Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4586 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung Qualitätssicherung in Kindschaftsverfahren - Teil 2 Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP), eingegangen am 12.08.2019 - Drs. 18/4340 an die Staatskanzlei übersandt am 14.08.2019 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 12.09.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten Mit der Antwort in der Drucksache 18/3117 antwortete die Landesregierung auf meine Anfrage in der Drucksache 18/2736, die sich mit der Qualitätssicherung in Kindschaftsverfahren befasste. Aufgrund der Antwort der Landesregierung haben sich weitere Nachfragen ergeben. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung bekräftigt, dass es ihr ein wichtiges Anliegen ist, die Qualität in Kindschaftsverfahren sicherzustellen. Dies geschieht in den Ländern vor allem durch die sorgsame Auswahl und Fortbildung von Familienrichterinnen und -richtern. Diese legen einen besonderen Fokus auf die Wahrung der Bedürfnisse und Rechte der Kinder. Ob es um Kindeswohlgefährdung geht oder um die vor Gericht ausgetragenen Streitigkeiten von getrennten Eltern um das Sorge- oder Umgangsrecht : Kinder sind in solchen Situationen in der Regel die Leidtragenden. Sie bedürfen eines besonderen Schutzes. Mit der Einführung der Rolle des Verfahrenspflegers in Kindschaftsverfahren durch das Kindschaftsreformgesetz (KindRG) zum 1. Juli 1998 sollte den Minderjährigen im gerichtlichen Verfahren eine besondere Stimme gegeben werden. Ihre Wünsche weichen nicht selten von denen der Sorgeberechtigten ab. Während der gerichtlichen Auseinandersetzungen geraten ihre Bedürfnisse schnell aus dem Blick. Häufig stehen sie auch unter einem enormen Loyalitätsdruck. Der Verfahrenspfleger sollte helfen, im gerichtlichen Verfahren die Interessen des Kindes zur Geltung zu bringen. Mit der Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reform) aus dem Jahre 2008 ist aus dem Verfahrenspfleger der Verfahrensbeistand geworden. § 158 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) stellen klar, in welchen Fällen die Bestellung des Verfahrensbeistands durch das Familiengericht regelmäßig zu erfolgen hat. Der Auswahl einer geeigneten Person messen die Familiengerichte eine hohe Bedeutung bei. Sie gehört zu den Kernaufgaben der durch die Verfassung geschützten richterlichen Unabhängigkeit . Niedersächsische Familiengerichte haben mit der Institution des Verfahrenspflegers /-beistands seit 1998 sehr positive Erfahrungen gemacht. 1. Wie gelangt das Gericht an die beruflichen Erfahrungen und die Ausbildungsstände der Personen, welche sie als Verfahrensbeistände auswählt? Werden regelmäßig Lebensläufe und Zeugnisse vorgelegt? Oder wie ist es den Gerichten möglich, über „das Einhalten der Mindestanforderungen der Verfahrensbeistände zu wachen“? Die Verfahrensbeistände bewerben sich bei den niedersächsischen Familiengerichten regelmäßig schriftlich unter Beifügung ihres Lebenslaufs und von Qualifikationsnachweisen. Diese Nachweise schließen Ausbildungsabschlüsse und Zeugnisse zu ihrer Berufsausbildung ebenso ein wie aussagekräftige Unterlagen, die ihre besondere Eignung als Verfahrensbeistand für Kinder belegen, etwa den Nachweis über die Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme. Entsprechende Unterlagen Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4586 2 stehen an den Familiengerichten zur Verfügung. Vor der ersten Bestellung führen Familienrichterinnen und -richter außerdem ein Gespräch, damit sie sich ein konkretes Bild von der persönlichen Eignung der Bewerberin bzw. des Bewerbers machen können. Einige Gerichte machen von der Möglichkeit Gebrauch, ein Führungszeugnis zu erfordern. Innerhalb des gerichtlichen Verfahrens achten sie darauf, dass die Verfahrensbeistände ihre Rolle verantwortungsbewusst für das Kind wahrnehmen. 