Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4597 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung Studie der TiHo Hannover zum Zustand von Schweinen, die in Tierkörperbeseitigungsanlagen angeliefert werden: Warum ist der Landtagsbeschluss in der Drucksache 18/1951 nicht vollständig umgesetzt worden? Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte (GRÜNE), eingegangen am 06.08.2019 - Drs. 18/4327 an die Staatskanzlei übersandt am 12.08.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 13.09.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Etwa jedes fünfte in Deutschland geborene Schwein wird nicht im Schlachthof geschlachtet und verarbeitet, sondern verendet vorzeitig beim tierhaltenden Betrieb und wird in Tierkörperbeseitigungsanlagen entsorgt. Aus der Studie der Tierärztlichen Hochschule (TiHo) Hannover von Frau Prof. Elisabeth große Beilage zum Befund von toten Schweinen in Tierköperbeseitigungsanlagen (sogenannten VTN-Anlagen ) hat sich ergeben, dass 13,2 % der angelieferten Mastschweine und 11,2 % der Zuchtschweine vor ihrem Tod über einen längeren Zeitraum entgegen den Vorschriften des Tierschutzgesetzes gelitten haben und bei 61,8 % der Schweine eine mangelhafte Betäubung vor der Nottötung stattfand . Der Landtag hat mit Beschluss 18/1951 vom 24.10.2018 fraktionsübergreifend auf Grundlage des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 18/150 verschiedene Maßnahmen gefordert. Der Beschluss lautet: Der Landtag fordert die Landesregierung auf, 1. eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu starten, die gesetzlichen Grundlagen einer routinemäßigen Überprüfung von Tierkadavern auf Tierschutzverstöße in Entsorgungsbetrieben zu schaffen, 2. weiterhin in niedersächsischen VTN-Betrieben Stichproben zu nehmen, um eine Evaluation über einen längeren Zeitraum zu ermöglichen, 3. sich weiterhin für eine Rechtsgrundlage zur einfachen Rückverfolgbarkeit bei Anlieferung in VTN-Betriebe auf Bundesebene einzusetzen, 4. den Umgang mit kranken Tieren sowie die fachgerechte Nottötung durch eine effektive Schulung und Fortbildung der Nutztierhalter und deren Mitarbeiter zu verbessern, 5. den Umgang mit kranken Tieren sowie die fachliche Nottötung in der landwirtschaftlichen Ausbildung sowie im landwirtschaftlichen Studium verstärkt zu behandeln, 6. dafür Sorge zu tragen, dass die Nutztierhalter Handlungsempfehlungen und Kontrolllisten zur Verfügung gestellt bekommen, um die Entscheidungsfindung für den richtigen Euthanasie- Zeitpunkt zu erleichtern; dabei sollte die fachlich korrekte Nottötung bildlich erläutert werden. In der Unterrichtung 18/3331 vom 19.03.2019 erklärt die Landesregierung zum Stand der Umsetzung des Landtagsbeschlusses, die Forderungen seien „überwiegend abgedeckt“ oder die „nach- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4597 2 haltige Abarbeitung initiiert“. Allerdings formuliert sie zur Forderung nach Stichproben des Landtags : „Wenn aufgrund der niedersächsischen Initiative bundesweit Tierschutzkontrollen in VTN-Betrieben ermöglicht werden, erübrigt sich die Forderung, bereits jetzt in niedersächsischen VTN-Betrieben Stichproben zu nehmen, um eine Evaluierung über einen längeren Zeitraum zu ermöglichen, wie unter Nummer 2 der Entschließung gefordert. Vorhandene Personalressourcen wurden aufgrund der Geschehnisse in den letzten Monaten anlassbezogen schwerpunktmäßig für die intensivierte Überwachung von Schlachtbetrieben eingesetzt . Daher wurde die Umsetzung der Forderungen der Nummer 2 der Entschließung zunächst zurückgestellt . Zwischenzeitlich wurde auf Fachebene länderübergreifend festgestellt, dass grundsätzlich aus Kontrollen in Verarbeitungsbetrieben für tierische Nebenprodukte Hinweise auf Tierschutzverstöße gewonnen werden können. Die Evaluierung durch stichprobenhafte Untersuchungen erscheint daher nicht mehr erforderlich.