hannover in regelmäßigen Abständen von zehn bzw. fünf Jahren an die technischen Entwicklungen der Luftfahrttechnik anzupassen? Die Neufassung der Betriebsbeschränkung dient der Umsetzung des gesetzlichen Auftrags zur Gewährleistung eines ausreichenden Gesundheitsschutzes gemäß § 6 Abs. 2 Sätze 2 und 3 LuftVG. Hieraus ergibt sich eine kontinuierliche und dauerhafte Pflicht zum Erlass betriebsbeschränkender Maßnahmen, soweit diese erforderlich sind oder zukünftig werden. Insoweit stehen MW auch nach einer Entfristung sachgerechte Überprüfungs- und gegebenenfalls Verschärfungsmöglichkeiten für künftige Betriebsbeschränkungen zur Verfügung. Eine Befristung würde zudem suggerieren, es gäbe Überprüfungspflichten allein zum Ende der jeweiligen Laufzeit, was - wie dargelegt - gerade nicht der Fall ist. Bei weiterhin turnusmäßigen Überprüfungen (z. B. nach Fünf- oder Zehn-Jahres-Fristen) stünde aus Sicht der Anwohnerinnen und Anwohner zudem zu befürchten, dass (insbesondere aufgrund der Entwicklung zu immer leiserem Fluggerät) hinter die jetzigen Beschränkungen zurückgefallen werden müsste, da die (dann unter Umständen gesunkenen) Lärmpegel derart strenge Betriebsbeschränkungen nicht mehr rechtfertigen. Technische Entwicklungen in der Luftfahrttechnik allein stellen vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtslage zudem keinen gesetzlich anerkannten Grund zur Anpassung von Betriebsbeschränkungen dar. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4584 6 8. Welche konkreten Folgen für den Nachtflugverkehr und die Fluglärmbelastungen der Anwohnerinnen und Anwohner haben die Ausbaupläne des Flughafenchefs bzw. die Inbetriebnahme der Europazentrale des chinesischen Staatsunternehmens China Post vor dem Hintergrund, dass laut NDR der Flughafen Hannover der einzige Flughafen in Norddeutschland sei, der rund um die Uhr angeflogen werden kann und bei dem 80 Starts und Landungen pro Stunde auf den drei Landebahnen möglich sind? Unabhängig von dem theoretisch zweifellos großen wirtschaftlichen Potenzial, das die Aufnahme eines regelmäßigen Frachtflugverkehrs für die China Post für die Frachtentwicklung am Flughafen Hannover-Langenhagen haben könnte, zeichnet sich eine Realisierung des Projekts gegenwärtig nicht ab, da bereits das erforderliche Fluggerät sowie eine Fluggesellschaft, die über die für die Durchführung der Flüge erforderlichen Luftverkehrsrechte verfügen würde, fehlen. Vor dem Hintergrund dieses Projektstandes kann MW keine belastbare Prognose zu möglichen Auswirkungen auf den Nachtflugverkehr am Flughafen Hannover-Langenhagen abgeben. 9. Welche Kenntnisse besitzt die Landesregierung, in welchem Umfang das Land mit China Post Nachtflugbewegungen vereinbart hat und welche Flugzeugtypen China Post am Flughafen Hannover einsetzen wird? Es wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. Weder hat das Land Nachtflugbewegungen mit der China Post vereinbart noch strebt das Land an, eine solche Vereinbarung zu treffen. Sollte in der Zukunft eine Frachtflugverbindung für die China Post am Flughafen Hannover-Langenhagen etabliert werden können und sollte diese überhaupt die Abwicklungen von Flügen zur Nachtzeit umfassen , gelten auch für diese Verbindungen die dann jeweils aktuellen Betriebsbeschränkungen. Vor dem Hintergrund des noch laufenden Verwaltungsverfahrens zur Neufassung der Betriebsbeschränkungen ab dem 01.01.2020 sowie gegebenenfalls weiterer Anpassungen bis zu einer tatsächlichen Aufnahme der Verbindung kann eine Prognose zu dann verwendetem Fluggerät nicht erfolgen. Soweit vonseiten der genannten Bürgerinitiative zum Teil verlautbart wird, es könnten Flugzeuge vom Typ Boeing 747F eingesetzt werden, so sind der Landesregierung derartige Planungen ausdrücklich nicht bekannt. 