2. Werden Verfahrensbeistände auch nach ihren Wohnorten ausgewählt? Werden an niedersächsischen Familiengerichten nur ortsansässige Personen als Verfahrensbeistand ausgewählt? Falls ja, gibt es bei den Gerichten Listen, die geeignete Personen mit Wohnsitz benennen, oder wie genau läuft die Auswahl in der Praxis? Die Gerichte bestellen die Person, die sie aufgrund ihrer Qualifikation und der besonderen Fallkonstellation für am besten geeignet halten. Da die meisten Sorge- und Umgangsverfahren dem Beschleunigungsgebot gemäß § 155 FamFG unterliegen, greifen die Familiengerichte verstärkt auf Personen zurück, von deren Geeignetheit sie sich vor Ort einen Eindruck verschaffen konnten und die sich an ihrem Gericht bereits bewährt haben. Da die Verfahrensbeistände zeitnah mit dem Kind, gegebenenfalls mit den Eltern und anderen Bezugspersonen, sowie dem örtlichen Jugendamt Kontakt aufnehmen müssen und die Jugendhilfestrukturen vor Ort kennen sollten, stellt sich die Ortsansässigkeit in den meisten Fällen als Vorteil dar. Einige Gerichte führen zu Informationszwecken Listen, die allerdings die Bestellung weiterer Verfahrensbeistände nicht ausschließen. In seltenen Fällen bestellen Gerichte aufgrund der Expertise Verfahrensbeistände, die nicht ortsansässig sind. 3. Auf welche gesetzliche Vorschrift bezieht sich die Landesregierung mit der Beantwortung der Frage 10 nach der Ablehnungsmöglichkeit eines Verfahrensbeistandes? Mit der Auswahl und Bestellung eines Verfahrensbeistandes hat das Familiengericht dafür zu sorgen , dass dieser die Interessen des Kindes sachgerecht wahrnimmt. Daraus folgt, dass eine Aufhebung der Bestellung des Verfahrensbeistandes von Amts wegen geboten sein kann, wenn sich der Verfahrensbeistand als ungeeignet erweist oder ihm im Zusammenhang mit der Interessenvertretung des Kindes ein Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Dazu gehört auch, dass das Gericht einer vom Kind geäußerten Ablehnung gegen die Person des Verfahrensbeistands Aufmerksamkeit schenkt, selbst wenn das Gesetz eine ausdrückliche Ablehnungsmöglichkeit nicht vorsieht. 4. Wie oft wurde an niedersächsischen Gerichten ein Verfahrensbeistand erfolgreich von Beteiligten abgelehnt? Die Justizstatistik erfasst diese Fragestellung nicht. 5. Wie beurteilt die Landesregierung, dass es sich bei Verfahrensbeiständen nicht um eine geschützte Berufsbezeichnung handelt? Sieht die Landesregierung hier Handlungsbedarf ? Der Landesregierung ist es wichtig, dass nur qualifizierte Personen die Rolle als Verfahrensbeistand einnehmen. In der Regel nehmen diese verantwortungsvolle Aufgabe Personen aus psychosozialen Berufen mit der Fachrichtung Sozialpädagogik, Soziale Arbeit, Pädagogik, Psychologie, Kinder- und Jugendtherapie sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte wahr. Die besondere Expertise bringen sie aus der Erfahrung in dem erlernten und ausgeübten Beruf sowie aus spezifischen Fortbildungen mit. Die Landesregierung sieht darin den besonderen Vorteil für eine hohe und gesicherte Qualität. Die Gerichte können je nach Besonderheit des Falls aus verschiedenen Professionen eine Person als Verfahrensbeistand aussuchen, die im Hinblick auf die besondere Fallkonstellation , das Alter, das Geschlecht und die Disposition des Kindes und der Eltern die beste Unterstützung für das Kind gewährleistet. Handlungsbedarf, sich im Bund für einen eigeneständigen Beruf als Verfahrensbeistand einzusetzen, sieht die Landesregierung aus den genannten Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4586 3 Gründen nicht. Auch der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Jahr 2018 vorgelegte Forschungsbericht zur Evaluierung der FGG-Reform hat keinen entsprechenden Bedarf aufgezeigt. 6. Müssen sich Verfahrensbeistände irgendwo mit der Angabe ihrer speziellen Qualifikation registrieren? Falls nein, sieht die Landesregierung hier Handlungsbedarf, gegebenenfalls die Notwendigkeit, die Richter bei der Auswahl einer geeigneten Person besser zu unterstützen? Verfahrensbeistände in Kindschaftsverfahren müssen sich nicht registrieren lassen. Eine solche Pflicht ist auch nicht erforderlich, da die Bewerberinnen und Bewerber den Gerichten alle erforderlichen Informationen mitteilen, um die Chance auf eine Bestellung zu erhalten. Es gibt inzwischen an allen Gerichtsstandorten Verfahrensbeistände, die ihre Eignung unter Beweis gestellt haben. Angesichts der unter Frage 1 dargestellten Verfahrensweise der Familiengerichte sieht die Landesregierung keinen Handlungsbedarf. 7. Auf welche Weise lässt sich der Berufswunsch zum Verfahrensbeistand, der von Gerichten beauftragt wird, realisieren? Gibt es Unterschiede in den verschiedenen Bundesländern ? Die Landesregierung sieht aus den unter Frage 5 genannten Gründen keinen Bedarf für die Schaffung eines neuen Berufsbildes. (Verteilt am 16.09.2019) Drucksache 18/4586 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums Qualitätssicherung in Kindschaftsverfahren - Teil 2