“ 1. Warum hat die Landesregierung dem Bundesrat lediglich den Antrag 93/19 vorgelegt und keinen eigenen Gesetzentwurf erarbeitet, sodass das Verfahren beschleunigt werden könnte und sichergestellt wäre, dass eine Weiterleitung an den Bundestag binnen sechs Wochen stattfinden muss? Der Landtag forderte mit Beschluss 18/1951 vom 24.10.2018 die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu starten, die gesetzlichen Grundlagen einer routinemäßigen Überprüfung von Tierkadavern auf Tierschutzverstöße in Entsorgungsbetrieben zu schaffen. Dieser Aufforderung ist die Landesregierung mit dem Entschließungsantrag vom 26.02.2019 (BR-Drs. 93/19) nachgekommen. Bundesratsinitiativen können in Form von Gesetzesvorlagen und in Form von Entschließungsanträgen in den Bundesrat eingebracht werden. Zum maßgeblichen Zeitpunkt wurde entschieden, dass ein Entschließungsantrag sachdienlicher ist, da die Sachlage nicht ausermittelt war. 2. Welche Signale gab es von der Bundesregierung, dem Bundesratsbeschluss 93/19 zu folgen und selbst die rechtlichen Grundlagen für die Überwachung der angelieferten Tiere in VTN-Anlagen und deren Rückverfolgbarkeit zu schaffen? Der Landesregierung liegt bisher keine Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Entschließungsantrag vom 26.02.2019 (BR-Drs. 93/19) vor. 3. Falls es positive Signale gab: Wann ist mit den geforderten rechtlichen Grundlagen zu rechnen? Antwort entbehrlich (siehe Antwort zu Frage 2). 4. Falls es keine Signale gab: Wird die Landesregierung den Landtagsbeschluss umsetzen und dem Bundesrat einen Gesetzentwurf vorlegen? Die Landesregierung hat den Landtagsbeschluss mit dem Entschließungsantrag vom 26.02.2019 (BR-Drs. 93/19) aufgegriffen. Die Vorlage eines Gesetzesentwurfs ist derzeit nicht geplant. 5. Warum hat die Landesregierung die Stichprobennahme in VTN-Anlagen nicht wie gefordert fortgesetzt? Im Februar 2019 wurde von der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz festgestellt, dass grundsätzlich aus Kontrollen in Verarbeitungsbetrieben für tierische Nebenprodukte Hinweise auf Tierschutzverstöße gewonnen werden können. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4597 3 Das Ziel, amtlicherseits festzustellen, ob es vorgenannter Rechtsgrundlage bedarf, ist mit der stichprobenhaften Untersuchung erfüllt worden. Um nicht nur anlassbezogen Kontrollen in VTN-Betrieben durchzuführen, bedarf es jedoch entsprechender rechtlicher und sachlicher Voraussetzungen. Um bei festgestellten Hinweisen auf Tierschutzverstöße eine Rückverfolgbarkeit insbesondere zum schweinehaltenden Mastbetrieb realisieren zu können, bedarf es ebenfalls zwingend einer entsprechenden Rechtsgrundlage. 6. Ist Personalmangel aus Sicht der Landesregierung ein ausreichender Grund, diese Forderung im Landtagsbeschluss nicht umzusetzen? Siehe Antwort zu Frage 5. 7. Wenn die Umsetzung durch den Bund noch nicht stattgefunden hat, wie kann dann in der Unterrichtung die Auffassung vertreten werden, dass auf die vom Landtag geforderte Stichprobenahme zur Evaluation verzichtet werden könne? Siehe Antwort zu Frage 5. Darüber hinaus ist eine Ahndung von in VTN-Betrieben festgestellten Tierschutzverstößen und aufgrund festgestellter Verstöße anzuordnender Maßnahmen zur Abstellung tierschutzrelevanter Mängel derzeit nicht in allen Fällen möglich. Dieses liegt an der nicht bei allen an VTN angelieferten Tieren sichergestellten Rückverfolgbarkeit zum letzten Haltungsbetrieb. 8. Wie viele Schulungen zum Umgang mit kranken Tieren und zu Nottötungen haben seit dem Landtagsbeschuss zusätzlich stattgefunden? Im Zeitraum zwischen Ende Oktober 2018 (Beschluss des Landtages - Drs. 18/1951) bis August 2019 haben an ca. 40 Schulungen durch die Landwirtschaftskammer Niedersachsen ca. 1 500 Personen teilgenommen. Durch Schulungen der Auditoren von Qualität und Sicherheit GmbH im Bereich Geflügel, Rind und Schweine wurden zusätzlich an acht Standorten bundesweit ca. 240 Auditoren geschult, die Kenntnisse vermitteln. Durch die Landwirtschaftskammer Niedersachsen, die ISN e. V. und die Qualität und Sicherheit GmbH wurde ein Online-Fortbildungskurs zur Nottötung entwickelt, der jedem Tierhalter zur Verfügung steht. Bei allen zukünftig im Rahmen der Niedersächsischen Nutztierstrategie - Tierschutzplans 4.0 erarbeiteten „Leitlinien für den Umgang mit landwirtschaftlichen Nutztieren“ wird u. a. ein Fokus auf den Umgang mit erkrankten und verletzten Tieren gelegt. Dieses ist bereits bei der Tierschutzleitlinie für die Mastrinderhaltung erfolgt und wird auch bei der Erarbeitung einer Tierschutzleitlinie für die Schafhaltung und bei der Überarbeitung der Milchkuhleitlinie Berücksichtigung finden. 