10. Wie viele Starts und Landungen zwischen 24 und 6 Uhr werden auf dem Flughafen Hannover maximal in Spitzenbelastungen von 2020 an möglich sein? Die maximale Kapazität des Flughafens Hannover-Langenhangen ist zur Tag- wie Nachtzeit von mehreren Variablen abhängig und kann nicht ohne weiteres in nur einer Zahl benannt werden. Die folgenden Ausführungen stellen daher nur Näherungswerte dar: Ohne Berücksichtigung weiterer Aspekte könnten über Nord- und Südbahn des Flughafens Hannover -Langenhagen je ca. 40 Flugbewegungen (Starts und Landungen) pro Stunde abgewickelt werden . Einschränkend wirkt sich sodann jedoch bereits aus, dass die Bahnen mit dem von der Deutschen Flugsicherung als zuständige Flugsicherungsorganisation in Hannover praktizierten Verfahren nicht völlig unabhängig voneinander betrieben werden, sodass die Belegung einer Bahn durch ein startendes oder landendes Luftfahrzeug temporär auch die Nutzung der anderen Bahn ausschließt . Auch die verwendeten Luftfahrzeugtypen können einen erheblich reduzierenden Einfluss auf die Kapazität besitzen, da die einzuhaltenden Sicherheitsabstände vor und nach verkehrenden Flugzeugen abhängig von deren Gewicht und Größe variieren. Bereits aufgrund dieser Umstände hat die Flughafengesellschaft beim Flugplankoordinator für die Bundesrepublik Deutschland derzeit daher einen Grenzwert für das Bahnsystem insgesamt von 40 Flugbewegungen pro Stunde, die nach Instrumentenflugregelungen durchgeführt werden, angegeben. Zu berücksichtigen ist zusätzlich bei Passagierlinien/Charterverkehren, dass die Terminals keine Kapazitäten für die Abfertigung von 40 Luftfahrzeugen je Stunde bieten. Umgerechnet auf Flugbewegungen mit den gängigen in Hannover üblichen Flugzeugtypen geht die Flughafengesellschaft insoweit von einem Maximum von ungefähr 20 Flugbewegungen in der Stunde aus, da mit 20 Terminalpositionen in gleichzeitiger Nutzung die Terminals voll ausgelastet sind und mit einem durch- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4584 7 schnittlichen Turnaround (Standzeit des Flugzeugs an der Gangway) von 60 Minuten zu rechnen ist. Im Ergebnis lässt sich daher über einen Mehrstundenzeitraum eine durchschnittliche Anzahl von 20 bis maximal 25 Bewegungen pro Stunde im Passagierverkehr rechnerisch herleiten. Darüber hinaus wären noch einige wenige Bewegungen von Frachtflugzeugen möglich, die nicht die Terminals betreffen. Aufgrund der hier beschränkten Anzahl von Abstellpositionen auf dem Vorfeld und der längeren Turnaround-Zeiten zum Be- und Entladen kämen noch einmal auch abhängig vom jeweiligen Flugzeugtyp zwei bis drei Bewegungen pro Stunde hinzu. Soweit die Frage abweichend von den vorgenannten Darstellungen darauf abzielt, inwieweit diese Maximalwerte durch Regelungen der künftigen, ab dem 01.01.2020 geltenden Betriebsbeschränkungen weiter reduziert würden, kann dies zumindest derzeit bereits nicht beantwortet werden, da die endgültige Fassung der künftigen Betriebsbeschränkungen noch erarbeitet wird. Darüber hinaus sind derartige Aussagen in pauschaler Form aber auch deswegen nicht möglich, weil die unter Lärmgesichtspunkten maximale Anzahl von Flugbewegungen zur Nachtzeit in Abhängigkeit von den konkret verwendeten Flugzeugmustern und deren unterschiedlicher Lärmentwicklung steht. 11. Welche Flugzeugtypen sind von 2020 an für den Frachtbetrieb zwischen 24 und 6 Uhr am Flughafen Hannover geplant bzw. zugelassen? MW nimmt vor dem Hintergrund der dargestellten rechtlichen Rahmenbedingungen keine Planungen hinsichtlich einzelner Flugzeugtypen vor, weil dieses für die Frage der Gewährleistung eines ausreichenden Gesundheitsschutzes entsprechend den Vorgaben des Luftverkehrs- und Fluglärmschutzgesetzes nicht erforderlich ist. Hinsichtlich der Zulassung von Flugzeugtypen sind vor dem Hintergrund des laufenden Verwaltungsverfahrens zur Neuregelung der Betriebsbeschränkungen derzeit noch keine abschließenden Aussagen möglich, da es gegenüber dem bisherigen Entwurf noch zu Änderungen kommen kann. In seiner aktuellen Fassung lässt der Entwurf zwischen 23 Uhr und 05:59 Uhr Starts und Landungen von Luftfahrzeugen mit Strahlturbinenantrieb im Nur-Frachtverkehr zu, die über ein Lärmzeugnis nach Kapitel 3 oder 4 des ICAO Anhang 16 verfügen und die im Anhang 16, Band 1, Kapitel 3 zum ICAO-Abkommen enthaltenen Grenzwerte um eine kumulative Marge von mehr als 8 EPNdB unterschreiten. (Verteilt am 16.09.2019) Drucksache 18/4584 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Detlev Schulz-Hendel und Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung Flughafen Hannover - Betriebsgenehmigung 2020