9. Wie viel Prozent der Tierhaltenden haben in etwa an den Schulungen teilgenommen? Von Mai 2018 bis August 2019 wurden von 5 900 schweinehaltenden Betrieben (Stand November 2017) 37,3 % seitens der Landwirtschaftskammer Niedersachsen geschult. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4597 4 10. Was hat die Landesregierung unternommen, um diese Aspekte in der Ausbildung und im Studium zu verbessern? Das Thema „tierschutzgerechter Umgang mit erkrankten und verletzten Tieren“ wurde in allen davon betroffenen Fachgremien der Niedersächsischen Nutztierstrategie - Tierschutzplan 4.0 aufgegriffen : Die Arbeitsgruppe (AG) „Schwein“ wird dafür z. B. bereits vorhandene Informationen und Erkenntnisse , auch aus Projekten, sammeln und analysieren und in einem Entscheidungswegweiser für Landwirte, Transporteure und Viehhändler, praktizierende Tierärzte und Behördenmitarbeiter bündeln . Dieser soll z. B. die Entscheidungshilfe geben, wann ein verletztes oder erkranktes Tier in einer Separations- oder Krankenbucht unterzubringen ist bzw. in welchem Fall ein Transport oder eine Schlachtung noch möglich ist, aber auch, wann der vernünftige Grund für eine Tötung vorliegt. Zusätzlich werden Schulungsinhalte für Sachkundeschulungen für Landwirte erarbeitet, bei denen das Thema gebührend berücksichtigt wird. Die Sicherstellung des tierschutzgerechten Umgangs mit erkrankten und verletzten Rindern ist beispielsweise auch für die AG „Rinder und kleine Wiederkäuer“ ein prioritäres Ziel. Zur Zielerreichung sollen neben einer entsprechenden Ergänzung der Milchkuhleitlinie auch Schulungsinhalte entwickelt und behandlungswürdige Krankheiten definiert werden. Dabei soll u. a. auf die Klauengesundheit eingegangen werden, es sollen Maßnahmen, die der Landwirt selbst oder ein Tierarzt durchführen darf, voneinander abgegrenzt werden und Aussagen zu einer geeigneten Ausstattung für den Umgang mit erkrankten und verletzten Tieren getroffen werden. Die tierartübergreifend agierende Projektgruppe „Schlachten und Töten“ hat zur sachgerechten Durchführung der Tötung von Nutztieren im landwirtschaftlichen Betrieb ein eigenes Projektteam eingerichtet. Für die Vermittlung der für eine tierschutzkonforme Durchführung von Tötungen von Nutztieren im landwirtschaftlichen Betrieb benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten durch flächendeckende Schulungen für alle Nutztierarten wird die Projektgruppe Mindeststandards für Schulungsinhalte erarbeiten. 11. Was hat die Landesregierung unternommen, um allen landwirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben, die Tiere halten, die geforderten Handlungsempfehlungen zukommen zu lassen? Die Handlungsempfehlungen werden derzeit u. a. im Rahmen eines Projekts und in den Arbeitsund Projektgruppen der Niedersächsischen Nutztierstrategie - Tierschutzplan 4.0 erarbeitet (siehe auch Antwort zu Frage 10). Die Landesregierung fördert derzeit ein weiteres, kürzlich angelaufenes Projekt der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover unter der Leitung von Frau Prof. große Beilage. Mit der Studie soll unter Einbindung landwirtschaftlicher Betriebe eine Entscheidungshilfe erarbeitet werden, die bei der Einschätzung des gesundheitlichen Zustands, der Prognose, bei der Beurteilung zum Vorliegen erheblicher Schmerzen und Leiden und bei der Abschätzung der Notwendigkeit einer Behandlung oder Tötung herangezogen werden kann. Es werden Kriterien definiert, die im Einzelfall bei Schweinen die Feststellung der Unausweichlichkeit einer Tötung erlauben und den richtigen Zeitpunkt für das Erlösen erkrankter Schweine darstellen. (Verteilt am 17.09.2019) Drucksache 18/4597 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Studie der TiHo Hannover zum Zustand von Schweinen, die in Tierkörperbeseitigungsanlagen angeliefert werden: Warum ist der Landtagsbeschluss in der Drucksache 18/1951 nicht vollständig umgesetzt worden?